Luftkrieg: Messerschmitt ME 262 - Entwicklung/Produktion/Einsatz/Auswirkungen

Cliomara

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Die Messerschmitt ME 262 gehörte meines Wissens zu den ersten einsatzfähigen Düsenjägern im Zweiten Weltkrieg.

Sie wurde erst ab Ende 1944 als Jäger eingesetzt. Ihre hohe Geschwindigkeit machte sie zu einer gefährlichen Waffe für die alliierten Bomberflotten.

In der Literatur scheint es aber unterschiedliche Meinungen über ihre tatsächliche Wirksamkeit zu geben.

Adolf Galland, bis kurz vor Kriegsende General der Jagdflieger, vertrat in seinen Erinnerungen die These, ein rechtzeitiger Einsatz als Abfangjäger hätte den Luftkrieg entscheidend beeinflussen können. Im Frühjahr 1944 sagte er auf einer Besprechung zur Lage der Reichsverteidigung, dass ihm eine ME 262 lieber wäre als fünf ME 109.

Galland konnte im Frühjahr 1945 nach seiner Ablösung noch eine Staffel aufstellen, die in Süddeutschland zum Einsatz kam.

Der Historiker Ralf Schabel dagegen vertritt meines Wissens die Ansicht, die Abschusserfolge gegen Kriegsende seien nicht so groß gewesen; außerdem hätten die Turbinen nicht mehr lange produziert werden können, da die erforderlichen Rohstoffe nur begrenzt zur Verfügung gestanden hätten (alllerdings ist seit der Lektüre einige Jahre vergangen; vielleicht irre ich mich).

Welche Meinung dazu gibt es in diesem Forum?
 
Die Wirksamkeit dürfte durch mehrere Faktoren stark begrenzt worden sein:

  • Produktion - die neuen Triebwerke waren noch nicht einfach herzustellen, vor allem nicht unter den Bedingungen 1944/45
  • Produktion - die Verfügbarkeit der nötigen Leichtstoffe (vor allem Aluminium) war nicht gegeben. Zum Schluss wurden sogar Holzrümpfe in Auftrag gegeben
  • Personal - die Zahl der verfügbaren Piloten war arg begrenzt
  • Vorgaben - Hitler wollte einen Bomber, dies war aber für einen klassischen Abfangjäger das falsche Konzept
  • Treibstoff - der Mangel an hochwertigem Flugtreibstoff verhinderte Ausbildung und gebündelten Einsatz

Letztlich war der Einfluss auf die Entwicklung nach dem Krieg größer als auf den militärischen Verlauf in den letzten zwei Kriegsjahren.
 
Die Messerschmitt ME 262 gehörte meines Wissens zu den ersten einsatzfähigen Düsenjägern im Zweiten Weltkrieg.

Sie wurde erst ab Ende 1944 als Jäger eingesetzt. Ihre hohe Geschwindigkeit machte sie zu einer gefährlichen Waffe für die alliierten Bomberflotten.

In der Literatur scheint es aber unterschiedliche Meinungen über ihre tatsächliche Wirksamkeit zu geben.

Adolf Galland, bis kurz vor Kriegsende General der Jagdflieger, vertrat in seinen Erinnerungen die These, ein rechtzeitiger Einsatz als Abfangjäger hätte den Luftkrieg entscheidend beeinflussen können. Im Frühjahr 1944 sagte er auf einer Besprechung zur Lage der Reichsverteidigung, dass ihm eine ME 262 lieber wäre als fünf ME 109.

Galland konnte im Frühjahr 1945 nach seiner Ablösung noch eine Staffel aufstellen, die in Süddeutschland zum Einsatz kam.

Der Historiker Ralf Schabel dagegen vertritt meines Wissens die Ansicht, die Abschusserfolge gegen Kriegsende seien nicht so groß gewesen; außerdem hätten die Turbinen nicht mehr lange produziert werden können, da die erforderlichen Rohstoffe nur begrenzt zur Verfügung gestanden hätten (alllerdings ist seit der Lektüre einige Jahre vergangen; vielleicht irre ich mich).

Welche Meinung dazu gibt es in diesem Forum?


Die Wirksamkeit spielte in der Tat keine große Rolle mehr. Das lag wohl vor allem daran, dass die Me262 spät und in kleinen Zahlen als Jäger zum Einsatz kamen. Eine sehr differenzierte Analyse des Luftkamps der Me262 liefert die englische Wikipedia:

Messerschmitt Me 262 - Wikipedia, the free encyclopedia

Besonders zu beachten sind die Angaben unter "Production": die Me262 erwies sich mit 150 Abschüssen als gefährlicher Gegner, doch allein in den Luftkämpfen wurden 100 Me262 abgeschossen. Da es zusätzliche Verluste am Boden gab, dürfte die Me sogar eine negative Erfolgsrate haben. Zum Teil ist dies sicherlich auf den allgemein schlechten Zustand der deutschen Luftwaffe im letzten Kriegsjahr zurückzuführen.
 
Schnabels "Illusion der Wunderwaffen" hat schon den richtigen Titel, und seine Bemerkungen zu den Einschränkungen - siehe auch den Hinweis von solwac - treffen den Kern.

Der Jumo004 als Strahltriebwerk wurde in die Montage der Me262 ab April 1944 geliefert. Das Flugzeug (Rumpf wie Motoren) hatte zahlreiche Macken, zT produktionsbedingt.

So wurde in den Strahltriebwerken aus Mangel an Chrom und Nickel mit mehreren Dutzend Improvisationen gearbeitet, zB Aluminium, was zu Defekten führte und die Lebensdauer der Motoren auf zT 10 Stunden verkürzte. Bis August 1944 wurden etwas über 100 Me262 montiert, die zunächst im Erprobungskommando 262 landeten. Einsatzreife und Massenproduktion waren unter diesen Umständen (Frühjahr 1944) nicht gegeben.

Zu dem Zeitpunkt lagen die Produktionsstätten aber bereits unter Bombenteppichen, auch die Standorte der notwendigen Flugbenzinproduktion waren schwer getroffen. Es liefen gigantische Baumaßnahmen, die aber eben die Produktion verzögerten, bzw. verzögert hätten.

Industriell war damit der Krieg entschieden, die Ausstosszahlen gegen Kriegsende (Oktober 1944 war der erste Monat mit Produktion knapp >100 Stück, November darunter, Dezember wieder >100) und Abschusserfolge waren hierfür irrelevant.
 
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Danke für die Antworten. Bei der Lektüre von Gallands Memoiren hatte ich den Eindruck, dass er da "verpassten Gelegenheiten" nachtrauert.

Die Subjektivität von Memoiren birgt ja Chancen und Gefahren. Und in seinem Buch beschreibt er die Probleme, mit denen die Luftwaffe in den letzten Jahren des Krieges zu kämpfen hatte. Der Treibstoffmangel führte unter anderem dazu, dass die Ausbildungsdauer für Nachwuchspiloten verkürzt wurde. Dies führte zu hohen Verlustzahlen, und nur wenige junge Piloten überlebten die ersten fünf Einsätze.

Möglicherweise war die ME 262 ein Flugzeug, das von "Anfängern" gar nicht richtig genutzt werden konnte.
 
Die Wirksamkeit dürfte durch mehrere Faktoren stark begrenzt worden sein:

.....

  • Personal - die Zahl der verfügbaren Piloten war arg begrenzt

Das dürfte das Hauptproblem gewesen sein, denn Maschinen gab es mehr als zum Einsatz gelangten. Auf dem Fliegerhorst auf dem mein Großvater dienst tat, wurde eine nach der anderen Zerstört, ohne dass die Meisten je in der Luft gewesen wären.

  • Vorgaben - Hitler wollte einen Bomber, dies war aber für einen klassischen Abfangjäger das falsche Konzept

Das kostete viel Zeit bei der Entwicklung.

  • Treibstoff - der Mangel an hochwertigem Flugtreibstoff verhinderte Ausbildung und gebündelten Einsatz
Das betrifft eigentlich nicht die Düsenmaschinen. Diese funktionierten mit billigen und noch in größeren Mengen vorhandenen Kerosin und nicht mit dem teuren und knappen Flugbenzin den die Kolbenmaschinen verwendeten.

....
Besonders zu beachten sind die Angaben unter "Production": die Me262 erwies sich mit 150 Abschüssen als gefährlicher Gegner, doch allein in den Luftkämpfen wurden 100 Me262 abgeschossen. Da es zusätzliche Verluste am Boden gab, dürfte die Me sogar eine negative Erfolgsrate haben. Zum Teil ist dies sicherlich auf den allgemein schlechten Zustand der deutschen Luftwaffe im letzten Kriegsjahr zurückzuführen.

Genau, vor allem den schlechten Ausbildungsstand. Deshalb die Verzweiflungstat die noch lebenden und flugfähigen erfahrensten Piloten für ein letztes Düsenjägergeschwader zusammen zu fassen (daher der Titel der Memoiren Gallands: "Die Ersten und die Letzten").

Die meisten Verluste erfolgten dabei bei Landung oder Start (z.B. der Tod von Walther Nowotny). Um die wertvollen Düsenmaschinen zu schützen, stieg vor Sonneaufgang eine Abteilung FW-190 Langnasen auf, um den startenden Me 262 die Alliierten Jäger nach Möglichkeit vom vom Leibe zu halten, jedoch nicht immer mit Erfolg.

Trotz aller Nachteile bin ich jedoch überzeugt, dass es für seine Zeit eine ausgezeichnete Maschine war (das wird z.B. durch den Alliierten Aufwand belegt, diese Maschinen unschädlich zu machen bzw. eigene Düsenjäger frontreif zu machen). Dass bei der rein zahlenmässigen Überlegenheit und dem hohen Ausbildungsstand alliierter Piloten, zu Kriegsende starke Verluste eintraten, ist normal. Vereinzelte Siege von Propellermaschinen gegen Düsenjäger gab es sogar noch im Koreakrieg
 
Zuletzt bearbeitet:
Das dürfte das Hauptproblem gewesen sein, denn Maschinen gab es mehr als zum Einsatz gelangten. Auf dem Fliegerhorst auf dem mein Großvater dienst tat, wurde eine nach der anderen Zerstört, ohne dass die Meisten je in der Luft gewesen wären.

Das ist die Situation gegen Kriegsende, hatte aber seine Ursache in der weitgehenden Zerstörung der Logistik, Angriffe auf die Auslieferungsstandorte in der Fertigstellung bei Messerschmidt. Siehe Anlage zu den diesbezüglichen Verlusten (611 von rund 1400) aus der Produktion (USSBS E 11 - Exhibit M-C-2, nach Messerschmitt-Akten).

Verluste nach Überführung waren neben alliierten Abschüssen bei Start und Landung, Bombenangriffen auf die Flugplätze, vor allem Verluste durch Ausfälle auf Übungsflügen. So verlor die JG7 im Dez44 nach Überweisung allein 4 Piloten mit Maschinen durch technische Defekte.

Gallands Darstellung von der frontreifen Maschine ("bis auf technische Probleme bei Start und Landung", Schubabrissen etc. - sic!) ist eine Legende.

Das betrifft eigentlich nicht die Düsenmaschinen. Diese funktionierten mit billigen und noch in größeren Mengen vorhandenen Kerosin und nicht mit dem teuren und knappen Flugbenzin den die Kolbenmaschinen verwendeten.

Es handelte sich für den Jumo004 um den Flugtreibstoff J2, "Flugdiesel", eine Mischung aus Diesel und Flugbenzin. "Kerosin" ist missverständlich. Der Jumo004 musste 1944 nicht aufwändig nach Anweisung auf die Dieselmischung umgestellt werden, anders zB der BMW003 oder die Daimler-Entwicklung. Das Deutsche Reich leistete sich hier parallele Entwicklungen, von denen sich der Jumo004 für die geplante Massenproduktion durchsetzte (unter einsatzkritischen Kompromissen beim Material der Triebwerkkomponenten).

Alles war knapp, auch dieser Treibstoff, aufgrund der bombardierten Hydrieranlangen. Im Sommer 1944 war auch das rumänische Öl verloren, für die Hydrierproduktion Flugbenzin und die Dieselproduktion siehe die dritte und vierte Anlage (USSBS E 113, Anlagen 18 und 20). Dies in Kombination mit der Logistik bedeutet: Messerschmitt hätte 1945 auch 2000 mehr produzieren können, von den Rohstoffproblemen mal abgesehen, aber: sie wären nicht geflogen, auch wenn man Piloten reingesetzt hätte.


Um die wertvollen Düsenmaschinen zu schützen, stieg vor Sonneaufgang eine Abteilung FW-190 Langnasen auf, um den startenden Me 262 die Alliierten Jäger nach Möglichkeit vom vom Leibe zu halten, jedoch nicht immer mit Erfolg.

So ist das speziell mit den "Langnasen" in den Nachkriegsdarstellungen von und über Galland, Nowotny, Steinhoff etc. verbreitet worden. Die Geschichte stammt vermutlich aus dem Schutz der ErprGr.262/ErprGr. Nowotny bzw. aus Gallands JV44, genannt auch "Staffel der Experten", die das Nachkriegsbild geprägt haben (wie auch Publikationen von Nowarra etc.)

Es gab eine ganze Reihe weiterer Verbände, insbesondere die umgestellten ursprünglichen Kampfgeschwader, bezeichnet "KG(J)", die auf Jäger Me262 umgestellt wurden. Platzschutz war ohnehin Illusion im breiteren Einsatz. In der Praxis traten häufig technische Defekte mit Verlusten auf, die ausgespähten Flughäfen wurden laufend bombardiert, Verlegungen und Übergaben an Piloten klappten aufgrund der weitgehend zerstörten Logistik nicht, auch wenn geschlossene bestehende KG-Gruppen auf Me262 umgeschult werden sollten.
 

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Der Me262-Bericht der Messerschmitt-Werke in den USSBS:
 

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weitergehend, USSBS, sowie ein Hinweis auf:

Pavelec, The development of turbojet aircraft in Germany, Britain, and the United States: a multi-national comparison of aeronautical engineering, 1935-1946
Dissertation Ohio 2004.
http://etd.ohiolink.edu/view.cgi?acc_num=osu1082396007
 

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Eine weitere Ergänzung:

Der Me262-Komplex ist insbesondere rüstungswirtschaftlich in der Frage der Triebwerke interessant, der als Engpassfaktor neben der Frage des Flugzellenbaus und der Endmontage bei Messerschmitt tritt. Oben ist dargestellt worden, dass die Herstellung und der Einsatz der Me262 unter folgenden Aspekten beeinträchtigt war:

- frontreife Entwicklung des Jumo004 als Triebwerk
- ständige "Änderungen" bei Junkers in der Motorenproduktion
- Verzögerungen der Motorenlieferungen, die zu Verzögerungen der Endmontage führten. Teilweise waren bei Messerschmitt Zellen fertig, denen die Motoren fehlten.

Um den Kontext hier aufzureißen: Junkers startete die Fertigung mit dem Jumo004A, der sich dadurch auszeichnete, dass er nicht "rohstoffkritisch" hergestellt wurde. Es wurden hier Rohstoffe wie Chrom und Nickel in großen Mengen benötigt, die in einer Großserie so nicht zur Verfügung standen.

Beginnend mit dem Jumo004B wurde unter Beachtung der Rohstoffengpässe produziert, kritische Rohstoffe wurden substituiert und durch andere Lösungen ersetzt (zB Aluminiumbeschichtungen).

Die Ersatzlösungen gestatteten zwar größere Herstellmengen (siehe Schaubild in Anlage, USSBS E6 - Junkers, Exhibit GG),
a) forcierten aber Mängel des Triebwerks, mit ständigen konstruktiven Wechseln während der Serienproduktion, und ständigen Produktionsverzögerungen
b) senkten die Lebensdauer eines Triebwerks auf 10-20 Stunden ab.

Bei der Me262 ist also die Serienproduktion der Jumo004 ohnehin stockend verlaufen, der laufende Einsatz (auch bereits ausgefertigter Flugzeuge) hing von verfügbaren Triebswerkslieferungen wegen der geringen Lebensdauer ab.

Neben diesen grundsätzlichen Schwierigkeiten zeigt die Grafik den Verlauf der Triebwerksproduktion von Mai bis September 1944: durch die Bombardierung der Motorenproduktion wurde der Serienanlauf in diesem Zeitraum (neben den anderen genannten Faktoren) entscheidend verzögert.
 

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Es handelte sich für den Jumo004 um den Flugtreibstoff J2, "Flugdiesel", eine Mischung aus Diesel und Flugbenzin. "Kerosin" ist missverständlich. Der Jumo004 musste 1944 nicht aufwändig nach Anweisung auf die Dieselmischung umgestellt werden, anders zB der BMW003 oder die Daimler-Entwicklung. Das Deutsche Reich leistete sich hier parallele Entwicklungen, von denen sich der Jumo004 für die geplante Massenproduktion durchsetzte (unter einsatzkritischen Kompromissen beim Material der Triebwerkkomponenten).

Alles war knapp, auch dieser Treibstoff, aufgrund der bombardierten Hydrieranlangen. Im Sommer 1944 war auch das rumänische Öl verloren, für die Hydrierproduktion Flugbenzin und die Dieselproduktion siehe die dritte und vierte Anlage (USSBS E 113, Anlagen 18 und 20). Dies in Kombination mit der Logistik bedeutet: Messerschmitt hätte 1945 auch 2000 mehr produzieren können, von den Rohstoffproblemen mal abgesehen, aber: sie wären nicht geflogen, auch wenn man Piloten reingesetzt hätte.

Wobei nicht nur die Quantität des Treibstoffes gesehen werden kann, als limitierender Faktor, sondern auch die Qualität. Der Hydierprozess ist nicht einfach, auch mit der Prozesstechnischen Ausrüstung der damaligen Zeit. Eines der Hauptprobleme war z.B. die starke Korrosion in den Hydrieranlangen. Bei der Hydrierung von Kohle fällt Wasser an. Und bei sehr hohen Temperaturen ist es wesentlich korrosiver als bei Raumtemperatur. Damit sind die Anlagen wohl auch sehr oft ausgefallen, dank Korrosionschäden. Und eine Anlage braucht eine gewisse Zeit bis sie stabil läuft und Qualitativ gutes Produkt liefert. Und da sehe ich das Problem, durch häufiges An und Abfahren der Anlagen werden sie Probleme mit der Qualität der Produkte bekommen haben, ganz abgesehen das durch starke Temperaturschwankungen in Reaktionsgefässen auch mechanische Spannungen entstehen. Des weiteren kann es an Stellen wo es nicht gewünscht ist zu Kondensation kommen, sowohl von Zwischenprodukten als auch Wasser.
Fischer-Tropsch-Synthese ? Wikipedia
Kohleverflüssigung ? Wikipedia
Mineralölsicherungsplan ? Wikipedia

Apvar
 
Das ist sicher ein wichtiger Punkt, zumal dauernd an- und runtergefahren werden müsste aufgrund der Warnungen vor Bombenangriffen.

Das betraf die Flugbenzinerzeugung etc. insgesamt, ist mE kein spezifisches Me262-Problem. Als die Stückzahlen höher wurden, war die Hydrierproduktion schon unter den Angriffen zusammengebrochen.
 
Klar, insgesamt betraf es die gesamten Hydrieranlagen. Und damit die gesamte Luftwaffe und auch den Rest vom Militär. Habe aber im Hinterkopf das die Turbinen oder Strahltriebwerke viel schlechter mit Treibstoffen mit schwankender Qualität klar kamen als Kolbenmotoren.

Apvar
 
Zuletzt bearbeitet:
Das weiß ich nicht.

Die Triebwerkprobleme sind mir eigentlich nur insoweit geläufig, als minderwertige Verarbeitung und Material Schubabrisse, Brände etc. verursacht haben und die Lebensdauer auf ein nicht akzeptables (frontreifes) Niveau von einem, zwei oder drei Dutzend Stunden verkürzt haben.

Kann durchaus sein, dass Qualitätsprobleme beim Treibstoff hinzukamen.
 
Aus der von silesia vorgestellten Dissertation geht ja auch hervor, dass Entscheidungsprozesse im "Führerstaat" doch ganz anders verliefen, als man sich dass in einer Diktatur vorstellt.

Milch und Galland hatten die Weisung, den Einsatz des Flugzeuges als Schnellbomber vorzubereiten, ignoriert.

Ich bitte, das nicht falsch zu verstehen: Wer sich als leitender Angestellter oder als Beamter so verhält, bekommt auch heute noch Ärger. Nein, die Entscheidungsrichtlinie habe ich nicht beachtet; sie erschien mir falsch.

Die Führungsspitze des Dritten Reiches scheint in den letzten drei Jahren des Krieges wohl kaum noch funktioniert zu haben. Ich meine hier nicht nur den bekannten Dualismus von OKW und Generalstab des Heeres.

In der Luftwaffe schien Göring "die Lust verloren zu haben". Darunter gab es verschiedene Machtzentren, die aber zum Teil unterschiedliche Interessen verfochten.

Nicht nur Hitler forderte noch bis in das Jahr 1944 hinein eine starke Bomberflotte; auch Teile der Luftwaffenführung wehrten sich dagegen, dass die Luftwaffe den Schwerpunkt in Produktion, Ausbildung und Einsatz auf die Reichsverteidigung legte.
 
Sehr interessantes Dokument, danke für das hereinstellen.

Im Grunde wird dort aber bestätigt das was wir weiter oben diskutiert haben:

-Dass zwar eine relativ geringe Nummer produziert wurde, (ca. 1400 Exemplare) diese jedoch den Alliierten viel Ärger hätten bereiten können wenn sie sinnvoll zum Einsatz gekommen wären.

-Dass die Maschinen die zum Einsatz kamen trotz aller Widrigkeiten recht gute Ergebnisse lieferten.

-Dass der Mangel an ausgebildeten Piloten eines der Hauptprobleme war, mit der kuriosen Erklärung dass die guten Flugeigenschaften erfahrene Piloten dazu verleiteten zu glauben, die Beherrschung dieser Maschine wäre einfach zu erlernen.

-Die politisch bedingten Verzögerungen (Vier Monate allein wegen der Bombergeschichte).


es wird sogar erwähnt dass..." the fact that the Me 262 was able to operate on low grade fuel made it particularly useful to the germans in the latter stage of the war..."

Was mich übrigens überraschte ist die Behauptung, dass zwar hunderte Maschinen auf die Flugplätze verteilt wurden, es aber keine Einsatzbefehle dafür gab. Mein Vater (aufgewachsen auf einem Fliegerhorst als sohn eines Luftwaffenunteroffiziers) hatte mal in einem Gespräch zum Thema erwähnt, dass die Düsenmaschinen dort getarnt und unbenutzt in der Landschaft herumstanden und eine nach der anderen, so bald die Amerikaner sie entdeckten, zerstört wurden. Ich hatte damals gemeint, es wäre wohl wegen Treibstoffmangel, er meinte jedoch diese Maschinen "durften" nicht aufsteigen.


In der englichsprachigen Wikipedia wird auch der Platzschutz durch Kolbenmaschinen erwähnt (....Allied fighters patrolled over the fields to attack jets trying to land. The Luftwaffe countered by installing extensive flak alleys of anti-aircraft guns along the approach lines to protect the Me 262s from the ground—and by providing top cover during the jets' takeoff and landing with the most advanced Luftwaffe single-engined fighters, the Focke-Wulf Fw 190D and (just becoming available in 1945) Focke-Wulf Ta 152H.[45]
...
so wie die Tatsache, dass die Hawker Tempest eine der größeren Gefahren für die Me darstellte und die dabei verfolgte Taktik (Rat Scramble) darin bestand, bei Meldung einer Me in der Luft, zu dessen Stützpunkt in Rheine-Hopsten zu fliegen und sie bei der Landung abzufangen. Nach den ersten Verlusten wurde dort jedoch die Flak so stark ausgebaut (Flak-Alley mit 150 (!) Falkvierlingen) dass nach sieben abgeschossenen Tempest diese Taktik verworfen wurde.

Die Me 262 ist zweifellos nicht komplett ausgereift gewesen. Wenn man jedoch die Anzahl der Abschüsse sieht die Piloten wie Schall, Bär, Eder, Dahl oder Baudach erzielten, zu einem Zeitpunkt bei dem angesichts der massiven gegnerischen zahlenmäßigen und technischen Überlegenheit nicht einmal die noch verbliebenen erfahrenen Piloten mit Kolbenmaschinen bei einem Angriff auf eskortierte Bomberpulks eine ernsthafte Überlebenschance hatten, dann muss man zu dem Schluss kommen, dass die Maschine nicht völlig unbrauchbar war.

Andere frühe Düsenjäger wie die Gloster Meteor hatten übrigens auch zahlreiche Kinderkrankheiten. Zum Teil ähnliche wie die 262 und noch andere dazu bedingt durch gerade Flügel und zu geringer Treibstoffkapazität und schwer zu regulierenden Verbrauch.

Die Meteor hatte ebenfalls in ihrer Dienstzeit eine sehr hohe Zahl an Unfällen zu vermerken bei denen viele Piloten umkamen. Da die Maschine anfangs keinen Schleudersitz hatte und das Aussteigen bei diesen Geschwindigkeiten sehr schwierig ist und die Maschine zudem noch hauptsächlich als Bodenangriffsflugzeug verwendet wurde, war die Überlebenschance im Problemfall sehr gering. Nach heutigen Kriterien hätte man diese Maschine auch nicht als Frontreif bezeichnet.

Die Gloster Meteor wurde vermutlich deshalb im 2 WK von den Briten sehr vorsichtig eingesetzt, es galt für sie der Verbot über Feindgebiet zu fliegen weil man befürchtete dass eine in deutsche Hände fallen könne. Der wichtigste Beitrag den diese Maschine lieferte war als "Feindflugzeug" auf die eigenen und amerikanischen Bomberpulks Scheinangriffe zu fliegen und so Abwehrtaktiken gegen deutsche Düsenjäger zu entwickeln.

Hier ist eine Artikel aus der Popular Mechanics von Februar 1945 in der über die Erkenntnisse solcher Übungen geschrieben wird (Seite 74 fall es auf einer anderen öffnet) auch wenn man nicht erläutert wie man dazu gekommen ist:

Popular Science - Google Books

(Völlig OT aber zum Thema Treibstoff: Eine Meteor ist abgestürzt weil man sie versehentlich mit Automobil-Benzin auftankte. Das war in Argentinien während der Bürgerkriegsähnlichen Kämpfe 1955.)
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Auszug aus der Messerschmitt-Studie diente eigentlich nur der Veranschaulichung(*). Einiges davon ist falsch, so die "politische Verzögerung" unter dem Stichwort "Schnellbomber. Das ist mE auch eine "Galland-Legende".

Deshalb hatte ich die Hinweise auf die Motoren gegeben.

"Flak alley" stammt eigentlich von den Bomberbesatzungen, und hatte dort auch einen Hintergrund. Ansonsten geistert das als "Flakfallen" durchs Netz und wird auch wohl in populärer Literatur behauptet. Nachweise über beteiligte Luftwaffen-Flakabteilungen ("Vierlinge" in Massierung) fehlen. Gebündelte Tempest-Verluste abseits von normalen Flakverlusten über dem gesamten Reichsgebiet fehlen ebenfalls (FC-Losses, III, 1945).

Später mehr.

(*) ... und ist für Folgerungen quellenkritisch zu betrachten, da es sich hier um die Aussage und Wahrnehmung der Führung im Messerschmitt-Werk handelt. Ebenso muss man bei Aussagen der Kommission deren Grenzen kennen, bzw. deren Informationen.
 
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Im Wiki-Artikel wird der Begriff "flak-lane" benutzt, "Alley" ist ein transcriptionsfehler meinerseits.
 
Im Wiki-Artikel wird der Begriff "flak-lane" benutzt, "Alley" ist ein transcriptionsfehler meinerseits.
Danke!

Der Hintergrund ist aber durchaus, dass von solchen massiven Konzentrationen immer wieder die Rede ist, sich allerdings nichts über solche "Fallen" nachweisen lässt.
 
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