Wehrwirtschaftsführer

El Quijote

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Bei Wikipedia findet sich im Artikel Wehrwirtschaftsführer folgendes:

Ab 1940 wurden immer öfter auch führende Vertreter von Unternehmen der Nicht-Rüstung dieser Titel verliehen, um die Umstellung der Betriebe auf die Belange der Kriegswirtschaft zu dokumentieren. Insbesondere bei Ernennungen vor 1940 sagt der Titel kaum etwas über die politische Nähe des Inhabers zum NS-Regime oder über die rüstungswirtschaftliche Bedeutung seines Betriebes.

Was mich irritiert, ist das >>vor<<. Müsste nicht vor 1940 die Ernennung zum Wehrwirtschaftsführer sehr viel aussagekräftiger zum Thema Verhältnis zum Regime sein? In den Kriegsjahren bekam ja aufgrund der nationalsozialistischen Titelinflation jeder Heiopei jeden nur erdenklichen Titel.

Dass die rüstungswirtschaftliche Bedeutung des Betriebes vielleicht nicht immer so gegeben war, sehe ich ja ein.
 
Die Passage stammt offensichtlich von Cornelia Rauh:

"Wichtig ist jedoch, dass der Titel des Wehrwirtschaftsführers nach dieser Quelle und bisherigen personenbezogenen Forschungen zur Kriegswirtschaft und Entnazifizierungspraxis nichts über die politische Nähe des Inhabers zum NS-Regime aussagt, ebenso wenig wie über die rüstungswirtschaftliche Bedeutung seines Unternehmens. Die Säuberungsrichtlinien des sog. Befreiungsgesetzes in der amerikanischen Zone und darauf basierende Entnazifizierungsrichtlinien in der Französischen Zone gingen insofern an der politischen Praxis des NS-Herrschaftsalltags vorbei."
Wehrwirtschaftsführer im NS - H-Soz-u-Kult / Forum / Anfragen

Das beruht vermutlich auf ihrer Analyse, nach der die WWF vor 1938 von der Wehrmacht ernannt wurden, und diese "Bindung" nicht zwingend mit Linientreue zur NSDAP verbunden war, sondern von der Bedeutung des Betriebes für die Wehrmacht geprägt war.
 
Das beruht vermutlich auf ihrer Analyse, nach der die WWF vor 1938 von der Wehrmacht ernannt wurden, und diese "Bindung" nicht zwingend mit Linientreue zur NSDAP verbunden war, sondern von der Bedeutung des Betriebes für die Wehrmacht geprägt war.

Indem nach 1938 fortfolgend versucht wurde , die gesamte Wirtschaft
unter zentralistische Staatsverwaltung zu stellen, sollte man vielleicht
die "Wehrwirtschaftsführer" als Führungssstellen dieser zentralistischen Struktur sehen und nicht zwangsläufig als " NSDAP" - Karrieristen ....
obwohl es unter ihnen bestimmt allerhand gab.
Es brachte ja auch wirtschaftliche Vorteile, in einer Führungsfunktion zu
sein , wenn man den WWF gleichzeitig als Unternehmer oder Vertreter
eines Unternehmens sieht - siehe nur die Kontigentierung von
Rohstoffen und zunehmend immer mehr Materialien für die
Produktionen.
 
In einem Memorandum „Das Wehrwirtschaftsführer-Korps“ aus dem Jahr 1938, das wohl aus der Wehrmacht stammt, wurden für Vorschläge zur Ernennung den Teilstreitkräften durch das Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt des OKW keinerlei Vorschriften im Hinblick auf eine NSDAP-Nähe gemacht. Neben „Betriebsführern“ kamen auch sonstige leitende Angestellte in Betracht, sowie Personen, die sich um die Rüstung verdient gemacht hatten, oder solche, die man zur Unterstützung bei der Organisation der Rüstung heranziehen wollte.

Als dann die Ernennung durch den Reichswirtschaftsminister erfolgte, wohl auf Drängen von Parteiführern, konnten die IHKs den Rüstungsinspekteuren Vorschläge zur Ernennung machen ohne die Parteidienststellen zu beteiligen.
Wehrwirtschaftführer wurden so auch Personen, die der NSDAP durchaus reserviert gegenüberstanden, wie etwa Hans Leonhard Hammerbacher, der 1945 nach Kriegsende Vorstandvorsitzender der BCC in Mannheim wurde. Auch Richard Freudenberg, bis 1933 badischer Landesvorsitzender der DDP, wurde Wehrwirtschaftsführer trotz seiner ideologischen Ferne. Er war übrigens als direkt gewählter Parteiloser Mitglied des ersten Bundestages 1949-1953.

Und Claude Dornier, der ebenfalls nicht gerade parteinah war und dessen Betriebe deshalb weder von Hitler noch von Göring je besucht wurden, wurde Wehrwirtschaftsführer, obwohl er bei seiner Einbürgerung nach Württemberg 1912 die französische Staatsangehörigkeit beibehalten hatte. Das wurde ihm von den Franzosen 1945 übrigens besonders angekreidet.
Das mit Göring stimmt nicht ganz. In den 20er Jahren war er mehrmals als Fallschirmvertreter bei Claude Dornier, der ihm auch jeweils das Hotel und die Bahnfahrkarte zur Weiterfahrt bezahlte, allerdings nicht wegen seiner NSDAP-Tätigkeit, sondern weil er Pour-le-Merite-Flieger des ersten Weltkrieges war
 
Zuletzt bearbeitet:
Als dann die Ernennung durch den Reichswirtschaftsminister erfolgte, wohl auf Drängen von Parteiführern, konnten die IHKs den Rüstungsinspekteuren Vorschläge zur Ernennung machen ohne die Parteidienststellen zu beteiligen.
Wehrwirtschaftführer wurden so auch Personen, die der NSDAP durchaus reserviert gegenüberstanden, wie etwa Hans Leonhard Hammerbacher, der 1945 nach Kriegsende Vorstandvorsitzender der BCC in Mannheim wurde. Auch Richard Freudenberg, bis 1933 badischer Landesvorsitzender der DDP, wurde Wehrwirtschaftsführer trotz seiner ideologischen Ferne. Er war übrigens als direkt gewählter Parteiloser Mitglied des ersten Bundestages 1949-1953.

Sehe ich auch so, man muss da sicher die Einzelfälle betrachten. Es kann durchaus sein, dass solche Ernennungen sogar als "Schutzmechanismus" vor Parteieingriffen bzw. -übergriffen in die Unternehmung verstanden wurden. Vor einiger Zeit hatten wir mal Junkers in der Diskussion. Analog kann man die Deutsche Bank heranziehen, bei der Personalbesetzungen (es gibt da Publikationen zur "kritischen Unternehmensgeschichte") auch als Instrument in diesem Sinne benutzt wurden. Daneben findet man die Fälle der überzeugten Nationalsozialisten.
 
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