[DR, 2.WK] Binnenschifffahrt

S

Sixpence1

Gast
Hallo,

bei Spaziergängen am Rhein sind einige Fragen bzgl. Binnenschifffahrt im Dritten Reich und während des Zweiten Weltkriegs aufgekommen.
Vielleicht kann jemand weiterhelfen. Online Fundstellen sparen meist den Zeitraum zw. 1933-45 aus.

- War die Binnenschifffahrt einer NS Organisation unterstellt? OT?
- War die Binnenschifffahrt kapazitätsmäßig kriegswichtig? Gibt es Zahlenmaterial?
- Nach dem Beginn des Krieges, kam ihr ein größeres Gewicht zu? (Stichwort: Requerierung von Fahrzeugen seitens der Wehrmacht)
- Einsatz von erbeuteten Schiffen (NL, FR) mit dt. oder Stammbesatzung?
- Wurden solche Schiffe bewaffnet im Verlaufe des Krieges (Flak)?
- Gibt es interessante Geschichten/Details zu diesem Thema (Schmuggel)?
- Gab es die Bestrebung eines "Einheits-"Binnenschiffes? (einfache, schnelle Bauweise)


Über Lesenswertes (Links und/oder Bücherhinweise) wäre ich sehr dankbar.

Vielen Dank,
Sixpence
 
- War die Binnenschifffahrt einer NS Organisation unterstellt? OT?
- War die Binnenschifffahrt kapazitätsmäßig kriegswichtig? Gibt es Zahlenmaterial?
- Nach dem Beginn des Krieges, kam ihr ein größeres Gewicht zu? (Stichwort: Requerierung von Fahrzeugen seitens der Wehrmacht)
- Einsatz von erbeuteten Schiffen (NL, FR) mit dt. oder Stammbesatzung?
- Wurden solche Schiffe bewaffnet im Verlaufe des Krieges (Flak)?
- Gibt es interessante Geschichten/Details zu diesem Thema (Schmuggel)?
- Gab es die Bestrebung eines "Einheits-"Binnenschiffes? (einfache, schnelle Bauweise)

Also ich gehe jetzt mal davon aus, das Binnenschifffahrt im Bereich der Handelsmarine und Passagierschifffahrt auch im Dritten Reich hauptsächlich in privater Hand (Reedereien) waren.
Allerdings waren hier auch kleiner Schiffe oder Boote durchaus der Wasserschutzpolizei (Stichwort: Ordnungspolizei) oder eventuell dem Fischereischutz unterstellt.

Der militärische Aspekt reicht in dem Bereich der Binnenschifffahrt nur auf kleiner Einheiten, Größen technisch bedingt. Aber es waren alle kleineren Einheiten, die aus dem Küstenschutz stammen auch auf den deutschen Flüssen als Kriegsschiffe einsetzbar.

Als erstes fallen mir dazu die Marinefährprähme ein. Dazu habe ich einen Artikel in dem Marinekalender der DDR 1985 gelesen.
Aber unter dem Link hier, wird alles dargelegt, zu diesen Landungsfahrzeugen:
Historisches Marinearchiv - Landungsfahrzeuge

Als zweites gab es noch im militärischen Bereich auch Binnenminensucher, da der immer stärker werdende Angriff der Alliierten per Luft, auch das Verminen von Binnenseen oder Flüssen ermöglichte.
Aber es gab kleinere Minenräumboote schon in der kaiserlichen Marine, Amtsentwurf 1915, Serie F 1- 75, ein Großteil der Boote wird nach 1918 der z.B. Wasserschutzpolizei zugeordnet. *
Als "schneller Dieselschlepper" wurde der Amtsentwurf 1930 der kleinen Minenräumboote der Kriegsmarine der R- Reihe, R 1-16 bezeichnet.
Die Bewaffnung der neuen R-Reihe (von 30-45 wurden ca. 400-500 Boote gebaut) lag bei 1-6 Flak2cm später zusätzlich eine Flak3.7 cm und ca. 10 Minen.*
Link R-Boote:Deutsche Minenräumboote ? Wikipedia

Es gab noch 2 Typen von Flußräumbooten (FR), dem Typenentwurf Obering, H. Docter von 1938, FR 1-12 und dem Flusshilfsräumboot, Entwurf 1938, nach dem Muster des FHR 1 x M/P (Motorpassagierboot) Deggendorf, der niederbayrischen Donau-Personenschifffahrt AG und dem späteren Umbau zum Zugschiff Paul 1928, FHR 2 - 6 ... Bewaffnung 1 Mg, vorgesehen später 2-3 Vierlingsflak L/20.*

Literaturhinweis:
Die deutschen Kriegsschiffe 1815-1945 ; Gröner;
Band 5 - Band 8/2

* Quelle: Die deutschen Kriegsschiffe 1815-1945 ; Gröner; Band 2

 
Es gab im 3. Reich ein "Transportkorps Speer" zu dem auch eine "Transportflotte Speer" gehörte, die zuletzt über ca. 2000 Schiffe und Lastkähne verfügte, (darunter einige aus Beton, wir hatten das hier mal in einen anderem Thema).

Transportkorps Speer ? Wikipedia

Daneben wird es wohl weiterhin eine private Binnenschifffahrt gegeben haben.

Ein weiterer Punkt der mir noch dazu einfällt, ist das zu Kriegsende die Wehrmacht in Jugoslawien in der Donau eine komplette Flotte versenkte damit sie nicht in Feindeshand fiel und um den Fluss zu blockieren. Diese Schiffe liegen zum größten Teil noch immer dort. Inwiefern es Binnenschiffe oder Teile der Schwarzmeerflotte waren, ist mir nicht bekannt.
 
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Daneben wird es wohl weiterhin eine private Binnenschifffahrt gegeben haben.

Ja, gab es. Darunter waren auch größere Binnenschifffahrtsunternehmen.*

Insgesamt 19 der großen Unternehmen im Deutschen Reich wurden nach Kriegsausbruch in den Reichswerken AG für Binnenschiffahrt "Hermann Göring" zusammengefasst.

Erwähnenswert ist noch das Zusammenziehen von Hunderten (Tausenden?) kleinen Binnenschiffern im Züge der Vorbereitung des Unternehmens "Seelöwe" 1940 an der Kanalküste. Dieses hatte gravierende Auswirkungen für kriegswichtige Gütertransporte auf den deutschen Flüssen, da der Transportraum viele Monate ausfiel.

*Statistiken findet man im StJBfDR 1940/41/42 sowie in dem Statistischen Jahrbuch, dass die Allierten später für 1928/44 aus den reichsinternen Statistiken erstellt haben.
http://www.geschichtsforum.de/665656-post56.html
 
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Erwähnenswert ist noch das Zusammenziehen von Hunderten (Tausenden?) kleinen Binnenschiffern im Züge der Vorbereitung des Unternehmens "Seelöwe" 1940 an der Kanalküste. Dieses hatte gravierende Auswirkungen für kriegswichtige Gütertransporte auf den deutschen Flüssen, da der Transportraum viele Monate ausfiel.

Was sollte damit transportiert werden? Einziger Vorteil, waren größere Mengen, an zu bewegenden Material, aber was die Geschwindigkeit und die Zielgenauigkeit zu verlegenden Materials ergab, war die Eisbahn doch sicherlich unschlagbar.

Und wenn die große Anzahl an beschlagnahmenden Binnenlastkähnen dem Kriegsdienst unterstellt wurden, wer hat dann die Kosten der Transporte übernommen?

Habe grad eine Antwort als Literaturhinweis gefunden:
Totaler Arbeitseinsatz für die Kriegswirtschaft. Zwangsarbeit in der deutschen Binnenschifffahrt 1940 - 1945 [Taschenbuch]

  • Taschenbuch: 237 Seiten
  • Verlag: Klartext-Verlagsges. (1. April 2005)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3898612775
  • ISBN-13: 978-3898612777


 
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Die Bahn war durch die Kriegswirtschaft belastet.

1942 weist der Bestand 6565 Binnenschiffe mit eigenem Antrieb auf, dazu 12725 Schiffe ohne eigene Triebkraft (gezählt wurde ab einer Mindesttragfähigkeit von 16 Tonnen).

Die Transportleistung 1941 betrug 112,65 Mio. Tonnen, bzw. 25,02 Mrd. Tonnenkilometer auf allen Wasserstraßen. Es liegen auch Statistiken über Hafenleistungen und Aufgliederungen nach Binnenwasserstraßen bzw. Gebieten im Personen- und Güterverkehr vor.

Quelle: StJb 1928/44.
 
Was sollte damit transportiert werden? Einziger Vorteil, waren größere Mengen, an zu bewegenden Material, aber was die Geschwindigkeit und die Zielgenauigkeit zu verlegenden Materials ergab, war die Eisbahn doch sicherlich unschlagbar.

Was sie sonst auch transportierten: Kohle, Holz, Schrott, Baumaterialien, Getreide, Kartoffeln, Rüben.
Mit geringen Treibstoffeinsatz und über Transportwege die schwer zu stören waren.
 
Was sie sonst auch transportierten: Kohle, Holz, Schrott, Baumaterialien, Getreide, Kartoffeln, Rüben.
Mit geringen Treibstoffeinsatz und über Transportwege die schwer zu stören waren.

Wie sahen die Angriffe der Alliierten gegen diverse Schleusenanlagen aus, denn damit war in null komma nix, der Weg über Flußverbindungen lahm gelegt.
 
Wie sahen die Angriffe der Alliierten gegen diverse Schleusenanlagen aus, denn damit war in null komma nix, der Weg über Flußverbindungen lahm gelegt.

Eine Schleuse kann man praktisch nur durch einen Volltreffer auf das Schleusentor zerstören, und das ist auf jedenfall schwieriger als eine Weichenanlage oder eine Eisenbahnbrücke zu treffen.

Hier ist ein Bericht über die Angriffe auf Brunsbüttelkoog und die dortigen Schleusen:

Bomben auf Brunsbüttelkoog und Ostermoor ? Dithmarschen-Wiki

Eine Auszug daraus:

"Am 26.4.1945 gab es noch einmal Angriffe von Tieffliegern, bei denen auch ein Lotsenbus auf der Fahrt von Nübbel nach Brunsbüttelkoog getroffen wurde. Am 7. Mai rückten dann die ersten englischen Besatzungstruppen ein. Sie verhängten ein Ausgehverbot und verfügten die Abgabe aller Waffen.
Trotz aller Angriffe: Der Kanalverkehr wurde zu keinem Zeitpunkt unterbrochen.
"

Wir hatten dieses Thema vor Kurzem in dem Thread über den Luftrkrieg:

Wilster war kein ausgewähltes Ziel.

Hier liegt die Sache so, dass das wenige Kilometer entfernte Brunsbüttel, speziell die Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals das Ziel der Gruppe von 16 Flugzeugen war (als Teil von Dutzenden taktischen Zielen am 15.6.1944 von fast 1400 schweren Bombern: Brücken, Kanäle, Öllager, Bahnhöfe etc.).

Aufgrund der starken Flak am Kanalzugang Brunsbüttel wurde die gesamte Gruppe abgedrängt, die Bombenlast nahe des Ziels Brunsbüttel einfach abgeworfen, und traf dadurch Wilster. Vergleichbare Fälle findet man viele, so als größeres Beispiel auch Bielefeld mit dem Viadukt.

Betrachtet man nur das Ergebnis, traf der Angriff ein ausschließlich ziviles Ziel.
 
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Eine Schlause kann man praktisch nur durch einen Volltreffer auf das Schleusentor zerstören, und das ist auf jedenfall schwieriger als eine Weichenanlage oder eine Eisenbahnbrücke zu treffen.

Hier ist ein Bericht über die Angriffe auf Brunsbüttelkoog und die dortigen Schleusen:

Bomben auf Brunsbüttelkoog und Ostermoor ? Dithmarschen-Wiki

Eine Auszug daraus:

"Am 26.4.1945 gab es noch einmal Angriffe von Tieffliegern, bei denen auch ein Lotsenbus auf der Fahrt von Nübbel nach Brunsbüttelkoog getroffen wurde. Am 7. Mai rückten dann die ersten englischen Besatzungstruppen ein. Sie verhängten ein Ausgehverbot und verfügten die Abgabe aller Waffen.
Trotz aller Angriffe: Der Kanalverkehr wurde zu keinem Zeitpunkt unterbrochen.
"

War es nur daß Problem, Schleusenanlagen zu treffen, oder war es die Taktische Wertung der Alliierten. Eine Schleusenanlage ist um einiges Größer, als eine Weichenanlage, es sei denn, es werden Schienenknotenpunkte beackert, aber dabei wird es auch nur ein Flächenbombardement.

Interessant ist, daß z.B. auch Schiffshebewerke ohne Kriegsschäden den Krieg überstanden haben.

Wie wurde der Transport von Material der Alliierten über die Flüsse in Deutschland bewertet?. Als Kriegswichtig?
 
War es nur daß Problem, Schleusenanlagen zu treffen, oder war es die Taktische Wertung der Alliierten. Eine Schleusenanlage ist um einiges Größer, als eine Weichenanlage, es sei denn, es werden Schienenknotenpunkte beackert, aber dabei wird es auch nur ein Flächenbombardement.

Ja, aber das meiste davon ist Wasser, und da nützt ein Treffer auf die Schleusenfläche rein gar nichts. Sogar wenn die Schleusenwände getroffen werden, bedeutet dieses nicht unbedingt, dass diese zumindest für kleinere Fahrzeuge nicht mehr befahrbar ist. Ein Treffer am Rande eines Bahndamms kann dagegen die Schienen so verwerfen, dass zumindest zeitweilig der Verkehr unterbrochen ist.

Interessant ist, daß z.B. auch Schiffshebewerke ohne Kriegsschäden den Krieg überstanden haben.

Wie wurde der Transport von Material der Alliierten über die Flüsse in Deutschland bewertet?. Als Kriegswichtig?

Die US-Air Force hat ihre Ziele mit der Hilfe deutscher Exilanten festgelegt, die ein sehr genaues Bild der deutschen Wirtschaft und deren empfindlichen Bereiche aufstellten. Es würde mich wundern, dass sie die Wichtigkeit der Binnenschifffahrt nicht erkannt haben sollten.
 
Ich habe einen Artikel aus - Handel und Verkehr im 20. Jahrhundert / C. Kopper zum Thema gefunden:

zitat schrieb:
Die Regulierung der Binnenschifffahrtstarife blieb auch über die Machtergreifung der Nazianalsozialisten hinaus erhalten. Die großen Kanalbauprojekte wie der Mittellandkanal, der Oderkanal (vom Oberschlesischen Industrierevier zur Oder bei Cosel) und die Kanalisierung von Main und Neckar wurden weitergeführt, erhielten aber im Gegensatz zum Autobahnbau keine Prioritätsstellung in der nationalsozialistischen Arbeitsbeschaffungspolitik. Aufgrund der zunehmenden Kapazitätsengpässe der Reichsbahn spielte der Mittellandkanal jedoch eine entscheidende Rolle bei der Standortwahl für das Volkswagenwerk in Wolfsburg und die Hermann-Göring-Hüttenwerke in Saltzgitter. Mit der Annexion von Böhmen und Mähren wurde auch die Planung für einen Oder-Donau-Kanal zwischen Oberschlesien und Wien wieder aktuell. Der geplante Oder-Donau-Kanal war Element der nationalsozialistischen Planungen für einen Großwirtschaftsraum in dem der Tschechoslowakei, Polen, Ungarn und den Balkanstaaten der Status von der wirtschaftlichen und politischen Satellitenstaaten zugedacht war.
Auch die Binnenschifffahrt trifft der Befund zu, dass die Koordination der Transportplanung mit dem Rüstungsplanung zumindest bis 1942 nur unzureichend gelang. Als Konsequenz aus der Transportkrise wurde die Binnenschifffahrt ab 1942 zunehmend als Ersatztransportmittel für die überlastete Reichsbahn eingesetzt. Da sich der Schiffsverkehr auf dem Rhein wegen des Ausfalls von Überseeimporten erheblich verringerte, wurde ein Teil der Rheinflotte auf die Elbe, die Oder und auf das mitteldeutsche Kanalnetz verlagert. Auch die Bedeutung der Donauschifffahrt erhöhte sich im Zuge der nationalsozialistischen Großraumwirtschaft und des Aufbau der österreichischen Schwerindustrie.
 
Die Bedeutung der Binnenschifffahrt ist ja angesichts der beförderten Frachten klar.

Zahlreiche Details enthält USSBS E 200- Transportation Division-The Effects of Strategic Bombing on German Transportation, dort zur Binnenschifffahrt.

Hier ging es nicht um beliebige Punktziele wie einzelne Schleusen, etc.
Das Grundschema war vielmehr Folgendes:

[1. nur als Hintergrund steigende Angriffe gegen den Schiffsraum 1944, Monatsverluste 100 bis 700 Schiffseinheiten.]

Schlüsselangriffe:

2. Abschneiden des Schiffsverkehrs Ruhrgebiet/Süden nach Norden/Osten durch Punktangriffe auf die Schnittstellen Ladbergen und Gravenhorst. Damit auch Unterbrechung der Kohleversorgung nach Osten und Norden über Wasserstraßen, 23.9.1944. Später Angriffe auf die Schnittstelle Minden (Mittellandkanal).

3. Unterbrechung der Routen Ruhr - Süden durch Zerstörung der Kölner Brücken, 14.10.1944

4. Kollaps der Ruhrwasserstraßen durch Punktangriff auf die Dattelner Schleusen, 9.3.1945

Durch 2. und 3. sank allein der Hafenumschlag Duisburg von rd. 850.000 Tonnen im Monat (August 1944) auf 250.000 (November 1944).
 

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