Anschluss Österreichs 1938

Rheinländer

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Darf ich mal fragen wo du das her hast? In meinem gesamten Familien- und Bekanntenkreis hätte niemand wirklich eine Freude daran, als Deutscher bezeichnet zu werden. (Was nicht bedeutet, dass ich etwas gegen Deutsche habe, bitte nicht falsch verstehen. Ich bin nur stolz darauf, Österreicherin zu sein, und möchte das "österreichische" verteidigen.)

Und das ganze auf die Besetzung Österreichs von 1938 bis '45 zu stützen, finde ich, gelinde gesagt, eine Sauerei.

Losgelöst von der anderen Diskussion hier. Also der Anschluss Österreichs oder wie man's nennen mag ist sicherlich nicht bei allen Teilen der Österreichischen Bevölkerung auf Begeisterung gestoßen. Aber es dürfte doch unbestreitbar sein, dass große Teile der Österreicher den Anschluss eben doch begrüßt habe, siehe Integration in die Wehrmacht, Jubelszenen beim Anschluss und das Ausbleiben von Widerstand.

In diesem Zusammenhang sollte man daher doch nicht von einer "Besetzung" sprechen, besetzt waren Länder wie Frankreich, Dänemark usw. Diese "Besetzungen" unterscheiden sich qualitativ ja auch extrem vom "Anschluss" Österreichs und dem folgenden Umgang mit diesem Gebiet. Das österreichische Gebiet wurde ja als integraler Bestandteil des Deutschen Reichs behandelt.

Also ich finde, Österreich als "besetzt" zu bezeichnen ist offen gestanden apologetisch.
 
Ich weise außerdem darauf, dass gleich nach dem Anschluss ca. 70.000 Österreicher verhaftet wurden, was mehr als 1% (!) der Gesamtbevölkerung war.

Bei den Jubelszenen kamen zwar sicherlich viele auch freiwillig, aber bei der berühmten Kundgebung am Heldenplatz wurden die Belegschaften diverser Wiener Betriebe geschlossen hingeführt. Jubelszenen sind in Diktaturen nie sehr aussagekräftig, man denke auch an die Jubelszenen in kommunistischen Staaten bei Aufmärschen etc.

Wie viele Österreicher wirklich den Anschluss begrüßten, muss dahingestellt bleiben. Bei den Landtagswahlen 1932 erhielt die NSDAP zwischen 10,5% und 20,7%. Später gab es in Österreich keine Parlamentswahlen mehr, da 1933 eine Diktatur errichtet wurde.
 
In dieser Hinsicht kann man nicht von einem "Anschluss" sprechen, da habt ihr Recht.

Aber ich würde trotzdem nicht von "Besetzung" sprechen, da Österreich doch vom Deutschen Reich faktisch annektiert wurde und als neuer Teil des Deutschen Reichs aufgefasst wurde. "Besetzung" hat für mich doch einen eher provisorischen Charakter, der die Nicht-Zugehörigkeit des jeweiligen Gebiets zum Staatsgebiet des "Besetzers" betont.

Trotzdem stelle ich aber die These auf, dass die Zustimmung der Österreicher zur Annektion durch das Deutsche Reich in der Masse der Bevölkerung "positiver" aufgenommen wurde als in den besetzten Ländern, da Österreicher ja bei entsprechender Herkunft (Nicht-Jude, Nicht-Sozialist) und systemkonformen Verhalten ja als gleichberechtigt gegenüber den Deutschen (sprich als Deutsche) angesehen wurden, im Gegensatz zu Franzosen, Polen usw.
 
In dieser Hinsicht kann man nicht von einem "Anschluss" sprechen, da habt ihr Recht.

Aber ich würde trotzdem nicht von "Besetzung" sprechen, da Österreich doch vom Deutschen Reich faktisch annektiert wurde und als neuer Teil des Deutschen Reichs aufgefasst wurde. "Besetzung" hat für mich doch einen eher provisorischen Charakter, der die Nicht-Zugehörigkeit des jeweiligen Gebiets zum Staatsgebiet des "Besetzers" betont.

Trotzdem stelle ich aber die These auf, dass die Zustimmung der Österreicher zur Annektion durch das Deutsche Reich in der Masse der Bevölkerung "positiver" aufgenommen wurde als in den besetzten Ländern, da Österreicher ja bei entsprechender Herkunft (Nicht-Jude, Nicht-Sozialist) und systemkonformen Verhalten ja als gleichberechtigt gegenüber den Deutschen (sprich als Deutsche) angesehen wurden, im Gegensatz zu Franzosen, Polen usw.


Kannst du dafür Belege ins Feld führen?

Bei der anschließenden Volksabstimmung zum Anschluss wurden über 10% der Wahlberechigten von der Wahl ausgeschlossen.
 
Die Sozialisten hatten weniger zu befürchten, Hauptziele der Nazis waren in Österreich neben den Juden und Kommunisten die Christlichsozialen als Träger der Diktatur 1933-1938, in der die Nazis bekämpft wurden. Christlichsoziale Funktionäre wurden gleich nach dem Anschluss reihenweise nach Dachau und in Gefängnisse verfrachtet.

Ob es sich um eine Besetzung oder Annektion handelte, war nach 1945 auch umstritten. Praktisch relevant war diese Frage, weil es sich je nachdem bei Österreich nach 1945 um einen kontinuierlich existierenden oder um einen neugegründeten Staat handelte.
 
In dieser Hinsicht kann man nicht von einem "Anschluss" sprechen, da habt ihr Recht.

Aber ich würde trotzdem nicht von "Besetzung" sprechen, da Österreich doch vom Deutschen Reich faktisch annektiert wurde und als neuer Teil des Deutschen Reichs aufgefasst wurde. "Besetzung" hat für mich doch einen eher provisorischen Charakter, der die Nicht-Zugehörigkeit des jeweiligen Gebiets zum Staatsgebiet des "Besetzers" betont.

Trotzdem stelle ich aber die These auf, dass die Zustimmung der Österreicher zur Annektion durch das Deutsche Reich in der Masse der Bevölkerung "positiver" aufgenommen wurde als in den besetzten Ländern, da Österreicher ja bei entsprechender Herkunft (Nicht-Jude, Nicht-Sozialist) und systemkonformen Verhalten ja als gleichberechtigt gegenüber den Deutschen (sprich als Deutsche) angesehen wurden, im Gegensatz zu Franzosen, Polen usw.

Dazu hätte ich gerne Quellen. Wie misst du deine These? Anhand von Fotos, die meist von der Nazipropaganda gestellt waren?
 
Kannst du dafür Belege ins Feld führen?

Bei der anschließenden Volksabstimmung zum Anschluss wurden über 10% der Wahlberechigten von der Wahl ausgeschlossen.

Das ist doch ideologisch angelegt. Hitler hat die "Ostmark" doch als natürlichen Teil Deutschlands betrachtet. Daher wurden die Bewohner grundsätzlich als Deutsche angesehen und mussten daher grundsätzlich genauso wie Deutsche aus den Reichsgebieten behandelt werden. Natürlich wurden viele von der Wahl ausgeschlossen, aber im Deutschen Reich war es doch genauso mit Kommunisten, Juden usw.

Aus der ideologischen NS-Sicht hatten Österreicher = Deutsche die selbe Wertigkeit wie Reichsdeutsche (oder wie man sie bezeichnen will), wohingegen Franzosen und Polen ja als in gewissen Abstufungen bis zum "Untermenschen" als minderwertig betrachtet werden.

Diese Verfolgungen widersprechen dem ganze ja nicht. Nur hatte Österreich in der NS-Konzeption eine andere Wertigkeit als die anderen, besetzten Länder. Und desewgen kann man die Situation Österreich meiner Meinung nach nicht so leicht mit der Situation in den anderen, besetzten Ländern gleichsetzen.
 
Dazu hätte ich gerne Quellen. Wie misst du deine These? Anhand von Fotos, die meist von der Nazipropaganda gestellt waren?

Ich hab jetzt ehrlich gesagt keine Zeit, dafür schriftliche Belege zu bringen. Natürlich ist das unwissenschaftlich. Aber ich hab meine These nicht aus der NS-Propaganda gezogen, sondern einfach als logischen Schluss. Weil es doch ein Unterschied ist, ob man in einem Land als Staatsbürger lebt, dass von den Nazis als minderwertig und zur Ausbeutung freigegeben behandelt wird, wie z.B. Polen oder die Sowjetunion, als wenn man in einem Land lebt, dass von den Nazis als historischer Teil des Deutschen Reichs angesehen wird.
 
Mir ist klar, dass die Annektion durch NS-Deutschland in weiten Kreise nicht auf Begeisterung gestoßen ist und dass der Einmarsch für viele ein Alptraum war, aber ich hoffe, dass aus meinen vorherigen Beiträgen der von mir konstatierte Unterschied zu anderen, besetzten Ländern deutlich wird.
 
Ich hab jetzt ehrlich gesagt keine Zeit, dafür schriftliche Belege zu bringen. Natürlich ist das unwissenschaftlich. Aber ich hab meine These nicht aus der NS-Propaganda gezogen, sondern einfach als logischen Schluss. Weil es doch ein Unterschied ist, ob man in einem Land als Staatsbürger lebt, dass von den Nazis als minderwertig und zur Ausbeutung freigegeben behandelt wird, wie z.B. Polen oder die Sowjetunion, als wenn man in einem Land lebt, dass von den Nazis als historischer Teil des Deutschen Reichs angesehen wird.

Sag das mal den verfolgten, misshandelten und ermordeten Österreicher ob die das auch so sehen.

Mir ist es schon klar, was du meinst und das es einen Unterschied zwischen der Besetzungen gibt. Nur bin ich der Meinung sollte man schon aufpassen, das man nicht pauschalisiert. Es waren ja auch nicht alle Deutschen Nazis.
 
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Aus der ideologischen NS-Sicht hatten Österreicher = Deutsche die selbe Wertigkeit wie Reichsdeutsche (oder wie man sie bezeichnen will), wohingegen Franzosen und Polen ja als in gewissen Abstufungen bis zum "Untermenschen" als minderwertig betrachtet werden.
Polen ja, aber Franzosen? Das wäre mir neu.

Diese Verfolgungen widersprechen dem ganze ja nicht. Nur hatte Österreich in der NS-Konzeption eine andere Wertigkeit als die anderen, besetzten Länder. Und desewgen kann man die Situation Österreich meiner Meinung nach nicht so leicht mit der Situation in den anderen, besetzten Ländern gleichsetzen.
Du hast schon recht, dass die Österreicher nicht als ein auszubeutendes Volk von Untermenschen betrachtet wurden. Aber einen für die meisten Menschen gravierenden Punkt übersiehst Du: Sie mussten für Hitler Wehrdienst leisten! Insofern wage ich zu behaupten, dass es den Männern in den besetzten Ländern Westeuropas, sofern sie nicht zu einer verfolgten Minderheit gehörten, in der Regel zumindest nicht schlechter gegangen sein wird als den Österreichern. In Osteuropa und am Balkan war das natürlich anders.
 
Du hast schon recht, dass die Österreicher nicht als ein auszubeutendes Volk von Untermenschen betrachtet wurden. Aber einen für die meisten Menschen gravierenden Punkt übersiehst Du: Sie mussten für Hitler Wehrdienst leisten! Insofern wage ich zu behaupten, dass es den Männern in den besetzten Ländern Westeuropas, sofern sie nicht zu einer verfolgten Minderheit gehörten, in der Regel zumindest nicht schlechter gegangen sein wird als den Österreichern. In Osteuropa und am Balkan war das natürlich anders.

Da hast du im Endeffekt natürlich recht. Aber ob die diese Männer in der "Anschluss-Situation" dieser Komponente trotz der real unbestritten aggressiven Außenpolitik Hitlers bewusst waren? Hitler hat sich ja vor dem Krieg gerne als Friedensstreiter und Einforderer berechtigter Ansprüche stilisiert.
 
Sag das mal den verfolgten, misshandelten und ermordeten Österreicher ob die das auch so sehen..
Da könnte man genauso die verfolgten, misshandelten und ermordeten Deutschen fragen, die es unter Hitler auch in großer Zahl gab. Es gab auch jede Menge österreichische Täter, wie Brunner und der Gröfaz bezeichnete sich selbst, der ja auch Österreicher war, als Deutschen.

Um aber zum eigentlichen Thema zu kommen, ich nehme an, dass in dem spanischen Zweig der Habsburger von vornherein Erbkrankheiten vorhanden waren, die sich durch die Inzucht noch steigerten.
 
Da könnte man genauso die verfolgten, misshandelten und ermordeten Deutschen fragen, die es unter Hitler auch in großer Zahl gab. Es gab auch jede Menge österreichische Täter, wie Brunner und der Gröfaz bezeichnete sich selbst, der ja auch Österreicher war, als Deutschen.

Das weiss ich. Keine Angst. Ich hoffe du hast auch gelesen auf was sich meine Antwort bezieht.
Auf das hier:

Weil es doch ein Unterschied ist, ob man in einem Land als Staatsbürger lebt, dass von den Nazis als minderwertig und zur Ausbeutung freigegeben behandelt wird, wie z.B. Polen oder die Sowjetunion, als wenn man in einem Land lebt, dass von den Nazis als historischer Teil des Deutschen Reichs angesehen wird.

Ich glaube kaum das ein verfolgter, misshandelter oder ermorderter Mensch einen Unterschied sieht.
 
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Da hast du im Endeffekt natürlich recht. Aber ob die diese Männer in der "Anschluss-Situation" dieser Komponente trotz der real unbestritten aggressiven Außenpolitik Hitlers bewusst waren? Hitler hat sich ja vor dem Krieg gerne als Friedensstreiter und Einforderer berechtigter Ansprüche stilisiert.
Beim Anschluss zu einem Gutteil vermutlich nicht. Aber ich hatte das als Antwort auf Deine Ansicht geschrieben, dass es den Österreichern unter NS-Herrschaft besser ging als den Menschen in besetzten Ländern. Genau das kann man meiner Meinung nach eben nicht so pauschal sagen, sondern muss zwischen West- und Nordeuropa einerseits und dem Balkan und Osteuropa andererseits differenzieren.

Besonders schlimm waren übrigens die Slowenen in Kärnten dran: Gegen Kriegsende kam es auch hier zu Partisanenaktivitäten, gegen die und deren mutmaßliche Sympathisanten rigoros vorgegangen wurde. So konnte es passieren, dass Frau und Kinder zuhause massakriert wurden, während der nichtsahnende Ehemann als Wehrmachtssoldat an der Front "das Vaterland verteidigte" ...

Um aber zum eigentlichen Thema zu kommen, ich nehme an, dass in dem spanischen Zweig der Habsburger von vornherein Erbkrankheiten vorhanden waren, die sich durch die Inzucht noch steigerten.
Was meinst Du mit "vornherein"? Sowohl der österreichische als auch der spanische Zweig stammten von dem Ehepaar Philipp dem Schönen und Johanna der Wahnsinnigen ab.
Zumindest das berühmte Habsburgerkinn und die berühmte Habsburgerlippe waren von Anfang an in beiden Linien vorhanden und stammten von den Habsburgern, nicht von den Burgundern oder den Trastamara.

(Eine kleine Anekdote am Rande: Ich habe einmal eine Burg besichtigt, in der sich auch eine Büste von Karl V. befand. Die war allerdings mit einem Tuch verhüllt. Der Führer erklärte das so, dass man den Anblick seines unförmigen Kopfes den Besuchern nicht zumuten könne ...)
 
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Beim Anschluss zu einem Gutteil vermutlich nicht. Aber ich hatte das als Antwort auf Deine Ansicht geschrieben, dass es den Österreichern unter NS-Herrschaft besser ging als den Menschen in besetzten Ländern. Genau das kann man meiner Meinung nach eben nicht so pauschal sagen, sondern muss zwischen West- und Nordeuropa einerseits und dem Balkan und Osteuropa andererseits differenzieren.

Besonders schlimm waren übrigens die Slowenen in Kärnten dran: Gegen Kriegsende kam es auch hier zu Partisanenaktivitäten, gegen die und deren mutmaßliche Sympathisanten rigoros vorgegangen wurde. So konnte es passieren, dass Frau und Kinder zuhause massakriert wurden, während der nichtsahnende Ehemann als Wehrmachtssoldat an der Front "das Vaterland verteidigte" ...

Ich wollte eigentlich nicht zum Ausdruck bringen, dass es den Österreichern unter der NS-Herrschaft generell irgendwie besser ging, es ging mir einfach nur darum, aufzuzeigen, dass die Erwartungshaltung und Einstellung der Österreicher zum NS-Regime aufgrund eben ausdiskutierter NS-Konzeption anders als in diskutierten besetzten Ländern gewesen sein dürfte. Damit können wir diese offtopic Geschichte jetzt auch gerne beenden.
 
Ich finde es sehr gut dass die Beiträge hierher verschoben wurden. Es ist ja bezeichnend, dass es bisher keinen Thread zur Geschichte Österreichs zwischen 18 und 38 gab, von ein paar Orchideenthemen wie den Schwimmkünsten von Dollfuss mal abgesehen.
Dieser Thread wird aber gut moderiert werden müssen, ich bin ziemlich sicher dass die Emotionen bald extrem hochgehen werden.

Das Scheitern der Weimarer Republik und der Aufstieg des Nationalsozialismus dominieren natürlich den Blick auf die Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Ich könnte es daher durchaus nachvollziehen, wenn die Ereignisse im Nachbarland im generellen Geschichtswissen da etwas in den Hintergrund treten.

Was ich aber bisher im Diskurs mit auch historisch überdurchschnittlich gebildeten und interessierten deutschen Freunden erlebt habe war meist eine völlige Ahnungslosigkeit gegenüber der österreichischen Republiksgeschichte (gilt eigentlich auch für die II. Republik) - ist kein Vorwurf, Deutschland kann wirklich mehr als genug mit der eigenen beschäftigt sein (so turbolent wie diese ist).

Was mir vor allem aufgefallen ist dass die Bilder vom Heldenplatz 38 im kollektiven Bewusstsein angekommen sind, dh. die gesamte Betrachtung dieser Zeit wird davon überlagert. Warum und wieso es zu dieser Begeisterung kam wird schon deutlich seltener gefragt. Sehr oft kommt dann auch die Behauptung dass eigentlich die Österreicher ja die Nazis waren - Hitler ist dort geboren, und so eine Begeisterung wie am Heldenplatz hats ja in ganz Deutschland nicht gegeben. (Alles schon mal gehört Leute....)

Genauso dämlich (sorry) sind aber auch die Besetzungs- und Opferfantasien der Österreicher. Land und Staat gingen unter, viele österreichische Patrioten litten darunter, die Mehrheit aber nicht, sondern gliederte sich mit großer Begeisterung dem aufstrebenden Führerstaat ein und machte die Augen vor dessen verbrecherischen Zielen zu. Viele waren sogar beleidigt, dass Österreich nicht wieder zum Herz des Reiches wurde, so wie es vor 1866 war.

Aber zurück zur Vorgeschichte, die sollten wir mal diskutieren.

Der November 1918 war in Österreich eine Stunde Null. Die totale Auflösung. Der Schock war um ein vielfaches größer als im Reich - hier war der Kaiser weg und ein paar Provinzen. Österreich als politisch-kultureller Raum der seit fast einem halben Jahrtausend Mitteleruopa dominierte, existierte nicht mehr.

Was blieb war ein inhomogener Rumpf - sehr konservative, bäuerlich-katholisch geprägte Landgebiete und die 2 Millionen-Metropole Wien. Man stelle sich das vor! Man nimmt 3 Bezirke Oberbayerns und Berlin - und macht daraus eine verarmte Republik.

Der nächste Schock kam nach dem ersten Winter als sich herauskristallisierte dass jenes Friedensprogramm von Wilson - das jenes so strahlend klingende "Selbstbestimmungsrecht der Völker" beinhaltete - für Österreich nicht gilt. Die Republik, die sich Deutschösterreich nannte (schließlich setzte sie sich aus den deutschsprachigen Gebierten der Monarchie zusammen), wurde erheblich zusammengestutzt. Von einem Selbstbestimmungsrecht war nicht mehr die Rede.
Südtirol kam zu Italien, das ist wahrscheinlich bekannt. Südmähren und die Sudetengebiete sandten Abgeordnete in die verfassungsgebende Versammlung für die junge Republik in Wien, der Schock war groß als diese Gebiete dann nicht nur zur Tschechoslowakei kamen, sondern dass auch das junge Bundesland Niederösterreich Gebiete abtreten musste.

Ich könnte jetzt die Liste der Traumatisierungen noch weiterführen (sollen andere machen, ich muss bald los). ABER: genauso beginnt bereits in diesen Jahren die Entstehung eines neuen österreichischen Nationalbewusstseins. Nicht zufällig werden die Salzburger Festspiele von Anfang an stark gefördert, kulturelle Nationalhelden aufgebaut.

Dennoch, die ideologischen Gegensätze zwischen Stadt und Land sind nicht zu überbrücken. Die 20 Jahre zwischen 18 und 38 sind von permanenter Spannung und Misstrauen geprägt, die im Bürgerkrieg 34 eskalieren.
 
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