Nachschub und Produktion im 2.WK

Alex74

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Hallo,

mich beschäftigt seit einiger Zeit eine Überlegung zum Verhältnis des rekrutierbaren "Menschenmaterials" im zweiten Weltkrieg, vor allem im Vergleich Deutsches Reich - Sowjetunion, aber auch das gleiche betreffend der Produktion.

Die allgemeine Lage wird nach dem Winter 1941 meistens so beschrieben, daß die Zeit für die Sowjetunion spielte, sowohl was die Produktion angeht (durch den Aufbau der grenzfernen Industrie), als auch durch die "viel größere Bevölkerungszahl", die mehr rekrutierbare Soldaten zu Folge habe.

Wenn ich mir die Zahlen ansehe, die für diesen Zeitraum existieren, dann scheint das so einfach nicht zu sein.

Beispiel Bevölkerungsresourcen;

Die Sowjetunion hatte 1939 rund 190 Millionen Einwohner.
Das Deutsche Reich zur gleichen Zeit knapp 80 Millionen.
Die mit an der Ostfront kämpfenden Staaten Ungarn, Rumänien, Finnland und Slowakei dürften zusammen relativ geschätzt nochmal rund 40 Millionen Einwohner gehabt haben.
Italien lasse ich mal großzügig weg.
Die Bevölkerungsresourcen stehen also insgesamt etwa 1,2 zu 1,9.

Aber:
Ende 1941 waren große Teile des eher dichtbesiedelten Westens der Sowjetunion besetzt. Rechne ich die betroffenen Teilstaaten ab (Ukraine, Weißrußland, Balten, Moldau), dann fallen hier rund 57 Millionen Einwohner auf Sowjetischer Seite weg. Bleiben 133 Millionen Einwohner.

Und von diesen muß man noch abziehen, daß bis Ende 1941 die Rote Armee rund 6 Millionen Mann verlor (gegenüber 1 Millionen auf Seite der Nazis). Zieht man diese "nur" von der Bevölkerung ab (obschon es sich dabei um bereits rekrutierte Soldaten handelt) kommt man im Gesamtvergleich auf 119 Millionen Einwohner der Achse gegen 127 Millionen der Sowjetunion.

Angesichts dieser zwar recht nackten aber doch deutlichen Zahlen frage ich mich, ob die Sowejtunion wirklich derart aus den vollen schöpfen konnte - verglichen mit den Achsenmächten.

Zwar band der Westen zwar ständig Truppen, allerdings gingen hier auch bis 1944 keine verloren, betrifft das nachwachsende Potential also nicht; mit Ausnahme des Afrikakorps, für das ich Italien in der Rechnung einfach mal komplett weggelassen habe.

Ferner darf man nicht vergessen, daß Kriegsgefangene und die Industrien der besetzten Länder für das Reich arbeiteten und damit Bevölkerung im Reich selbst frei machten.

Im Detail ist das daher sicher etwas vage, aber die Größenordnung dürfte stimmen - und da gibt es jedenfalls keinen großen Unterschied.

Ähnlich frage ich mich das bei den Produktionsmitteln.
In der Schule habe ich damals gelernt, daß Rußland weitgehend ein Agrarland war, die Industrielle Revolution kam nur schleppend und örtlich begrenzt in die Gänge - meist im Westen.
Ich kann mir kaum vorstellen wie dieser Kraftakt hat gelingen können, nun auch noch mitten in der Pampa sozusagen die gesamte Kriegsindustrie hochzufahren und sie innerhalb äußerst kurzer Zeit große Mengen Güter auszuspucken - wo kam die Infrastruktur so plötzlich her?

Weiterhin gilt ja auch hier: Alleine das Reich industrietechnisch zu nennen wäre ja zu einfach, die französischen und holländischen Flugzeugwerke bauten ja auch für die deutsche Kriegsmaschinerie, sicher auch viele andere rüstungsrelevante Industrien - also bereits vorhandene Industrien. Plus das, was die slawischen Verbündeten produzierten (was Großteils ebenfalls deutsche Fabrikate waren).

Ich weiß zwar daß die deutsche Rüstungsindustrie durch viel Handarbeit relativ zu den Westalliierten sehr ineffektiv war - aber es würde mich doch überraschen wenn die Sowjetunion hier ebenfalls effektiver gearbeitet hätten.

Da meine Rechnungen und Überlegungen im Widerspruch zu dem stehen was man anhand des Kriegsverlaufs ja sehen kann, muß ich irgendwo Denkfehler drin haben, evtl. auch falsche Informationen.

Wer mir den Widerspruch auflösen und mir erklären kann wie die Resourcenverhältnisse (und warum) wirklich waren, kriegt ein herzliches Dankeschön :)

Gruß Alex
 
Nur kurz eine Anmerkung hierzu:

Ähnlich frage ich mich das bei den Produktionsmitteln.
In der Schule habe ich damals gelernt, daß Rußland weitgehend ein Agrarland war, die Industrielle Revolution kam nur schleppend und örtlich begrenzt in die Gänge - meist im Westen.
Ich kann mir kaum vorstellen wie dieser Kraftakt hat gelingen können, nun auch noch mitten in der Pampa sozusagen die gesamte Kriegsindustrie hochzufahren und sie innerhalb äußerst kurzer Zeit große Mengen Güter auszuspucken - wo kam die Infrastruktur so plötzlich her?

Große Teile der Schwerindustrie konnten demontiert und im östlichen Teil der SU wieder aufgebaut werden, bevor sie in die Hände der Wehrmacht fielen. Daneben wurde die Sowjetunion relativ schnell massiv von den USA und Großbritannien unterstützt.

Vgl.: Deutsch-Sowjetischer Krieg ? Wikipedia
 
Das weiß ich soweit, macht es aber nur komplizierter.
Denn einerseits kann man große Industrianlagen nicht einfach in den Sumpf setzen - eine halbwegs vernünftige Infrastruktur muß definitiv vorhanden sein; Wasserwerke, Kraftwerke, Straßen oder Schienen die dauerhaften Schwerlasttransport erlauben, etc.
Vielleicht ist es ein Vorurteil aber ich meine da hinten beim Ural kann vorher nicht wirklich viel an Grundlage da gewesen sein.

Dann braucht ein so gewaltiges Vorhaben sicher wiederum extrem viele Arbeiter - die sich zwanglos von jenen abkoppeln die man eigentlich für die Front braucht...

PS.: wenn man noch mit einberechnet, daß die Rote Armee in fast jeder Schlacht weitaus höhere Verluste hatte als die Wehrmacht - selbst in jenen die für sie als Sieg zählen - dann frage ich mich umso mehr wo diese großen Reserven eigentlich her kamen. (z.B.: Zitadelle: 50.000 deutsche Gefallene, 170.000 russische; Stalingrad: 250.000 deutsche Gefallene, 1.100.000 russische...) Zumal ich mir nicht sicher bin ob in jedem noch so verlassenen Winkel der Sowjetunion die Leute haben rekrutiert werden können; jedenfalls galt noch im Zarenreich "Rußland ist groß, der Zar ist weit..."
 
Zuletzt bearbeitet:
Erst mal nur ein paar Punkte (habe leider nicht die Zeit, darauf ausführlich zu antworten):

- die Verluste der Roten Armee an der Ostfront setzt man seit Ende der 90er Jahre deutlich geringer an. Bis Ende 1941 hat die rote Armee laut Wiki 4,4 Millionen Soldaten verloren, davon 3,1 Mio. Totalverluste.

- bis auf die Finnen entfalteten die Verbündeten an der Ostfront nicht ihr ganzes Militärpotential. An der finnischen Front führte das tatsächlich auch zu einer numerischen Überlegenheit gegenüber der Roten Armee, die allerdings wegen des schwierigen Geländes und der politisch vorsichtigen Haltung der Finnen nicht ausgespielt wurde.
Die Rumänen und Ungarn unterstützten die Deutschen 1942 in einem ihre Kräfte übersteigenden Ausmaß, mit jeweils 200 000 Mann auf dem Höhepunkt. Doch sie beließen bedeutende Truppen in ihren Kernländern, auch wegen dem beiderseitigen Konflikt um Siebenbürgen.
Der Anteil der Slowaken und Kroaten war weniger bedeutend.

- das industrielle Potential der UdSSR ist nicht zu unterschätzen. Sie rüstete früher in größerem Umfang auf, und vor allem bestand ein größeres Reservoir an natürlichen Rohstoffen. Die Kriegsbereitschaft Deutschlands erkauften sich die Nationalsozialisten - siehe Götz Aly, Hitlers Volksstaat - durch eine Stützung des Wohlstandsniveaus im Heimatland. Im Gegensatz dazu kämpfte die UdSSR früher "total"; so war der Einsatz von Frauen in der Kriegsindustrie und sogar kämpfenden Einheiten von Beginn an selbstverständlich.

- Ein großer Denkfehler an deiner Rechnung ist, dass die UdSSR ja auch nicht völlig alleinstand. An konkreter Unterstützung durch Truppen wäre an das nicht unbedeutende Kontingent exilpolnischer Soldaten zu denken.
Indirekt war die Unterstützung noch stärker durch die gewaltige Lend & Lease-Unterstützung durch Amerikaner und Briten besonders in den Jahren 1942

- Und schließlich, nicht zu vergessen, die innere Linie. Die Wehrmacht bemühte sich zwar erfolgreich, einen Großteil des Heeres an der Ostfront einzusetzen. Trotzdem gelang es nie, die Truppen dort völlig zu konzentrieren - zum einen musste die europäischen Küsten besetzt werden, zum anderen waren immer wieder Verbände in Deutschland und Frankreich aufzufrischen, drittens gab es natürlich die deutsch-britischen Fronten.
Die Marine konnte nie konzentriert gegen die Sowjetunion eingesetzt werden. Bei der Luftwaffe gelang dies nur in den Anfangsmonaten, und ab 1942 mussten beständig Einheiten in den Westen verlegt werden, in den Mittelmeerraum, nach Frankreich oder zur Reichsverteidigung.
 
Ähnlich frage ich mich das bei den Produktionsmitteln.
In der Schule habe ich damals gelernt, daß Rußland weitgehend ein Agrarland war, die Industrielle Revolution kam nur schleppend und örtlich begrenzt in die Gänge - meist im Westen.
Ich kann mir kaum vorstellen wie dieser Kraftakt hat gelingen können, nun auch noch mitten in der Pampa sozusagen die gesamte Kriegsindustrie hochzufahren und sie innerhalb äußerst kurzer Zeit große Mengen Güter auszuspucken - wo kam die Infrastruktur so plötzlich her?
Gruß Alex

Nun, sicherlich kann man beweisen, dass Rußland lange ein Agrarland war, lange sogar noch die Leibeigenschaft herrschte; Hitler griff aber nicht Rußland an, sondern die UdSSR.
Dass der Kraftakt gelang, hat die Geschichte bewiesen, T-34 wachsen weder an Bäumen, noch werden sie durch fleißiges Gießen größer. Deine vorgegebene Vorstellung entbehrt also jeder Grundlage. Stellt sich mir die Frage, was willst du (eigentlich) sagen?

Grüße
excideuil
 
- die Verluste der Roten Armee an der Ostfront setzt man seit Ende der 90er Jahre deutlich geringer an. Bis Ende 1941 hat die rote Armee laut Wiki 4,4 Millionen Soldaten verloren, davon 3,1 Mio. Totalverluste.
Die Zahl 6 Millionen habe ich aus Wikipedia; Deutsch-Sowjetischer Krieg ? Wikipedia

- bis auf die Finnen entfalteten die Verbündeten an der Ostfront nicht ihr ganzes Militärpotential.
OK, das hab ich mir fast gedacht.

exilpolnischer Soldaten
...habe ich meistens zusammen mit den Briten im Kopf; gab es bedeutende Exilpolnische Verbände unter dem Schirm der Roten Armee, obgleich diese Polen mit angegriffen hatte?

Indirekt war die Unterstützung noch stärker durch die gewaltige Lend & Lease-Unterstützung durch Amerikaner und Briten besonders in den Jahren 1942
Stimmt auch wieder, ich habe vor einiger Zeit eine Zahl gesehen, erinnere mich gerade nicht mehr an die Größe aber ein beträchtlicher Teil einiger Waffengattungen in der RA kam zu der Zeit komplett aus dem Westen.

Dass der Kraftakt gelang, hat die Geschichte bewiesen, (...) Deine vorgegebene Vorstellung entbehrt also jeder Grundlage.
Äh, Du hast mich irgendwie nicht verstanden. Ich sagte ja gerade daß die Zahlen mit denen ich gerechnet habe und die Realität sich nicht vertragen und ich wissen wollte wieso.

Stellt sich mir die Frage, was willst du (eigentlich) sagen?
Hm, vielleicht solltest Du meinen Beitrag nochmal lesen: ich sage nichts sondern habe eine Frage gestellt, in der Hoffnung hinterher ein wenig schlauer zu sein.

Gruß Alex
 
einerseits kann man große Industrianlagen nicht einfach in den Sumpf setzen - eine halbwegs vernünftige Infrastruktur muß definitiv vorhanden sein; Wasserwerke, Kraftwerke, Straßen oder Schienen die dauerhaften Schwerlasttransport erlauben, etc.
Vielleicht ist es ein Vorurteil aber ich meine da hinten beim Ural kann vorher nicht wirklich viel an Grundlage da gewesen sein.

Das ist wohl tatsächlich ein Vorurteil. Zwar war der Osten weniger erschlossen, aber mit dem Bau der Transsib, dem GOELRO-Plan Lenins und dem schon vor Kriegsbeginn von Stalin recht brutal betriebenen Ausbau der Schwerindustrie handelt es sich bestimmt nicht mehr um den "Sumpf" als den Du Dir die Gegend wohl vorstellst.

Beispiele:

Omsk wuchs wohl durch die Verlegung wichtiger Industriebetriebe binnen weniger Jahre um das Dreifache,

nach Nowosibirsk wurden "mehr als 50 industrielle Fertigungsanlagen" verlagert, aus der Stadt wurde so ein "Rüstungszentrum der Roten Armee",

auch nach Tomsk wurden an die "30 Betriebe aus dem europäischen Teil Russlands" verlegt.

Omsk ? Wikipedia
Nowosibirsk ? Wikipedia
Tomsk ? Wikipedia


Dann braucht ein so gewaltiges Vorhaben sicher wiederum extrem viele Arbeiter - die sich zwanglos von jenen abkoppeln die man eigentlich für die Front braucht...

Ja, aber mit einer Front ohne Rüstungsindustrie im Rücken lässt sich auch kein Krieg gewinnen. Übrigens wurden auch in Deutschland Industrieanlagen verlegt - wenn auch nicht in dem Maße. Ich glaube auch nicht, dass Ab- und Aufbau von Schwerindustrie so viel Arbeitskraft in Beschlag genommen hat, dass sich das negativ auf die Rekrutierungszahlen ausgewirkt hat. Denn schließlich war gerade zu Beginn des Krieges die Reserve an noch nicht eingezogenen am höchsten.

Zumal ich mir nicht sicher bin ob in jedem noch so verlassenen Winkel der Sowjetunion die Leute haben rekrutiert werden können; jedenfalls galt noch im Zarenreich "Rußland ist groß, der Zar ist weit..."

Zu Anfang des Krieges gab es wohl tatsächlich große Probleme, die Verteidigungsbereitschaft zu wecken. Als Reaktion wurde einerseits die propagandistische Strategie geändert: Weg von der klassenkämpflerischen Argumentation, hin zur nationalistischen ("Großer Vaterländischer Krieg"). Andererseits wurden drakonische Maßnahmen getroffen, um die Truppe bei der Stange zu halten (siehe z. B. "Befehl Nr. 227").

Zu fragen wäre auch, wie die Praxis in Deutschland aussah. Ohne auf Anhieb Quellen nennen zu können: Hitler hat (gerade auch vor den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges) peinlich genau darauf geachtet, die Belastung der Heimatfront nicht zu groß werden zu lassen (Götz Aly hat m. W. in der Richtung geforscht).
 
Vielen Dank für die Antworten bisher; so langsam ergibt sich ein Bild. Wie ich mir schon dachte sind nackige Zahlen eben nicht alles. :detektiv:
 
Nachfolgend ein paar Probleme, mit denen auf deutscher Seite zu kämpfen war.

Ein wesentlicher Aspekt bei der Planung und Durchführbeikeit ist die unerhörte Überheblichkeit und Unterschätzung der Roten Armee seitens der Wehrmacht aber auch Hitlers. Gleichfall hatte man wohl die ungeheuren logistischen Aufgaben falsch kalkuliert, da man ja bekanntermaßen davon ausging, die Sowjetunion quais in einer einzigen Feldzugssaion zu besiegen.

Schon Ende Juli 41 überschritten die deutschen Verluste die des ganzen Frankreichfeldzuges. Das hatte niemand erwartet gehabt! 10 Prozent der deutschen Divisionen hatten ein Viertel ihrer personellen Stärke verloren bei weiteren 28 Prozent lag die Quote bei 20 Prozent Abgänge. Ende August sah das Bild noch schlimmer aus. Bei den überaus wichtigen schnellen Truppen, die Wehrmacht besaß hiervon nicht so furchtbar viele, waren Verlust in Höhe von 50 Prozent zubeklagen. Bei den Infanteriedivisionen betrugen die Abgänge bis zu 60 Prozent. Die Vorausberechnungen des Generalstabes war komplett falsch. Diese Berechungen lagen die fehlhaften Informationen vom Heeresgeheimdient Fremde Heere Ost, der seine Zahlen immer wieder nach oben korrigieren musste. Jedenfalls waren diese vollausgebildeten und auch teilweise schon erfahrenen Soldaten und Offizieren nicht so ohne weiteres zu ersetzten.


Deshalb liefen auch noch im Oktober 41 die Einberufungen von Arbeitern der Rüstungsindustrie munter weiter, obwohl Hitler den Schwerpunkt der Rüstung auf Luftwaffe und Marine gelegt sehen wollte.

Jedenfalls fanden auf diesem Wege so ca. 250.000 Mann den Weg an die Ostfront. Ehe man die drei Millionen sowjetischen Kiegsgefangenen für die deutsche Rüstung "nutzbar" machte, musste Hitler überzeugt werden. Des Weiteren sind unendlich viele von ihnen schlicht verhungert und die verbliebenen mussten ersteinmal aufgepeppelt werden und anschließend ausgebldet werden, bevor sie die Abgänge ersetzten konnten. Das war ganz gewiss kein nahtloser Übergang. In der Zwischenzeit ging das Sterben an der Ostfront nämlich weiter, denn die Rote Armee setzte vor Moskau ja bekanntmaßen zur Gegenoffensive an, die zwar letzten Endes gestoppt werden konnt, aber zu welch personellen und materiellen Preis.

Des Weiteren konnte die Wehrmacht ja nicht die weit gesteckten Ziele erreichen und somit auch nicht die fest eingeplannten Rohstoffe, beispielsweise Öl, der deutschen Rüstungsindustrie verfügbar machen. Das bedeutete in der Konsequenz, das die angedachten Rüstungsvorhaben nicht in den geplanten Rahmen erfüllbar waren. So war die gewollte numerische Überlgenheit der Luftstreikräfte gegnüber der Roten Flotte nicht realisierbar und das hatte entsprechende Folgen. Aber was hätte ein entsprechender monatlischer Ausstoß an Maschinen gebracht, wenn nicht in ausreichenden Umfange Sprit und Personal da ist. Im Verlauf des KRieges hat so die Ausbildung der Piloten beträchtlich gelitten.

Es mangelte dem Dritten Reich an allen Ecken und Kanten!

Die Westmächte hatten hingegen Stalin zugesagt, bis 30.06.42 monatlich 400 Flugzeuge und 500 Panzer zu liefern.
 
Ein wesentlicher Aspekt bei der Planung und Durchführbeikeit ist die unerhörte Überheblichkeit und Unterschätzung der Roten Armee seitens der Wehrmacht aber auch Hitlers. Gleichfall hatte man wohl die ungeheuren logistischen Aufgaben falsch kalkuliert, da man ja bekanntermaßen davon ausging, die Sowjetunion quasi in einer einzigen Feldzugssaion zu besiegen.
Ich habe mich mal versucht in das Bild, das von den Russen damals herrschte, hineinzuversetzen; ich glaube letztlich gab es sogar Gründe dafür, die RA komplett zu unterschätzen.
Angefangen damit, daß Rußland in einem Zweifrontenkampf im ersten Weltkrieg besiegt werden konnte,
Weiter damit daß Rußland im Krieg gegen Polen 1921 am Rand einer Niederlage stand und bis zuletzt nicht in der Lage war das kleine Polen zu besiegen,
Auch der Krieg gegen Finnland war, obgleich von den Sowjets gewonnen, kein Ruhmesblatt für die Rote Armee.
Ferner hatte man durch die geheimen russisch-deutschen Manöver und Tests einige Erfahrungen mit der Ausbildung und dem technischen Stand der Roten Armee erlangt, vor allem luftwaffentechnisch. Und da waren einerseits die komplett unterlegenen russischen Jäger (Polikarpov u.ä.), und äußerst schlecht ausgebildete russische Piloten nach Berlin zu berichten.
Falls man von den umfangreichen stlinistischen Säuberungen und Massenmorden in Berlin wußte, könnte dies ein weiterer Grund dafür gewesen sein, die Rote Armee (und ggf. den Staat selbst) als geschwächt zu unterschätzen.
Daß nun ein Staat also, der halb Europa besetzt hatte, gegen einen Staat verlieren könnte der zuvor Probleme gegen das kleine Finnland hatte, diese Überlegung war da einfach nicht drin - und den Angriff gab die Ideologie vor, so oder so.
Aus der heutigen Sicht ist es dagegen relativ einfach zu sagen daß die Sowjetunion halt zu stark war.

Die Vorausberechnungen des Generalstabes war komplett falsch.
Das heißt insgesamt also, daß man sogar mit einer weitaus optimistischeren Verlustquote als 1:4 (oder nach Wikipedia 1:6) rechnete? Komplett abgehoben.

Jedenfalls waren diese vollausgebildeten und auch teilweise schon erfahrenen Soldaten und Offizieren nicht so ohne weiteres zu ersetzten.
Das muß ja aber auch für die Rote Armee gegolten haben, von denen viele der 4-6 Millionen verlorenen Soldaten bis Ende 1941 sicher auch erfahrene Finnland- oder Polen-Veteranen (ggf. eben ältere Offiziere) waren.

die Rote Armee setzte vor Moskau ja bekanntmaßen zur Gegenoffensive an, die zwar letzten Endes gestoppt werden konnt, aber zu welch personellen und materiellen Preis.
Immernoch ein weitaus geringerer, als die Rote Armee bezahlen mußte (knapp 400.000 gegenüber mehr als 1 Million lt. Wikipedia).

Mein Fazit bislang:
Die genannten Faktoren (slawische Verbündete nur begrenzt mobilisiert, Schonung der Heimatfront, höhere absolute Verluste als geplant, etc.) haben sicher zusammen gewirkt um das Kräfteverhältnis derart zugunsten der RA zu beeinflussen, daß selbst Verluste in den Kämpfen von 1:4 nicht kompensiert werden konnten.

Gruß Alex
 
Ein Hinweis am Rande: wenn Du einmal in diesem etwas unübersichtlichen Thema wühlst, finden sich da zahlreiche Daten und Angaben zur rüstungswirtschaftlichen Literatur:

http://www.geschichtsforum.de/f68/lend-lease-die-us-lieferungen-die-sowjetunion-1941-45-a-33799/

Der Mobilisierungsgrad der Sowjetunion bzgl. Roter Armee in Konkurrenz zu Landwirtschaft, Industrie und Logistik ist wesentlich höher gewesen als im deutschen Machtbereich, insbesondere im Deutschen Reich. Darauf haben Ashigaru, floxx und Turgot völlig zu Recht hingewiesen. Derartige Mobilisierungen sind im Deutschen Reich erst 1943/44 in Ausgleich auch der eingetretenen personellen Verluste vorgenommen worden, und selbst zu diesem Zeitpunkt nicht im gleichen Umfang.

Die personelle Lage besserte sich außerdem für die SU im Zuge der Gebietsgewinne 1943/44. Sofortige Aushebungen in zurück eroberten Gebieten sind u.a. auch in etlichen Wehrmachtsanalysen dokumentiert.

Deine Rechnung stellte in etwa auch die deutsche Aufklärung 1942/43 an: "Fremde Heere Ost". Man versuchte auszurechnen, wann die Reserven denn erschöpft sein würden, wobei man den Mobilisierungsgrad ebenfalls unterschätzte.
 
Zuletzt bearbeitet:
OK, danke :)

Ich glaube damit ist meine Eingangsfrage mittlerweile hinreichend beantwortet. Danke nochmal an alle :)
 
Nun, ich bin kein Geschichtsstudent oder Hobbyhistoriker; da muß es erstmal genügen sich Sekundärquellen anzuschauen und sich die Zusammenhänge von jenen erklären zu lassen, die aus ihrem Engagement heraus einfach mehr wissen.
Daher haben mir die Antworten in diesem Thread erstmal genügt; sie sind ja auch in sich konsistent und erklären das Problem hinreichend gut.

Zu Büchern als Quellen werde ich demnächst ohnehin noch eine Frage stellen. Ich wills ja für den Anfang nicht übertreiben. :red:
 
Ein Punkt wurde hier noch gar nicht angesprochen: Die Sicherung des Hinterlandes!

Die rote Armee musste keine Truppen zur sicherung ihres Hinterlandes als Besatzungstruppen einsetzen. Die Deutschen hingegen benötigten sehr viele Truppen zur sicherung des Hinterlandes, vor allem weil Sowjetische Spezialeinheiten immer wieder Sabotageakte durchführten. In der Spitze (Jul '42) waren 12 deutsche Sicherungsdivisionen und drei unabhängige Sicherungsbrigaden mit der Sicherung des Rückwärtigen Gebiets beauftragt. Dazu kamen noch einige Einheiten der Verbündeten. Auch wenn diese 12 Sicherungsdivisionen eher Zweit- wenn nicht sogar Drittklassiges Personal hatten, so wären sie doch eine Entlastung für die Front gewesen.
 
Nicht unerwähnt soll auch das Verhältnis UdSSR - Japan bleiben. Die UdSSR hatte an seiner Ostgrenze die Militärgroßmacht Japan, mit welchem man sowohl 1938 als auch 1939 Gefechte ausgetragen hatte. Die sowjetische Lage war also ähnlich der des Deutschen Reiches. Man musste sich sowohl nach Westen als auch nach Osten absichern. Am 13.04.1941 unterzeichneten die beiden Länder (UdSSR und Japan) einen Nichtangriffspakt. Aber aus den Erfahrungen der damaligen Zeit konnte man auf solch einen Vertrag wenig vertrauen. Deshalb hatte die UdSSR an ihrer Ostgrenze starke Streitkräfte stationiert. Erst durch die Spionage-Ergebnisse von Richard Sorge in Japan konnte die UdSSR sicher sein, dass die Japaner nicht den Osten der UdSSR angreifen würden. Dies führte dann dazu, dass die UdSSR von dort Truppen an die Westfront verlegen konnte.

Japanisch-Sowjetischer Grenzkonflikt ? Wikipedia

Richard Sorge ? Wikipedia
 
Daß dadurch über eine halbe Millionen Mann noch in die Moskau-Schlacht eingreifen konnten weiß ich. Letztlich auf deutscher Seite auch nicht zu vergessen: der Partisanenkrieg vor allem in Jugoslawien.
 
Deshalb hatte die UdSSR an ihrer Ostgrenze starke Streitkräfte stationiert. Erst durch die Spionage-Ergebnisse von Richard Sorge in Japan konnte die UdSSR sicher sein, dass die Japaner nicht den Osten der UdSSR angreifen würden. Dies führte dann dazu, dass die UdSSR von dort Truppen an die Westfront verlegen konnte.

Höchstwahrscheinlich ist das einer der Mythen des Ostkrieges, siehe die Bemerkungen zu den wenigen Kräfteverlegungen bei Reinhardt, Die Wende vor Moskau.

Zum einen begannen die Verlegungen aus Fernost bzw. Transbaikal bereits vor dem 22.6.1941 (zB Teile der 16. Armee), weitere Teile folgten Juni-August (i. W. Formierung der 22. und 24. Armee). Teile wurden nicht vor Moskau, sondern im Bereich Leningrad-Wolchow eingesetzt. Es verbleiben knapp ein halbes Dutzend Divisionen, die den Weg vor die Front der deutschen Heeresgruppe Mitte Nov./Dez.1941 fanden.

Der Mythos kam der deutschen Nachkriegs-Bewältigung zupass, weil
a) man die Niederlage in Zusammenhang mit einer Verschwörung ("Sorge") sehen konnte
b) das Stoppen der Wehrmachtswalze auf den überraschend auftauchenden überlegenen ("sibirischen"/asiatischen) Gegner schieben konnte.

Man kann das divisionsweise für die Fernosttruppen recherchieren, siehe hier: Poirier/Conner: The Red Army Order of Battle in the Great Patriotic War.
 
alex74 schrieb:
Das heißt insgesamt also, daß man sogar mit einer weitaus optimistischeren Verlustquote als 1:4 (oder nach Wikipedia 1:6) rechnete? Komplett abgehoben.


alex74 schrieb:
Das muß ja aber auch für die Rote Armee gegolten haben, von denen viele der 4-6 Millionen verlorenen Soldaten bis Ende 1941 sicher auch erfahrene Finnland- oder Polen-Veteranen (ggf. eben ältere Offiziere) waren.

Auf jeden Fall ging man von deutlich geringeren Verlusten auf deutscher Seite aus! Man war noch ganz im Rausch des Sieges gegen Frankreich, der ja auch verhältnismäßig geringe Verluste auf Seiten der Wehrmacht verursacht hatte.

Noch vor Beginn des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion, im Mai 1941, hat Fremde Heere Ost seine Angaben hinsichtlich der sowjetischen Stärke von 147 auf 192 Großverbände korrigiert. Die Truppen im Fernen Osten bliebn hier aber unberücksichtigt. Auch ging Fremde Heere Ost davon aus, das anders als bei den Krieg gegen Napoelon, die Rote Armee nicht in der Lage sein wird, sich ins Hinterland zurückzuziehen. Man ging deutscherseits davon aus, das man die Masse der Roten Armee in der Nähe der Grenze vernichten könne.

Tasächlich aber verfügt die Rote Armee im Juni 41 bereits über 5.005.000 Soldaten . Des weiteren ca. 20.000 bis 24.000 Panzer zur Verfügung; die Planer des Feldzuges sind von ca. 10.000 ausgegangen. Die Wehrmacht ist mit ganzen 3.500 Panzern angetreten. Solhe gewaltigen Fehleinschätzungen haben natürlich die Erfolgsaussichten minimiert. (1)

Am 11.August 41 notierte der Generalstabschef Halder, gründlich deillusioniert, in seinem Tagebuch:

[...] "daß der koloß Rusßland, der sich bewußt auf den Krieg vorbereitet hat, mit der ganzen Hemmungslosigkeit, die totalitären Staaten eigen ist, von uns unterschätzt worden ist. Diese Feststellung bezieht sich ebenso auf die organisatorischen wie auf die wirtschaftlichen Kräfte, auf das Verkehrswesen, vor allem aber auf die rein militärische Leistungsfähigkeit. Wir haben bei Kriegsbeginn mit etwas 200 feindlichen Divisionen gerechnet. Jetzt zäheln wir bereits 360 Divisionen. Diese Divisionen sind sicherlich nicht in unserem Sinne bewaffnet und ausgerüstet, sie sind taktisch vielfach ungeügend geführt. Aber sie sind da. Und wenn ein Dutzen zerschlagen wird, dann stellt der Russe ein neues Dutzend hin. Die Zeit dazu gewinnt er dadurch, daß er nah an seinen Kraftquellen sitzt, wir immer weiter von ihnen abrücken." (2)

Zu Beginn des Jahres 1942 betrug das Kräfteverhältnis an der über 3000, Kilometer langen Ostfront 135 deutschen Divisionen standen auf sowjetischer Seite 328 gegenüber. Am 01.Mai hatte das Ostheer über 625.000 Fehlstellen zu beklagen. Gleichzeitig jammerte die Kriegswirtschaft, das ihr über 1,4 Millionen Arbeiter fehlen würden. Seit Feldzugsbeginn hatte man über 4.000 Panzer und Sturmgeschütze verloren, demm nur 873 Zugänge gegenüberstanden. (2)

(1) Megargee, Hitler und die Generale
(2) Hartmann, Halder
(3) Reinhardt, Wende vor Moskau
 
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[...]
Angefangen damit, daß Rußland in einem Zweifrontenkampf im ersten Weltkrieg besiegt werden konnte,
[...]

OT: Wie kommst Du den darauf?
Doch mehr hat sich das zaristische Russland selbst besiegt, denn durch den inneren Zerfall hatten die Russen bald andere Probleme, als den Krieg an der Ostfront seit 1914.

An der Ostfront herrschte sicherlich auch nur ein Hin und Her der Frontlinie. Diverse Schlachten wurden geschlagen und von der zaristischen Armee auch verloren, doch brach die Ostfront nicht wegen der deutschen Armee zusammen. Im Gegenteil, die zaristische Armee war eigendlich noch vom japanisch-russischen Krieg von vor 10 Jahren geschwächt. Ziemlich lau für die deutsche Armee keine klare Entscheidung an der damaligen Ostfront zu eringen.

Hier eine Übersicht:

Ostfront (Erster Weltkrieg) ? Wikipedia
 
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