Referat über die politische Entwicklung in Europa im Frühjahr und Sommer 1939

stormy

Mitglied
Hallo liebe Forumsmitglieder,
ich halte nach den anstehenden Weihnachtsferien ein Referat über o.g. Thema und bin mit meiner Vorbereitung fertig, Donnerstag geht es an die Ausarbeitung mit meinen Kommilitonen. Mein Part umfasst Polen und die Vorgeschichte, bis zum März 1939. Um zum Punkt zu kommen:
Ich habe mir 2 Thesen überlegt, die am Ende des Referats im Plenum diskutiert werden sollen und ich habe bislang keine guten Erfahrungen in dem Kurs gemacht und wollte daher sicher gehen, dass zu den Thesen jeder etwas sagen könnte ;-)
1. Hat die Garantieerklärung GBs/Fs an Polen (31.3.1939) Hitler in die Arme von Stalin getrieben?
2. Stalin gebot im Sommer 1939 über Krieg oder Frieden in Europa.

Ich würde mich freuen, wenn ihr mir ein kleines Feedback geben könntet oder vllt. eine Anregung für eine weitere These hättet!
Mit besten Grüßen,
stormy
 
Was spricht denn für Deine Thesen?

oder anders:

Welche Indizien siehst Du denn für die Thesen?

Mal unabhängig davon, dass ich beide Thesen für abwegig halte. Und es gab eine intensive Diskussion dieser Thematik im GF (bitte kurz selber suchen).
 
Danke schonmal für deine Antwort, auch negatives Feedback ist wichtig! Die Thesen sollen ja auch provokativ sein, damit sie eben zu einer Diskussion anregen.
Zu meinen Thesen:
Nach einigen erfolglosen Verhandlungen mit dem polnischen Außenminister Beck Ende 1938 bis März 1939, war für Hitler klar, dass Polen nicht als Satellitenstaat Deutschlands fungieren würde und somit zerschlagen werden musste. Die Westmächte GB/F gaben ihre Garantieerklärung (ein gewagter Bluff) für Polens Unabhängigkeit ab und GB versuchte in weiteren Verhandlungen mit dem sowjetischen Außenminister Litvinov auch der SU eine solche Garantieerklärung zu entlocken. Dies scheiterte an Gegenforderungen die die SU stellte, nämlich dass die drei Staaten (GB,F,SU) auch für die Nachbarländer der SU eine Garantieerklärung abgeben sollten - jedoch scheiterte dies an den Nachbarländern selbst, vorneweg Polen wünschte keine Garantieerklärung durch die SU, mit der das Durchmarschrecht der sowjetischen Truppen im Falle eines Angriffs durch eine dritte Partei verbunden sei.
So begann auch Hitler die Verhandlungen mit der SU und billigte sogar Lieferungen der tschechischen Skoda-Werke an die SU, welche von diesen (namentlich der neue sowj. Außenminister Molotow) eingefordert wurden.
Ein Bündnis der SU mit den Westmächten wäre für Stalin weniger ertragreich gewesen, als ein Bündnis mit dem Deutschen Reich. Hätte er sich den Westmächten angeschlossen, so hätte er im Kriegsfall Polen verteidigen müssen, allerdings ohne jedwede Gegenleistung (zudem bliebe die Frage mit dem Durchmarschrecht durch Polen ungeklärt). Auf der Seite von Deutschland konnte er Gebietsansprüche geltend machen.
 
Soll die Kombination von These 1 und 2 ergeben, dass Hitler quasi als "Autopilot" funktioniert hat, dem Stalin (nur) die "Leitplanken" vorgegeben hat?

Was soll die Alternative zur britischen Garantie gewesen sein? Weitere territoriale Zugeständnisse?

Der Hinweis auf Skoda und ökonomische Verhältnisse verkennt, dass diese Aspekte für die Diktaturen völlig nebensächlich waren, wie bereits der zeitliche Verlauf der Absprachen erweist.

Der Hinweis auf "ertragreich" für Stalin berücksichtigt nicht die ideologische Komponente der sowjetischen Außenpolitik und die ideologisch vorgegebenen Szenarien, Deutungen der "Intelligence" der kommenden Kriege von Fernost bis Gibraltar zwischen den kapitalistischen Mächten (Hitler ist da lediglich als Marionette angesehen worden).
 
Ein paar Hinweise, unvollständig, da ich einzelne Diskussionen nicht gefunden habe, auf die Entwicklung der Außenpolitik seit 37 in Zentral-Europa.

Zu den Chancen der Verhinderung des Kriegsausbruchs
http://www.geschichtsforum.de/f67/weltkrieg-wie-konnte-es-soweit-kommen-41456/

Generelle Übersicht über die Literatur zu dem Thema:
http://www.geschichtsforum.de/f68/ursachen-des-2-weltkriegs-42589/

Blog / Literatur zu dem Thema mit Überschneidungen zum vorherigen:
Die Entfesselung des Zweiten Weltkriegs 1939 - Geschichtsforum.de - Forum für Geschichte

Verhältnis 3. Reich und GB
http://www.geschichtsforum.de/f67/a...tand-der-wissenschaftlichen-diskussion-34825/

Außenpolitik der UdSSR
http://www.geschichtsforum.de/f67/d...spolitik-der-udssr-von-1927-bis-1938-a-39517/
 
Nun, ich muss bekennen, dass meine Vorbereitung doch noch nicht abgeschlossen ist, da ich noch nicht alle Aspekte beleuchtet habe. Danke schonmal für diese Erkenntnis! :scheinheilig:
Meine 2. These stützt sich vor allem auf ein Zitat Litvinovs an den sowj. Botschafter in Berlin:
"Wir wissen ausgezeichnet, dass es ohne uns unmöglich ist, die Aggression in Europa aufzuhalten und zum Stehen zu bringen, und je später man uns um unsere Hilfe bittet, umso teurer wird man uns dafür bezahlen."
 
Meine 2. These stützt sich vor allem auf ein Zitat Litvinovs an den sowj. Botschafter in Berlin:
"Wir wissen ausgezeichnet, dass es ohne uns unmöglich ist, die Aggression in Europa aufzuhalten und zum Stehen zu bringen, und je später man uns um unsere Hilfe bittet, umso teurer wird man uns dafür bezahlen."

Die Rolle von Litvinov sollte nach "München", eher schon als Folge des Spanischen Bürgerkriegs, nicht überschätzt werden und auch nicht seine Möglichkeit, politischen Einfluss zu nehmen.

Mann, Stalin und auch Molotov, begegneten seiner Konzeption der "kollektiven Sicherheit" mit hoher Skepsis.

Dass sich Stalin in der Rolle als "Zünglein an der Waage" definierte, entsprang teilweise der ideologisch definierten Sichtweise, dass die kapitalistischen Staaten auf einen Konflikt zutreiben im Zuge ihrer Kämpfe um Märkte (vgl. Lenin`s "Imperialismustheorie").

Er verschwieg zudem, dass die Vorstellung der Kollektiven Sicherheit einem sowjetischen Wunsch entsprach, nicht unvermittelt mit einem "Koalitionskrieg", möglichweise im Westen und im Osten, konfrontiert zu sein.

Deswegen war es nicht "altruistisch", seine Hilfe im Kampf gegen die Achsenmächte anzubieten, sondern es entsprang den orginären Sicherheitsinteressen der UdSSR.

Und das seine Einschätzung mehr einem Wunschdenken entsprang, kann man auch teilweise an den Verhandlungen der GB/F-Delegation in Moskau sehen, aus denen sich ein starkes Interesse der Westmächte nicht stringent ableiten läßt.
 
Meine 2. These stützt sich vor allem auf ein Zitat Litvinovs an den sowj. Botschafter in Berlin:
"Wir wissen ausgezeichnet, dass es ohne uns unmöglich ist, die Aggression in Europa aufzuhalten und zum Stehen zu bringen, und je später man uns um unsere Hilfe bittet, umso teurer wird man uns dafür bezahlen."

Die Relevanz von Litvinov hat thanepower schon zutreffend eingeschränkt.

Die Aussage bringt aber auch inhaltlich zu These 2, dem Wortlaut nach, nur das bekannte sowjetische Konzept der Kollektiven Sicherheit. Nimmt man es wörtlich, wird der SU nur auf diesem Wege die Möglichkeit zugesprochen, den Krieg zu verhindern, nicht: ihn auslösen.

Die ideologische Komponente dieser Erkenntnisse der sowjetischen "Intelligence" ist auch schon angesprochen: den Krieg auslösen können/werden ihn die Konflikte der "kapitalistischen Mächte".

Mit dem Hitler-Stalin-Pakt hat die SU außerdem explizit dieses Komzept der Kollektiven Sicherheit gegen die von Stalin unterstellte "Einkreisung" der SU über Bord geworfen. Litvinov war schon vorher "entsorgt" worden.
 
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