Frauen in der Roten Armee 1941/45

Scorpio

Aktives Mitglied
Mir fällt spontan nur Nadeshda Durova ein, die als "Alexander Durov" in die russische Armee eintrat...

Da aber ihre Autobiographie einige Widersprüche aufweist, ist die Frage, ob es sich dabei nur um einen Roman oder wirklich um eine Biographie handelt.

Das Buch ist übrigens durchaus interessant zu lesen, der deutsche Titel lautet "Die Offizierin" :)


Im 588. Nachtbomberregiment, das später in 46. Gardefliegerregiment umbenannt wurde, dienten ausschließlich Frauen, und 23 von ihnen wurden als "Heldinnen der Sowjetunion" geehrt, der Einheit insgesamt wurde der Rotbanner- und der Suwuroworden 3. Klasse verliehen.

Der Spitzname "Die Nachthexen" Notschnye Wedmy stammte vom deutschen Gegner, wurde aber später von der Truppe selbst verwendet.
 
Im 588. Nachtbomberregiment, das später in 46. Gardefliegerregiment umbenannt wurde, dienten ausschließlich Frauen, und 23 von ihnen wurden als "Heldinnen der Sowjetunion" geehrt, der Einheit insgesamt wurde der Rotbanner- und der Suwuroworden 3. Klasse verliehen.

Der Spitzname "Die Nachthexen" Notschnye Wedmy stammte vom deutschen Gegner, wurde aber später von der Truppe selbst verwendet.


John Keegan formulierte das in seinem Standardwerk zur Kriegsgeschichte etwa so: "Kriegsführung ist eine menschliche Aktivität, von der Frauen, von unwesentlichen Ausnahmen abgesehen, immer und überall ausgeschlossen ("nicht beteiligt"?) waren...

Eine wesentliche Ausnahme bildet hier allerdings die Rote Armee des Zweiten Weltkrieges, mit rd. 1 Mio. Frauen im aktiven Kriegsdienst. Ein Beispiel hat Scorpio oben angeführt. Das war keine Besonderheit, auch im Ersten Weltkrieg und im Russischen Bürgerkrieg waren Frauen als Frontsoldaten anzutreffen. Dennoch blieben sie in der Literatur - von der vereinzelten Heldendarstellung in der sozialistischen Nachkriegs-Geschichtsgeschichte abgesehen - weithin "invisible combatants". Während des Kalten Krieges wurde das sogar in der westlichen Geschichtsschreibung als sowjetischer Mythos des Zweiten Weltkrieges abgetan, ohne den Kontext dieser Einzeldarstellungen richtig zu erfassen.

Bereits der Russische Bürgerkrieg sah ca. 80.000 Frauen soldatisch organisiert, unter Waffen (abzugrenzen zB von den medizinischen Hilfsdiensten, in denen häufig 80 -100% Frauen das Personal stellten).

Bei Kriegsbeginn im Juni 1941 an der Ostfront gab es ca. 1000 Frauen im waffenführenden, aktiven militärischen Dienst. In den folgenden Wochen gab es zehntausende Freiwillige unter den Frauen, die überwiegend abgewiesen wurden. Nach einer Schätzung von Krylowa gab es Ende 1941 zwischen 17.000 und 27.000 im Aktiven Dienst, überwiegend bei der Flak, die aus Personalnot Frauen einsetzte. Dem ist gegenüber zu stellen, dass bereits am 2. Kriegstag rund 40.000 Frauen in die Medizinischen Dienste der Roten Armee gezogen wurden.

Eine spätere Schätzung von Glantz geht dann von mindestens 250.000 Frauen im Aktiven (waffenführenden) Dienst in der Roten Armee zur Jahreswende 1942/43 aus, darunter

- 100.000 in den Luftverteidigungs-Streitkräften
- 6.000 mit Ausbildung an Granat- und Raketenwerfern
- 15.000 mit Ausbildung an automatischen Waffen, Maschinengewehren
- 100.000 mit Scharfschützen-Ausbildung.

Die Ursache hierfür lag in den riesigen Personalverlusten der Roten Armee, verbunden mit den Rekrutierungsverlusten wegen der besetzten Gebiete. Dafür nahm man auch in Kauf, dass Frauen in der rüstungsrelevanten Produktion benötigt wurden, und hier ein Spannungsverhältnis für den Kriegseinsatz bestand. Mit den steigenden Personalnöten wurde auf diese Arbeitseinsätze, anders als in den ersten Kriegsmonaten, immer weniger Rücksicht genommen.

Die Gesamtschätzung bei Kriegsende geht inzwischen von 2 Mio. Frauen in der militärischen Ausbildung aus, bei bis zu 1 Mio. gleichzeitig im Aktiven Dienst. Die sojwetische Literatur nannte dagegen überwiegend ca. 800.000, davon 70% bei der Armee, mit rd. 500.000 Frauen als "Fronttruppe". Davon weicht die Krivosheev-Statistik ab, die von rd. 490.000 insgesamt gemusterten Frauen ausgeht. Die spätere Ausgaben nannte rd. 570.000 Frauen, davon 80.000 als Offiziere.

Die Luftverteidigungs-Streitkräfte zählten rd. 250.000 Frauen, bei einer Gesamtstärke Ende des Kriegs von ca. 640.000, mit 17.000 Geschützen (Flak) und 5000 Jagdflugzeugen. Es liegt auf der Hand, dass bei diesem Gesamtengagement Frauen mit Flugausbildung (zB in Friedenszeiten für Ernteeinsätze etc.) komplett zur sowjetischen Luftwaffe gezogen wurden.

Die "combat performance" von Piloten wurde übrigens wegen des dort vorhandenen statistischen Materials zB von Reese untersucht. Es gibt hier keine signifikanten Unterschiede zwischen "weiblichen" und "männlichen" Flug-Regimentern. Die "Helden-Literatur" beleuchtet hier also nur eine winzige Facette des Themas "Frauen im Kriegseinsatz" in der Roten Armee und Luftwaffe. Die Heldenauszeichnungen sollen übrigens auch überwiegend ein Nachkriegs-Vorgang aus den 1950ern und frühen 1960ern darstellen.

Wenig Literatur beschäftigt sich dagegen bislang mit dem aus der Frauen-Rekrutierung resultierenden Aspekt der Kriegsgefangenschaft.

Reina Pennington: Offensive Women - Women in Combat in the Red Army in the Second World War, in JoMH 2010, S. 775-820.
(eine weitere Publikation der Autorin ist: Wings, Women and War: Soviet Airwomen in World War II Combat and Amazons to Fighter Pilots: A Biographical Dictionary of Military Women)
 
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Weiß jemand was mit Frauen passierte, die in deutsche Kriegsgefangenschaft gerieten? Wurden sie nach Haager LKO behandelt oder sah man sie als Partisanen, weil sie als Frauen eben nach deutscher Vorstellung keine Soldaten sein könnten? Und was geschah mit gefangen genommenem Sanitätspersonal?
 
Silesia, danke für deinen wie immer toll recherchierten Beitrag. Nur mit einer Sache bin ich nicht ganz einverstanden:

John Keegan formulierte das in seinem Standardwerk zur Kriegsgeschichte etwa so: "Kriegsführung ist eine menschliche Aktivität, von der Frauen, von unwesentlichen Ausnahmen abgesehen, immer und überall ausgeschlossen ("nicht beteiligt"?) waren...

Man sollte hinzufügen, dass John Keegans Hauptverdienst darin besteht, die Schlacht erstens zu historisieren und zweitens einen technik- und anthropologiezentrierten Bottom-up-Approach zu nutzen, um historische Schlachten des Westens neu aufzurollen. Und da ist genau mein Kritikpunkt an deiner Aussage: er schaut sich nämlich wirklich fast nur den Westen an. Und da vergisst er auch nicht zu erwähnen, dass das kulturelle Gründe hat, die eben nicht überall gleich sein müssen. Das mit den Frauen stimmt so einfach nicht außerhalb des engen Kontexts, den Keegan untersucht. Wenn ich zum Beispiel mal den gesamten Komplex des Partisanenkriegs als Beispiel anführen dürfte...

Betreffs der Nachthexen... den Beitrag hatte ich anderswo schon verlinkt aber hier ist er nochmal besser aufgehoben: Artikel
 
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@Dog Soup:
Überhaupt kein Widerspruch, sondern gute Ergänzung! Mir ging es nur um den Kontrast zur weiteren Darstellung, den ich kurz voranstellen wollte.

@YoungArkas:

"Frauen in Uniform sind zu erschießen" (AOK 4 (Kluge), 29.6.1941)
Danach intervenierte das OKH und betonte, dass gefangene Frauen wie andere Kriegsgefangene zu behandeln seien. Das AOK 6 (Reichenau) beschwerte sich dann im Oktober 1941, es würden "immer noch entartete Weiber zu Kriegsgefangenen gemacht". Frauen wurden als "Flintenweiber", bzw. (durchweg) "Kommissarinnen" bezeichnet, auch wenn sie in der Tätigkeit in medizinischen Diensten gefangen genommen wurden. Einzelne Verbände erließen unverändert verbrecherische Befehle, weibliche Rotarmisten generell umzubringen. Von der ganzen Thematik sind aus den Quellen nur Einzelfälle bekannt, das ganze Ausmaß liegt im Dunkeln.

Pohl, Die Herrschaft der Wehrmacht, erwähnt dieses in ein paar Zeilen S. 207/208.
 
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