Penicillin - Verfügbarkeit während des zweiten Weltkriegs

Zechi

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Hallo,

ich habe im Urlaub das Buch HHhH (Himmlers Hirn heißt Heydrich) von Laurent Binet gelesen. Es handelt sich zwar um ein Buch, welches "unterhalten" soll, erweckt aber den Eindruck gut recherchiert zu sein was die historischen Fakten angeht.

Hintergrund des Buchs sind die Hintergründe und Ereignisse rund um das Attentat auf Heydrich in Prag 1942.

Der Autor des Buch behauptet, dass Penicillin im Deutschen Reich bzw. Herrschaftsbereich der Achsenmächte nicht verfügbar gewesen sei. Mit Penicilin hätte Heydrich die Verwundung bei dem Attentat "vermutlich" überlebt, so spekuliert zumindest der Autor.

Eine ähnliche Behauptung/Spekulation findet sich auch in dem Wikipedia Artikel über Heydrich und es ist dort eine Fußnote angegeben: Robert Gerwarth: Reinhard Heydrich: Biographie. Siedler, München 2011, S. 30 f. Das Buch liegt mit leider nicht vor.

Ich war ehrlich gesagt erstaunt über diese Behauptung und Frage mich ob sie stimmt. Mir ist bekannt, dass eine Massenproduktion von Penicillin schwierig war und meines Wissens nach im zweiten Weltkrieg nur den USA gelang. Es fällt mir aber schwer zu glauben, dass überhaupt kein Penicillin im Herrschaftsbereich der Achsenmächte verfügbar gewesen sein soll. Zumindest geringe Mengen, zumindest als Kriegsbeute sollten doch vorhanden gewesen sein oder täusche ich mich?

Das würde wiederum die Frage aufwerfen, weshalb Heydrich kein Penicillin erhalten hat, denn zumindest im Buch HHhH wird der Eindruck erweckt, dass Hitler, Himmler etc. persönlich dafür gesorgt haben, dass die besten deutschen Ärzte nach Prag eingeflogen werden, um Heydrich zu behandeln.

Weiß jemand näheres über die Verfügbarkeit von Penicillin im zweiten Weltkrieg auf seiten der Achsenmächte und ob diese Behauptung stimmt?

Gruß Zechi
 
nun, Penicillin wurde erstmals 1941 erfolgreich getestet, Heydrich starb juni 42.
Es ist also höchst unwahrscheinlich, das die behandelnden Ärzte überhaupt Kenntnis von dem Medikament hatten
 
Heydrich ist im Deutschen Reich verstorben. Und Penicillin ist von den England entdeckt worden. Meinst Du die Briten haben Medikamente nach Deutschland, zum Gegner, exportiert haben? :grübel:
Ich nicht.

Apvar
 
Der Autor des Buch behauptet, dass Penicillin im Deutschen Reich bzw. Herrschaftsbereich der Achsenmächte nicht verfügbar gewesen sei. Mit Penicilin hätte Heydrich die Verwundung bei dem Attentat "vermutlich" überlebt, so spekuliert zumindest der Autor.

Eine ähnliche Behauptung/Spekulation findet sich auch in dem Wikipedia Artikel über Heydrich und es ist dort eine Fußnote angegeben: Robert Gerwarth: Reinhard Heydrich: Biographie. Siedler, München 2011, S. 30 f. Das Buch liegt mit leider nicht vor.

Das Buch liegt mir vor. Und da steht:

"(...) Hätte damals in Deutschland schon Penicillin zur Verfügung gestanden (das es seinerzeit nur in England gab), hätte Heydrich wohl überlebt. (...)

Seite 30

Warum sollten die Autoren da irgend etwas behaupten. In England gab es Penicillin in Deutschland noch nicht.

Es liegt da keine Verschwörung vor oder ähnliches. Es gab es einfach noch nicht. Sonst hätte wohl nicht nur Heydrich gerettet werden können. Als Medikament wurde Penicillin ab 1943 entwickelt und da war Heydrich schon ein Jahr tot.
 
Zuletzt bearbeitet:
Noch zu Deutschland:

Auszug aus dem Wiki Link Penicilline:

Nachdem 1940 und 1941 der „Oxforder Kreis“ um E. B. Chain und H. W. Florey ein Verfahren zur Produktion und Isolierung von Penicillin in „Lancet“ veröffentlichte, wurden ab 1942 die ersten industriellen Penicillinproduktionen gestartet, allen voran Glaxo und ICI in England, Merck & Co., Pfizer & Co. und Squibb & Sons in den USA sowie Schott Jena (vorangetrieben durch Hans Knöll) in Deutschland. Ab 1942 wurde auch bei den Farbwerken Hoechst an Penicillin geforscht. Die Forscher mussten sich dabei auf die knappen Veröffentlichungen Flemings stützen. Hoechst hatte auch nicht den ergiebigen Chrysogenum-Stamm zur Verfügung. Eine Probe dieses Stamms schickte erst 1950 im Rahmen einer Zusammenarbeit der US-Konzern Merck & Co. nach Deutschland.
(...)
Seit 1944 waren die USA jedoch in der Lage, ihren gesamten zivilen und militärischen Bedarf an Penicillin zu decken. .
 
Hallo,

danke für die Antworten. Ich wollte auf keine Verschwörung anspielen. Die Passage in dem Buch HHhH ist so formuliert, als ob Penicillin als Medikament in England verfügbar war. Das wird ja auch in der Fundstelle von Ursi angedeutet.

Die Formulierung liest sich meines Erachtens aber nicht so, als ob Penicillin in England nur in ganz geringer Menge zu Versuchszwecken 1942 verfügbar gewesen ist, auch wenn es noch keine Massenproduktion gab, aber so genau sind beide Fundstellen dahingehend leider nicht. Es wird meines Erachtens aber der Eindruck erweckt, als Engländer wäre Heydrich gerettet worden, weil Penicillin dort zumindest der Elite zur Verfügung stand.

Ich hatte vermutet, dass Penicillin z.B. als Beute aus den Kämpfen 1941/42 mit den Briten im Mittelmeerraum den Deutschen in die Hände gefallen sein könnte oder z.B. es über Strohmänner gekauft wurde usw. Vermutlich war es aber so, dass Penicillin auch in England nur extrem eingeschränkt verfügbar war, allerdings finde ich es dann komisch, dass der Umstand des fehlenden Penicillins in beiden Fundstellen hervorgehoben wird, da wie gesagt damit der Eindruck erweckt wird, Penicillin sei in England (leicht) verfügbar gewesen.

Gruß Zechi
 
Ich kann mich an eine Äußerung meines ehem. Biologie- und Chemielehrers erinnern, der den Krieg als Sanitäter mitgemacht hat. Er hat erzählt, dass die deutschen Soldaten an der Westfront (also 1944 und 45) immer hinter dem Penicillin der Amerikaner her waren.

Es wurde jedoch nicht für irgendwelche Staats- und Parteibonzen heim ins Reich geschickt, sondern an Ort und Stelle für die eigenen Verwundeten hergenommen.

Man kannte die Bedeutung dieses "Wundermittels" recht gut, zumal es jedes bei den Deutschen eingesetzte Mittel in den Schatten stellte. Penicillin zu haben war oft eine Frage des Überlebens, daher war es ein beliebtes Beutegut.
 
Vor vielen Jahren habe ich die Erinnerungen eines britischen MPs in Italien gelesen (Napoli ´44). Ich meine mich zu erinnern, dass dort auch von einem regen Schwarzmarkt für Penicillin die Rede war. Das ist aber auch schon 1944 gewesen.
 
Hallo,

danke für die Antworten. Ich wollte auf keine Verschwörung anspielen. Die Passage in dem Buch HHhH ist so formuliert, als ob Penicillin als Medikament in England verfügbar war. Das wird ja auch in der Fundstelle von Ursi angedeutet.

Ja klar, das wird zwar im Buch geschrieben, aber es wird in keinerlei Weise gesagt, dass es auch in Mengen verfügbar war. Das willst du herauslesen. Ich lese da einfach heraus, wenn es verfügbar gewesen wäre, dann hätte er überlebt. Nicht mehr und nicht weniger.

Die Formulierung liest sich meines Erachtens aber nicht so, als ob Penicillin in England nur in ganz geringer Menge zu Versuchszwecken 1942 verfügbar gewesen ist, auch wenn es noch keine Massenproduktion gab, aber so genau sind beide Fundstellen dahingehend leider nicht.

Es steht da, dass es in England verfügbar war. Aber nicht in welcher Menge, das ist deine Interpretation.


Es wird meines Erachtens aber der Eindruck erweckt, als Engländer wäre Heydrich gerettet worden, weil Penicillin dort zumindest der Elite zur Verfügung stand.

Ja kann sein, muss aber nicht. Denn 1941 haben die Engländer das Penicillin an einem Polizisten getestet, leider ohne Erfolg da die Menge zu klein war und sie keines mehr hatten.


Ich hatte vermutet, dass Penicillin z.B. als Beute aus den Kämpfen 1941/42 mit den Briten im Mittelmeerraum den Deutschen in die Hände gefallen sein könnte oder z.B. es über Strohmänner gekauft wurde usw.

Wenn du nur schon Wiki durchgelesen hättest, dann solltest du eigentlich gemerkt haben das es nicht möglich war. Weil die Forschung 1941/42 noch nicht so weit war.

Vermutlich war es aber so, dass Penicillin auch in England nur extrem eingeschränkt verfügbar war, allerdings finde ich es dann komisch, dass der Umstand des fehlenden Penicillins in beiden Fundstellen hervorgehoben wird, da wie gesagt damit der Eindruck erweckt wird, Penicillin sei in England (leicht) verfügbar gewesen.

Die Forschungshoheit lag nun mal in den USA und England und nicht in Deutschland, die nur auf die Studien der Alliierten zugreifen konnten. Die Forschung in Deutschland war in diesem Bereich einfach noch nicht soweit. Weder die USA noch England waren daran interessiert die genauen Resultate zu veröffentlichen.

Ich denke du interpretierst da zuviel rein, warum auch immer.
 
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Nun , wenn 1941 Penicillin in der Erprobungsphase war und erstmals am Menschen getestet, kann es bis Mai/Juni 1942 noch nicht an irgendeiner Front gewesen sein.
So schnell ging das auch damals in Amerika und England nicht mit dem Aufbauen von Produktionsketten. Es muß ja erstmal die Technologie der Herstellung da sein, um die Technik bauen und beherrschen zu können, Und dann muß der ganze Kram anlaufen.
 
Ja klar, das wird zwar im Buch geschrieben, aber es wird in keinerlei Weise gesagt, dass es auch in Mengen verfügbar war. Das willst du herauslesen. Ich lese da einfach heraus, wenn es verfügbar gewesen wäre, dann hätte er überlebt. Nicht mehr und nicht weniger.

Gut möglich, dass ich da zu viel hereingelesen habe, aber auf der anderen Seite wäre dieser Umstand doch überhaupt nicht erwähnenswert, wenn Penicillin nicht bereits als einsatzfähiges Arzneimittel in England vorrätig gewesen war. Ansonsten wäre der Hinweis darauf, dass Heydrich mit Penicillin gerettet worden wäre, ungefähr genauso sinnvoll, wie der Hinweis darauf, dass man Heydrich mit den Mitteln der heutigen Medizin gerettet hätte.

Für mich impliziert die Aussage, dass eine Person in England in vergleichbarer Position wie Heydrich mit Penicillin behandelt werden konnte/wurde.

Daher hatte ich spekuliert, dass mächtige Personen und somit auch evtl. höherangige Militärs Pencillin erhalten könnten und das hätte dann ja durchaus dem Deutschen Reich in die Hände fallen können. Das ist natürlich reine Spekulation auf Basis der Aussage, dass Penicillin in England verfügbar war. Offenbar war es aber so, dass die Nazis Penicillin zumindest bis zum aktiven Eingreifen der USA auf dem europäischen/nordafrikanischen Kriegsschauplatz (vermutlich also erst 1943) nicht erbeuten konnten.

Ingesamt aber interessant, dass Penicillin so ein bedeutendes Medikamt war sobald die Massenproduktion anlief. Das war dann ja tatsächlich ein großer Vorteil der Allierten ggü. den Achsenmächten.
 
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Nach dem Zitat von Ursi handelt es sich doch um eine eher launige Bemerkung Binets. Darum sollte man nicht allzuviel geben.
 
Zur Info

Nach dem Zitat von Ursi handelt es sich doch um eine eher launige Bemerkung Binets. Darum sollte man nicht allzuviel geben.

Sorry habe ich nicht so genau hingeschrieben. Das Zitat stammt von

Robert Gerwarth: Reinhard Heydrich: Biographie. Siedler, München 2011. Seite 30

Das war das Buch, das Zechi nicht vorliegen hatte.

Bei dem Buch HHhH von Binets handelt es sich um einen Roman. Der aber laut Kritik auf Französisch wohl besser ist als auf Deutsch. Weil die Übersetzerin doch einige Fehler gemacht hat. Kann ich aber nicht wirklich beurteilten, da ich das Buch nicht gelesen habe.

Ganz interessant:

Laurent Binet: HHhH: Wie die blonde Bestie starb - Belletristik - FAZ

Robert Gerwarth ist Historiker:
Robert Gerwarth ? Wikipedia
 
Zur Ergänzung: in Deutschland wurde an Sulfonamiden geforscht.

Zur Zeit des Nationalsozialismus fanden medizinische Experimente an KZ-Häftlingen in den Lagern KZ Ravensbrück und KZ Dachau statt. Unter der Aufsicht von Himmlers Leibarzt Karl Gebhardt war die Nazi-Ikone Heydrich an Gasbrand verstorben, Hitlers Leibarzt Morell hatte kritisiert, Heydrich hätte möglicherweise überlebt, hätte man das Sulfonamid Ultraseptyl eingesetzt. Bei Heydrich wurden andere Sulfonamide verabreicht, Gebhardt kam in Bedrängnis. KZ-Häftlingen wurden absichtlich Verletzungen beigefügt und Wunden infiziert, um eine Sepsis zu erreichen und die Wirkweise verschiedener Sulfonamide testen zu können.[14]

aus: Sulfonamide ? Wikipedia
 
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