Stalin und der "Röhm-Putsch"

silesia

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Ist eigentlich eine innenpolitische, militärpolitische oder außenpolitische Reaktion Stalins auf die nationalsozialistische Propaganda um den so bezeichneten "Röhm-Putsch" bzw. Stalins Kenntnis von den Vorgängen in Deutschland bekannt?
 
Ist eigentlich eine innenpolitische, militärpolitische oder außenpolitische Reaktion Stalins auf die nationalsozialistische Propaganda um den so bezeichneten "Röhm-Putsch" bzw. Stalins Kenntnis von den Vorgängen in Deutschland bekannt?


Ersteinmal bin ich "schwammig". Kenntnis darüber mit Sicherheit. Die "Diszilpinierung" einer dominanten Parteiorganisation wie der SA wird ihn bestimmt beeindruckt haben.

Aber Deine Fragestellung geht ja weit darüber hinaus, und zwar m.E. der sog. "Röhm-Putsch" als mögliches Vorbild für die innerparteilichen "Säuberungen" in der KPdSU (B). Der historische Zeitstrahl läßt da durchaus Vermutungen zu, aber eben nur Vermutungen. Im übrigen ist das auch "vermintes Territorium". ;)

Das könnte eine interessante Diskussion werden!


M.
 
Aber Deine Fragestellung geht ja weit darüber hinaus, und zwar m.E. der sog. "Röhm-Putsch" als mögliches Vorbild für die innerparteilichen "Säuberungen" in der KPdSU (B). Der historische Zeitstrahl läßt da durchaus Vermutungen zu, aber eben nur Vermutungen.

Erstmal danke!

Das habe ich natürlich nicht zu schreiben gewagt. :winke:

Tatsächlich ist eine gewisse zeitliche Nähe gegeben. Andeutungen in Stalin-Biographien sind mir dazu nicht bekannt.

Zu berücksichtigen ist auch, dass Stalin den Vorgang nur von außen beobachten konnte und die NS-Propaganda die Bedrohung und den "Liquidierung" übertrieben hat.

Philbin III. (The Lure of Neptune - German-Soviet Naval Collaboration and Ambitions 1919-1941, S. 41) erwähnt eine Politbürositzung, in der Stalin zu den Vorgängen und der "radikalen Lösung" offenbar stark beeindruckt Stellung bezogen hat.
 
Von Valentin Bereshkow, dem Dolmetscher Stalins, ist folgende Aussage überliefert:

"Als in Deutschland die Nacht der langen Messer' stattfand, fragte Stalin auf der ersten Sitzung des Politbüros: 'Haben Sie gehört, was in Deutschland passiert ist? Hitler, das ist ein toller Bursche! So muß man mit politischen Gegnern umgehen.' "

Bereshkow beruft sich dabei auf eine Aussage von Anastas Iwanowitsch Mikojan, der an besagter Sitzung teilgenommen hatte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Problem dabei ist, daß, selbst wenn sich Protokolle des Politbüros finden ließen, in denen sich Stalin beeindruckt geäußert haben sollte und das wird er bei seinem Charakter garantiert getan haben, es wahrscheinlich keine Quelle gibt, in der er anweist oder sagt: "Wir machen das so wie Hitler es 1934 gemacht hat".

Bliebe z.B. nur ein Analogieschlußverfahren und das ist immer hochspekulativ und da ist man auf sehr "dünnem Eis"!

Was hatte z.B. Hitler 1934 mit Stalin 1936/38 gemeinsam? Die Macht der jeweiligen Parteien war gesichert, die der KPdSU (B) soziologisch, ideologisch und politisch stärker als die der NSDAP. Bliebe die persönliche Macht in Staat und Partei, also die persönliche diktatorische Ausformung der Macht. Gab es grundsätzliche Rivalitätsansprüche? Bei Stalin nein, Trotzki, m.E. keine grundsätzliche Rivalität im soziologischen Ziel, klar aber im politischen, Bucharin, vllt. Reminiszensen an die NEP, Tuchatschewski, vllt. wenn Stalin den 18. Brumaire gelesen hat - und das hat er bestimmt.

Hitler, der bis 1934 andauernde Spagat zwischen konservativen Bürgertum/Adel gleichsam verkörpert durch Hindenburg und der Reichswehrführung und den soziologisch nichteinlösbaren Verheißungen (Röhm, Strasser etc.).

Auf alle Fälle bedeudeten für beide Diktatoren, der 30. Juni 1934, bzw. 1936/38 die uneingeschränkte persönliche Macht.

Das ist hochspekulativ und ein Gedankenspiel und entbehrt jedweder historischen Quellenanalyse und wenn ein Mitdiskutant dieses Gespinst argumentativ "zerreisst" - gerne.

M.
 
Aber Deine Fragestellung geht ja weit darüber hinaus, und zwar m.E. der sog. "Röhm-Putsch" als mögliches Vorbild für die innerparteilichen "Säuberungen" in der KPdSU (B). Der historische Zeitstrahl läßt da durchaus Vermutungen zu, aber eben nur Vermutungen.


Hierzu passend ein Interview, das der Autor Anatolij Rybakow dem SPIEGEL gegeben hat (Heft 43/1987, Rybakow hatte gerade sein neustes Werk "Die Kinder des Arbat" veröffentlicht).
Auszug:

SPIEGEL: Sie lassen Ihren Stalin lange über den sogenannten Röhm-Putsch des Jahres 1934 nachdenken und darüber, ob blutige Säuberungsaktionen eine Partei eher stärken oder schwächen. Suggerieren Sie damit nicht, Stalin habe sich diese politischen Morde im nationalsozialistischen Deutschland zum Vorbild für seine eigenen Parteisäuberungen genommen?

RYBAKOW: Es ist immer schwer zu sagen, wer für wen historische Muster liefert. Stalin begann bereits 1926 damit, seine politischen Gegner zu beseitigen, vielleicht schon früher, schon 1925. Er schaltete Trotzki mit Hilfe von Sinowjew und Kamenew aus, dann 1926/27 Sinowjew und Kamenew mit Hilfe von Bucharin und Rykow, 1929/30 kamen Bucharin und Rykow dran unter Mithilfe anderer Politbüro-Mitglieder, und schließlich wurden auch die beseitigt. Als die "Nacht der langen Messer" der Nazis stattfand, hatte Stalin längst begonnen.

SPIEGEL: Stalins Terror und Hitlers Terror ...


Rybakow hatte sich eines umfangreichen Quellenstudiums befleißigt, um die 1930er Jahre (die er ja auch selbst bewusst miterlebt hatte) so fundiert wie möglich darstellen zu können. Hierzu gehörte natürlich auch die Beschäftigung mit Stalin. Anscheinend gab es eine Reihe von Hinweisen darauf, dass der Röhmputsch Stalin beschäftigt hat.
 
Dank an Euch beide!

Sicher wäre es daneben gesprungen, Stalin eine "Blaupause" unterzuschieben, von den Zeitpunkten und den früheren Terror ganz abgesehen.

Interessant finde ich insoweit nur die Wahrnehmung der Vorgänge in Deutschland, mglw. die Rückschlüsse auf den Diktator Hitler und die Einschätzung des Deutschen Reiches. Parallel wurden die ersten Kontakte zwischen Litvinov und Barthou bzgl. eines "Ostpaktes" geknüpft, wobei Barthou Deutschland mit hineinnehmen wollte. Die deutsche Seite wiederum hatte den Balten-Garantievorschlag abgelehnt. Litvinov zeigte sich skeptisch zur Einbeziehung Deutschlands in den Ostpakt.

Die sowjetische Presse brachte mit dem Röhmputsch die Faschismus-Agententheorie wieder auf. Stalin betrachtete die Ereignisse definitiv nicht als Anzeichen des kommenden Zusammenbruchs, sondern war nun der Überzeugung, dass sich die NS-Diktatur stabilisiert habe. Man erwog eine verstärkte Bemühung um einen Ausgleich mit dem Dritten Reich. Insofern ist der Röhmputsch auch eine außenpolitische Demonstration, fraglich ist, mit welchen Wirkungen auf Stalin.
 
Noch nachgeschoben: eigentlich war das der dritte Paukenschlag innerhalb weniger Monate.

Zuvor musste man in Moskau den völlig überraschenden Nichtangriffspakt Deutschland-Polen verdauen, parallel das Ausmaß der deutschen Aufrüstung.

Ich vermute, dass man Hitler (auch in Erwartung eines Staatsstreichs der Reichswehr oder konservativer Kreise oder einer Kombination von beiden) zuvor nur als Intermezzo betrachtet hat. Das dürfte sich mit der offenen Liquidierung nun geändert haben. Außerden wurde der unterstellt linke Flügel der NSDAP liquidiert. Man hatte in Moskau die NS-Bewegung zuvor nur als westliche Reaktion bzw. als Reflex auf das sozialistische Russland interpretiert, der sich vermutlich "ausrichten" werde, mglw. eben auch mit (gesteigerten) sozialistischen Tendenzen.
 
In der sowjetische Außenpolitik der 1930'er Jahre lassen sich zwei, tw. konträre Strömungen beobachten.

1)
Die staatspolitische Ausprägung, hier war die UdSSR ganz "Rußland" mit manchen Kontinuitäten, die sich bis ins zaristische Rußland zurückverfolgen lassen. Machtpolitische Bindung an UK und Frankreich. Rapallo und der Nichtangriffsvertag 1939 sind Episoden, die letztlich zwei Pariastaaten verbanden. Die antipolnische Kontinuität der Außenpolitik der UdSSR ist ebenfalls evident, die sie zeitweise in Konflikt mit Frankreich brachte.

2)
Die ideologische Ausprägung. Die Faschismus-Definition von Dimitrow und deren Annahme durch die KI, sowie den sog. "Volksfrontgedanken" sollte dabei berücksichtigt werden.

In diesem Spannungsverhältnis zwischen staatspolitischer und ideologischer Ausrichtung bewegte sich m.E. die Außenpolitik der UdSSR in dieser Zeit. Ich meine, Stalin war da auch nicht frei und gleichsam ein Deus ex machina.

M.
 
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