Im 588. Nachtbomberregiment, das später in 46. Gardefliegerregiment umbenannt wurde, dienten ausschließlich Frauen, und 23 von ihnen wurden als "Heldinnen der Sowjetunion" geehrt, der Einheit insgesamt wurde der Rotbanner- und der Suwuroworden 3. Klasse verliehen.
Der Spitzname "Die Nachthexen" Notschnye Wedmy stammte vom deutschen Gegner, wurde aber später von der Truppe selbst verwendet.
John Keegan formulierte das in seinem Standardwerk zur Kriegsgeschichte etwa so: "Kriegsführung ist eine menschliche Aktivität, von der Frauen, von unwesentlichen Ausnahmen abgesehen, immer und überall ausgeschlossen ("nicht beteiligt"?) waren...
Eine wesentliche Ausnahme bildet hier allerdings die Rote Armee des Zweiten Weltkrieges, mit rd. 1 Mio. Frauen im aktiven Kriegsdienst. Ein Beispiel hat Scorpio oben angeführt. Das war keine Besonderheit, auch im Ersten Weltkrieg und im Russischen Bürgerkrieg waren Frauen als Frontsoldaten anzutreffen. Dennoch blieben sie in der Literatur - von der vereinzelten Heldendarstellung in der sozialistischen Nachkriegs-Geschichtsgeschichte abgesehen - weithin "invisible combatants". Während des Kalten Krieges wurde das sogar in der westlichen Geschichtsschreibung als sowjetischer Mythos des Zweiten Weltkrieges abgetan, ohne den Kontext dieser Einzeldarstellungen richtig zu erfassen.
Bereits der Russische Bürgerkrieg sah ca. 80.000 Frauen soldatisch organisiert, unter Waffen (abzugrenzen zB von den medizinischen Hilfsdiensten, in denen häufig 80 -100% Frauen das Personal stellten).
Bei Kriegsbeginn im Juni 1941 an der Ostfront gab es ca. 1000 Frauen im waffenführenden, aktiven militärischen Dienst. In den folgenden Wochen gab es zehntausende Freiwillige unter den Frauen, die überwiegend abgewiesen wurden. Nach einer Schätzung von Krylowa gab es Ende 1941 zwischen 17.000 und 27.000 im Aktiven Dienst, überwiegend bei der Flak, die aus Personalnot Frauen einsetzte. Dem ist gegenüber zu stellen, dass bereits am 2. Kriegstag rund 40.000 Frauen in die Medizinischen Dienste der Roten Armee gezogen wurden.
Eine spätere Schätzung von Glantz geht dann von mindestens 250.000 Frauen im Aktiven (waffenführenden) Dienst in der Roten Armee zur Jahreswende 1942/43 aus, darunter
- 100.000 in den Luftverteidigungs-Streitkräften
- 6.000 mit Ausbildung an Granat- und Raketenwerfern
- 15.000 mit Ausbildung an automatischen Waffen, Maschinengewehren
- 100.000 mit Scharfschützen-Ausbildung.
Die Ursache hierfür lag in den riesigen Personalverlusten der Roten Armee, verbunden mit den Rekrutierungsverlusten wegen der besetzten Gebiete. Dafür nahm man auch in Kauf, dass Frauen in der rüstungsrelevanten Produktion benötigt wurden, und hier ein Spannungsverhältnis für den Kriegseinsatz bestand. Mit den steigenden Personalnöten wurde auf diese Arbeitseinsätze, anders als in den ersten Kriegsmonaten, immer weniger Rücksicht genommen.
Die Gesamtschätzung bei Kriegsende geht inzwischen von 2 Mio. Frauen in der militärischen Ausbildung aus, bei bis zu 1 Mio. gleichzeitig im Aktiven Dienst. Die sojwetische Literatur nannte dagegen überwiegend ca. 800.000, davon 70% bei der Armee, mit rd. 500.000 Frauen als "Fronttruppe". Davon weicht die Krivosheev-Statistik ab, die von rd. 490.000 insgesamt gemusterten Frauen ausgeht. Die spätere Ausgaben nannte rd. 570.000 Frauen, davon 80.000 als Offiziere.
Die Luftverteidigungs-Streitkräfte zählten rd. 250.000 Frauen, bei einer Gesamtstärke Ende des Kriegs von ca. 640.000, mit 17.000 Geschützen (Flak) und 5000 Jagdflugzeugen. Es liegt auf der Hand, dass bei diesem Gesamtengagement Frauen mit Flugausbildung (zB in Friedenszeiten für Ernteeinsätze etc.) komplett zur sowjetischen Luftwaffe gezogen wurden.
Die "combat performance" von Piloten wurde übrigens wegen des dort vorhandenen statistischen Materials zB von Reese untersucht. Es gibt hier keine signifikanten Unterschiede zwischen "weiblichen" und "männlichen" Flug-Regimentern. Die "Helden-Literatur" beleuchtet hier also nur eine winzige Facette des Themas "Frauen im Kriegseinsatz" in der Roten Armee und Luftwaffe. Die Heldenauszeichnungen sollen übrigens auch überwiegend ein Nachkriegs-Vorgang aus den 1950ern und frühen 1960ern darstellen.
Wenig Literatur beschäftigt sich dagegen bislang mit dem aus der Frauen-Rekrutierung resultierenden Aspekt der Kriegsgefangenschaft.
Reina Pennington: Offensive Women - Women in Combat in the Red Army in the Second World War, in JoMH 2010, S. 775-820.
(eine weitere Publikation der Autorin ist:
Wings, Women and War: Soviet Airwomen in World War II Combat and Amazons to Fighter Pilots: A Biographical Dictionary of Military Women)