Luftkrieg: Einteilung Deutschlands in 9 Zonen im Luftkrieg ab 1944

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reality097

Gast
hallo zusammen,

ich habe eine frage im bezug auf den luftkrieg über deutschland ab 1944. laut einem buch, das ich gerade lese (stadtmüller, alois: aschaffenburg im zweiten weltkrieg, s. 50) wurde das deutsche reich von den alliierten im oktober 1944 in 9 zonen aufgeteilt, um die systematische zerstörung der infrastruktur durch bomben vorzunehmen. da ich leider weder in anderen büchern über den luftkrieg, noch im internet bisher etwas zu dieser zoneneinteilung finden konnte, stellt sich mir die frage, nach welchem system bzw. kriterium diese einteilung vorgenommen wurde. ich hoffe jemand kennt sich damit genauer aus, danke schonmal für jede antwort.

viele grüße
 
Ich habe zunächst bei der USAAF nachgesehen.

Bei den Planungen hatte man zunächst Erwartungen gehegt, noch 1944 die deutsche Kapitulation zu erzwingen. Dieses zerschlug sich, vielmehr baute sich nach Räumung der größten Teile Frankreichs erneut eine Widerstandlinie auf. Die Fortführung des Krieges kann man zwar als militärisch irrational bezeichnen, sie war aber fakt.

Der Aufmarsch der Allierten für den Angriff nach Deutschland hinein verzögerte sich nun andererseits, u.a. aufgrund der umfangreichen Zerstörungen des französischen Eisenbahnnetzes.

Sodann begannen Überlegungen, wie die US-AAF im Herbst 1944 vorzugehen und zu Bombardieren habe. Es ergab sich Folgendes:

1. eine erneute Bomberoffensive gegen die Treibstoffindustrie, wobei alle bekannten Ziele aus dem Frühjahr angegriffen wurden. Am 7. Okt.44 wurden zB Schwerpunktangriffe gegen Pölitz, Ruhland, Böhlen, Lützkerndorf, Mersebrug-Leuna geflogen. Auf solche Ziele fielen im Oktobere rd. 13.000 to. Bomben. Die Treibstoffproduktion sank dann nach US-Schätzung auf 31% der Produktion im Frühjahr ab.

2. Wegen der bevorstehenden Landoffensive wurden Schwerpunktangriffe gegen die Fahrzeugproduktion für den Herbst festgelegt. Dazu gab es 8 erkannte "key plants": Hentschel/Kassel, Maschinenfabrik/St. Valentin, Krupp Grusonwerke/Magdeburg, Daimler-Benz und Alkett/Berlin, 3 weitere Werke in Brunswick und Berlin. Getroffen werden sollte LKW, Panzer- und StuG-Produktion. Ford/Köln, Saurer/Wien, Daimler/Gaggenau, Büssing/Brunswick, Borgward/Bremen, Opel/Berlin, Daimler/Mannheim.

3. Der weitere Schwerpunkt für den Herbst wurde auf die Zerstörung des Eisenbahnneztes in Deutschland gelegt und begann im Okt44. Zuständig für alles: Combined Strategic Targets Committee. Hier nun finden sich die "9 Zonen", im Ranking aufgelegt in folgender Reihenfolge für die militärisch-rüstungswirtschaftliche-logistische Bedeutung:
a) nordost-Zugänge zum Ruhrgebiet
b) Großraum Frankfurt-Mannheim
c) Köln-Koblenz
d) Kassel
e) Raum Karlsruhe-Stuttgart
f) Raum Magdeburg-Leipzig
g) Raum Oberschlesien
h) Großraum Wien
i) Bayern.

In diesem Bereich der 9 (Schlüssel-)Zonen, der kartentechnisch ausgewertet wurde, wurde die Bahnlogistik, Versorgungseinrichtungen, Knotenpunkte, Bahnhöfe und Abschnitte des Streckennetzes angegriffen. Die Angriffsziele wurden in die Offensivziele zu 1) und 2) eingebettet.

AAF in WW Two, Band 3, Europe: Argument to V-E Day, Jan 1944 to May 1945.
 
@Silesia, du machst es wie fast immer perfekt. Ich hätte nur antworten können, dass Deutschland in 50x50 Quadrate aufgeteilt wurde und dann jeder Kutscher vom Bock geschossen wurde.

EDIT:
Diesen Ort kenne ich nicht...:devil:
 
Zuletzt bearbeitet:
2. Wegen der bevorstehenden Landoffensive wurden Schwerpunktangriffe gegen die Fahrzeugproduktion für den Herbst festgelegt. Dazu gab es 8 erkannte "key plants": Hentschel/Kassel, Maschinenfabrik/St. Valentin, Krupp Grusonwerke/Magdeburg, Daimler-Benz und Alkett/Berlin, 3 weitere Werke in Brunswick und Berlin. Getroffen werden sollte LKW, Panzer- und StuG-Produktion. Ford/Köln, Saurer/Wien, Daimler/Gaggenau, Büssing/Brunswick, Borgward/Bremen, Opel/Berlin, Daimler/Mannheim.

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Büssing/Brunswick wird wohl Büssing/Braunschweig sein. Opel/Berlin wird wohl Opel/Brandenburg heißen müssen, das damals modernste LKW-Werk Europas.

Ergänzend vielleicht noch, während Opel/Brandenburg eben gemacht wurde, den Opel-Blitz musste dann Daimler! (verschweigen sie schamhaft in ihrer Firmengeschichte) in Gaggenau bauen.
Wurde Ford/Köln nur überaus leicht beschädigt, lieferte LKW´s bis zuletzt.
Die unterschiedliche Behandlung des USA-Eigentums wurde und wird mit der räumlichen Lage (Brandenburg - Sowjetzone) erklärt.

Auch in Gaggenau waren, siehe oben, die Beschädigungen nicht so groß.
 
Hallo bb, Hallo Repo,

ja, da sind wohl Fehler in der Zuordnung. Die zitierten Ziele sind authentisch übernommen, so wie USAAF bzw. das committee die "key plants" definierte.

Vielen Dank daher für die Ergänzungen! :winke:

Wurde Ford/Köln nur überaus leicht beschädigt, lieferte LKW´s bis zuletzt.
Die unterschiedliche Behandlung des USA-Eigentums wurde und wird mit der räumlichen Lage (Brandenburg - Sowjetzone) erklärt.

Das würde mich interessieren, da schon häufiger in der Diskussion aufgetaucht.

die Rahmenbedingungen, soweit mir bekannt:

1. nach der Zielpriorisierung erfolgten im September nur 4 Angriffe auf Standorte der Panzer/LKW-Produktion.
2. Ende Oktober 1944 erfolgte dann ein Angriff auf die Ford-Werke Köln, der mehrfach verschoben worden ist. Geworfen wurden rd. 250 Tonnen Bomben.
3. Verschiebungen erfolgten idR in diesem Zeitraum aufgrund der schlechten mitteleuropäischen Wetterverhältnisse im Herbst.
4. Bis zum Herbst lagen die Prioritäten wie folgt: im Frühjahr 1944 hatten die Treibstoffindustrie und die deutsche Jägerwaffe Vorrang. Im Sommer 1944 war die Unterstützung der Invasion wichtiger.
5. Im Herbst 1944 gab es dann ebenfalls "Zielkonkurrenz" (bei ca. 1 Großangriff pro Tag, unter Einschränkung der Wetterverhätlnisse): wiederum waren die Treibstoffindustrie und neu die Eisenbahnlogistik vorrangig, dazu im Rahmen des Katalogs der Industrie nun die Panzerproduktion vor der LKW-Produktion.
6. Es gibt keinen signifikanten Unterschied Ost-West im Herbst 1944, im Gegenteil: die Schwerpunktangriffe erfolgte alle im Westen bzw. Österreich.

Von daher zwei Fragen:
Gibt es dann ergänzende Quellen zur Zielauswahl, insbesondere die Konkurrenz Opel/Brandenbrug plus Daimler und Ford/Köln?
Welchen Verlauf nahmen die abgesagten Angriffe auf die Ford-Werke, was fand alternativ statt?
 
Zuletzt bearbeitet:
In der DDR war das offizielle Geschichtsschreibung und wurde spätestens nach Jalta wohl auch umgesetzt. Was dann noch stand, demontierten die Russen. Bei Kriegsende waren auf westalliierter Seite doch auch viele Greifkommandos unterwegs, die in den Stollen und Bergwerken der späteren Sowjetzone (vor allem Thüringen) Unterlagen, Technik und Kunstwerke "sicherten".
 
Hallo bb, mir geht es speziell um Ford und die "Aussparung": Legende, Spekulation oder gibt es einen konkreten Bezug?
 
Von daher zwei Fragen:
Gibt es dann ergänzende Quellen zur Zielauswahl, insbesondere die Konkurrenz Opel/Brandenbrug plus Daimler und Ford/Köln?
Welchen Verlauf nahmen die abgesagten Angriffe auf die Ford-Werke, was fand alternativ statt?

Kann ich so nicht beantworten.
Ich kenne und habe Quellen über die "andere", betroffene Seite.

Schau mal heute Abend nach, zum Ami-Luftkrieg aber mit Sicherheit nichts.

Was ich "weiß" wo ich aber mit den Quellen wohl Probleme haben werde, die Kadett-Produktionsanlagen wurden den Russen als Reparationen zugesprochen, da in Brandenburg fast nichts verwertbares mehr war. (OT: Ging dann über 15 Jahre bis es wieder einen Kadett gab, aus einem funkelnagelneuen Werk in Bochum)
 
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Hallo bb,

die Überlegung führt aus zwei Gründen nicht weiter:

- die B-17 und B-24 trugen zwischen 2-3 to. Bomben (Einsatzreichweite), etwa 80-90% kamen übers Ziel.
- die Ziele waren aufgesplittet: 6-12 Ziele pro Tag waren keine Seltenheit, so dass sich selbst 1000-1200 Tagesstarts relativierten.


Beispiel zu Köln/Kassel:
"10/18/44 Eighth AF:
Over 450 HBs hit aircraft plants at Kassel, motor plant and M/Y at Cologne, and chemical works at Leverkusen, along with nearby T/Os. 12 ftr gps provide escort and 2 gps later strafe rail traffic between Cologne and Kassel.

10/15/44 Eighth AF:
More than 1,000 HBs attack 9 M/Ys and gas unit plant in and around general area of Cologne, along with several other tgts including oil facilities at Reisholz and Monheim. 3 ftr gps give general area spt while 12 gps provide close escort. 2 P-47 gps attack comm in Hannover and Munster-Kassel areas."

Man muss sich mE den gesamten Zielkatalog für Herbst 1944 ansehen, sodann die realisierten Tageseinsätze, um daraus Schlüsse ziehen zu können.
 
Am 6. August 1944 zerstörten 40 Liberator(?) aus 8.000m Höhe in einem nur 20 minütigen aber überaus präzisen Angriff am hellen Tag die bis dahin größte LKW-Fabrik Europas derart, dass an einen Wiederaufbau gleich gar nicht mehr gedacht wurde.
Gedächtniszitat aus Oswald "Kraftfahrzeuge und Panzer der Reichswehr, Wehrmacht..."


OT: Chef von Opel Brandenburg war Gerd Stieler von Heydekampf, später bei NSU, Ziehvater des Wankelmotors, sein Vize war Nordhoff, ab 48 VW-Chef Ziehvater des Käfers. Die Herren, einen kannte ich persönlich, sollen sich Spinnefeind gewesen sein.)
 
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40 halte ich für etwas wenig, die Verhältnisse waren aber wohl äußerst günstig:

Das Beispiel zeigt aber, wie es laufen konnte. 14 Ziele, 853 schwere Bomber.

8/6/44 Eighth AF:
The Eighth strikes 5 aircraft and engine factories, torpedo plant, 7 oil refineries, and an A/F in Berlin and Hamburg-Kiel areas, and 2 V-weapon sites in Pas de Calais area. 953 HBs attack their tgts. 25 fail to return. The 554 ftrs in spt lose 6 of their number. Total claims of enemy airplanes destroyed
amount to 34. The bombing is very effective and 10 major tgts are severely damaged during one of the best days the Eighth experiences. In conjunction with the operations against the Berlin and Hamburg-Kiel areas, the Eighth begins its second shuttle-bombing mission to the USSR. 78 B-17’s are dispatched, but 3 return to UK due to mechanical troubles. The HB formation is met by a P-51 gp 60 mi E of Jutland. 75 B-17’s bomb aircraft factory at Rahmel, near Gdynia, with good results. Another P-51 gp picks up the formation as it withdraws toward USSR. No aircraft are lost and the HBs land at Poltava and Mirgorod while the P-51’s land at Piryatin."

Das kann man nun dem 250-Tonnen-Angriff auf die Ford-Werke gegenüber stellen.
 
40 halte ich für etwas wenig, die Verhältnisse waren aber wohl äußerst günstig:

Das Beispiel zeigt aber, wie es laufen konnte. 14 Ziele, 853 schwere Bomber.

8/6/44 Eighth AF:
The Eighth strikes 5 aircraft and engine factories, torpedo plant, 7 oil refineries, and an A/F in Berlin and Hamburg-Kiel areas, and 2 V-weapon sites in Pas de Calais area. 953 HBs attack their tgts. 25 fail to return. The 554 ftrs in spt lose 6 of their number. Total claims of enemy airplanes destroyed
amount to 34. The bombing is very effective and 10 major tgts are severely damaged during one of the best days the Eighth experiences. In conjunction with the operations against the Berlin and Hamburg-Kiel areas, the Eighth begins its second shuttle-bombing mission to the USSR. 78 B-17’s are dispatched, but 3 return to UK due to mechanical troubles. The HB formation is met by a P-51 gp 60 mi E of Jutland. 75 B-17’s bomb aircraft factory at Rahmel, near Gdynia, with good results. Another P-51 gp picks up the formation as it withdraws toward USSR. No aircraft are lost and the HBs land at Poltava and Mirgorod while the P-51’s land at Piryatin."

Das kann man nun dem 250-Tonnen-Angriff auf die Ford-Werke gegenüber stellen.


Das müsste ja dann der Angriff gewesen sein, bei dem anschließend in Poltawa usw. so ziemlich die ganzen Ami-Flugzeuge einschließlich ihrer Logistik zerbombt wurden. Von Schlesien aus ist doch eine He 177 dem Verband gefolgt und hat den Zielflughafen aufgeklärt, an der Ostfront wurde alles irgendwie greifbare an Bombern zusammengekratzt und in der Nacht eingesetzt.
Letztendlich alles andere als ein Erfolg.
 
Das müsste ja dann der Angriff gewesen sein, bei dem anschließend in Poltawa usw. so ziemlich die ganzen Ami-Flugzeuge einschließlich ihrer Logistik zerbombt wurden. .

Genau der. Die Logistik war allerdings kaum betroffen, weil in Großbritannien stationiert.

Schätzen wir mal den 40 bei Oswald angegebenen Flugzeugen einige hinzu, so etwa 100-200 (was sich sicher noch aufklären läßt). Ob nun 100 mehr oder 40 richtig sein sollten: daran sieht man, dass es weniger auf die Quantität, als vielmehr auf die äußeren Bedingungen des von der USAAF hier verfolgten precision bombing ankam.

noch ein Nachtrag (auch zu Opel Brandenburg):

Military Production at Ford-Werke (Köln):
http://media.ford.com/events/pdf/2g-Research_Findings_S06.pdf

Hallo bb, mir geht es speziell um Ford und die "Aussparung": Legende, Spekulation oder gibt es einen konkreten Bezug?

Manchmal gibt es nach langer Zeit einen Zufallstreffer: die Ford-Werke wurden ausgespart, weil die Produktion dort bereits wegen der schweren Angriffe auf Köln und die Zerstörung der Eisenbahnstrecken erheblich reduziert worden war bzw. ausgefallen ist. Die anderen Hauptlieferanten als Schwerpunktziele wurden bombardiert (Gaggenau, Brandenburg).
Quelle: USSBS E77-European War-Munitions Division-German Motor Vehicles Industry Report, S. 15.
 

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