Seekrieg vor Operation Weserübung: Norwegen und Dänemark 1940

Guilelmus

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Ich las vor kurzem folgendes:

2.4.1940
Nordsee
Das als norweg. Dampfer getarnte Schiff 11 / Ulm (KKpt. Betzendahl) wirft östlich Smith´s Knoll eine Minensperre (90 Minen und 84 Sprengbojen).

Seekrieg 1940, April

Meine Frage: stimmt das, und ist das nicht ein Bruch der Kriegsgesetze? Weiß da jemand mehr? Ich meine, die NS wetterten so viel über den Altmark Zwischenfall, welcher angeblich bewies, daß Norwegen nicht bereit war, seine Neutralität zu verteidigen, mißbrauchten aber selbst die neutrale norwegische Flagge.

4.-20.1939
Ostsee
Die Minenschiffe Hansestadt Danzig, Tannenberg und das Schulschiff Brummer...Am Südeingang des Nordeingang des Großen Belt
Am Südeingang des Großen Belt legen Preussen und Hansestadt Danzig am 5./6.9. und die Preussen nochmals am 20.9. die Minensperre »Jade« speziell gegen eindringende U-Boote.
Seekrieg 1939, September

Sound Dues - Wikipedia, the free encyclopedia

War diese Verminungsaktion rechtens? Ich habe mich zwar durch die Kopenhagener Konvention durchgewühlt, fand aber keine eindeutige Antwort, da ja z.B. ein Teil des Großen Belt internationales Gewässer ist.
Auch hier wäre ich für Hilfe sehr dankbar.

18.11.1939
Norwegen
Das Troßschiff Westerwald wird nach Versorgung des Panzerschiffs Deutschland im Nordatlantik auf seinem Rückweg in norwegischen Hoheitsgebiet von norwegischen Torpedobooten angehalten. Nach scharfen Protesten der deutschen Regierung darf die Westerwald ihre Reise fortsetzen und erreicht am 22.11. Swinemünde.

Seekrieg 1939, November

Ich las Troßschiffe führen extra Flaggen, was genau hat es damit auf sich?
Liste deutscher Trossschiffe ? Wikipedia

4.– 6.12.1939
Norwegen
Minenunternehmen des Kreuzers Nürnberg (Kpt.z.S. Klüber) vor Kristiansand.

(German cruiser Nürnberg mines waters in front of Kristiansand.)

Seekrieg 1939, Dezember

Operation Wilfred ist also was böses, die Deutsche Kriegsmarine verminte aber anscheinend schon Monate vorher norwegisches Gewässer, sehe ich das richtig?

12./13.12.1939
Ostsee
Die schwed. Schiffe Torö (1467 BRT) und Algol (978 BRT) gehen bei Falsterbö Riff auf schwedischen Minen verloren. -- Auf deutschen Wunsch legte Schweden ebenso wie Dänemark in eigenen Hoheitsgewässern Minensperren gegen das Eindringen britischer Unterseeboote in die Ostsee.

Seekrieg 1939, Dezember
Neue Seite 1

War das nicht ein Bruch der Neutralität dieser neutralen Staaten zugunsten eines Belligerenten? Geschah dies durch Erpressung?

23./24.2.1940
Nordsee
Nach Auffangen verdächtiger Morsezeichen werden in den Morgenstunden des 24.2. bei der Doggerbank die vier dänischen Fischkutter Ejjam, Gerlis, Merkator und Polaris vom dem dt. Minensuchboot M 1 (Kptlt. Bartels) durch Rammung versenkt. Von den Kutterbesatzungen wird "aus militärischen Gründen" niemand gerettet.

Seekrieg 1940, Februar
Seekrieg 23./24.2.1940

Spionierten die dänischen Fischer tatsächlich? (Nicht daß dies ein legitiemer Grund wäre, sie ertrinken zu lassen.)

Ich hoffe, meine Fragen sind nicht all zu nervig, und ich danke für alle Antworten im Voraus.
 
[...]
Meine Frage: stimmt das, und ist das nicht ein Bruch der Kriegsgesetze? Weiß da jemand mehr? Ich meine, die NS wetterten so viel über den Altmark Zwischenfall, welcher angeblich bewies, daß Norwegen nicht bereit war, seine Neutralität zu verteidigen, mißbrauchten aber selbst die neutrale norwegische Flagge.
[...]

1.Frage:

Kriegsgesetze? Bedingt das einer Einhaltung?

Handelschiffe wurden seit je her in Seekriegen zu all möglichen Zwecken eingebunden. Dabei wurden Schiffe umgebaut, getarnt und meist auch mit falschen Flaggen versehen.

Zur Altmark würde ich sagen, daß es sich hier um eine Kriegsschiff handelt und nicht um ein Handelsschiff.
a.)Als Troßschiff oder Kriegsversorger ist es doch sicherlich in der Liste der deutschen Kriegsschiffe aufgeführt gewesen. Sollte dies der Fall sein, dann handelte der Kapitän der Altmark ebenfalls neutralitätsverletzend. Zumal sich das Schiff auch noch in einem norwegischen Kriegshafen befand.
Kriegsschiffe, die sich längere Zeit in neutralen Gewässern aufhalten, werden in diesen Land interniert.
b.)Ein zweites Merkmal von Schiffen, die als Kriegsschiffe eingestuft werden ist eine Bewaffnung. Im - Die deutschen Kriegsschiffe Hildebrand;Röhr;Steinmetz - wird bei der Altmark vermerkt, daß es zu Kriegszwecken mit folgenden Waffen ausgerüstet wird und auch nach Sep 1939 erfolgte:
3 SK-15cm; 2 Flak-3,7cm; 6 Flak-2cm

Weblinks aus Wiki -Altmark Zwischenfall-



Das die Briten es mit der Neutralität von Gewässern ebenfalls nicht so genau nehmen, wissen wir auch schon aus der Zeit des 1.WK, als der kleiner Kreuzer Dresden in chilenischen Gewässer versenkt wurde.
 
[...]

Ich las Troßschiffe führen extra Flaggen, was genau hat es damit auf sich?
Liste deutscher Trossschiffe ? Wikipedia
[...]

3.Frage:

In Wiki wird unter -Trossschiffe- folgendes angemerkt:
[...]als Zeichen ihres Status führen sie dann in vielen Ländern anstelle der Flagge der Seestreitkräfte eine Sonderflagge.[...]

Das bedeutet um Umkerhschluß nicht, daß es eine solche Flagge bei der deutschen Kriegsmarine gab. Mir ist jedenfalls keine bekannt.

Siehe auch hier:
Liste der Flaggen der deutschen Marine (1935?1945) ? Wikipedia
 
Ersteinmal danke für die Antworten. Auf den Altmark-Zwischenfall wollte ich eigentlich gar nicht eingehen, ich denke ich sollte dennoch einmal auf die britische Position eingehen, und zitiere aus dem englischsprachigen Wiki:

"The British justification for the attack on the Altmark was set out in a Note to the Norwegian Government from Foreign Secretary Lord Halifax dated 10 March 1940. The problem the British Government faced was the wording of The Hague Convention XIII of 1907 to which it was a signatory. Article 10 provides that: "The neutrality of a Power is not affected by the mere passage through its territorial waters of warships or prizes belonging to belligerents." This meant that the Altmark was within its rights to sail through Norwegian waters with prisoners aboard providing that it did not come to a protracted stop longer than 24 hours. In the diplomatic letter, the British Government confirmed that it was not contrary to the law of neutrality to sail a prison ship through neutral waters, and Britain often did this herself. In fact the British complaint had nothing to do with the prisoners. Altmark was a Fleet tanker assimilated to a warship and was proceeding to Germany from the Atlantic by the north-about route. Instead of sailing down the North Sea as he would do in peacetime, the master of the Altmark had elected to sail the entire leg of the voyage southwards within Norwegian territorial waters in order to attract immunity from attack there under international law. There was no other reason for him to want to voyage through waters so dangerous to navigation. This must be an abuse of international law, and since the Norwegians had declined to stop the voyage the Royal Navy had done so on orders from the British Admiralty.
The question remains unresolved to this day as to whether, as the Hague Conventions stood in 1940, a warship could legitimately seek immunity from attack in neutral waters by widely varying its course to reach them."
German tanker Altmark - Wikipedia, the free encyclopedia


Der Altmark-Zwischenfall diente der NS-Führung als ein Vorwand für den Überfall auf Norwegen, da ja die norwegische Marine nicht mit Waffengewalt gegen die britischen Zerstörer vorging.

Mir geht es aber hauptsächlich um die Aktionen, die dem Altmark-Zwischenfall und der Operation Wilfred vorausginen, nämlich die Minenaktion der Ulm unter norwegischer Flagge sowie die Verminung skandinavischer Gewässer durch Deutsche und Skandinavier auf deutschen Wunsch hin, sowie die anderen oben angeführten Punkte.

Und natürlich fuhren auch britische Schiffe im 2.WK. unter falscher Flagge, z.B. der irischen, um die deutschen U-Boote zu täuschen.
 
Flaggentäuschung, auch Täuschungen durch Bemalungen etc. waren zulässig, soweit sie nicht unter das Perfidieverbot fielen und die Täuschung vor Aktionen im See- und Handelskrieg aufgehoben wurden.

Minenoperationen allein zum Zweck des Unterbindens der allgemeinen Handelsschifffahrt waren unzulässig. Damit verblieben "defensive" Minenoperationen (die zu offenbaren waren) und unbeschränkter Minenkrieg in den Küstengewässern des Gegners. Das kann man hier als gegeben ansehen (siehe umgekehrt die Anweisungen der Kriegsmarine/Skl zum Minenkrieg beim Handelskrieg, kann ich bei Bedarf als Quelle anhängen)

Neutralitätsrecht ist vom Kriegsrecht zu unterscheiden. Durch Verletzungen der Neutralität (s.o.) wird ein neutraler Staat nicht unmittelbar zum Kriegsteilnehmer (siehe etwa die Verletzung der Hoheitszonen in der Luft oder in den Gewässern, Verletzungen durch Kampfhandlungen, Truppendurchzüge) - von Waldkrich/Vanselow, Neutralitätsrecht, S. 111ff. Amtliche Proteste des Neutralen gegen Neutralitätsverletzungen kriegführender Staaten können ausreichen, Anwendung von Waffengewalt ist nicht erforderlich. Selbst wenn man die Neutralitätsverletzung des Neutralen hier unterstellen würde, reichen die Vorfälle wegen mangelnder Schwere im Rahmen der Gesamtkriegführung (Altmark-Zwischenfall, Defensiv-Minensperren) nicht zur Aufhebuung der Neutralität aus.

Es kann offenbleiben, ob die Altmark als Kriegsschiff (hier Trossschiff) oder Handelsschiff anzusehen war. Bereits als ein Kriegsschiff-unterstützendes (nicht zum Hilfskriegschiff konvertierten) Handelsschiff verliert sie den Schutzstatus nach den Abkommen von 1930 und 1936. Kriegsschiffe sind auch die Versorgungsschiffe/Trossschiffe der kriegführenden Marinen (wenn sie der militärischen Disziplin unterliegen - was bei Altmark unter Führung der Seekriegsleitung in ihrer Disposition und in ihrer Unerstützungsfunktion einer Einzelmaßnahme der Seekriegführung klar der Fall war) - Heintschel von Heinegg, Seekriegsrecht und Neutralität im Seekrieg, s. 320ff.
 
Hier die Rechtsauffassung der Skl aus der Völkerrechtlichen Abteilung beim OKW.

Der Vermerk betrifft die Durchsuchung und Herausgabe seitens norwegischer Streitkräfte. Ansonsten ist die Subsumtion des Altmark-Falles unter Neutralitätsrecht unvollständig bis falsch vorgenommen worden. Offenbar handelt es sich um einen "Gesinnungsvermerk", zumal die Operationsplanungen gegen Norwegen schon Monate liefen.

1. Die Altmark diente einem Kriegsschiff für die Durchführung einer militärischen Operation, und unterstand der Befehlsführung der Skl. Damit ist das Konvertierungsabkommen Haag VI nicht einschlägig, sondern allenfalls Deutscherseits (!) verletzt. Quatsch ist hier die Abgrenzung des Staatsschiffs, das ist ein anderes Problem (Streitfrage: stellen nicht bewaffnete, "handelnde" Staatsschiffe überhaupt Handelsschiffe dar?)

2. die fortgesetzte Durchquerung neutraler Gewässer im Rahmen einer militärischen Operation verletzt das Neutralitätsrecht in gleicher Weise wie die Durchquerung neutralen Territoriums durch kriegführende Truppen.

3. Das Kriegsschiff durfte damit angegriffen werden.
 

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Vielen Dank zur Klärung dieser Fragen.
Flaggentäuschung, auch Täuschungen durch Bemalungen etc. waren zulässig, soweit sie nicht unter das Perfidieverbot fielen und die Täuschung vor Aktionen im See- und Handelskrieg aufgehoben wurden.

Bedeutet das im konkreten Kontext, daß die Ulm unter norwegischer Flagge fahrend Minen legen durfte, oder nicht?
 
Bedeutet das im konkreten Kontext, daß die Ulm unter norwegischer Flagge fahrend Minen legen durfte, oder nicht?

Die Beflaggung dient der Kenntlichmachung gegenüber anderen Schiffen, zB auch gegnerischen Kriegsschiffen. Flaggentäuschung ist zulässig bis zur Gefechtshandlung, wobei die Abgrenzung zum Perfidieverbot schwierig ist, siehe zB
Kormoran (Hilfskreuzer) ? Wikipedia

Wenn die Ulm ohne Gefechtshandlung und Schiffskontakt unter Flaggentäuschung Minen gelegt hat, würde ich das (-> also das Flaggenführen) als kriegsrechtlich gedeckt ansehen. Auf einem anderen Blatt stehen Verletzungen von Hoheitsgewässern bzw. Neutralität, aber darum ging es hier wohl nicht.
 
23./24.2.1940
Nordsee
Nach Auffangen verdächtiger Morsezeichen werden in den Morgenstunden des 24.2. bei der Doggerbank die vier dänischen Fischkutter Ejjam, Gerlis, Merkator und Polaris vom dem dt. Minensuchboot M 1 (Kptlt. Bartels) durch Rammung versenkt. Von den Kutterbesatzungen wird "aus militärischen Gründen" niemand gerettet.

Seekrieg 1940, Februar
Seekrieg 23./24.2.1940

Spionierten die dänischen Fischer tatsächlich? (Nicht daß dies ein legitiemer Grund wäre, sie ertrinken zu lassen.)

Der link zur WLB Stuttgart verweist auf den "Sonderbericht" von Bartels zu den Ereignissen in der Nacht 23./24.2.1940. Bartels versenkte die dänischen Schiffskutter rein auf Verdacht.

Dass hier sehr wahrscheinlich ein Kriegsverbrechen vorliegt, zeigt die Vorgeschichte des Ereignisses, die in dem WLB-link nicht wiedergegeben worden ist.

Bartels hatte seit Wochen die fixe Idee, dass die dänischen Fischkutter für englische UBoote spionierten und diese mit Funk vor der deutschen U-Jagd warnten (an der auch sein Schiff, Minensuchboot M 1, beteiligt war). Bereits am 10.2.1940, 2 Wochen zuvor, äußerte er entsprechende Verdächtigungen und forderte weitere deutsche Untersuchungsmaßnahmen. Diesem Bericht wiederum gingen U-Boot-Warnungen am 4.2.1940 voraus, denen M 1 erfolglos hinterherjagte.

Der "Sonderbericht" 10.2. ist auch an die Abwehrstelle gegangen, Reaktionen hierauf sind nicht bekannt.

Offenbar ist dem Kommandanten dann am 23.2. der "Geduldsfaden" gerissen, zumal die Durchsuchungen dänischer Fischkutter am 10.2. nichts zu Tage gefördert hatten (eben deshalb, weil sie nur gefischt hatten). Als ihm erneut UBoot-Signale auffielen, und nachts die Kutter in der Nähe waren, setzte er sein Boot zu Rammstössen gegen die kleinen Schiffe an. Geschütze wurden nicht eingesetzt, um die restlichen Kutter nicht bei der ersten Versenkung "zu warnen".

Motto seiner Schiffsführung: "Zähne zeigen ... Angreifen ... Zerschlagen"
http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Bartels_(Marineoffizier)
Am 23.2.1940 verfuhr er danach, in der fixen Idee, dänische Kutter würden britische UBoote warnen. Die Schiffsbrüchigen ließ er nicht retten.
 
Interessanterweise ist die oben beschriebene Versenkung der dänischen Fischkutter auch im NDR-Text erwähnt. Ich bin gespannt, was dort für Material präsentiert wird.

Bartels ist übrigens in den 1950ern ein Heft aus der "SOS-Reihe" gewidmet, mit dem Titel: "Der Tiger der Fjorde - Minensuchboot M1". Das war wohl die Nachkriegs-Wahrnehmung.
 
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