Eroberung Abessiniens durch Italien: Bewertung?

KnightMove

Mitglied
Italien hat seinen Eroberungskrieg gegen Abessinien sehr schmutzig geführt (Giftgas etc.), aber abgesehen davon:

Gibt es prinzipielle Argumente, mit denen dieser Krieg als verwerflicher angesehen werden kann als das, was die europäischen Kolonialmächte mit vereint-konkurrierenden Kräften vor allem im 19. Jahrhundert getrieben haben?
 
Gibt es prinzipielle Argumente, mit denen dieser Krieg als verwerflicher angesehen werden kann als das, was die europäischen Kolonialmächte mit vereint-konkurrierenden Kräften vor allem im 19. Jahrhundert getrieben haben?

Was sollte eine Unterscheidung in "mehr oder weniger verwerflich" bringen? Da müßtest du ein Bewertungskriterium geben, an denen du Verwerflichkeit messen willst. Dazu gab es bereits eine breite Diskussion:
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=15151&highlight=verbrechen

Eine Kategorie könnte die völkerrechtliche sein, 1935/6 ist eine veränderte Situation und läßt sich nicht mit den Kolonialkriegen des 19. JH vergleichen:
- die Sanktionen/Aufforderungen des Völkerbundes
- der Bruch der erst wenige Jahre zuvor von Italien unterzeichneten Genfer Protokolls.

Ansonsten hast Du schon die Reihe der Kriegsverbrechen in Abessinien angedeutet.
 
Was sollte eine Unterscheidung in "mehr oder weniger verwerflich" bringen? Da müßtest du ein Bewertungskriterium geben, an denen du Verwerflichkeit messen willst. Dazu gab es bereits eine breite Diskussion:
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=15151&highlight=verbrechen

Eine Kategorie könnte die völkerrechtliche sein, 1935/6 ist eine veränderte Situation und läßt sich nicht mit den Kolonialkriegen des 19. JH vergleichen:
- die Sanktionen/Aufforderungen des Völkerbundes
- der Bruch der erst wenige Jahre zuvor von Italien unterzeichneten Genfer Protokolls.

Ansonsten hast Du schon die Reihe der Kriegsverbrechen in Abessinien angedeutet.

Ist etwas OT aber ich denke im Zusammenhang auch interessant.
Der Duce hat während der Konferenz von Stresa sich von Frankreich/England die Besetzung von Abessinien absegnen lassen.
Wogegen er "Wohlverhalten" in Bezug auf Hitler-Deutschland (Aufkündigung des Locarno-Paktes) versprach. Als das bekannt wurde gab es einen Riesenkrach, als Folge in Frankreich die Volksfront-Regierung, und in England musste immerhin der Außenminister gehen. Und Hitler fischte im trüben, indem er dem Duce alles lieferte was das Völkerbund-Embargo verbot.
 
Italien hat seinen Eroberungskrieg gegen Abessinien sehr schmutzig geführt (Giftgas etc.), aber abgesehen davon: Gibt es prinzipielle Argumente, mit denen dieser Krieg als verwerflicher angesehen werden kann als das, was die europäischen Kolonialmächte mit vereint-konkurrierenden Kräften vor allem im 19. Jahrhundert getrieben haben?


Wie silesia schon sagt: Der Krieg gegen Abessinien ist weder mehr noch weniger verwerflich als andere imperialistische Aggressionen, die zuvor Großbritannien, Frankreich, Deutschland oder andere Großmächte gegen nahezu wehrlose Staatsgebilde oder Völker richteten..
 
Wie silesia schon sagt: Der Krieg gegen Abessinien ist weder mehr noch weniger verwerflich als andere imperialistische Aggressionen, die zuvor Großbritannien, Frankreich, Deutschland oder andere Großmächte gegen nahezu wehrlose Staatsgebilde oder Völker richteten..

Will da nur dem Wörtchen "wehrlos" entgegensetzen, dass eine der vernichtendsten Niederlage, die je eine Kolonialmacht in Afrika erlitt, den Italienern von den Äthiopiern zugeführt wurde.

Von 17.000 Soldaten auf italienischer Seite starben 7.000.
Verwundete 1.500, Gefangene 3.000.

Das war die Schlacht von Adwa, 1896.

http://en.wikipedia.org/wiki/Battle_of_Adowa
 
Will da nur dem Wörtchen "wehrlos" entgegensetzen, dass eine der vernichtendsten Niederlage, die je eine Kolonialmacht in Afrika erlitt, den Italienern von den Äthiopiern zugeführt wurde.


Die Schlacht bei Adua haben die Abessinier in der Tat bravourös gewonnen! Aber gemessen an den weltweiten Annexionen im Zeitalter des Imperialismus war das lediglich eine Ausnahme, die die Regel bestätigt. 1935/36 war Äthiopien leider nicht so erfolgreich und wurde brutal von Italien erobert.
 
Die Schlacht bei Adua haben die Abessinier in der Tat bravourös gewonnen! Aber gemessen an den weltweiten Annexionen im Zeitalter des Imperialismus war das lediglich eine Ausnahme, die die Regel bestätigt.

Da gibt es natürlich noch eine ganze Reihe andere Beispiele:
1. Erster afghanischer Krieg. Die Schlacht von Kabul und den Rückzug nach Gandamak 1842 überlebte von rd. 15000 nur einer.
2. Erster Sikh-Krieg 1845, Schlacht von Ferozeshah
3. Zweier Sikh-Krieg 1849. Die Schlacht bei Chillianwallah endete unentschieden, aber nur, weil die Sikh versäumten, den Briten durch einen Schlussangriff den Rest zu geben.
4. Zweiter afghanischer Krieg 1879. Schlacht von Maiwand.
5. Zulu-Krieg 1879 Schlacht von Isandlwana.
6. Erster Buren-Krieg 1881, Schlachten von Laing's Nek und Majuba Hill.
7. Zweiter Burenkrieg 1899, zahlreiche Schlachten zu Beginn des Krieges
8. Der Versuch der Franzosen, die Trasse einer Transsaharabahn zu erkunden, endete 1841 mit der Massakrierung der gesamten Expedition.
9. Im Java-Krieg 1825-1830 gelang es Prinz Diponegoro in der ersten Phase des Krieges, die Kontrolle über ganz Mittel-Java zu gewinnen und die Niederländer in Djokjakarta zu belagern.
10. Mahdi-Krieg. 1883 Schlacht von El Obeid, 1884 Schlacht von Khartoum.
11. In den vier Aschanti-Kriegen zwischen 1826 und 1896 erlitten die Briten eine ganze Anzahl von Niderlagen.

Auch die Rebellion der indischen Truppen 1857 kann man hier einordnen, auch wenn die Uneinigkeit der indischen Seite verhinderte, dass die Rebellion zu einem das ganze Land umfassenden Aufstand wurde. Die Briten erlitten zunächst zahlreiche Niederlagen.

Diese Aufzählung kommt mir so aus dem Gedächtnis in den Kopf, aber sie ist sicherlich nicht vollständig.
 
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Da gibt es natürlich noch eine ganze Reihe andere Beispiele:.


Wenn du das weiterführst, werden wir schließlich glauben, dass das Zeitalter des Imperialismus nur ein Spuk und die zusammengerafften Kolonialreiche der Briten und Franzosen lediglich Einbildung waren.

Man muss hier doch die große machtpolitische Linie vor Augen haben!
 
Ich beziehe mich hier lediglich auf deine Darstellung von Adua als große Ausnahme.

Es war in einer ganzen Reihe von Gebieten der Erde durchaus nicht so, dass eine wehrlose Gesellschaft unterdrückt und abgeschlachtet wurde. Viele wussten sich durchaus, und auch wenigstens zeitweise erfolgreich, zu wehren.
Die Afghanen blieben sogar auf Dauer erfolgreich.

Wieso durch die Anerkennung des Widerstandes der von Eroberungszügen betroffenen Gesellschaften das Zeitalter des Imperialismus zu einem Spuk werden könnte. bleibt mir unverständlich.
 
Wieso durch die Anerkennung des Widerstandes der von Eroberungszügen betroffenen Gesellschaften das Zeitalter des Imperialismus zu einem Spuk werden könnte. bleibt mir unverständlich.


Der Imperialismus erreichte sein Ziel durch militärische Intervention, Kapitalexport und kulturelle Beeinflussung. Die Stämme und Völker Asiens und Afrikas konnten dem in der Regel wenig entgegensetzen, sodass um 1900 über Zweidrittel der Erde Kolonialgebiet geworden war.

Die geringe und meist schwächliche Gegenwehr konnte das nicht verhindern, sodass sie letztlich erfolglos blieb. Eine Aufzählung von Widerstandsversuchen zur Zeit des Imperialismus ist zwar löblich, für den Gesamtzusammenhang aber irrelevant.
 
Die geringe und meist schwächliche Gegenwehr ...... ist ...... für den Gesamtzusammenhang aber irrelevant.

Letztlich blieb der militärische Widerstand, mit Ausnahme von Afghanistan und bis 1935/36, also weit nach dem Zeitalter des Imperialismus, Abessinien, ohne Erfolg und damit, wenn man es denn meint es so sehen zu müssen, "irrelevant".

Auch Thailand blieb übrigens erfolgreich, nicht durch militärische Siege, sondern durch eine gewitzte diplomatische Schaukelpolitik, insbesondere unter Rama III.
Der Oman musste lediglich unter der Said-Dynastie die Teilung von Oman und Sansibar hinnehmen und den Briten zeitweise gewisse Exklusivrechte zusichern, wurde aber nicht vereinnahmt.
Persien verlor zwar durch den russischen Imperialismus Georgien, Armenien und Aserbeidschan, konnte aber letztlich seine Unabhängigkeit wahren.
Auch Tibet konnte eine kurze Phase britischen Einflusses zwischen 1904 und 1907 überwinden und nach Vertreibung der 1910 einmarschierten chinesischen Truppen 1913 seine Unabhängigkeit wieder herstellen.
Und so gibt es noch eine ganze Reihe von Gebieten, die das Zeitalter des Imperialismus überstanden, ohne Kolonialgebiet zu werden. Dies allerdings meist nicht durch militärischen Widerstand, sondern durch geschicktes diplomatisches Ausspielen verschiedener Mächte gegeneinander.

Ob der militärische Widerstand, auch wenn er im Ergebnis trotz mancher gewonnener Schlachten meist erfolglos blieb, allerdings von den betroffenen Kolonialmächten als so "gering" und "meist schwächlich" empfunden wurde, darüber liest man in den britischen, französischen und niederländischen Standardwerken zu ihrer Kolonialgeschichte durchaus andere Beurteilungen.
 
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Wenn ich da richtig informiert bin, haben die Äthiopier aber auch 1935 den Italienern anfangs ganz schön heimgeleuchtet.
Daher ja auch Giftgas usw.
 
Wenn ich da richtig informiert bin, haben die Äthiopier aber auch 1935 den Italienern anfangs ganz schön heimgeleuchtet.
Daher ja auch Giftgas usw.

Das ist richtig.

Nach der ersten italienischen Offensive traten die Äthiopier an der Nordfront Mitte Dezember 1935 zum Gegenangriff an. Sie konnten zwei italienische motorisierte Einheiten abschneiden und aufreiben. Die italienischen leichten Panzer mit zwei Maschinengewehren erwiesen sich in dem gebirgigen Gelände als ziemlich unbrauchbar.
Die Äthiopier verfügten hier aber über keine modernen Kommunikationsmittel, was koordinierte Aktionen zwischen den beiden äthiopischen Verbänden sehr erschwerte. Immerhin erbeuteten die Äthiopier 50 MGs, was besonders wertvoll war, da sie als wohl einzige Armee über solche nicht verfügten.
Als eine äthiopische Kolonne ohne gegenüber liegende italienische Truppen in Eritrea einzufallen drohte, griffen die Italiener sie in rollenden Bombenangriffen mit Senfgas an und zerschlugen sie so.
An der Südfront verfügten die Äthiopier über Funkgeräte und 2cm-Oerlikon-Flak. Hier waren in den Ebenen jedoch die italienischen mobilen Verbände mit Panzern, Radpanzern und LKWs sehr viel besser einsetzbar. Eine kritische Situation hatten die italiener nur zu überstehen, als die eriträische Brigade, die aus Libyen hierhin verlegt worden war, meuterte und zum Teil überlief. Man hatte den Eriträern erzählt, sie würden nach Massaua, also Eritrea verlegt und sie fanden sich dann in der Wüste des Ogaden wieder. Es gelang den Italienern jedoch, für mehrere Tage die Äthiopier durch auf der Welle ihres Befehlshabers Ras Desta gesendete falsche Befehlte und Konterbefehle massiv zu verwirren und so eine Neuordnung ihrer Truppen durchzuführen.
 
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Vielleicht um die Diskussion um die Wehrhaftigkeit der Opfer des europäischen Imperialismus abzuschließen, gebe ich Folgendes zu bedenken:

Den meisten Mächten wäre es ja ausreichend gewesen, wenn sie nur nominelle Souveränität über ein Gebiet hätten ausüben und ihre Geschäftsleute ihr Süppchen kochen lassen können. Nach der Konferenz von Berlin (glaube ich) wurde aber auferlegt, dass nominelle Herrschaft nicht ausreicht, sondern die Präsenz unabdingbar für die Ansprüche ist. Das hieß, dass man jeden strittigen Felsbrocken mit einem Militärposten besetzen musste, sonst galt der Anspruch darauf nichts. Es wurde also kostspielig, und man versuchte mit sehr knappen Ressourcen, das größtmögliche zu erreichen.

Desweiteren sahen sich die Mächte in einem ideelen Wettkampf um die sauberste Weste und die humanistischeren Motive. Ehrenhaft zeigte man sich, und gnädig mit den Eingeborenen, deren miserable Exi- und Subsistenz nach Zivilisierung, Missionierung und Kommerzialisierung geschrien haben. Aber nur solange man den Speerwerfern nicht zu unterlegen drohte. Zeichnete sich eine Niederlage ab, ging man sehr schnell massiv und brutal vor, um ja der Schmach zu entgehen. (v. Trotha lässt grüßen)

In zwei Fällen musste aber auch das glorreiche Britische Empire die Fahnen streichen (Südafrika, Sudan) und wurde zum Gespött der europäischen Presse. Im Zweiten Burenkrieg ging man daher auch mit großer Härte (siehe KZs) vor.

Wie gesagt, soviel zur "Wehrlosigkeit" der Afrikaner. Eigentlich hatten sie nie eine Chance, sie vermochten durch Widerstand nur das Unvermeidbare um einige Jahre hinauszuzögern, immer aber mit der Gefahr eines brutalen Gegenschlags der Kolonialmacht.
 
Nochmal zurück zum Thema Giftgaseinsatz:

Mattioli, Aram, Entgrenzte Kriegsgewalt. Der italienische Giftgaseinsatz in Abessinien 1935–1936, VfZ 2003) S. 311-337.
 
Vielleicht um die Diskussion um die Wehrhaftigkeit der Opfer des europäischen Imperialismus abzuschließen, gebe ich Folgendes zu bedenken:

Desweiteren sahen sich die Mächte in einem ideelen Wettkampf um die sauberste Weste und die humanistischeren Motive. Ehrenhaft zeigte man sich, und gnädig mit den Eingeborenen, deren miserable Exi- und Subsistenz nach Zivilisierung, Missionierung und Kommerzialisierung geschrien haben. Aber nur solange man den Speerwerfern nicht zu unterlegen drohte. Zeichnete sich eine Niederlage ab, ging man sehr schnell massiv und brutal vor, um ja der Schmach zu entgehen. (v. Trotha lässt grüßen)

In zwei Fällen musste aber auch das glorreiche Britische Empire die Fahnen streichen (Südafrika, Sudan) und wurde zum Gespött der europäischen Presse. Im Zweiten Burenkrieg ging man daher auch mit großer Härte (siehe KZs) vor.

Wie gesagt, soviel zur "Wehrlosigkeit" der Afrikaner. Eigentlich hatten sie nie eine Chance, sie vermochten durch Widerstand nur das Unvermeidbare um einige Jahre hinauszuzögern, immer aber mit der Gefahr eines brutalen Gegenschlags der Kolonialmacht.

Zwei Anmerkungen:
1. Die Burenkriege würde ich nicht als Kolonialkriege sehen.
2. Das Argument, dass die Afrikaner durch die Europäer aus den "Klauen arabischer Sklavenjäger" befreit wurden, kann man für Teile Ost- und Zentralafrikas durchaus gelten lassen.
 
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