Frieden nach dem Polenfeldzug

Hallo allerseits,

habe da mal eine Frage.

In einem politischen Forum, in dem ich mich betätige, wird von Rechtsrevanchisten häufig behauptet, Hitler sei friedensliebend gewesen und nur Frankreich und England kriegstreiberisch.

Begründen tut es dieser Menschenschlag damit, dass Hitler (angeblich) nach dem Polenfeldzug versucht habe, mit den Westmächten Frieden zu schließen.

Gibt es dazu irgenwelche verlässlichen Quellen und auch Quellen dafür, warum ein derartiges Friedensangebot zurückgewiesen wurde?

Persönlich habe ich immer mit dem Argument der Glaubwürdigkeit der Westmächte argumentiert, welche diese nach einem Friedensschluß nach dem Polenfeldzug mit Sicherheit verloren hätten. Argumentativ wäre es jedoch besser, wenn ich brauchbare Quellen aufzeigen könnte, um diesen Leuten den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Gruß,

Andreas
 
Was ist mit "Mein Kampf" und dem "Lebensraum im Osten"?

Ja, Hitler hat England wohl ein Friedensangebot unterbreitet (von einem an Frankreich weiß ich nichts), das Churchill aber ablehnte. Es ging weniger um die Glaubwürdigkeit Englands (man hatte ja die Polen im Prinzip schon im Stich gelassen), als um die Hitlers. Hitler hatte bis 1938/39 stets behauptet, Frieden zu wollen und nur auf friedlichem Weg den Versailler Vertrag revidieren zu wollen - so wie die Kanzler der Republik vor ihm.
Aber was hatte er getan? Aufgerüstet, einen Vertrag nach dem anderen gebrochen.

Nach dem Münchner Abkommen sagte er wörtlich "Das war die letzte Forderung, die wir an die Welt zu stellen hatten" - nur um kurze Zeit später die Rest-Tschechei zu besetzen.
Er hatten einen Nichtangriffspakt mit Polen geschlossen, den er kündigte, als es ihm in den Plan passte ...

Ist so ein Politiker glaubwürdig?

Und: Irgendwo auch eine idealistische Idee, aber: kann man - Glaubwürdigkeit hin oder her - mit jemandem wie Hitler (Verfolgung, Deportation, Vetreibung, Mord) überhaupt als Demokratie Frieden schließen, nachdem der Krieg schon begonnen hatte?
 
ganz_der_alte schrieb:
In einem politischen Forum, in dem ich mich betätige, wird von Rechtsrevanchisten häufig behauptet, Hitler sei friedensliebend gewesen und nur Frankreich und England kriegstreiberisch.

Begründen tut es dieser Menschenschlag damit, dass Hitler (angeblich) nach dem Polenfeldzug versucht habe, mit den Westmächten Frieden zu schließen.

Erstaunlich. Da schlägt ein Junge den anderen, hört dann auf und will Frieden schließen. Die Umstehenden sollen den dann für friedliebend halten? :autsch:

Die Versuche nach dem Polenfeldzug einen Frieden mit den Westmächten zu schließen sind doch mit den simpelsten Überlegungen zu erklären: Wer einen erfolgreichen Krieg geführt hat, sucht Frieden zum derzeitigen Ergebnis um
a) sich nun erstmal wieder neu aufstellen und Kräfte sammeln zu können
b) den erreichten Status Quo zu besiegeln und Ordnung in das Erreichte zu bringen

Das kann man doch nicht allen Ernstes als "friedliebend" bezeichnen!
 
@ Ganz_der_alte: zumindest den Krieg gegen Frankreich wollte Hitler ausfechten, denn er plante eigentlich, noch im Jahr 1939 in Frankreich anzugreifen. Hier konnten ihn die Generale aber umstimmen. Dass der Westfeldzug Hitler gar nicht schnell genug stattfinden konnte, belegen auch die zahlreichen Verschiebungen der Angriffstermine - bis es dann am 10. Mai losging, soll der Angriff insgesamt 29 mal verschoben worden sein! Eigentlich hätte auch Hitler klar sein müssen, dass die Vorbereitung einer solchen Großoffensive etwas Zeit braucht und andererseits das Wetter einen Angriff im Herbst oder Winter eigentlich ausschließt - aber er wollte ihn so bald wie möglich. In diesem Lichte muss man auch die Ernsthaftigkeit seines Friedensangebots vom 6. Oktober 1939 an England sehen.

Hitler wurde aber völlig davon überrascht, dass die Briten im Sommer 1940 nach seinem glänzenden Sieg gegen Frankreich nicht aufgaben. Das sie versuchen würden, notfalls alleine in Europa weiterzukämpfen, hatte er nicht eingeplant und seine Eroberungsinteressen galten auch nicht dem englischen Kolonialreich. Daher machte er - es war am 19. Juli 1940 - den Engländern erneut ein "Friedensangebot". Es war aber nicht die Aufnahme ernsthafter Verhandlungen, sondern eine Reichstagsrede. Tatsächlich sagte er sinngemäss, dass er diesen Krieg nicht führen wolle. Aber im Prinzip schob er die Schuld am Krieg der britischen Regierung unter Churchill zu. Die Rede war dazu gespickt mit Drohungen an England:

"Es wird dadurch ein großes Weltreich zerstört werden. Ein Weltreich, das zu vernichten oder zu schädigen, niemals meine Absicht war. Allein ich bin mir darüber im klaren, dass die Fortführung dieses Kampfes nur mit der vollständigen Zertrümmerung des einen der beiden Kämpfenden enden wird. Mr. Churchill mag glauben, dass dies Deutschland ist. Ich weiß, es wird England sein."

Nun mag jeder beurteilen, wie ernsthaft ein solches "Angebot" ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nicht zu vergessen das Hitler ein Bündniss mit den Japanern eingegangen ist, obwohl diese von Anfang an vorhatten ein Pazifisches Reich unter Japanischer Hegemonie zu bilden. Nach ihrem Angriff auf Pearl Harbour erklärte Hitler auch den USA den Krieg.

Aber um zu der eigentlichen Frage zurückzukommen: Hitler war sicher klar, das die Westmächte sein Friedensangebot nicht annehmen konnten ( selbst wenn es eins gegeben hätte ) da sie Polen versichert hatten, dass sie dem dritten Reich den Krieg erklären würden, solltle dies Polen angreifen.
 
@KFdG:
meinst du dass er sich "absichern" wollte?
(nach dem motto "die haben ja mein friedens-angebot nicht angenommen")
 
Innuendo schrieb:
@KFdG:
meinst du dass er sich "absichern" wollte?
(nach dem motto "die haben ja mein friedens-angebot nicht angenommen")

Halte ich für durchaus möglich, allerdings stellt sich hier dann die Frage: Gegenüber wem wollte er sich absichern? Ich bezweifle, dass er der Weltöffentlichkeit seine Friedfertigkeit vor Augen führen woltle, denn aus der Meinung der Weltöffentlichkeit hat er sich ja nicht allzuviel gemacht... Und ansonsten... höchstens bezüglich des deutschen Volks hätte sich das wirksam propagandistisch auswerten lassen - vor allem weil das dem Krieg insgesamt noch relativ skeptisch gegenüber stand (die Erinnerung an den letzten war noch nicht vergessen)
 
ganz_der_alte schrieb:
Hallo allerseits,

habe da mal eine Frage.

In einem politischen Forum, in dem ich mich betätige, wird von Rechtsrevanchisten häufig behauptet, Hitler sei friedensliebend gewesen und nur Frankreich und England kriegstreiberisch.

Begründen tut es dieser Menschenschlag damit, dass Hitler (angeblich) nach dem Polenfeldzug versucht habe, mit den Westmächten Frieden zu schließen.

Gibt es dazu irgenwelche verlässlichen Quellen und auch Quellen dafür, warum ein derartiges Friedensangebot zurückgewiesen wurde?

Persönlich habe ich immer mit dem Argument der Glaubwürdigkeit der Westmächte argumentiert, welche diese nach einem Friedensschluß nach dem Polenfeldzug mit Sicherheit verloren hätten. Argumentativ wäre es jedoch besser, wenn ich brauchbare Quellen aufzeigen könnte, um diesen Leuten den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Gruß,

Andreas
Der deutsche Angriff auf Polen verletzte den Kriegsächtungspakt. England und Frankreich traten in den Krieg ein, um Polen gegen diesen rechtswidrigen Angriff Nothilfe zu leisten. Auch wenn ihr militärischer Beistand nicht effektiv war. Ihr Nothilferecht bestand aufgrund der andauernden Besetzung Polens durch Deutschland noch fort. Mithin durften sie auch den Krieg fortsetzen völlig unabhängig davon, was Hitler vorschlug. Hitler hatte nichts vorzuschlagen sondern Polen zu räumen.
 
Ich krame das alte Thema hier hervor, weil die Diskussion um das "Friedensangebot" Hitlers von Anfang Oktober 1939 nicht verebben will. Der Begriff "große Friedensrede" stammt aus der NS-Propaganda.
Michael Wildt: „Eine neue Ordnung der ethnographischen Verhältnisse“
Hitlers Reichstagsrede vom 6. Oktober 1939
Zeithistorische Forschungen
Verhandlungen des Deutschen Reichstags

Gandolf hat bereits darauf hingewiesen, dass Hitler nichts "anzubieten" hatte, sondern hier das Ergebnis des Überfalls auf Polen quittiert sehen wollte. Ashigaru gibt dann einen weiteren Hinweis:
@ Ganz_der_alte: zumindest den Krieg gegen Frankreich wollte Hitler ausfechten, denn er plante eigentlich, noch im Jahr 1939 in Frankreich anzugreifen. Hier konnten ihn die Generale aber umstimmen.

Das ist der entscheidende Punkt, soweit man dieses "Angebot" bewerten will. Aus Jacobsen, Dokumente zur Vorgeschichte des Westfeldzuges, geht hervor, dass Hitler zeitgleich eine Auseinandersetzung mit der Generalität führte, um seine Vorstellungen vom frühestmöglichen Angriffstermin im Westen durchzusetzen. Zeitgleich mit der "Großen Friedensrede" erstellte er Anfang Oktober 1939 ein Memorandum, mit dessen Hilfe er die Generalität von der Notwendigkeit einer Westoffensive ab dem 12.11.1939 zu überzeugen suchte.

Als dieses Memo mehr oder weniger fehlschlug bzw. seine Wirkung bei Halder und Brauchitsch nicht erzielte (die den Angriff im Westen aus militärischen Erwägungen sehr kritisch sahen), ordnete er den 12.11. als Angriffstermin an. Danach folgten die von Ashigaru beschriebenen diversen Verschiebungen, wobei Hitler Verrat witterte und am 5.11. regelrecht tobte, als er von der logistischen Unmöglichkeit des Termins 12.11. in Kenntnis gesetzt wurde. Bei der Ansetzung des Angriffstermins spielte die Reaktion der Westmächte auf das "Angebot" dagegen keinerlei Rolle. Mit dieser Anweisung zur Westoffensive waren auch die Neutralitätsverletzungen der Benelux-Staaten bereits eingeleitet.

Der Entschluß zum Angriff im Westen fiel in Hitlers Sonderzug, etwa Mitte September 1939 aufgrund des günstigen Verlaufes des Polenfeldzuges. Die "Ausschaltung" Frankreichs und Englands aus den kontinentalen Plänen Hitlers ist auch der Obersalzberg-Rede vor der Generalität am 22.8.1939, kurz vor Kriegsbeginn, zu entnehmen. Beim "Großen Schmundt-Protokoll" und in der Hoßbach-Niederschrift ist der Kriegsfall mit den Westmächten nur eine Frage der Reihenfolge und des geeigneten Termins.
 
Zuletzt bearbeitet:
Begründen tut es dieser Menschenschlag damit, dass Hitler (angeblich) nach dem Polenfeldzug versucht habe, mit den Westmächten Frieden zu schließen.

Gibt es dazu irgenwelche verlässlichen Quellen und auch Quellen dafür, warum ein derartiges Friedensangebot zurückgewiesen wurde?

Die Zurückweisung der sogenannten Friedensvorschläge von Hitler durch Chamberlain entsprang einer veränderten Situation, "nämlich einem Wandel des politisch-moralischen Bewußtsein in der britischen Gesellschaft". (L. Kettenacker: Die Diplomatie der Ohnmacht, S. 276, in: Sommer 1939, Benz & Graml (Hg.), 1979) und beruft sich auf den Kennedy Aufsatz Appeasement und British Defence.).

Die seit München geltende duale Strategie des "appeasements" und der "deterrence" betonte nach dem Angriff auf Polen die Abschrenkung. Und führte auch zu dem bemerkenswerten Ergebnis, wie Hillgruber es formulierte, dass GB tatsächlich Hitler den Krieg erklärte.

Diese Haltung war zumindest 1939 noch teilweise ambivalent, angesichts der Möglichkeit zu einem Friedensschluss zu kommen, aber nicht zu den Bedingungen von Hitler. Und ging in England von einer differenzierten Wahrnehmung von Hitler, dem Widerstand und dem Deutschen Volk aus. Nur vor diesem Hintergrund war noch zu verstehen, warum in GB überhaupt noch die Bereitschaft zum Dialog vorhanden war.

Und dieser Zustand änderte sich im Verlauf von 1940 und man identifizierte Hitler mit dem Deutschen Volk. Eine Sichtweise, die bereits bei Vansittart relativ früh und vergleichweise deutlich formuliert wurde (z.B. in Vansittart: Bones of Contention).

So hatte Hitler am 19.September in Danzig und am 6. Oktober im Reichstag seine "Friedensbereitschaft" beteuert. Die jedoch lediglich das Ergebnis des Polenfeldzuges sanktionieren sollte und auf die "freie Hand" im Osten hinauslief, wie Silesia ja auch schon ausgeführt hatte.

Die Motivation für Hitlers Friedensangebote, und Silesia hatte darauf ja auch bereits hingewiesen, liegen in der sich verschärfenden innenpolitischen Situation und dem Widerstand gegen einen Westfeldzug.

Dass er kein Interesse an einer Friedenslösung hatte, die ihm die Fortsetzung seiner militärischen Planungen unmöglich machte, verdeutlichen seine programmatischen Äußerungen, Hoßbachprotokoll etc. (vgl. Silesia).

Das sogennnate Friedensangebots zielte somit einzig auf die Entmachtung seiner innenpolitischen Gegner ab, im Bereich der Wehrmacht und sekundär als Propaganda, um in der Welt (USA) grundsätzlich als friedensbereit zu scheinen.

Vor diesem Hintergrund ermutigten die Engländer Göring, via Dahlerus, zum Handeln gegen Hitler. Hitler schaltete sich in diesen Prozess ein und so ergab sich für Göring keine Gundlage fürs Handeln. Obwohl er, laut Speer, eher zu den Gegnern eines Krieges zählte.

Am 28. 12. 1939 machte jedoch Cadogan Dahlerus deutlich, dass 1. das Ergebnis des Polenfeldzuges annuliert werden muss, 2. Hitler verschwinden muss, und 3. das politische System Deutschlands soweit verändert wird, dass die deutsche Bevölkerung die Chance zur Einsicht erhält, dass die Politik der Gewalt in den Untergang führt. (B. Martin: Das Dritte Reich und die Friedens-Frage, S.528ff, in: Nationalsozialistische Außenpolitik. Michalka (Hg), 1978)
 
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