Luftkrieg: Bombardierung Rotterdams 1940

Tib. Gabinius

Aktives Mitglied
Als die 9. Panzerdivision am 12.05.1940 in den Vororten der Stadt Rotterdam ankam, fand sie diese stark verteidigt vor. Scharfschützen im Viertel an der Willemsbrücke machten ein vorrücken so gut wie unmöglich.
Daraufhin beschloß das OKW einen anderen Weg zu gehen. Am 14.05 übermittelte Generalleutnant Rudolf Schmidt den Verteidigern unter dem Kommando von Oberst Philip Scharroo ein Ultimatum bis 14 Uhr zur Übergabe. Sollte dies verstreichen ohne den Forderungen nachzukommen, würde man mit allen Mitteln die Einnahme der Stadt betreiben, unter die auch die Zerstörung der Stadt fallen könnte.

Zwar nahmen die Kommandanten dann Verhandlungen auf, die Nachricht darüber erreichte aber die 100 Bomber des Kampfgeschwaders 54 nicht rechtzeitig, und alle Versuche, sie in der Luft zu informieren gelangen nicht rechtzeitig. Als letztlich Bodensignale ausgemacht wurden, hatten 57 der Bomber bereits 97 t Bomben abgeladen, vornehmlich auf das Gebiet nördlich der Maas.
Dabei explodierten Öltanks im Hafenviertel und ein Fettbunker gerät in Brand. Das folgende Inferno vernichtet einen großen Teil der historischen Gebäude der Stadt. Es dauert Wochen bis die letzten Flammen und Glutherde gelöscht sind.
Von den 600.000 Einwohnern kommen an diesem Tag rund 800 ums Leben. Die Zahl der getöteten Soldaten ist mir nicht bekannt.
Am 15. Mai ergeben sich die niederländischen Streitkräfte.
 
Wie man die Bombardierung Rotterdams während der Kapitulationsverhandlungen anders, als als Kriegsverbrechen bezeichnen kann, ist mir wirklich nicht einleuchtend.
Also, ganz so einfach verhält es sich mit der Bombardierung Rotterdams nicht. Rotterdam war eine befestigte Frontstadt. Der Befehl zur Bombardierung (erfolgte noch während der Kampfhandlungen, also kein Kriegsverbrechen) deckte sich mit der damaligen, international gängigen Rechtsauffassung. Leider erreichte aber der Befehl zum Abbruch des Luftangriffs (nach dem Beginn entsprechender Übergabeverhandlungen) nicht beide Staffeln des Kampfgeschwaders 54. Nur die zweite Staffel brach noch rechtzeitig den Angriff ab. Vielleicht können einige Rechtsexperten hier klären, ob man von einem Kriegsverbrechen sprechen kann oder nicht.
Hier noch mal ein Link dazu: http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/kriegsverlauf/rotterdam/index.html
 
Luftkrieg: Rotterdam

"Verletzung der Neutralität Belgiens und Hollands ist bedeutungslos"

Am 14. Mai 1940 haben die Nazis einen Luftangriff auf Rotterdam durchgeführt, bei dem die Altstadt weitgehend zerstört wurde. Dieses Ereignis wird gelegentlich als bedauerlicher Zwischenfall bezeichnet, zu dem es nur aufgrund unglücklicher Umstände gekommen sei.

Nachdem die Übergabe der Stadt an die deutschen Truppen vereinbart war, so lautet die Erklärung, sei sofort der Befehl an die Bomber gegeben worden, den Angriff abzubrechen, aber da die Flugzeuge bereits die Schleppantennen eingezogen hatten, habe man sie nicht mehr erreichen können. Auch Leuchtsignale, die vom Boden gegeben wurden, hätten nichts mehr ändern können.

Diese Darstellung ist zwar richtig, sie klammert aber wesentliche Gesichtspunkte aus. Zunächst einmal haben die Bomber genau das getan, was sie tun sollten: Sie haben die Innenstadt bombardiert, weil sie offenbar den Auftrag hatten, Zivilisten zu treffen. Etwa 900 Menschen starben, etwa 25.000 Häuser brannten aus, etwa 78.000 Menschen wurden obdachlos. (vgl. DHM: Rotterdam)

Am verbrecherischen Charakter des Auftrags kann auch die Tatsache nichts ändern, dass die Flugzeuge beinahe noch zurückgerufen worden wären.

Die Maschinen sollten ja nicht etwa zurückgerufen werden, weil die Nazis auf einmal Gewissensbisse bekommen und beschlossen hätten, die Zivilbevölkerung zu schonen. Diese Absicht hatten die Nazis ganz sicher nicht, denn sie haben gedroht, als nächstes auch noch Utrecht zu bombardieren, und daraufhin haben die Niederlande am 15.5.1940 kapituliert. (vgl. Enzyklopädie des Holocaust, S. 706)

Ein legitimer Luftangriff?
Es gibt offenbar Militärhistoriker und Luftkriegsexperten, die der Ansicht sind, "dass es sich bei Warschau und Rotterdam um legitime taktische Luftangriffe auf verteidigte Städte im Frontgebiet handelte", so Horst Boog in einem Beitrag für die rechtsextreme "Junge Freiheit" (40/04, 24.9.2004).

Das ist eine verkürzte und unzutreffende Darstellung des Sachverhalts. Der Luftangriff auf Rotterdam wird nicht dadurch legitimiert, dass die Niederländer sich gegen den deutschen Überfall gewehrt haben.

Was hatten denn die deutschen Truppen überhaupt in einer niederländischen Stadt zu suchen? War das legitim?

Wenn aber der Angriff auf die neutralen Niederlande nicht legitim war, dann waren es die Bombenabwürfe auf Rotterdam im Rahmen dieses Feldzuges auch nicht.

Hitler hat schon lange vor dem Angriff gesagt, was er von der Neutralität der Nachbarländer hielt:

Mein Entschluss ist unabänderlich. Ich werde Frankreich und England angreifen zum günstigsten und schnellsten Zeitpunkt. Verletzung der Neutralität Belgiens und Hollands ist bedeutungslos.
Adolf Hitler am 23.11.1939
Besprechung mit den Oberbefehlshabern der Wehrmacht

Wenn man den Angriff auf die neutralen Niederlande verurteilt, dann sollte man auch so konsequent sein, den Luftangriff auf Rotterdam auf die gleiche Weise zu verurteilen. Von "legitim" kann bei diesem Überfall auf ein neutrales Land keine Rede sein.

Da verlinkte Seiten nicht immer gelesen werden, habe ich das ganze hier reinkopiert. Quelle: Holocaust-Referenz Argumente gegen Auschwitzleugner
http://www.h-ref.de/krieg/luftkrieg/rotterdam.php
 
Wenn aber der Angriff auf die neutralen Niederlande nicht legitim war, dann waren es die Bombenabwürfe auf Rotterdam im Rahmen dieses Feldzuges auch nicht.

Hallo ursi,

die moralische Verurteilung des Angriffes teile ich. Bei der völkerrechtlichen Bewertung würde ich differenzieren:

1. Nach dem vorliegenden Verstoß gegen das Völkerrecht (egal und dahingestellt, ob man die Führung eines Angriffskrieges als solches, oder den Verstoß gegen den Kellogg-Pakt heranzieht)
2. nach einem möglichen Verstoß gegen anerkanntes, geltendes Kriegsrecht durch die Bombardierung selbst.

Nr. 2 ist kompliziert. Es gab die HLKO, die sich auf die Bombardierung von Städten durch Artillerie im Vormarschgebiet bezog. Dann gab es Entwürfe, Diskussionen um eine Luftkriegsordnung, die stecken geblieben sind. Möglicherweise läßt sich daraus völkerrechtlich eine Gewohnheit/herrschende "Meinung" etc. konstruieren. Das müßte man analysieren. Schließlich wäre der Status der Stadt relevant, allerdings wurde darin bereits nach Luftlandungen gekämpft.

Die Differenzierung mag auf den ersten Blick makaber und trocken-juristisch klingen, aber nur Pkt. 2 wäre für eine völkerstrafrechtliche Verurteilung als Kriegsverbrechen relevant.

Soweit einmal fürs erste. Ich muss mal ein wenig zu der Akzeptanz der Luftkriegsordnung recherchieren, wenn das interessieren sollte.

Und abseits der trocken-juristischen steht natürlich die moralische Bewertung einer auch militärisch sinnlosen Bombardierung außer Frage.
 
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Du hast sicher recht silesia.

Meiner Ansicht nach, war es ein Verbrechen. Ob nun dieser Bombenangriff laut Völkerrecht ein Kriegsverbrechen war oder nicht ist mir persönlich eigentlich egal. Nazi-Deutschland hat einen Krieg angezettelt und das alleine ist doch schon ein Verbrechen.

Ich weiss ich bin mal wieder sehr unhistorisch, aber ich kann einfach mit diesen Legitimitätsversuchen (egal von welcher Seite) nichts anfangen.

Und man darf auch nicht vergessen, das es Hitler egal war, ob ein Land nun Neutral war oder nicht. Er (natürlich nicht er persönlich) hat einfach Länder überfallen und besetzt, und dazu waren ihm nun mal alle Mittel recht, auch die Bombadierung von Städten. Es war egal ob dort Menschen ums leben kamen. Es waren ja in Rotterdam "nur" 900, was ist das schon gemesen an den späteren Zahlen der Opfer des Luftkrieges. Deshalb, so vermute ich, wird Rotterdam nicht als Kriegsverbrechen angesehen, weil es zuwenig Opfer gab.
 
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Nazi-Deutschland hat einen Krieg angezettelt und das alleine ist doch schon ein Verbrechen.
Ich weiss ich bin mal wieder sehr unhistorisch, aber ich kann einfach mit diesen Legitimitätsversuchen (egal von welcher Seite) nichts anfangen.

Hallo,

da sind wir uns völlig einig, und das ist auch in keiner Weise "unhistorisch" sondern höchstens "unjuristisch" (was aber keinen wirklich interessiert, wenn es um einen zu bewertenden historischen Vorgang geht).

Bist du noch an einer Genese der HLuftKO interessiert?
 
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Hallo,

da sind wir uns völlig einig, und das ist auch in keiner Weise "unhistorisch" sondern höchstens "unjuristisch" (was aber keinen wirklich interessiert, wenn es um einen zu bewertenden historischen Vorgang geht).

Bist du noch an einer Genese der HLuftKO interessiert?

Grüße
Thomas

Ok "unjuristisch" das bin ich gerne.

Klar bin ich interessiert. Wenn es um Quellen geht bin ich immer sehr interessiert.
 
Hallo,

vorauszuschicken ist, dass der Angriffskrieg gegen die Niederlande per se Völkerrecht verletzt hat. Insoweit ergaben sich auch hieraus die gerichtlichen Verurteilungen.
Verurteilungen wegen eines Kriegsverbrechens aufgrund des Luftangriffes erfolgten m. W. nicht.

Nachdem ich nun einiges nachgeschlagen habe, auf Basis folgender Quellen:
Jacobsen, Der deutsche Luftangriff auf Rotterdam, WWR 1958, S. 257-284
von Bock und Halder, Kriegstagebücher
Lageberichte West der Abteilung Ic, Fremde Heere West, Generalstab des Heeres.
Mehner, Die geheimen Tagesberichte der deutschen Wehrmachtsführung 1939-1945
Butler, Grand Strategy, Vol. II, Appendix I b): The German Bombing of Rotterdam,
Bericht des Bataillon-Komm. von Choltitz (III./IR 16), der die Kapitulationsverhandlungen führte.
ergibt sich für mich folgendes Bild:

Verantwortlichkeit für den Angriff:
Die Verantwortung für Planung und Ausführung des Luftangriffs trägt das Armeeoberkommando 18, General von Küchler, der sich den letzten Befehl bis in die Morgenstunden des 14.5.1940 nach Lageentwicklung vorbehielt. Der Angriff wurde vom XXXIX. AK (General Schmidt) angefordert, die Sorge um die noch 2 Tage zuvor in Rotterdam abgeschnittenen eigenen Verbände spielte hierbei keine Rolle mehr. Für die Angriffsziele gab die 7. Fliegerdivision dem Verbindungsoffizier der Luftflotte 2 (KG 54) eine genaue Lagekarte heraus, wobei ausdrücklich auf gefährdete deutsche Verbände im Nordbrückenkopf der Maas-Brücken hingewiesen wurde. Der Zielanflug des KG 54 in 2 Gruppen (rd. 100 He111) folgte exakt dem Bereich der angeforderten Luftunterstützung. In dem Bereich waren gegen 15 Uhr zahlreiche niederländische Verbände (7 Bataillone sowie Artillerie, die das Südufer beschoss), nach dem Zeitplan war außerdem ab 14.40 Zieleinschießen der deutschen Artillerie, ab 14.45 Feuerüberfall auf die verteidigte Nordstadt, ab 15.00 Bombenangriff und ab 15.30 Schützenangriff über die Maas-Brücken vorgesehen. Wegen der lfd. Kapitulationsverhandlungen wurde der Luft-Angriff abgesagt, der Befehl erreichte über das Abschießen roter Leuchtkugeln lediglich die Südgruppe mit 43 Flugzeugen.

Ursachen:
1. Große Eile wegen Versuches, über die in Rotterdam bereits gehaltenen Maas-Brücken schnell ins Innere der Festung Holland vorzudringen.
2. massiver Führungsdruck vom OKH auf die Heeresgruppe B, die Lage in Rotterdam/Festung Holland schnellstmöglich zu klären, um im Rahmen des zeitkritischen Gesamtplanes motorisierte Kräfte für den Süden freizumachen. Der ganze Erfolg des Durchbruches bei Sedan war noch nicht abzusehen, deshalb herrschte hier höchste Nervosität.
3. massiver Führungsdruck vom OB der HG B, Generaloberst von Bock, auf die 18. Armee, um den schnellen Erfolg der Heeresgruppe gegen die Niederlande zu sichern. Hier spielten m. E. persönliche, möglicherweise ehrgeizige Motive (gegenüber der „wichtigeren“ Heeresgruppe A von Rundstedt) eine Rolle.
4. Massiver Druck vom AOK 18 auf das XXXIX. AK, Rotterdam schnellstmöglich gegen jeden Widerstand mit allen Mitteln einzunehmen.
5. Irritationen und Falschmeldungen der Vortage bis zum 14.5. über mögliche britische Verstärkungen der Festung Holland, die den Zeitplan gefährden würden.

Versagen im Abbruch des Angriffs:
1. Eine Funkverbindung zum gestarteten Geschwader bestand nicht aufgrund der eingetretenen Flug-Entfernung (nach über 200 km).
2. Das vereinbarte Abbruchssignal (rote Leuchtkugeln) erreichte nicht die Nordgruppe im Anflug, aufgrund starker Rauchentwicklung wegen der brennenden Häuser am Nordufer sowie eines stark brennenden Schiffes im Hafen. Die Südgruppe konnte bis auf 3 He111 den Angriff abbrechen. Am 14.5. herrschte Dunst über Rotterdam, der die Flugzeuge kurz vor dem Angriff auf 750 m für den Zielanflug zwang.
3. Möglich ist schließlich (lt. Butler, wofür es nach Jacobsen keine Quellen gibt), dass die Angriffsstornierung (14.15, aufgenommen 14.22) in zweifelsfrei erfolgter Absprache zwischen Göring und Kesselring nicht an KG 54 weiter gegeben worden sei. Butler vermutet einen „override“ der Entscheidung Schmidts, dass Göring mit dem Luftangriff eine schnelle Kapitulation aufgrund des Eingreifens der Luftwaffe erzwingen wollte. Tatsache ist, dass Görings Eingriffe während des Westfeldzuges bis Dünkirchen ständig von der Suche nach Erfolgsanteilen für die Luftwaffe geprägt waren. Die Möglichkeit besteht, sie ist quellenseitig nicht beweisbar. Schmidt entschuldigte sich unmittelbar nach dem Luftangriff beim holl. Kommandeur. Andererseits soll nach den Berichten Speidels (Auskunft ggü. Jacobsen) der Ia der Luftflotte 2, Obstlt. Rieckhoff versucht haben, den Bomberverband mit einem Jäger einzuholen (was zwischen ca. 14.30 und 15.00 kaum gelingen konnte).

Der Angriff erfolgte auf eine verteidigte Stadt, nach der gemäß HLKO vorher notwendigen Ankündigung der Beschießung. Der Luftangriff war Teil der vorgesehenen Artilleriebeschießung. Der Angriff wurde während laufender Kapitulationsverhandlungen durchgeführt. Vor Beginn des Luftangriffs des Angriffs war der holl. Seite eine Frist bis 18.00 übermittelt worden, da das XXXIX. AK von einer gelungenen Verschiebung des Luftangriffs ausgegangen war (evt. auch auf die roten Leuchtkugeln "hoffte"). Der Artilleriebeschuss wurde ebenfalls abgesagt.

Die Untersuchungsakten des OKL lt. Milch und Engel über den Luftangriff sind verschollen.
Jacobsen kommt in seiner Studie nach all dem zu dem Schluss, das ein tragisches Mißgeschick vorliegen würde, befördert durch große Hektik und Nervosität auf beiden Seiten. Dagegen muss der militärische Sinn des Angriffs (erstmals vorgesehen am 13.5., letztlich angeordnet am Morgen des 14.5.) angezweifelt werden.


EDIT: Wenn eine eingehende Darstellung der Abläufe interessieren sollte, hätte ich dazu eine etwas umfassendere Abhandlung aus der zitierten Literatur.
 
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Danke silesia für deine Ausführungen.

Eine Frage habe ich aber bezüglich Quellen. Du hast ein Buch aus dem Jahr 1958 angegeben. Das ist doch eine sehr alte Sekundärliteratur, gibt es bezüglich der Bombadierung Rotterdams keine neue Forschungsergebnise? Oder gilt das als Standartwerk?
 
Danke silesia für deine Ausführungen.
Eine Frage habe ich aber bezüglich Quellen. Du hast ein Buch aus dem Jahr 1958 angegeben. Das ist doch eine sehr alte Sekundärliteratur, gibt es bezüglich der Bombadierung Rotterdams keine neue Forschungsergebnise? Oder gilt das als Standartwerk?

Hallo ursi,

Jacobsen ist die "Standardquelle" zum Westfeldzug insgesamt, sein Artikel zu Rotterdam aus der wehrwissenschaftlichen Rundschau ist bis heute Stand der Erkenntnis. Der Sachverhalt ist bis auf die Göring-Verwicklung aufgeklärt.

Ergänzend noch:
Es gibt die Studie von General Speidel über den Westfeldzug 1940 (Teil II) S. 100-126, angefertigt für die US-Army, mit einem großen Beitrag über Rotterdam. Diese Studie wiederum verweist auf die Kommentare der USAAF zu Studie 152, Karlsruher Dokumentensammlung, über Verlauf und Ursachen der Massenzerstörungen, insbesondere im "Fall Rotterdam".
Jacobsen hat zahlreiche Sachverhalts-Details aus der Speidel-Studie abgeschrieben, bzw. dazu die Dokumente im Bundesarchiv-Militärarchiv zitiert.

Nach 1958 ist m.W. nichts Wesentliches zu den Fakten für Rotterdam nachgetragen worden.
 
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Hallo!

Bin nach langer Zeit auch mal wieder da bzw. in diesem schönen Forum unterwegs...

...Also was neue Forschungsergebnisse betrifft (sofern ich das richtig verstanden haben und es um den Ablauf der Bombardierung geht), habe ich das mal wie folgt zusammen gefasst:


Nachdem die deutsche Wehrmacht am 10. Mai 1940 die Niederlande überfallen hatte und dank 4.000 Mann Luftlandetruppen - die alle strategischen Punkte (Brücken, Flugplätze etc.) besetzten - dann blitzartig voran marschierte, stand bereits am 12. Mai die 9. Panzerdivision in den Vororten von Rotterdam, dem größten Hafen der Niederlande und einem wichtigen Handelszentrum. Die Verteidiger der Stadt wollten jedoch nicht aufgeben. Sie leisteten hartnäckigen Widerstand, als Generalleutnant Rudolf Schmidt am 14. Mai den niederländischen Stadtkommandanten Oberst Philip Scharroo warnte, wenn der Widerstand nicht eingesellt werde, würden die Deutschen ihn mit allen Mitteln brechen. "Dies kann die völlige Vernichtung der Stadt zur Folge haben", hieß es in Schmidts Kapitulationsaufforderung.

Das war keine leere Drohung. Hitler hatte befohlen, Rotterdam nötigenfalls wie Warschau durch Luftangriffe zur Kapitulation zu zwingen. 100 Flugzeuge vom Typ He 111 des Kampfgeschwaders 54, welches zur Luftflotte 2 unter dem Oberbefehl des Generals der Flieger Albert Kesselring gehörte, hatten bereits den Angriffsbefehl erhalten und sollten gegen 14 Uhr starten, falls Rotterdam bis dahin nicht kapitulierte. Die erste Angriffskolonne mit 57 Maschinen würde von Oberst Walter Lackner geführt werden. An der Spitze der zweiten würde Oberstleutnant Otto Höhne fliegen. Ihr Ziel war die holländische Kräftekonzentration in einem Dreieck unmittelbar nördlich der Maas, die sich durch Rotterdam windet.
Bei der Einsatzbesprechung waren die Bomberbesatzungen aufgefordert worden, auf unter ihnen aufsteigende rote Leuchtkugeln zu achten. Falls sie welche sahen, sollten sie den Angriff abbrechen. Leuchtkugeln bedeuteten, dass Rotterdam im Begriff war, sich zu ergeben.

Oberst Scharroo überbrachte Generalleutnant Schmidts Kapitulationsaufforderung seinem Vorgesetzten, dem holländischen Oberbefehlshaber General Henri Winkelmann. Die beiden niederländischen Offiziere entschieden sich für eine Hinhaltetaktik und forderten Verhandlungen mit dem deutschen Parlamentär, Oberstleutnant Dietrich von Choltitz. Um 13.50 Uhr, als Choltitz und Scharroos Parlamentär, sein Adjutant Hauptmann Bakker, zusammentrafen, liefen in 300 Kilometer Entfernung - weniger als eine Stunde Flugzeit von Rotterdam - bereits die Motoren von Lackners Kampfgeschwader 54 warm.

Die nun folgende Tragödie wurde durch unzulängliche Nachrichtenverbindungen ausgelöst. Schmidts Anhaltebefehl an die Luftflotte 2 - "Angriff wegen Verhandlungen verschoben" - wurde wegen Funkstörung erst um 14.15 Uhr übermittelt, als Lackners und Höhnes Maschinen längst gestartet waren. Die Funker der Luftflotte 2 konnten die Frequenz, auf der die Rotterdam anfliegenden He 111 zu erreichen waren, nicht finden, und als Kesselrings Oberkommando den Befehl an die Leitstelle des Geschwaders bei Bremen, die eine Verbindung hätten herstellen können, weitergeleitet hatte, war es bereits zu spät.
Um zu versuchen, das Kampfgeschwader 54 abzufangen, sprang der Ia der Luftflotte 2, Oberstleutnant Hans-Jürgen Rieckhoff, in Münster in eine Me 109 und jagte nach Rotterdam. Als er dort eintraf, hatte das Geschwader sich jedoch bereits zu zwei Angriffskolonnen formiert und befanden sich mit geöffneten Bombenklappen im Anflug auf die Hafenstadt.

Am Boden schossen Choltitz und seine Männer inzwischen mit verzweifelter Hast ganze Serien roter Leuchtkugeln ab. Aber obwohl die Leuchtsignale hoch in die Luft stiegen, waren sie nicht hell genug, um im Dunst und Qualm über der belagerten Stadt sichtbar zu sein. Nur einer der 100 deutschen Flugzeugführer erkannte "zwei kümmerliche Leuchtpatronen".
Das war Höhne selbst, der dann seinem Funker das Stichwort "Abdrehen" zurief, obwohl sein Bombenschütze und die dicht hinter ihm folgenden "Kettenhunde" ihre Bomben bereits geworfen hatten.

Die restlichen Maschinen von Höhnes Angriffskolonne drehte ab, aber Lackners Bomber hielt unbeirrbar aufs Zielgebiet zu und belegte es mit 97 Tonnen Sprengbomben. Die entstehenden Brände wurden durch leichte Winde angefacht und fanden in den alten Fachwerkhäusern reichlich Nahrung. Auch die Fettvorräte einer bombardierten Margarinefabrik gerieten in Brand und nährten die gewaltige Feuersbrunst. Es sollte drei Monate dauern, bis die letzte Glut erloschen war. Nach ersten Meldungen waren bei diesem Luftangriff 25.000 Menschen umgekommen. Tatsächlich hatte er weit weniger Todesopfer - 814 Menschen - gefordert, aber der deutschen Luftwaffe wurde ein Terrorangriff zur Last gelegt. Ihr Ruf, rücksichtslos brutal und überwältigend schlagkräftig zu sein, verbreitete sich und steigerte die Angst der Zivilbevölkerung anderer Staaten vor den deutschen Fliegern.

Am Abend des 14. Mai 1940 befahl der holländische General Winkelman seinen Streitkräften, die Waffen niederzulegen. Königin Wilhelmina flüchtete an Bord eines britischen Zerstörers nach England. Die Festung Holland, von der die alliierten Generalstäbler gehofft hatten, sie werde sich wochenlang halten können, war innerhalb von fünf Tagen gefallen, nachdem deutsche Luftlandetruppen ihre natürlichen Verteidigungsbarrieren, die Flüsse und Kanäle, überwunden hatten.


Quellen:
Price, Alfred: "Battle over the Reich" © 1973, Jan Allan Ltd., Shepperton,
"Die deutsche Luftwaffe im 2. Weltkrieg" Autorenkollektiv, Gondrom Verlag, 2001,
"Die großen Luftschlachten des Zweiten Weltkrieges" Autorenkollektiv, Neuer Kaiser Verlag, 2000,
Overy, Richard: "Die Wurzeln des Sieges". Deutsche Verlags-Anstalt GmbH, Stuttgart/München © 2002,
Jablonski, Edward: "Terror from the Sky", Doubleday 1971,
Wilmot, Cherster: "Der Kampf um Europa". Schweizer Volks-Buchgemeinde, Luzern 1953,
Wood, Tony, und Gunston, Bill: "Hitler's Luftwaffe: A pictorial history and technical encyclopedia of Hitler's air power in World War II", Crescent Books o.J


Saludos!
 
Hallo Rodriguez,

solltest Du das nicht besser verlinken, um Probleme zu vermeiden?

Ansonsten sind einige Details nicht belegbar, z. B. der behauptete Eingriff Hitlers, die Me109-Geschichte basiert auf einer mündlichen Auskunft an Speidel.

Was mich noch interessieren würde, wäre die niederländische Literatur zum Thema, leider kann ich die nicht lesen. In den deutschen Quellen wird bezüglich der "verzögerten" Kapitulation angedeutet, dass den niederländischen Truppen am 14.5. überhaupt nicht klar war, gegenüber WEM sie eigentlich hier kapitulieren sollen. Einige Quellen schieben nämlich einer angeblichen Hinhaltetaktik die Schuld am Unglück zu.

Man muss dazu bedenken, dass die Masse der 9. Panzerdivision in Angriffsstellung südlich der Maas im Rückraum stand, um über die Brücken durchzustoßen. Die Division wird nahezu vollzählig bis zum Morgen des 14.5. versammelt gewesen sein, erste Spitzen waren ja bereits am 12.5. eingetroffen.

Die Versammlung der 9. PD dürfte der niederländischen Seite aufgrund der kollabierten Nachrichtenverbindungen und der fehlenden Aufklärung so nicht klar gewesen sein, wäre meine Vermutung. Schließlich ist alles auch sehr schnell gegangen.

Der niederländische Kommandeur hat möglicherweise den Eindruck gehabt, vor ein paar hundert Luftlandetruppen mit seinen Truppen in Divisionsstärke zu kapitulieren. Auch das könnte zur Verzögerung beigetragen haben.
 
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