Ist der Holocaust filmisch darstellbar?

Scarlett

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Bei den Vorbereitungen zu einem Referat über die Serie "Holocaust" las ich Näheres zu der heftigen Diskussion um dieses als Kreuzung zwischen einer Soap und einer "Mini-Serie" abgetanes Werk.

Besonders Proteste und Bedenken, die äußerten, ein solches Format könne unmöglich die Schrecken des Holocaust auf der Leinwand wiedergeben, fand ich dabei - Schindler's Liste war so ziemlich der erste Film zum Thema, den ich wirklich mitbekam - ehrlich gesagt befremdlich.
Die zum Teil hochemotionalen Reaktionen der Zuschauer auf die Serie widerlegen meiner Ansicht nach diesen Standpunkt durchaus. Es scheint, als habe nicht wenigen die Darstellung der Shoah mit "Holocaust" eine Ebene gefunden, die über wissenschaftliche Analysen - die häufig auf einem relativ abstrakten Niveau angesiedelt sind - und anhand derer man sich die einzelnen menschlichen Schicksale nur mittelbar vorstellen kann.

Ich würde also eher die bis dato erfolgte Aufarbeitung durch Historiker in Frage stellen - wenn diese in ihren abstrakten Darstellungen es nicht vermochte, ob die historische Zunft nicht bis in die 70ger keine adäquate Form fand, sich auf die Ebene des Normalbürgers zu begeben und ihre Ergebnisse massentauglich darzustellen? Und können Filme und dergleichen nicht maßgeblich dazu beitragen, die Geschehnisse auf eine menschliche Ebene zu bringen, die für die meisten verständlich ist?

Mir persönlich hat sich in Schindlers Liste das Mädchen im roten Kleid ins Gedächtnis eingebrannt - nur eine kleine Figur in einem Film, aber die die Grausamkeit der Shoah mehr erahnen lassen als kühle wissenschaftliche Abhandlungen..
 
Wie wahr, wieso setzen Schulen denn heute schon auf Comics um den Holocaust zu vermitteln ? Pure Statistiken lassen wenig Empathie übrig, Schindlers Liste ist ein solcher Film, wo man ein flaues Gefühl in der Magengegend bekommt und am Liebsten weiterschalten würde. In der Schule werden doch schon oft Filme gezeigt, es erschüttert einfach mehr und versetzt in die Lage, als wenn man Bilder im Geschichtsbuch anschaut und dabei "langweilige" Quellen liest.
 
Die gleichen, oder ähnliche Argumente wurden schon bei der Ausstrahlung von Holocaust laut. Ich weiß, dass manche meiner Klassenkameraden das nicht sehen durften.

Das Argument gegen die Serie oder Spielfilme wie "Schindlers Liste" muß man ernstnehmen. Das wirkliche Grauen von Auschwitz oder Treblinka ist filmisch nicht darstellbar, und wenn es auch nur annährend darstellbar wäre, dann könnte es dem Publikum nicht zugemutet werden, und man könnte sich einen solchen Film dann vermutlich nur im Rahmen einer Lehrveranstaltung oder eines Themenabend ansehen.

Die Kritik an Holocaust oder Schindlers Liste muss man ernstnehmen, allerdings gibt es auch gewichtige Gründe, dass man die szenische und künstlerische Bearbeitung der Shoa propagieren muss, weil alleine das Medium Film in der Lage ist, dafür bei einem Massenpublikum das Interesse zu wecken und gerade auch Jugendliche zu interessieren.

Eine öffentliche Diskussion um die Vernichtung der europäischen Juden wurde im Grunde genommen erst durch die Fernsehserie "Holocaust" angeregt, was den Begriff überhaupt erst mehrheitlich bekannt machte. Und wer wüßte ohne Spielbergs Film heute von Leuten wie Oscar Schindler?
 
Warum durften denn Deine Kameraden "Holocaust" nicht sehen?

Ich habe es schon mal in einem anderen Zusammenhang erwähnt: Erinnerst Du Dich an den hebräischen Gesang am Beginn von S. Liste? Damals war der Besuch des Filmes eine Art Pflichtprogramm - und das Gebet / Gesang erschien einigen höchst komisch und sie lachten lauthals darüber. Zu meiner größten Verärgerung. Am Ende des Filmes kommt so etwas ähnliches nochmal und diesmal herrschte Totenstille.

Ich gehöre also einer Generation an, für die die filmische Darstellung des Holocaust etwas Normales ist - weshalb ich manche diesbezügliche Positionen in der Wissenschaft für überzogen halte.
Manche schriftliche Darstellungen, von Überlebenden, sind sicher um einiges krasser und schwerer zu "ertragen" als etwa Hollywood-Filme. Bei manchen Schicksalen fragt man sich unwillkürlich, weshalb die Menschen nicht schlicht verrückt geworden sind, ob des ganzen Leids.
Und ich denke auch, wenn man dies tatsächlich so zeigen würde, ginge es über das, was die meisten ertragen können, hinaus - sehr weit hinaus.

So mögen Filme wie Schindlers Liste ein in dieser Hinsicht geschlossener Kompromiss sein.

Nur frage ich mich, ob die Wissenschaft dies nicht auch als Kritik an der eigenen Arbeit auffassen kann und sollte. Die meisten wissenschaftlichen Arbeiten dienen doch im Endeffekt der Aufklärung.
Warum ist man nicht in der Lage, dies massenkompatibel zu vermitteln? Und wenn man weiß, das die Möglichkeit dazu nicht gegeben ist, weshalb dann die Kritik an Schindlers Liste, der doch bemüht ist, das Grauen zumindest im Ansatz (und ein bißchen darüber hinaus) darzustellen?

Eine Aufklärung durch die Wissenschaft, die von den meisten kaum begriffen wird - das ist doch leicht ironisch.
 
Warum durften denn Deine Kameraden "Holocaust" nicht sehen?

Ich durfte die Serie Holocaust damals auch nicht sehen, meine Eltern meinten ich sei noch zu Jung dazu. Der zweite Grund war ich musste zu der Sendezeit bereits im Bett sein. Tja 1979 sagten einem die Eltern noch was man im Alter von dreizehen Jahren sehen durfte und was nicht.

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Ja, der Holocaust ist darstellbar. Sicher nicht in seiner ganzen Härte - obwohl z.B. Der Pianist, wenn auch "nur" im Warschauer Ghetto, dem durchaus eindrücklich nahe kommt. Ich denke da an die Szene mit den Nahrungsmittelraub, wo die Bestohlene vor lauter Hunger die Reste vom Boden aufleckt - eine der bedrückendsten Szenen, die ich in einem solchen Film gesehen habe.
Aber selbst Komödien können den Holocaust darstellen. Als Das Leben ist schön in D in die Kinos kam, hieß es in den Feuilletons: Über den Holocaust lachen? Das geht doch nicht. Bis zur Israel-Premiere in Tel Aviv, wo der Film mit Standing Ovations bedacht wurde. Und Das Leben ist schön ist nicht die einzige Komödie über den Holocaust. Eine andere ist Zug des Lebens. In diesem Film beschließt ein "Schtetele" sich selbst zu deportieren. Allerdings in den Machtbereich der Roten Armee. Zwischendurch begegnen die Einwohner des Schtetele, von kommunistischen Partisanen wie SS gleichermaßen verfolgt, einer Gruppe Zigeuner, welche dieselbe Strategie fährt. Schließlich gelingt es dem Zug, mitten zwischen die Front zu fahren. Allerdings bleibt hier ein bitterer Nachgeschmack: Die ganze Geschichte stellt sich am Filmende als Phantasie des Dorfnarren heraus, der sie durch den Stacheldrahtzaun des KZs dem Zuhörer erzählt. Der Vierteiler Holocaust, der der Massenvernichtung ihren Namen gab, ist einer der wenigen Spielfilme, welche die Genese des industriellen Massenmords zeigen: Erschießungen - Gas-Lastwagen - Vernichtungslager. Andere Filme kommen ganz ohne Massenvernichtungsszenen aus, sind dabei aber nicht weniger eindringlich, etwa Das Lied vom traurigen Sonntag.
 
Gloomy Sunday, der ungarische Selbstmordsong kommt, glaube ich auch in Schindlers Liste vor. Auf einer DVD erzählt Leopold (Poldek) Pfefferberg, dass sich ein SS- Offizier dieses Lied wieder und immer wieder vorspielen ließ. Am Ende zog er seine Pistole und schoß sich eine Kugel in den Kopf.

Hier gibt es eine Kostprobe:

YouTube - GLOOMY SUNDAY-BILLIE HOLIDAY VERSION
 
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In Filmen versucht man ja die ganze Tragik und die Verbrechen der Judenverfolgung den Heute lebenden Menschen nahe zu bringen aber ich glaube, kein Film und wenn er noch so realistisch dargestellt wird,kann daß unendliche Leid und die Verbrechen der NS Diktatur wiedergeben.Das gleiche gilt meiner Meinung auch bei anderen Filmen über Kreig und Vertreibung egal welchen historischen Hintergrund sie haben.
 
Scarlett@:
Ich habe gefunden : "The Wall" (1989) und "Uprising" (2001). Beide Filme uber Aufstand im Warschauer Getto. Der letzte kann interesant sein - John Voight als Jurgen Stroop und Donald Sutherland als Adam Czerniaków.

pozdrawiam :)
 
In Filmen versucht man ja die ganze Tragik und die Verbrechen der Judenverfolgung den Heute lebenden Menschen nahe zu bringen aber ich glaube, kein Film und wenn er noch so realistisch dargestellt wird,kann daß unendliche Leid und die Verbrechen der NS Diktatur wiedergeben.Das gleiche gilt meiner Meinung auch bei anderen Filmen über Kreig und Vertreibung egal welchen historischen Hintergrund sie haben.

Ja, die realen Qualen können bestenfalls schemenhaft dargestellt werden. Aber dennoch - man findet schon mit dieser (in dieser Hinsicht) unvollständigen Darstellungsweise doch einen wirkungsvolleren Zugang als viele

Ich denke aber auch, selbst wenn es wirklich versuchen würde, so real wie möglich zu sein -- das widerrum würde wohl die Grenze dessen, was die Zuschauer ertragen könnten, sprengen.
Vielleicht sind solche Filme dann eine Art Kompromiß, der in der Andeutung zumindest erahnen läßt was geschah - unter Anwendung von "kalten" Fakten?

Bei manchen Schilderungen von Überlebenden weiß ich sicher, dass ich sie lesen kann, ohne sonderlichen "Schaden" davonzutragen. Sehen könnte ich manche Szenarien (gerade wenn es um Kinder geht) nicht, da würde ich schlicht passen.
 
Hier ist die Originalversion:

YouTube - rezso seress szomorú vasárnap hungarian original

Ich habe mir die CD in einer Videothek ausgeliefen, zu den Features gehörten Aussagen von Zeitzeugen wie Helene Hirsch (eigentlich H- Rosenberg und Poldek Pfefferberg) Ich weiß nicht, aus welcher Edition das stammte.


Herrlich schwermütig der Song, wirklich der tiefblaue Blues. In Polen war dieses Lied verboten, weil sich tatsächlich Leute auf dem Song das Leben genommen haben.

Also, ich übernehme keine Verantwortung, falls.....:pfeif:
 
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