Holodomor

Crawford

Mitglied
Hallo,

hat jemand weitere Informationen über die katastrophale Hungersnot in der Ukraine und anderen ländern der Sowjetunion in den Jahren 1932 und 1933?
Im Laufe des "Holodomor" (in etwa: "Hunger-Seuche") kamen ca. 7 Millionen Menschen, wahrscheinlich mehr, Menschen um. Davon etwa 3 Millionen Kinder.
Kannibalismus war vor allem im Jahr 1933 an der Tagesordnung.
Hier einige Infos;


Ukraine recalls Great Famine
By NATASHA LISOVA
Associated Press
KIEV, Ukraine - If a black flag waved in the air above a Ukrainian village in 1933, Ukrainians knew that every single resident was dead and that their emaciated bodies were waiting to be collected.
On Saturday, this former Soviet republic marks the 73rd anniversary of the Great Famine - a tragedy orchestrated by Soviet dictator Josef Stalin that continues to haunt and divide the nation of 47 million. President Viktor Yushchenko wants the deaths of an estimated 10 million of his countrymen recognized as genocide, but Russia has warned Kiev against using that term to describe the mass starvation.
During the height of the famine, 33,000 people died of hunger every day. Cases of cannibalism were widespread as desperation deepened. Parents ate their children, and adult children ate elderly parents.
"Cats were eaten, dogs were eaten, then people started eating each other," Anna Vasilieva, 85, told The Associated Press. She said her younger brother, Oleksiy, once returned home and told her he had just seen their neighbor eat a boiled hand.
"He told me, 'I also want to eat an arm; I want to eat fingers,"' said Vasilieva.
Stalin provoked the famine in a campaign to force peasants to give up their private farms and join collectives. Authorities collectivized agriculture throughout the Soviet Union, but farmers in Ukraine - known as the breadbasket of the U.S.S.R. - fiercely resisted collectivization and bore the brunt of the man-made disaster.
Historians say the overwhelming majority of deaths in the Great Famine occurred in Ukraine, which lost one-third of its population.
Authorities ordered each village to provide the state with a quota of grain, but the demands typically exceeded crop yields. As village after village failed to meet the requirements, they were put on a blacklist. The government seized all food from blacklisted villages, but residents were prohibited from leaving - effectively condemning them to starvation.
During the Soviet era, the mass starvation of a nation with some of the world's richest farmland was a closely guarded state secret, but information trickled out over the years and Ukraine declassified more than 1,000 files documenting it in 2003.
Ten nations, including the United States, have recognized the Great Famine as an act of genocide, defined as the deliberate and systematic destruction of a racial, political, or cultural group. Genocide is a crime under international law.
Russia argues that the orchestrated famine did not specifically target Ukrainians but also other peoples in the Soviet agricultural belt, including Russian and Kazakhs.
Russia, the legal successor to the Soviet Union, has been reluctant to probe too deeply into the crimes of the Soviet era. Many former Soviet officials still hold positions of power in Russia, as they do throughout the former Soviet Union.
Lawmakers loyal to Prime Minister Viktor Yanukovych, an ally of the Kremlin, have proposed dropping the word "genocide" from a bill on the 1932-33 Great Famine, suggesting that the mass starvation be called a tragedy instead. Ukraine's communists also strongly oppose declaring the famine a genocide.
On the eve of the anniversary, Yushchenko on Friday appealed to politicians "to get off their knees and name this page of our history."
"When 10 million people die over two [years], it is not a question open for discussion with anybody; it is genocide," Yushchenko said.
During the worst days of the famine, corpses lay on city streets waiting for police to take them. Many parents abandoned their children at railway stations, hoping police would pick them up and take them to orphanages where there was food.
Authorities confiscated whatever grain they found.
"They even took food from pans and pots, looked for it everywhere," said Dmytro Kalenyk, 88, one of only two of the 14 members of his family to survive the famine. In 1992, Kalenyk became the head of an association to investigate the famine in Ukraine.
Anyone who resisted the confiscation of food could be sent to Siberia. In the first five months of 1933, 55,000 people were sent to Siberia and 2,100, including women and children, were shot.
Stalin never admitted publicly that the famine had occurred. When one of Ukraine's political leaders complained to him and asked for help, Stalin accused him of "creating fairy tales of hunger" and advised him to resign from the Communist Party and to write children's books "for fools."
 
Hungerkatastrophe in der Sowjetunion 1932/33

Hat jemand zu dem Thema Literaturempfehlungen?

Wenn ich das richtig weiß, gibt es einen Streit betreffend Mißmanagement oder herbeigeführtem Mangel.
 
Hat jemand zu dem Thema Literaturempfehlungen?

Wenn ich das richtig weiß, gibt es einen Streit betreffend Mißmanagement oder herbeigeführtem Mangel.

Oh jeh, Du meinst ... Stichwort: "Holodomor".

Da gibt es bergeweise Literatur, da weiss ich gar nicht, was ich Dir empfehlen soll. Ich schau mal und denke drüber nach.

PS: Meinst Du wirklich diese Katastrophe? Hungerkatastrophen in der Sowjetunion waren ja keine Ausnahme. Holodomor bezeichnet aber schwerpunktmäßig die von der Hungerkatastrophe 1932/33 besonders betroffene Ukraine.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nein, habe ich nicht gesehen, vielen Dank.

Ich werde mal Mercys Hinweis zum Buch von Barbara Falk folgen. Das sieht vielversprechend aus.
Merke: erstmal Suchfunktion im Forum.
 
Der Klassiker dazu ist

Robert Conquest:
Ernte des Todes.
Stalins Holocaust in der Ukraine 1929 - 1933
München 1997
 
Ich habe gerade in meiner (etwas chaotischen) Bücherliste nachgesehen, das habe ich von 1988. Ich weiß bloß nicht, wo abgelegt :confused:

Nochmals vielen Dank!
 
Ein Hinweis zu Conquest:

Nach dem Buch von Barbara Falk, Sowjetische Städte in der Hungersnot 1932/33 , aus 2005, Beiträge zur Geschichte Osteuropas 38

sind die älteren Zahlen nach unten zu korrigieren, was aber an den Vorgängen in der Dimensionierung wohl nichts ändert. Falks Buch ist mit zahlreichen,detaillierten Analysen und Statistiken durchzogen, auf Basis des Charkower Gebietes im Vergleich mit anderen Regionen der UdSSR im gleichen Zeitraum, sowie im Vergleich Städte und Landgebiete.

Falk hat nach den Analysen Zweifel an einer Systematik, und erklärt die Vorgänge vorwiegend als Folgen der Zwangskollektivierung 1930/31 sowie Mißmanagement.
 
Falk hat nach den Analysen Zweifel an einer Systematik, und erklärt die Vorgänge vorwiegend als Folgen der Zwangskollektivierung 1930/31 sowie Mißmanagement.

In diesem Sinne wurde das Thema auch bei uns in der Vorlesung erörtert ("international vergleichende Agrarpolitik", ist schon eine Reihe von Jahren her).
 
Falk hat nach den Analysen Zweifel an einer Systematik, und erklärt die Vorgänge vorwiegend als Folgen der Zwangskollektivierung 1930/31 sowie Mißmanagement.

Zwangskollektivierung eines nicht-russischen Volkes mit eingeplanter Hungerkatastrophe ist Systematik.
 
Zwangskollektivierung eines nicht-russischen Volkes mit eingeplanter Hungerkatastrophe ist Systematik.

Erst lesen, dann schreiben.
Vielleicht habe ich es aber auch etwas undeutlich ausgedrückt:
...auf Basis des Charkower Gebietes im Vergleich mit anderen Regionen der UdSSR im gleichen Zeitraum, sowie im Vergleich Städte und Landgebiete.
Gemeint waren Vergleiche mit diversen Gebieten/Städten außerhalb der Ukraine, bei denen ähnliche Entwicklungen eintraten. Die heftigen Diskussionen beschränken sich ansonsten zumeist auf die Ukraine.

Dem "eingeplant" stellt Falk das Organisationschaos gegenüber, insbesondere die Lebensmittel-Deponierungen (die reichlich vorgenommen wurden) und -Verteilungen (die planlos erfolgten). Beipflichten kann ich Dir darin, dass die Zwangskollektivierung systematisch geschah. Zum Zusammenhang aber: siehe den Hinweis von floxx78.
 
Holodomor (Golodomor) 1932-1933


ich möchte noch ein Thema ansprechen::cry:

Über die Ursachen des Holodomor gibt es höchst unterschiedliche Auffassungen. Insbesondere ukrainische Geschichtswissenschaftler betonen, dass es sich um eine systematische und vom Regime Stalins organisierte Hungersnot handelte. Der ungarische Historiker Miklós Kun meint: „Es war eine bewusst und systematisch durchgeführte Ermordung von Millionen Menschen. (...) Während in ukrainischen Dörfern die verzweifelten, vor Hunger irre gewordenen Menschen die grünen Zweige der Bäume aßen, wurden ukrainische Lebensmittel auf Stalins Befehl in anderen sowjetischen Republiken im Rahmen des sogenannten „sowjetischen Dumpings“ zu günstigen Preisen verkauft ...“

Kann man davon ausgehen, das dieser Befehl allein vom Stalin kam?


 
hm Du bist immer ganz schön politisch.)) Der Golodomar war Folge der Zwangskollektivierung und Liquidierung der Kulaken. Teilweise wurde der Hunger auch als politisches Druckmittel eingesetzt.

Ich bezweifle aber, dass es sich um eine systematisch organisierte Hungersnot handelte. Stalin war kein Rassist. Er war aber äußerst brutal in dem Durchsetzen seiner Ziele. Teilweise wurde in dieser Zeit Getreide exportiert,um die Industrialisierung voranzutreiben. Innerhalb von zehn Jahren machte Stalin aus der Sowjetunion, dass ein Agrarstatt war, einen Industriestaat. Dass dabei Millionen Menschen verhungern, war Stalin egal.
Stalin war wie Hitler ein unumschränkter Diktator. Dass die Kollektivierung so brutal durchgeführt wurde, dürfte tatsächlich an Stalin gelegen haben.:grübel:
 

Über die Ursachen des Holodomor gibt es höchst unterschiedliche Auffassungen. Insbesondere ukrainische Geschichtswissenschaftler betonen, dass es sich um eine systematische und vom Regime Stalins organisierte Hungersnot handelte. ...
Kann man davon ausgehen, das dieser Befehl allein vom Stalin kam?


Ich dachte, es handele sich um eine offene Fragestellung? Der letzte Satz sieht nicht danach aus :grübel:

Hierzu:
Barbara Falk, Sowjetische Städte in der Hungersnot 1932/33 , aus 2005, Beiträge zur Geschichte Osteuropas 38

Falk vergleicht die ukrainischen mit weiteren sowjetischen Städten. Eine Eingrenzung des Organisationschaos, der unsinnigen Einlagerungen und der Ernteausfälle läßt sich nicht auf ukrainische Städte vornehmen. Vergleichbare Hungerkatastrophen ereigneten sich auch außerhalb. Ganz unterschiedlich betroffen waren auch Industriezentren innerhalb und außerhalb der Ukraine.
 
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