"Entmilitarisierung" von Uniformen bei Gefangenen

Carolus

Aktives Mitglied
Hallo,

bei den Nürnberger Prozessen sieht man, dass die angeklagten Generäle, wie Keitel oder Jodl, aber auch Göring Uniformen trugen, von denen die Schulterstücke, Kragenspiegel und der Reichsadler entfernt worden waren. Ich meine, daß auch bei kriegsgefangenen, deutschen Soldaten dies so gehandhabt worden ist. Zumindest habe ich schon ein Foto gesehen, auf denen eine Gruppe deutscher Soldaten in einem Kriegsgefangenlager in Frankreich nach dem 2. Weltkrieg in so veränderten Uniformen zu sehen ist. Es handelte sich dabei noch um Gefangene, also die Veränderung der Uniform diente nicht dazu, diese nach Entlassung als Zivilkleidung zu benutzen.

Trotz umfangreicher Googelei habe ich keine Information dazu gefunden, warum, wo und ab wann die Uniformen "entmilitarisiert" worden sind.
 
Die Genfer Konvention betr. Kriegsgefangene 1929 sah vor, dass Tragen der Uniform mit Rangabzeichen und Auszeichnungen auch in der Kriegsgefangenschaft zu gestatten (Artikel 19). Das gilt bis heute. MW gibt es auch jede Menge Fotos mit Rangabzeichen aus Kriegsgefangenenlagern 1939/45.

In Nürnberg befanden sich Angeklagte vor Gericht, in einem Kriegsverbrecherprozess. Vermutlich wurde deswegen das Tragen der Rangabzeichen und Orden nicht zugelassen. Eine Textstelle dazu, in dem das ggf. verhandelt, geprüft oder gerügt worden ist, ist mir aber nicht bekannt.
 
Ah, ok. Das Tragen der Uniformen setzt demnach eine bestehende Wehrmacht voraus. Die Fotos sind dann aus den Lagern vor dem Mai 1945.
 
Wir hatten doch vor längerer Zeit die Diskussion über die Wehrmachtsverbände die durch die Briten in "Reserve" gehalten wurden. Dort wurde irgendwo aufgeführt, dass man einige Einheiten für Polizeidienste sogar bewaffnet hielt, die Hoheitszeichen der Uniformen aber abgenommen werden mussten.

Dass die Uniformen sonst auch nach der Kapitulation von den Gefangenen in den Lagern genutzt wurden, liegt auf der Hand. Welche andere Kleidung sollten sie sonst bekommen haben?
 
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Wir hatten doch vor längerer Zeit die Diskussion über die Wehrmachtsverbände die durch die Briten in "Reserve" gehalten wurden. Dort wurde irgendwo aufgeführt, dass man einige Einheiten für Polizeidienste sogar bewaffnet hielt, die Hoheitszeichen der Uniformen aber abgenommen werden mussten.

Dass die Uniformen sonst auch nach der Kapitulation von den Gefangenen in den Lagern genutzt wurden, liegt auf der Hand. Welche andere Kleidung sollten sie sonst bekommen haben?



In der englischsprachigen Wiki steht folgendes:

Following the unconditional surrender of the Wehrmacht, which went into effect on 8 May 1945, some Wehrmacht units remained active, either independently (e.g. in Norway), or under Allied command as police forces.[139] By the end of August 1945, these units were dissolved, and a year later on 20 August 1946, the Allied Control Council declared the Wehrmacht as officially abolished (Kontrollratsgesetz No. 34).

Irgendwo (ich meine, das Geo-Heft zum Ende des 2. Weltkrieges) habe ich gelesen, dass die deutschen Streitkräfte in Norwegen dort zunächst einmal in "Reservationen" stehen bleiben sollten (quasi in "eigener" Kriegsgefangenschaft), um die Sowjetunion davon abzuhalten das Land zu befreien und gleich da zu bleiben.


@Bdaian: ich kann den von Dir erwähnten Thread zur Wehrmacht als Hilfspolizei unter britischer Aufsicht nicht finden. Weißt Du, wo der ist?

@Carolus

Meines wissens nach der bedingungslosen Kapitulation. Damit war Deutschland kein Völkerrechtssubjekt mehr.

Juristische Grundlage, vergl. hier:

Befehl Nr. 1 des Kontrollrats in Deutschland (1945)

M.


Dieser Befehl bezieht sich "ehemalige Angehörige der Wehrmacht" laut Wortlaut. Bezieht sich das auf entlassene Soldaten der Wehrmacht oder auf alle Soldaten der Wehrmacht? Letzteres würde ja voraussetzen, daß die Wehrmacht nicht mehr existieren würde.
 
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Dieser Befehl bezieht sich "ehemalige Angehörige der Wehrmacht" laut Wortlaut. Bezieht sich das auf entlassene Soldaten der Wehrmacht oder auf alle Soldaten der Wehrmacht? Letzteres würde ja voraussetzen, daß die Wehrmacht nicht mehr existieren würde.

@Carolus

Meine Argumentationskette wäre folgende:

Das Deutsche Reich hatte nach der Besetzung durch die Alliierten aufgehört zu existieren.

Vergl.:

Hier insbesondere, III., A, Absatz 1

documentArchiv.de - Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin ["Potsdamer Abkommen"] (02.08.1945))

documentArchiv.de - Bericht über die Krimkonferenz (3.-11.02.1945)

Damit hatte auch die Wehrmacht aufgehört zu existieren. Vergl. hierzu Potsdamer Abkommen III., A, Absatz 3, (I), a. Somit waren alle kriegsgefangenen Wehrmachtsangehörige "ehemalige Angehörige der Wehrmacht". Folgerichtig der Kontrollrats-Befehl Nr. 1.

Die Völkerrechtsdiskussion faßt nachstehender Artikel zusammen:

Rechtslage Deutschlands nach 1945 ? Wikipedia

Im Potsdamer Abkommen kommt nur der Terminus "Deutschland" bzw. "deutsches Volk" vor, aber nie der Terminus "deutsche Regierung" oder "Deutsches Reich", vielmehr haben die alliierten Oberbefehlshaber der vier Besatzungszonen die Regierungsgewalt übertragen bekommen. Inwieweit diese in den Wirren und Unklarheiten der unmittelbaren Nachkriegszeit die Beschlüsse des Potsdamer Abkommens und die Kontrollratsbefehle umsetzten, insbesondere mit welcher Dringlichkeit und Konsequenz, steht auf einem anderen Blatt.

Damit war Deutschland salopp gesagt, Treuhand- resp. Mandatsgebiet.

Vergl. auch hier (Abschnitt "Staatsrecht").

Deutsches Reich ? Wikipedia

Als Historiker bleibt zu konstatieren, daß Deutsche Reich ist untergegangen, mindestens eine Säule der Staatssouveränität war zusammengebrochen (Regierung) und den alliierten OB's übertragen worden. Die Souveränität über das Staatsgebiet, nächste Säule, war extrem eingeschränkt bzw. nicht vorhanden.

In der Nachschau ist man immer schlauer, die Alliierten hätten Dönitz in seiner Eigenschaft als Reichspräsident die militärische Kapitulation kontrasignieren lassen müssen mit dem Zusatz: "Das Deutsche Reich ist untergegangen und aufgelöst". Alles andere ist die Thematik von Staatsrechtlern.

M. :winke:
 
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D'accord, mit einem kleinen Hinweis: das Deutsche Reich ist nicht untergegangen, das Bild vom Mandatsgebiet bzgl. der Ausübung der Staatsmacht 1945/49 passt schon ganz gut:


Das Grundgesetz - nicht nur eine These der Völkerrechtslehre und der Staatsrechtslehre - geht davon aus, daß das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okkupationsmächte noch später untergegangen ist; das ergibt sich aus der Präambel, aus Art. 16, Art. 23, Art. 116 und Art. 146 GG. Das entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, an der der Senat festhält. Das Deutsche Reich existiert fort (BVerfGE 2, 266 [277]; 3, 288 [319 f.]; 5, 85 [126]; 6, 309 [336, 363]), besitzt nach wie vor Rechtsfähigkeit, ist allerdings als Gesamtstaat mangels Organisation, insbesondere mangels institutionalisierter Organe selbst nicht handlungsfähig.

BVerfG vom 31. Juli 1973 - 2 BvF 1/73 - BVerfGE 36, 1 - Grundlagenvertrag


Im Ergebnis sehe ich das auch so: aufgrund der Übernahme der Regierungsgewalt durch die Siegermächte hörte die Wehrmacht (wie andere Organe des Deutschen Reiches) auf zu existieren.

Es gab doch auch vor einigen Jahren eine Meldung, daß es Planspiele gab, auf eine eventuelle sowjetische Aggression gegen Westeuropa auch mit Truppen der Wehrmacht zu reagieren. Das müßte dann im Zeitraum nach der Kapitulation gewesen sein.

Siehe hier:
http://www.geschichtsforum.de/f46/gegen-die-sowjetunion-36751/
 
Zuletzt bearbeitet:
D'accord, mit einem kleinen Hinweis: das Deutsche Reich ist nicht untergegangen, das Bild vom Mandatsgebiet bzgl. der Ausübung der Staatsmacht 1945/49 passt schon ganz gut:


Das Grundgesetz - nicht nur eine These der Völkerrechtslehre und der Staatsrechtslehre - geht davon aus, daß das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okkupationsmächte noch später untergegangen ist; das ergibt sich aus der Präambel, aus Art. 16, Art. 23, Art. 116 und Art. 146 GG. Das entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, an der der Senat festhält. Das Deutsche Reich existiert fort (BVerfGE 2, 266 [277]; 3, 288 [319 f.]; 5, 85 [126]; 6, 309 [336, 363]), besitzt nach wie vor Rechtsfähigkeit, ist allerdings als Gesamtstaat mangels Organisation, insbesondere mangels institutionalisierter Organe selbst nicht handlungsfähig.

BVerfG vom 31. Juli 1973 - 2 BvF 1/73 - BVerfGE 36, 1 - Grundlagenvertrag


Im Ergebnis sehe ich das auch so: aufgrund der Übernahme der Regierungsgewalt durch die Siegermächte hörte die Wehrmacht (wie andere Organe des Deutschen Reiches) auf zu existieren.


Gewiß, nur das Ende der Wehrmacht ist ja kein punktuelles Ereignis, sondern eine Entwicklung, besser Abwicklung.

Die noch nicht in Gefangenschaft gegangenen Truppen mußten entlassen werden, das Material der Wehrmacht mußte beaufsichtigt werden, die Unterlagen der Wehrmacht mußten auch gepflegt werden.

Es gab doch auch vor einigen Jahren eine Meldung, daß es Planspiele gab, auf eine eventuelle sowjetische Aggression gegen Westeuropa auch mit Truppen der Wehrmacht zu reagieren. Das müßte dann im Zeitraum nach der Kapitulation gewesen sein.
 
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