Die Rechte auf dem Vormarsch

Solidarnosc

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Nach dem ersten Weltkrieg hatte sich das Gesicht Europas grundlegend verändert:
Aus 22 Staaten wurden 30, drei jahrhundertealte Monarchien waren in sich zusammen gebrochen. Deutsche, Österreicher, Polen etc. mussten sich nun plötzlich mit einem ihnen unvertrauten demokratischen System auseinandersetzten. Dazu kommen vor allem wirtschaftliche Probleme, die in den Verliererländern, aber auch in den Ländern der Sieger auftreten. An drei Beispielen wollen wir diese Entwicklungen beobachten:

Italien:
Die Tatsache, dass Italien im Weltkrieg auf Seiten der Entente kämpfte, brachte dem Land politisch kein Glück: Bereits in den frühen Zwanziger Jahren steckte die konstitutionelle Monarchie in der Krise. Die Faschisten unter Benito Mussolini gewannen immer mehr an Boden und terrorisierten die Linksparteien, Gewerkschaften und alle anderen politischen Gegner. Aus Angst vor einer proletarischen Revolution nach russischem Vorbild ließ der Staat die s.g. "Squadristen" gewähren. 1921 ziehen 34 Abgeordnete der Nationalen Faschistischen Partei (PNF) ins Parlament ein, zu dieser Zeit hatte Mussolinis Bewegung bereits über 200.000 Anhänger. Die Unruhen jagten mehere Regierungen aus dem Amt. 1922 folgte nun der berühmte "Marsch auf Rom", in dem 26.000 Faschisten nach Rom kamen, dies machte König Viktor Emanuel III. derart Angst, sodass er Mussolini zum Ministerpräsidenten ernannte.
Mussolini erlässt nun neue Wahlgesetzte, die den Einfluss der Oppositionsparteien deutlich einschränkt, der Sozialist Matteotti wird ermordet. In seiner Rede vom 3. Januar 1925 erklärt sich Mussolini politisch für diesen Mord verantwortlich, was allgemein als Beginn der Diktatur angesehen wird. 1926 werden schließlich alle Oppositionsparteien verboten, die Wahlen 1928 waren eine einzige Farce. Italien war Diktatur geworden.

Spanien:
Spanien blieb im ersten Weltkrieg neutral, Rohstoffexporte an die kriegführenden Staaten brachten der Wirtschaft einen enormen Aufschwung, was sich abe rnicht auf die Situation der Bevölkerung auswirkte. Die konstitutionelle Monarchie gerät auf Grund eines erfolglosen Kriegs in Marroko zunehmend in die Krise. Armeeeinheiten(Juntas) erzwingen einen Regierungswechsel, in Barcelona demonstrieren die Sozialisten. Der Krieg in Marroko geht erfolglos weiter, 1921 sterben 10.000 spanische Soldaten bei Annual und Spanien verliert weiter an Territorium in Afrika. Bis 1923 wird es 23 Regierungen geben, von denen keine länger als einen Monat im Amt bleibt. In dieser stimmt König Alfons XIII einer Diktatur unter General Miguel Primo de Rivera zu, die sich nur bis 1930 halten wird, durch die verwicklung des Königs in die Diktatur ist das Ende der Monarchie absehbar: Im April 1931 votiert die Mehrheit der Spanier republikanisch. Die Spanische Republik erwieß sich als genausowenig stabil. Kirche, Armee, Industriebosse und Großgrundbesitzer verhalten sich der Republik gegenüber sehr abweisend, fortschrittliche Reformen werdne behindert. 1932 versucht die Rechte zu putschen, 1934 gibt es einen Arbeiteraufstand gegen die Beteiligung der Rechten an der Regierung. Bei den Wahlen 1936 gewinnt die Linke, was die Armee auf die Barrikaden treibt. Das gipfelt im Militärputsch vom 17./18. Juli 1936 gegen die republikanische Regierung, der Spanische Bürgerkrieg ist ausgebrochen. Am Ende gewinnen die Faschisten unter Franco und Spanien wird Diktatur.

Deutschland:
1918: Deutschland hatte nach dem Ersten Weltkrieg mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten und traumatischen Ereignisen zu tun. Der Krieg war verloren und die Menschen hungerten. Die kaiserliche Regierung war zurückgetreten, der Kaiser selbst im Exil. Der "Rat der Volkbeauftragten", der am 10. November 1918 gebildet wurde, regiert provisorisch und besteht vorallem aus Sozialdemokraten. Die revolutionären Ereignise überschlagen sich, in Bayern wird die Räterepublik verkündet, der Spartakusbund versucht eine Räterepublik für ganz Deutschland zu etablieren, beides wird von rechten Freikorps und reichswehr blutig niedergeschlagen. Am 19. Januar 1919 wird eine Nationalversammlung gewählt, in der ein Mitte-Links-Bündnis aus SPD, Zentrum und DDP die Mehrheit hat. Eine demokratische Verfassung wird verabschiedet mit einem Reichspräsidenten als Ersatzkaiser. Am 28. Juni muss Deutschland den Versailler Vertrag unterzeichnen, dessen harte Klauseln ein nationales Trauma bedeuten. Hindenburgs Dolchstoßlegende schürt Hass auf die Republik, 1920 ereignet sich der Kapp-Putsch, die rechten Parteien legen bei den Reichstagswahlen erheblich zu und 1923 versucht Adolf Hitler seinen Putsch, die Inflation gallopiert und stürzt viele Menschen in die Armut. Ab 1924 stabilisiert sich die Republik, 1925 wird Paul von Hindenburg, ein General des Ersten Weltkriegs, Reichspräsident. Deutschland rückt nach rechts. Die goldenen Zwanziger sind nur Schein und auf Pump finanziert, sie Enden 1929 als die Weltwirtschaftskrise ausbricht. Schnell gibt es über 6 Millionen Arbeitslose und ab 1930 keine Demokratie mehr. Präsidialkabinette regieren und werden den Radikalen von Rechts und Links nicht mehr Herr. Der Reichstag wird innerhalb von drei Jahren vier Mal gewählt. Die Kanzler wechseln sich ab Brüning, von Papen, von Schleicher. Hindenburg streubt sich zwar, doch er ernännt Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler.

An drei Beispielen hat hat man gesehen was Faschisten aufschwung verschaffte:
-Wirtschaftliche Not
-Nationale Traumata
-Zu starker Einfluss des Militärs und anderen reaktionären.

In diesem Sinne,
Solidarnosc
 
von den vielen staaten, die nach dem ersten weltkrieg entstanden, wer blieb davon eigentlich bis zum 2. weltkrieg demokratisch (wenn er es denn jemals war)? mir fallen nur zwei ein, die dieses prädikat verdienen: die csr und finnland.

estland: diktatur seit 1934
lettland: ebenfalls 1934
litauen: 1927
polen: 1926
ungarn: bis auf ein sehr kurzes intermezzo 1918/19 überhaupt nicht demokratisch
österreich: 1933
jugoslawien: 1929

eine weitere ausnahme, die türkei, aber so ganz demokratisch war atatürks republik ja dann doch nicht...
 
ja die staaten waren halt so unerfahren mit der demokratischen stasatsofrm, sodass die rechten schnell wieder eine diktatur errichten konnten.
 
ja die staaten waren halt so unerfahren mit der demokratischen stasatsofrm, sodass die rechten schnell wieder eine diktatur errichten konnten.

Da hast du vollkommen recht . Im Einzelnen trifft dies ja auch auf Deutschland zu .

Das Problem lag ja vor allem schon in den Grundlagen der Weimarer Republik . Den Artikel 48 einzufügen war ein großer Fehler . Die Notverordnungen gaben dem Reichskanzler einfach zu viel Macht .
Man hätte die ganze "Demokratie" bzw. "parlamentarische Republik" anfangs besser durchdenken müssen . Schon 1930 war ja der Wendepunkt eigentlich schon erreicht (Minderheitsregierung,Artikel 25 uvm.)

In diesem Sinne ...

Fenris
 
als einzige ausnahme ist wohl die CSR zu nennen, die bis zur okkupation demokratisch blieb, nur nachmal so wiel ein prinzipienreiter mir für nichterwähnung eine rüge verpasst hat......
 
Solidarnosc schrieb:
als einzige ausnahme ist wohl die CSR zu nennen, die bis zur okkupation demokratisch blieb, nur nachmal so wiel ein prinzipienreiter mir für nichterwähnung eine rüge verpasst hat......

Widerspruch:

Ein Staat wie die CSR der etwas mehr als der Hälfte der Bevölkerung die verfassungsmäßigen Rechte vorenthält, die eigenen Gesetze nicht einhält, kann nicht demokratisch genannt werden.

Grüße
Repo
 
die deutsche minderheit in der csr besass volles wahlrecht, ab 1928 beteiligten sich auch "deutsche" parteien an regierungen in prag. welche verfassungsmässigen rechte waren eingeschränkt? die csr blieb bis zur auflösung, trotz einiger mängel in der minderheitenpolitik, eine parlamentarische demokratie, genau wie finnland (die einzige parlamentarische demokratie, die später an hitlers seite kämpfte!).
 
collo schrieb:
die deutsche minderheit in der csr besass volles wahlrecht, ab 1928 beteiligten sich auch "deutsche" parteien an regierungen in prag. welche verfassungsmässigen rechte waren eingeschränkt? die csr blieb bis zur auflösung, trotz einiger mängel in der minderheitenpolitik, eine parlamentarische demokratie, genau wie finnland (die einzige parlamentarische demokratie, die später an hitlers seite kämpfte!).

Es geht nicht nur um die deutsche Minderheit, dasselbe gilt für die ungarische, polnische, ukrainische und nicht zuletzt slowakische Minderheit.
Eine englische Kommission unter Leitung von Lord Runciman 1938 hat die nicht Umsetzung der Minderheiten-Rechte definitiv festgestellt. Die deutschen Sozialdemokraten in der CSR hatten sich seit Mitte der 20er mehrfach an GB gewandt, und Hilfe bei der Umsetzung der CSR-Verfassung erbeten. Was Ihnen mehrfach, erfolglos, zugesichert wurde.

Zum Wahlrecht: Die CSR hat das Ergebnis der Kommunalwahlen vom März 1938 mit der Mobilmachung und Besetzung der deutschen Gebiete beantwortet.
Nicht unbedingt das Verhalten eines demokratischen Staates.

Der Gründungsgedanke der CSR als Vielvölkerstaat war die "Schweiz des östlichen Mitteleuropas zu sein" was nicht einmal im Ansatz versucht wurde. Das "Herrschervolk" wurde ausgetauscht, aus den Deutschen wurden die Tschechen, aber das war alles.
Nochmals: Es wurden keineswegs nur die Rechte der Deutschen mißachtet, sondern die der Polen, Ukrainer, Ungarn und insbesondere Slowaken ebenso.

Grüße
Repo
 
Fenris Mjöllnir schrieb:
Das Problem lag ja vor allem schon in den Grundlagen der Weimarer Republik . Den Artikel 48 einzufügen war ein großer Fehler . Die Notverordnungen gaben dem Reichskanzler einfach zu viel Macht .

Ich mag mich irren, aber kann der Bundespräsident heute nicht auch noch den Ausnahmezustand über Deutschland verhängen, und hat somit alle vollmachten. :grübel:

Und hat soetwas bis heute nicht auch fast jeder Staat.

Natürlich ist es heute bei weiten nicht mehr so einfach den Ausnahmezustand zu verhengen, aber in absolute Sicherheit sollte man sich dabei nicht wiegen.

Sollte ich mich dahingehend irren will ich nichts gesgat haben, aber ich meine schon das ein solche möglichkeit noch heute in den Gesetzen verankert ist.
 
@repo: die regierung der csr ging aus freien und demokratischen wahlen hervor, in so einem fall spricht man im allgemeinen von einer parlamentarischen demokratie. das die minderheitenfrage ein problem war, stelle ich ja nicht in abrede, vor allem die deutschen, aber auch die ungarn hatten darunter zu leiden, dass in der csr ihre bislang führende rolle im jeweiligen landesteil sich ins gegenteil verkehrte.
ausserdem wollten weder die ungarn noch die deutschen teil eines tschechoslowakischen staates sein. da ist ein misstrauen der regierung nicht weiter verwunderlich. dennoch war die csr für damalige verhältnisse ein musterstaat, nicht umsonst hat man sie mit der schweiz verglichen. prag war eines der bevorzugten ziele deutscher exilanten nach 1933, die spd hatte hier ihren sitz aufgeschlagen.
dass die situation sich verschärfte, lag nicht an der regierung der csr, sondern am verhalten des deutschen reiches und der zunehmenden radikalisierung der deutschen minderheit, die immer offener als nazis auftraten. nach den ereignissen in österreich im märz 1938 war auch eine mobilmachung nicht weiter verwunderlich, zumal diese ja nicht nach innen gerichtet sondern gegen deutschland gerichtet war.

@ haui und fenris:
art. 48 der weimarer verfassung gab nicht dem reichskanzler, sondern dem reichspräsidenten weitgehende vollmachten, ein kleiner, aber wichtiger unterschied!
weimarer verfassung schrieb:
Artikel 48
Wenn ein Land die ihm nach der Reichsverfassung oder den Reichsgesetzen obliegenden Pflichten nicht erfüllt, kann der Reichspräsident es dazu mit Hilfe der bewaffneten Macht anhalten.
Der Reichspräsident kann, wenn im Deutschen Reiche die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört oder gefährdet wird, die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen treffen, erforderlichenfalls mit Hilfe der bewaffneten Macht einschreiten. Zu diesem Zwecke darf er vorübergehend die in den Artikeln 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 festgesetzten Grundrechte ganz oder zum Teil außer Kraft setzen.
Von allen gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 dieses Artikels getroffenen Maßnahmen hat der Reichspräsident unverzüglich dem Reichstag Kenntnis zu geben. Die Maßnahmen sind auf Verlangen des Reichstags außer Kraft zu setzen.
Bei Gefahr im Verzuge kann die Landesregierung für ihr Gebiet einstweilige Maßnahmen der in Abs. 2 bezeichneten Art treffen. Die Maßnahmen sind auf Verlangen des Reichspräsidenten oder des Reichstags außer Kraft zu setzen.
Das Nähere bestimmt ein Reichsgesetz.

einen "ausnahmezustand" gibt es heute nicht, deshalb kann ihn niemand erklären. es gibt den spannungs- und den verteidigungsfall (art. 80a und 115a ff). in beiden fällen muss der bundestag dies feststellen.
 
collo schrieb:
@ haui und fenris:
art. 48 der weimarer verfassung gab nicht dem reichskanzler, sondern dem reichspräsidenten weitgehende vollmachten, ein kleiner, aber wichtiger unterschied!

Habe ich glatt übersehen. Recht hast du.


collo schrieb:
einen "ausnahmezustand" gibt es heute nicht, deshalb kann ihn niemand erklären. es gibt den spannungs- und den verteidigungsfall (art. 80a und 115a ff). in beiden fällen muss der bundestag dies feststellen.

Den Verteidigungsfall meine ich.
Wenn ich mich nicht irren gehen in diesem Fall alle Vollmachten auf den Bundespräsidenten über, oder irre ich da?

Das der Bundestag diesen hier zu lande zustimmen muss, meinte ich damit als ich sagte, das es bei weiten nicht mehr so einfach ist.

Tatsache ist ja nun mal das die möglichkeit besteht, und dies nicht nur in Deutschland.
Also denke ich das man den art. 48 nicht als so absurd abtun sollte, da es im Grunde ein ganz normaler Artikel war und ist.
Lediglich die Sicherungsmechanismen waren lascher als heute.
 
Ich mag mich irren, aber kann der Bundespräsident heute nicht auch noch den Ausnahmezustand über Deutschland verhängen, und hat somit alle vollmachten. :grübel:

Und hat soetwas bis heute nicht auch fast jeder Staat.

Natürlich ist es heute bei weiten nicht mehr so einfach den Ausnahmezustand zu verhengen, aber in absolute Sicherheit sollte man sich dabei nicht wiegen.

Sollte ich mich dahingehend irren will ich nichts gesgat haben, aber ich meine schon das ein solche möglichkeit noch heute in den Gesetzen verankert ist.


Entschuldigt für meine Detailfehler ;)

Collo hat es schon ganz richtig erklärt und du Hau -Schild hast meine Intention ja auch schon im unteren Teil des zitierten Posts aufgegriffen .
Die damaligen Notverordnungen sind ja mit der heutigen Situation nicht mehr unbedingt direkt zu vergleichen ,auch wenn das Risiko das du anspraches ,sicherlich noch teileweise besteht .
 
Fenris Mjöllnir schrieb:
Entschuldigt für meine Detailfehler ;)

Collo hat es schon ganz richtig erklärt und du Hau -Schild hast meine Intention ja auch schon im unteren Teil des zitierten Posts aufgegriffen .
Die damaligen Notverordnungen sind ja mit der heutigen Situation nicht mehr unbedingt direkt zu vergleichen ,auch wenn das Risiko das du anspraches ,sicherlich noch teileweise besteht .

Der Widerstand gegen die "Notstandsgesetzgebung" ist ein Teil des Selbstverständnisses der 68er. Sie wurde dann auch erst nach etlichen Jahren und sehr entschärft verwirklicht.

Aber mit dem § 48 der Weimarer Verfassung hat die Notstandsgesetzgebung dann doch wenig zu tun. Brüning, Papen, Schleicher haben nur noch gestützt auf diesen § regiert. Vergessen darf man auch nicht, dass die Weimarer Republik ein Präsidialsystem war, mit ganz erheblichen Rechten des Präsidenten, wie heute z. B. wieder in Frankreich (vor de Gaulle war es anders). Was heute bei uns ganz anders ist.

Grüße Repo
 
Ich kann folgende Veröffentlichung empfehlen. Die Aufsätze sind durchweg sehr gut:

Erwin Oberländer (Hrsg.)
Autoritäre Regime in Ostmittel- und Südosteuropa 1919-1944

Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2001

Grüße
Sasa
 
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