Shoah Literatur

ursi

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Der Umgang mit der Shoah Literatur ist für den Leser immer wieder eine Herausforderung und Grenzerfahrung. Die Berichte der Überlebenden sind Zeugnisse eines unfassbaren Ereignisses in der Geschichte. Sie gehen an die Grenzen des Vorstellbaren. Die Holocaust-Literatur gibt es heute in vielfältigen Ausführungen, das geht über den Roman hin zum Drama und der Lyrik, weiter zur Satire oder gar ins Groteske. Die ganze Bandbreite findet man heute in den Buchhandlungen, sich hier zu Recht zu finden ist nicht immer ganz einfach und man verliert sich oft darin.

Dieser Thread soll dazu dienen sich in dieser Menge von Literatur zur Recht zu finden. Wenn ihr also ein Buch über den Holocaust gelesen habt, dann stellt doch das Buch hier vor. Es geht in diesem Thread aber nicht um historische Fachbücher, sondern um die oben aufgeführten Werke. Also um Romane, Dramen, Lyrik, Tagebücher, Autobiographien, Satire etc.
 
Eine Fälschung

Ich beginne mal mit einer Fälschung.

Binjamin Wilkomirski schrieb 1995 ein Buch mit dem Titel: „Bruchstücke. Aus meiner Kindheit 1939 – 1948. Das Buch ist in der Ich-Form geschrieben und schildert die Ereignisse aus der Perspektive eines Kleinkindes. Der Erzähler berichtet über die Zerstörung des Ghettos Riga, wie er von seiner Familie getrennt wurde, dann in ein Konzentrationslager deportiert und gerettet wurde und in einem Krakauer Waisenhaus am Ende in die Schweiz zu seinen Pflegeeltern kam, die ihn adoptierten. Diese Pflegeeltern hätten dann darauf bestanden seine Geschichte zu vergessen.
Schon beim Erscheinen des Buches kamen die ersten Zweifel über die Echtheit auf. Man fragte sich wie kann ein drei – oder vierjähriges Kind sich an solche Einzelheiten erinnern. Trotz dieser Zweifel, wurde das Buch gelobt, auch von der Wissenschaft. Es wurde in neun Sprachen übersetzt und bekam zahlreiche Auszeichnungen. Der Autor reiste als Überlebender in die USA und Israel und hielt dort Vorträge und Lesungen. Der Verlag sah in diesem Buch eine erschütternder autobiographische Authentizität.
1998 veröffentlichte ein Schweizer Journalist einen Artikel, in dem er den Autor Wilkomirski als einen gebürtigen Schweizer entlarvte, der in Wahrheit Bruno Doesseker hiess. Der Verlag und natürlich auch der Autor regierten damit, dass die Holocaust-Überlebenden immer wieder solche Anschuldigungen ausgesetzt seien und das der Journalist die Unwahrheit geschrieben habe. Es gab dann eine ausführliche wissenschaftliche und juristische Überprüfung des Falls und der Verdacht des Journalisten wurde bestätigt. Bei Bruno Doesseker handelte es sich um einen wohlhabenden Schweizer, der seit 1970 einen neuen Namen, eben Wilkomirski, verwendete und sich sukzessive in eine jüdische Opfer-Identität hineinlebte.
Es gab dann einen Prozess wegen beabsichtigten Betruges, dieser wurde aber eingestellt.
Was will ich nun mit dieser Geschichte genau sagen. Dieser Autor hat fahrlässig mit autobiographischen Daten gespielt. Der Leser kann sich seit diesem Skandal nicht mehr darauf verlassen, dass die Literatur von Überlebenden auch wirklich solche ist. Dieser Autor hat mit einer vermeintlichen Identität und das verwendet eines falschen Namens (es war ja kein Pseudonym) eine Grenze überschritten.


Binjamin Wilkomirski ? Wikipedia

Ein fast perfekter Schmerz | Feuilleton | ZEIT ONLINE
 
Was ich hier vorbehaltlos empfehlen könnte, wären die "Comics" von Art Spiegelman, "MAUS I&II".

Comics ist hier wohl auch der verkehrte Begriff, wenn ich nicht irre, nennt sich das Genre graphischer Roman.

Im Wesentlichen handeln die beiden Bücher vom Leben des Vaters des Autors, welcher als polnischer Jude den Holocaust durchlebte. Bemerkenswert an diesen Büchern ist nicht nur die schonungslose Erzählweise, die wirklichkeitsgetreu berichtet, sondern zudem die Symbolik, die sich aus der Verwendung von "Typen" von Charakteren ergibt. Juden werden durchwegs als Mäuse gezeichnet (so auch der Autor und sein Vater in der Rahmenhandlung), die Nationalsozialisten als Katzen - und die wenigen auftretenden Polen als Schweine.

Während der Hauptteil der Handlung sich direkt auf den Holocaust bezieht und ihn sozusagen "von Anfang an" beschreibt, und wie Herr Spiegelman sr. das erlebt (von seiner Heirat vor Beginn des Zweiten Weltkriegs über das Aufbauen eines gemeinsamen Lebens trotz der schweren Depressionen seiner Frau bis hin zum Konzentrationslager und der Befreiung durch die Alliierten am Ende), spielt die Rahmenhandlung in der "Zeit danach" und zeigt anschaulich, wie das Leben für manche der wenigen Überlebenden weiterging und welche Gewohnheiten sie teilweise bis zu letzt beibehielten.
 
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