Mentale Situation nach Ende des Krieges 1918 und 1945 (im Vergleich)

Mimi.K

Neues Mitglied
Hallo zusammen.

Ich suche Gemeinsamkeiten und Unterschiede der mentalen und seelischen Situation der Menschen in Deutschland nach Ende des 1. und 2. Weltkrieges.

Ich fang einfach mal an und hoffe ihr könnt mir weiterhelfen. :)

Gemeinsamkeiten:
-Traumatisierung der Menschen (insbesondere Soldaten, Zivilisten aber ganz wichtig: die Menschen die, die Konzentrationslager überlebt haben - wobei dies auch ein Unterschied zu 1918 ist)
- Angst vor der Zukunft (Hungersnöte, schwerer und kalter Winter, nicht genug Kleidung - Mangel an allem)

Unterschiede:
- nach 1. Wk: Schuld nicht eingestanden und Legenden wie die "Dolchstoßlegende" konnten bestehen.
nach 2. Wk: Menschen erkannten am Ende des Krieges erstmals das Ausmaß des Krieges und wie viele unschuldige Menschen in den KZs ermordet wurden

Allerdings muss man die mentale und seelische Situation ja eingrenzen.
Naja, ich weiß auch nicht ob das oben ein guter Anfang ist.
Ich hoffe ihr könnt mir helfen oder iwelche Tipps geben. :)

LG Mimi
 
Hallo Mimi,

einige sehr wesentliche Punkte (m. E. die "wichtigsten") hast du ja schon gefunden.

Auf die Schnelle würde mir noch die Vertreibungs- und Flüchtlingsproblematik einfallen, die nach dem zweiten Weltkrieg ein Problem war, das die Menschen in Deutschland stark betroffen hat; und zwar nicht nur die Vertriebenen, sondern auch diejenigen, die plötzlich mit einer "Menge neuer Nachbarn" leben und um knappen Wohnraum konkurrieren musste. Diese extreme Migrationsbewegung konnte nicht ohne Auswirkung auf die Gesellschaft bleiben und dürfte sich auch auf die "seelische Situation" der Menschen ausgewirkt haben.

Nicht vergessen darf man auch, dass Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg unter alliierter Besatzung stand, während es nach dem ersten noch selbständig und souverän geblieben war. Für das Ego der nationalistisch eingestellten Menschen in Deutschland war das sicherlich ein Schlag...

Weitere Besonderheiten nach dem zweiten Weltkrieg waren z. B. die doch in größerer Anzahl vorkommenden Vergewaltigungen deutscher Frauen und Mädchen, v. a. in der sowjetischen Besatzungszone.

Zuletzt würde ich noch an die Mengen deutscher Soldaten denken, die noch vermisst oder in Gefangenschaft waren und z. T. erst nach Jahren als seelische Wracks heim kamen. Deren seelische Situation dürfte oft niederschmetternd gewesen sein, ebenso die der Angehörigen, die jahrelang in Ungewissheit blieben bzw. auf die Rückkehr ihrer Väter/Brüder/Söhne warten mussten. Die Soldaten, die erst in den 50ern aus der Gefangenschaft heimkamen hatten quasi keine Jugend. In der Zeit, in der man sich sonst vielleicht intensiver für das weibliche Geschlecht interessiert hätte, war man nur mit mitgefangenen Kameraden und feindlichen Soldaten und Wachposten in Kontakt. Da dürfte es vielen nicht leicht gefallen sein, mit gleichaltrigen Frauen in Kontakt zu treten, die ja beziehungsmäßig schon oft erfahrener waren, denn die hatten ja immerhin die Gelegenheit gehabt, zu lernen, wie das mit dem Zusammenleben beider Geschlechter und den Bienen und den Blümchen funktioniert. Die Kriegsgefangenen (zumindes die, die noch lange in der Sowjetunion waren) waren dabei einfach "abgehängt" worden.

Und nun komme ich auch zum eigentlichen Stichwort. Könntest du vielleicht etwas konkretisieren, was du mit der seelischen Situation genau meinst? Ich glaube zwar, deine Intention zu verstehen, aber der Begriff ist gar nicht so leicht greifbar. Da spielen psychische Belastungen, Stress und vielleicht auch daraus folgende Erkrankungen und noch mehr mit hinein. Ich glaube, das hast du ja schon selbst erkannt, da du diesen Begriff weiter eingrenzen möchtest. :winke:

Was die Sache auch schwierig macht, ist, dass die mentale Situation bei jedem anders ist und Belastungen von jedem anders empfunden werden. Dies dann zu einer "Gesamtheit" zu aggregieren dürfte nicht einfach sein, wenn man überhaupt zu einem sinnvollen Ergebnis kommen möchte. Ich würde eher den Weg gehen und untersuchen, welche besonderen Umstände der jeweiligen Nachkriegszeit zu ausgeprägten psychischen Belastungen einer größeren Anzahl von Menschen führen konnte. D. h., ich würde den Fokus mehr auf die äußeren Umstände legen und nicht direkt versuchen, den Menschen in den Kopf schauen zu wollen und dabei - vereinfacht gesagt - quasi unterstellen, dass bestimmte, für die Zeit typischen Situationen psychisch belastend waren und dies dann an entsprechend dokumentierten Reaktionen etc. zu überprüfen. (Ich weiß nicht, ob ich mich da jetzt klar ausgedrückt habe :grübel:).

Viele Grüße

Bernd
 
Wow, einfach nur wow. Mit so viel Info auf einen Schlag hab ich gar nicht gerechnet.
Vielen Dank dafür! :)

Das mir der seelischen Situation kann ich leider nicht konkretisieren, da mein Lehrer mir da nicht viel zu gesagt hat.

Und die mentale: Du hast recht, das kann man gar nicht verallgemeinern.
Aber ich denke da muss man schon sagen, dass die Menschen vom 2. WK ja viel mehr mitbekommen haben und daher die ganze SItuation mental ganz anders einschätzen konnten als die Zivilbevölkerung im 1.WK, die ja vom Krieg nicht direkt etwas mitbekommen hat.
Kann es sein, dass man sich nach dem 2. WK viel intensiver damit auseinandersetzen "musste", weil es ja praktisch alles vor der Haustüre ablief? Und das die Menschen schon darüber nachgedacht haben was richtig und was falsch ist? Nur halt nicht agiert haben und am Ende nur gemeint haben, von allem nichts gewusst zu haben?

Das würd ich vllt noch zur mentalen Situation sagen. Kann man das so sagen?

Viele Grüße

Mimi
 
Die Verluste im Feld haben die "Leute" sehr wohl mitbekommen. Ebenso die verkrüppelten jungen Männer welche in die Heimat zurückkamen. Ebenso war im 1. WK auch die Versorgungssituation angespannt.
Zur Versorgung der Zivilbevölkerung mal ein Link des Deutschen Historischen Museums:
Lebensmittelversorgung

Apvar

P.S. Der 2. Weltkrieg war im Westen erst nach der Invasion richtig vor der Haustür. Mit den Flugplätzen, welche auf dem Kontinent, den Alliierten in den Händen fielen wurde die Bombenangriffe mehr und intensiver. Und die Angriffe gingen viel tiefer ins Reich. Und Ende 44 kamen dann im Westen auch die Alliierten ins Reichsgebiet mit den Bodentruppen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich schränke es auf die Mentalität der Soldaten ein.

Der Titel von Ziemann (vgl. S. 165) benennt das deutliche Wechselbad der Gefühle für das Jahr 1918 und beschreibt es als enttäuschte Erwartungen und kollektive Erschöpfung bei den einfachen Soldaten.

Diese nach den zunächst erfolgreichen Offensiven Ludendorff an der Westfront zunächst hohe Erwartungen erzeugten, die sich dann allerdings nach Geländegewinnen festliefen und durch die spürbare materielle Überlegenheit der Westallierten zurück in Richtung Reichsgrenze zurückgedrängt wurden.

Die Folge dieser letzte Kraftanstrenung waren Desertation und Kriegsmüdigkeit, die Deist als "verdeckten Militärstreik" der einfachen Soldaten bezeichnet hatte.

Kriegsende 1918: Ereignis, Wirkung, Nachwirkung - Google Books

Trotz der zunehmenden Unfähigkeit weiter zu kämpfen war das Bild der im Feld besiegten kaiserlichen Armee sehr diszipliniert und ermöglichte die relative rasche Demobilisierung.

Für das Ende des WW2 war sicherlich auch eine hohe Kriegsmüdigkeit der Soldaten vorhanden und es starben auch überpropotional viele während der Abwehrkämpfe in den letzten Monaten.

Vor diesem Hintergrund kämpfte man aufgrund des kollektiven Zwangs des Systems und auch, weil man sich mindestens im Osten einem Gegner gegenüber sah, von dem man für die Zukunft wenig Gutes erwarten konnte.

Es war eine fatalistische Stimmung, die das Schicksal hinnahm, wenig Hoffnung auf den "Endsieg" hatte, aber auch keine ausgeprägte Bereitschaft zeigte, sich gegen das NS-System zu stellen.

Beschrieben in den Büchern von Kunz und dem von Kershaw.

Wehrmacht und Niederlage: Die bewaffnete Macht in der Endphase der ... - Andreas Kunz - Google Books

Das Ende: Kampf bis in den Untergang - NS-Deutschland 1944/45 - Ian Kershaw - Google Books
 
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@Apvar: So meinte ich das ja gar nicht. Aber von Bomben angriffen bekommt man ja wohl etwas mehr mit.

Tote und Verkrüppelte gab es leider reichlich in beiden Kriegen.

Ich meine dieses direkte, am eigenen Leib zu erfahren, was Krieg mit sich bringt: In diesem Fall Bombenangriffe.

Danke euch beiden :)
 
Ich meine dieses direkte, am eigenen Leib zu erfahren, was Krieg mit sich bringt: In diesem Fall Bombenangriffe.

Da hast du natürlich recht. In diesem Zusammenhang wäre es interessant zu erfahren, ob es nachweisbare Unterschiede bei den Folgen psychischer Belastungen bei der Stadt- und der Landbevölkerung gab. Letztere war ja von Bombenangriffen weitaus weniger betroffen. Nicht umsonst gab es so etwas wie die Kinderlandverschickung. Das könnte auch wieder ein Punkt sein, der die Menschen belastet hat. Von den eigenen Kindern in einer schweren Zeit getrennt zu sein.

Vielleicht sollte man auch nach den kriegsbedingten und den nachkriegsbedingten Ursachen für psychischen Stress unterscheiden (jedenfalls, wenn man eine größere wissenschaftliche Abhandlung verfassen will). Meiner Meinung nach unterscheiden sich die Nachkriegszeiten noch deutlicher voneinander als die Kriegszeiten. Nach dem 2. Weltkrieg waren die gesellschaftlichen Umwälzungen viel umfangreicher als nach dem 1., wo im Prinzip fast alles beim alten blieb.

Auch gab es große Unterschiede in der sozialen Absicherung. Nach dem 1. Weltkrieg waren die Sozialversicherungssysteme zwar angeschlagen, aber immer noch in der Lage, das nötigste zu leisten, da zumindest die einzelnen Leistungsträger weiter bestanden und auch erreichbar waren. Nach dem 2 Weltkrieg konnten viele Rentenbezieher ihren Renten- oder Unfallversicherungsträger nicht mehr erreichen, weil dieser nicht mehr bestand, nicht mehr wirklich handlungsfähig war oder schlicht und einfach in einer anderen Besatzungszone lag, in die man wegen gesperrter Grenzen nicht hinein kam. Dann mussten andere Träger "einspringen", die ohnehin an allen Ecken und Enden mit Problemen zu kämpfen hatten. So mancher (v. a. Flüchtlinge) war zumindest vorübergehend völlig obdach- und mittellos.

Die Flüchtlingsströme hatten zur Folge, dass Menschen in fremde Wohnungen, soweit diese überhaupt noch bewohnbar waren, zwangsweise einquartiert werden mussten. So lebten dann mehrere Familien auf engstem Raum in einer Wohnung und mussten sich Toilette und Küche teilen. Solche Situationen bargen natürlich auch ein entsprechendes Stress- und Konfliktpotenzial.

Viele Grüße

Bernd
 
Unterschiede:
- nach 1. Wk: Schuld nicht eingestanden und Legenden wie die "Dolchstoßlegende" konnten bestehen.
nach 2. Wk: Menschen erkannten am Ende des Krieges erstmals das Ausmaß des Krieges und wie viele unschuldige Menschen in den KZs ermordet wurden

Die Dolchstoßlegende hat eigentlich wenig bis nichts mit der Kriegsschuldfrage zu tun. Vielmehr damit, dass man sich nicht eingestehen wollte, dass man besiegt war. Und das ist ja auch durchaus nicht ganz leicht zu verstehen, wenn die Frontlinie nicht im eigenen Land sondern im Feindesland verläuft. "Im Felde unbesiegt" zu sein, das ist der Mythos auf der die Dolchstoßlegende basierte.

Was nun die Anerkennung der Kriegsschuld nach dem Zweiten Weltkrieg angeht, so muss man auch hier festhalten, dass das 1945 noch längst nicht communis opinio war.
 
Die unterschiedlichen Formen der Traumata als Kriegsfolgen bzw. -ereignisse sind ja beschrieben worden.

Eine interessante Frage wäre auch, welche Unterschiede in der gesellschaftlichen Verdrãngung dieser Traumata vorlagen? Das erinnert etwas an die Nazi-/Deutschen- Debatte, die vor Kurzem hier lief.

Nach dem Ersten Weltkrieg lief die "Grenzlinie" einerseits national, siehe die von ElQ erläuterte Kriegsschulddebatte. Die Dolchstosslegende richtete sich nach innen, im politischen Kampf der extremen Rechten und ihrem Jargon gegen die "Novemberverbrecher" bzw. "Systemverbrecher". Diese war allerdings nicht auf Verdrängung, sondern auf die politische Bekämpfung der Republik gerichtet, also instrumentalisiert.

Davon ist das Schwarz-/Weiß-Schema zu den Nazis (national, nach innen) zu unterscheiden, dass auf Verdrängung gerichtet war.
 
@Apvar: So meinte ich das ja gar nicht. Aber von Bomben angriffen bekommt man ja wohl etwas mehr mit.

Tote und Verkrüppelte gab es leider reichlich in beiden Kriegen.

Ich meine dieses direkte, am eigenen Leib zu erfahren, was Krieg mit sich bringt: In diesem Fall Bombenangriffe.

Das verschwinden junger Männer und Männer im mittleren alter waren bemerkbar. Nicht nur in den Strassen, sondern auch in der Landwirtschaft und der Industrie. Und die Güterzüge, welche an die Front fuhren waren auch für jeden sichtbar. Das einzige was im 1. Weltkrieg fehlte waren die Bombenangriffe.
Und die Bombenangriffe waren aber erst in der 2. Kriegshälfte des 2. Weltkrieges für viel Bemerkbar.
Und was es im 1. Weltkrieg nicht gab war das Radio. Stichwort "Volksempfänger". Damit wurde ja im 2. WK die Propaganda in jedes Haus und jede Wohnung getragen, auch ein nicht zu verachtender unterschied.

Apvar
 
Deine Frage sollte man sehr differenziert bewerten.
Es gab solche und solche Fälle/Erscheinungen etc., wobei das charakteristische ist und bleibt, beide Kriege waren ein Verbrechen der Menschen an den Menschen.

Ich schreibe mal etwas aus eigenem Erleben, denn was man im Netz findet, wurde hier ja schon hinreichend aufgeführt.

Man hatte ja in seiner Familie beides.
Ich meine damit den/die Teilnehmer im I.WK und den/die Teilnehmer im II. WK.

Mein Großvater väterlicherseits, sowie meine Großonkels waren da wenig gesprächig.
Da erinnere ich mich kaum an etwas, bis auf die Aussagen wo sie waren und das ein jüngerer Bruder meines Opas auch noch Teilnehmer im II.WK war.
Anders hingegen der Großvater mütterlicherseits. Er war bei den Matrosen in Kiel und da erzählte er hin und wieder etwas, vor allem aber vom Matrosenaufstand.

Was die Teilnahme meines Vaters und meines Onkels im II. WK anbelangte...
Von meinem Vater kannte ich recht bald seine Erlebnisse in der Wehrmacht. Ebenso von meinem Onkel.
Ein anderer Onkel – den Mann der Schwester meiner Mutter – habe ich nie kennen gelernt. Er blieb im Krieg, ich glaube es war wohl in Jugoslawien. Mein Cousin – er war das einzigste Kind – wuchs ohne seinen Vater auf.

Wir wohnten in einer sächsischen Kleinstadt, außer Fliegeralarm und Aufsuchen der Luftschutzräume gibt es da nicht viel zu erzählen.
1945 dann die 6. Panzerdivision der 3. Armee von General Patton.

Ein kleines Erlebnis:
Jeep’s der 6. Panzerdivision fuhren an unseren Haus vorbei.
Mein Bruder (7jährig) ging an den Straßenrand.
Ein Jeep hielt an, meine Mutter war inzwischen auch schon in den Gängen und ihr muss wohl bald das Herz stillgestanden haben als einer der Soldaten meinen Bruder in den Jeep holte, ein sehr kurzes Stück ihn mitnahm und ihn dann wieder mit einer Tafel Schokolade auslud.

Später dann nach dem 25. April kamen die Russen und blieben.

Die gingen erst einmal in die Wohnungen und sammelten die Radios ein.
Meine Mutter beschwerde sich beim Stadtkommandanten und bekam für ihr schönes Blaupunkt – Radio eine Goebbels - Harfe.
Gleichzeit erlebte ich die nicht endeten wollenden Trecks aus Schlesien, Menschen über Menschen und viele, viele Tierherden.
Einige wenige blieben. In dem Haus wo wir wohnten war Parterre eine ehemalige Sattlerwerkstatt. Da zogen schlesische Weber ein.

Völlig anders die Situation meiner Großeltern, meiner Tante und meines Cousin. Sie wohnten in Chemnitz.
Ihr Wohnhaus wurde Opfer der Bombennacht und damit ihr ganzes Hab und Gut.
Sie kamen aufs erste bei uns unter.

Ebenso anders die Situation in der Grundschule.
Viele meiner Klassenkameraden wuchsen ohne Vater auf.

Ich möchte das Ganze hier nun nicht noch bis in tz bewerten.
Man muss nicht schreiben wie glücklich meine Mutter war, als mein Vater sehr bald (1947) völlig unversehrt aus der Gefangenschaft kam.
Man muss nicht schreiben wie Traumatisiert meine Tante war, als Gewissheit bestand, dass ihr Mann nicht nach Hause kommt.
Man muss auch nicht über die traumatisierten Klassenkameraden schreiben, die ihren Vater verloren hatten.
Man muss auch nicht schreiben, welche Hölle die Aussiedler aus Schlesien durchgemacht haben, gleich ob sie sich in unserer Stadt ansiedelten oder weiter zogen.

Dankbar bin ich das ich diese S…… nicht mit machen musste.
Dankbar bin ich, das meine Kinder – und so wie es aussieht – diese S…… auch nicht mit machen müssen.

Wenn ich zum Grab meiner Schwiegermutter gehe, gehe ich immer an den Grabfeldern von Soldaten vorbei. So ab Alter 17. liest man da.
Und ich glaube mit meinem Beitrag hier deutlich gemacht zu haben, was mich da bewegt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Übrigens...

Bei der Familie meiner Frau lief das alles ganz anders.
Hier konnte man wirklich von einer Traumatisierung reden.
Diese Traumatisierung hat sie zeitlebens nie verloren.
Die Familie meiner Schwiegermutter stammte aus Czernowitz.
Der Stadt eines Joseph Schmidt – lyrischer Tenor.
Ich bin da mal anfang der 80. von Suceava/Rumänien kommend mit meiner Familie und meinem Trabant durchgefahren.

***

Wer sich mal ein sehr gründlich geführtes Tagebuch (Tagebuch im Sinne des Namens) eines Bäckermeisters Namens Vorwerk aus den I.WK/Frankreich zu gemühte führen möchte, sollte sich an die Gemeinde Großschirma, 09603 Großschirma wenden.
2001 habe ich dieser Gemeine dieses Tagebuch überlassen.
Ich bekam dieses Tagebuch von meinem Schwager der mal zu DDR Zeiten bei einem Altpapierhandel beschäftigt war.
Er erzählte mir davon und er konnte dann gerade noch dieses Tagebuch vor dem Reiswolf retten.
Ich behielt es eine Weile, fand aber dann, dass es wohl besser zu der Gemeinde gehört, wo dieser Bäckermeister ansässig war.
 
Als einen bedeutenden Punkt, der sich in der Mentalität der Deutschen 1918 und 1945 unterschiedlich niedersachlug, war dass nach 1945 die Zahl deutscher Minderheiten in Polen, der CSSR, in Siebenbürgen, dem Banat, der Bukowina und den verlorenen Gebieten in Schlesien, Pommern und Ostpreußen rapide abnahm, bzw. dass man nach den Erfahrungen des 1. Weltkrieges keine Präzedenzfälle schaffen wollte und Deutsche gar nicht mehr duldete und vertrieb. Dazu kamen die Flüchtlinge, die aus Schlesien, Pommern und Ostpreußen eine neue Heimat in der BRD oder der DDR suchen mussten.

Verwerfungen hatte es natürlich auch vor allem was die Zahl deutscher Juden betraf.1925 waren es noch mer als 0, 5 Millionen Menschen, die der mosaischen Religion angehörten. 1939 wurden Juden erstmals nach rassischen Kriterien erfasst und trotz dieser Modalitäten und Heim ins Reich Aktionen war die Zahl auf 220.000 gesunken. Um 1950 lebten noch ca 15.000 Juden zu denen 6000 Repatrierte kamen, die sich meist in der BRD niederließen. 1945 lebten auf dem Gebiet der DDR 3.500 Juden, 1967 1.200 und am Ende der DDR waren es nur noch 350. Große Gebiete Deutsxchlands waren tatsächlich "judenfrei" und sind es noch heute, obwohl durch einen großen Zuwachs aus GUS- Staaten in der BRD wieder mehr als 100.000 Juden leben.
 
Hallo, Mimi

hier im Geschichtsforum unter Der Erste Weltkrieg wurde das Thema auch schon angerissen (ich glaub, es gibt hier noch keinen Verweis?)
 
Hallo zusammen.

Ich suche Gemeinsamkeiten und Unterschiede der mentalen und seelischen Situation der Menschen in Deutschland nach Ende des 1. und 2. Weltkrieges.

Ich fang einfach mal an und hoffe ihr könnt mir weiterhelfen. :)

Gemeinsamkeiten:
-Traumatisierung der Menschen (insbesondere Soldaten, Zivilisten aber ganz wichtig: die Menschen die, die Konzentrationslager überlebt haben - wobei dies auch ein Unterschied zu 1918 ist)
- Angst vor der Zukunft (Hungersnöte, schwerer und kalter Winter, nicht genug Kleidung - Mangel an allem)

Unterschiede:
- nach 1. Wk: Schuld nicht eingestanden und Legenden wie die "Dolchstoßlegende" konnten bestehen.
nach 2. Wk: Menschen erkannten am Ende des Krieges erstmals das Ausmaß des Krieges und wie viele unschuldige Menschen in den KZs ermordet wurden

Allerdings muss man die mentale und seelische Situation ja eingrenzen.
Naja, ich weiß auch nicht ob das oben ein guter Anfang ist.
Ich hoffe ihr könnt mir helfen oder iwelche Tipps geben. :)

LG Mimi


Zum Thema Mentalitätsgeschichte nach 1945 muss ich an zwei Episoden denken, die erste eher eine literarische, die ich schon an a. O. erwähnte.

Friedrich Christian Delius, erinnert sich an das Wunder von Bern 1954 und

"Der Tag an dem ich Weltmeister wurde" kommentiert vom unvergessenen Herbert Zimmermann (Toni, du bist ein Fußballgott! Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen..., Rahn schießt!... Toooor! Aus, es ist aus, Deutschland ist Weltmeister!) zu einem unerhörten Gottesdienst. Delius, ein krasser Außenseiter, der stottert und an einer Schuppenflechte leidet und nahe Hersfeld in der Enge eines protestantischen Pfarrhauses aufwächst, hört an diesem Tag zu stottern auf, bricht aus "dem Vaterkäfig aus". Glücklicher als Eckel, Liebrich und Rahn begibt er sich auf den Pfarrhof womit die Erzählung endet.


In meiner Heimat befand sich in Nordhessen ein Gefangenenlager Stalag, wo sich heute eine Gedenkstätte befindet. In den Baracken ließen sich Flüchtlinge, meist aus Schlesien, aber auch aus den Sudeten, Ostpreußen und Pommern nieder, die mit einigen ehemaligen Insassen einen neuen Stamm zeugten und sich zu einem Völkchen mit einer eigenen kulturellen Identität entwickelten und ein neues Dorf gründeten. Bei einem lokalen Volksfest wetteifern die Schlesier- Trachten mit den ungarisch anmutenden Urbewohnern und denen aus dem Marburger bzw. Amöneburger Raum. Francois Mitterand saß dort als Kriegsgefangener, und ein anderer Franzose war kurzzeitig provisorischer Bürgermeister, als die Amerikaner einrückten, die über 40 Jahre blieben, Kulturgüter wie Kaugummi, Jazz- und Rockmusik, Zigaretten, Coca-Cola und Marihuana nach Nordhessen brachten. Letzteres war im Zeitalter, wo es noch keine Lampen für Indoor- Kultur gab, Mangelware, weshalb die Amis von den Deutschen das Haschischrauchen lernten. Das machte die GIs schön friedlich und höflich machte, so dass man bei den Nato- Herbstmanövern eigentlich nicht so recht den Eindruck hatte, dass uns die Amis antun könnten, den roten Knopf zu drücken oder aus Versehen ihre Pershing Raketen in Franfurt/ Oder statt in Mainhattan abzuliefern.

Auch die Amis haben einigen Nachwuchs gezeugt, und als sie abzogen, passierte das, wovor sie uns im Kalten Krieg immer Angst gemacht hatten, die aus "der Ostzone" kamen, sahen, kauften ein und fuhren wieder heim, und als Nachhut kamen "die Russen" und die "Wodgadeutschen" blieben. Statt mit der NVA kamen die Ossis mit dem Trabi, ließen Broiler, Simson Mopeds und die Frage zurück wie schaffte es die DDR 40 Jahre auf Sächsisch Befehle zu erteilen, die befolgt wurden. Bald wussten wir es, weil die Russen hinter ihnen standen. Die kamen nicht auf Raketen und Panzern, sie waren plötzlich da. Wortkarg, hart im Nehmen, experimentierfreudig. Für viele Schandtaten, die es früher "nieeeee gegeben hätte", wurden "die Russen" verantwortlich gemacht, aber ohne sie könnte so manche Kirchengemeinde in Nordhessen heute dichtmachen, und in etlichen Krankenhäusern arbeiten "Russlanddeutsche", "Aussiedler", "Menschen mit Migrationshintergrund". Dann kamen als die Wirtschaft noch boomte die Gastarbeiter Italiener, Griechen, Jugoslawen und Türken.
 
@Apvar: So meinte ich das ja gar nicht. Aber von Bomben angriffen bekommt man ja wohl etwas mehr mit.

Tote und Verkrüppelte gab es leider reichlich in beiden Kriegen.

Ich meine dieses direkte, am eigenen Leib zu erfahren, was Krieg mit sich bringt: In diesem Fall Bombenangriffe.

Danke euch beiden :)


Im 1. Weltkrieg hatten französische Flieger einige Angriffe gegen süddeutsche Städte geflogen, während die Deutschen seit 1915 "Zeppelinraids" gegen London flogen. Psychologisch zeigten diese Luftangriffe eine weit größere Wirkung als militärisch. Bereits im 1. Weltkrieg entwickelte sich auf beiden Seiten der Front so etwas wie eine Heimatfront, wo verbissen gehungert und durchgehalten wurde. Vor allem bei den Mittelmächten zeigte die Blockade Wirkung. Ersatzstoffe spielten eine immer größere Rolle. Aus Brennesselfasern und Zellulose wurden Textilien hergestellt und die Kaffeebohnen für den Muckefuck wuchsen auf deutschen Eichen.

Der Krieg gegen Zivilisten, Bombardierung von Wohnvierteln oder Torpedierung von Passagierdampfern sorgten im 1. Weltkrieg noch für eine Empörung, die im Zeitalter von Flächenbombardements und Atomwaffen schwer verständlich erscheint. Immerhin wurde im 1. Weltkrieg noch meistens an der Front gestorben, Soldaten und Zivilisten im Hinterland waren prinzipiell in Sicherheit. Das galt im 2. Weltkrieg nicht mehr.

Städte wie London und York mussten schlimme Zerstörungen ertragen, Coventry aber wurde dem Erdboden gleichgemacht, es wurde "coventriert", genau wie später Würzburg, Dresden und andere deutsche Städte.

Auf dem Balkan und in Osteuropa entwickelte sich ein grausamer Partisanenkrieg mit unglaublichen Exzessen auf beiden Seiten.
Der Tod konnte einen tief im Hinterland treffen, im Urlauberzug, im Luftschutzkeller. Seeleute der Handelsmarine, besonders auf Tankern mussten in den Geleitzugsschlachten auf dem Atlantik Erfahrungen machen, die in nichts den Belastungen an der Ostfront nachstanden, und der Feuersturm der Flächenbombardements war so furchtbar, dass bei manchen Berlinerinnen der Spruch kursierte: "Lieber einen Russen auf dem Bauch, als die Briten und Amis über dem Kopf."

Der 2. Mann meiner Uroma wurde in einem Urlauberzug zerbomt, als er sich vermutlich schon sicher fühlte. Mein Urgroßvater wurde wie ein Tier von einem Jabo gejagt. Mit zwei Kindern suchte er Schutz unter einer Brücke, die solange bombadiert wurde, bis sich nichts mehr rührte.

Eine alte Dame, die die einzige war, die mir erzählen wollte was bei den Novemberpogromen 1938 in meiner Heimatstadt geschah, berichtete von einem traumatischen Erlebnis. Mit dem BDM mussten die Mädchen, angeleitet von einigen Soldaten in der hessischen Provinz abgeworfene alliierte Flugblätter einsammeln (wovon sie eines heimlich einsteckte und mir zeigte), als plötzlich Tiefflieger auftauchten. Die warnung eines Landsers: "Mädchen, bist du verrückt! Nimm dein rotes Kopftuch ab- oder willst du sterben" grub sich tief ins Unterbewusstsein ein. Noch als über 80 Jährige konnte man merken, dass sie diese Erlebnisse stark traumatisierten.
 
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