Speer Erinnerungen- Absprache mit den Briten

chrdidt

Mitglied
Nach langer Forumsabstinenz ein herzliches moin,moin von mir.:winke:

Meine Frage betrifft einen Absatz in Speers Erinnerungen, dessen Inhalt wenn man sich vorher mit der Teilkapitulation und dem Verhältnis Churchill-Stalin befasst hat, doch recht interessant ist.

Zit aus Albert Speer, Erinnerungen S.409
"Ich erinnere mich an einen einzigen Fall, wo Hitler schweigend, wenn auch widerwillig, einer Vereinbarung mit dem Gegner zugestimmt hat. Im Spätherbst 1944 waren die deutschen Truppen auf den griechischen Inseln durch die britische Flotte von jeder Verbindung mit dem Festland abgeschnitten worden. Trotz der absoluten Seeherrschaft der Briten konnten die deutschen Einheiten ungestört auf das Festland verschifft werden, zum Teil waren sie auf Sichtweite an den britischen Schiffseinheiten vorbeigefahren. Als Gegenleistung hatte die deutsche Seite zugesagt, mit Hilfe dieser Truppen Saloniki so lange vor den Russen zu halten, bis es von britischen Kräften übernommen werden könne.
Als diese Aktion, die Jodl vorgeschlagen hatte....."
Zit ende

Mir ist klar das Speers Erinnerungen zu großem Teil Exculpationsliteratur ist, da aber dieser Teil jedoch nichts mit seiner Rolle zu tun hat , könnte vielleicht ein Fünkchen Wahrheit darin liegen.

Meine Fragen wären:
1. Gab es zu diesem Zeitpunkt (Spätherbst 44) Absetzbewegungen von den griechischen Inseln nach Saloniki?
2. Ist irgendetwas von diesen "Absprachen" bekannt? Falls ja , wie hat die Sowjetunion darauf reagiert?

Danke für die Antworten.
 
Über eine solche Absprache ist quellenseitig nichts belegt und sie ist auch kaum mit den Realitäten der Heeresgruppe E beim Rückzug aus Griechenland in Übereinstimmung zu bringen.

Schau Dir mal dies hier an, ist ein grober Überblick über die Rückzugsbewegung (von den griechischen Inseln, dem Peloponnes und Nordgriechenland), gibt aber den Kontext für die Beurteilung von Speers Behauptungen wider:
Belgrader Operation ? Wikipedia
 
Danke für den link, die Rahmenbedingungen kannte ich vorher nicht.

Häufiger wird bei weiterem googeln das Absetzen per Flugzeug bis zum 14.-15. September von den ägäischen und ionischen Inseln erwähnt.
Saloniki als Sammelpunkt da Ausgangspunkt der Bahnlinie müsste jedenfalls stimmen.

Anhaltspunkt für die mögliche britische Motivation und die daraus resultierende Handlungen hab ich zb in diesem alten Spiegel-"komödien-Tatsachenbericht" gefunden
DER SPIEGEL*10/1951 - SIE HABEN ETWAS GUTZUMACHEN
Nach Rückzugsbewegung an der Bahnlinie Saloniki , bereits von britischen Panzern überholt : Zit "In der mazedonischen Ebene ging der Marsch zu Ende. Das VII. Bataillon/999 wurde plötzlich in einen einsamen jugoslawischen Güterzug verladen und nach vorn in die serbischen Berge geworfen, ohne daß die Briten dem Spiel ein Ende gemacht hätten."

Da würde meiner Meinung nach ein solches von Speer erwähntes Abkommen durchaus "reinpassen".
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich mein damit, wenn sogar zurückflutende deutsche Truppen von englischen leichten Panzern überholt , nicht festgesetzt, anschließend gegen die Rote Armee wieder eingesetzt werden, dann könnt man hier von einer allgemeinen britischen Strategie in Bezug auf Griechenland ausgehen.
Das Ausnutzen deutscher Truppen , durch Passivität, um etwaige sowjetische Vorstöße zu behindern.
Anfang 44 haben Churchill und Stalin deren Einflussphäre in Griechenland doch nur auf "Bierdeckelniveau" verabredet.
Hier würde das von Speer erwähnte Abkommen genau reinpassen.

Viele griechische Inseln waren noch bis Kriegsende unter deutscher Besatzung, also wäre die Intention der Briten zum freien Geleit wohl nicht in einer "einfacheren Besetzung nach Abzug" zu sehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Anfang 44 haben Churchill und Stalin deren Einflussphäre in Griechenland doch nur auf "Bierdeckelniveau" verabredet.
Hier würde das von Speer erwähnte Abkommen genau reinpassen.

Interessant ist Churchills "The Second World War, Vol. VI, S. 188 ff "Prelude to Moscow Visit" und besonders S. 198.

Während seines Besuchs in Moskau im Oktober 1944, so Chuchill, hat er sich via Prozentangaben über die Einflussbereiche mit Stalin geeinigt.

Und für Griechenland wurde 90 % GB und 10 % für Russland festgelegt. Dabei war nicht die Besetzung Griechenlands durch die Rote Armee das zentrale Problem, sondern eher die Intensität, mit der Moskau die EAM/ELAS, als pro-Moskau-Partisanenarmee, unterstützen sollte.

ELAS ? Wikipedia

Im post-WW2-Griechenland erfolgt durch Stalin keine, oder keine nennenswerte Unterstützung dieser Gruppierung im griechischen Bürgerkrieg bis 1949, so mein oberflächlicher Kenntnisstand.
____________________________
Die Angabe von Speer erfolgte im Kontext der "Ritterlichkeit" der Kriegsführung und dem zunehmenden Verfall von Moral und der Zunahme der Konflikte auch zwischen der Waffen-SS" und der NSDAP. In diesem Sinne wollte er argumentieren, dass Hitler keinerlei Kompromisse akzeptieren wollte, was wohl historisch korrekt ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich mein damit, wenn sogar zurückflutende deutsche Truppen von englischen leichten Panzern überholt , nicht festgesetzt, anschließend gegen die Rote Armee wieder eingesetzt werden, dann könnt man hier von einer allgemeinen britischen Strategie in Bezug auf Griechenland ausgehen.
Das Ausnutzen deutscher Truppen , durch Passivität, um etwaige sowjetische Vorstöße zu behindern.

Solche Geschichten als Grundlage zu nehmen, führt leicht in die Irre. Zum Kontext:

Die deutschen Truppen räumten Griechenland abschließend im Verlauf des Oktober (bis zum 2.11.1944). Der Rückzug betraf Mitte November 1944 bereits Mazedonien. Dort und weiter nördlich gab es drei Krisen: um Belgrad, etwa 100 südlich, und vor Pristina. Die Bedrohungen südlich Belgrad, insbesondere vor Pristina, betraf etwa ein Dutzend vorrückender bulgarischer Divisionen, die den deutschen Rückzug der Heeresgruppe E aus Griechenland abzuschneiden drohten.

Zu den Ereignissen in Griechenland:

Relevante britische Truppen landeten (4. indische Division mit zwei Brigaden) landeten überhaupt erst ab dem 12.11.1944 in Patras und Saloniki. Zuvor waren lediglich zwei SOE-Kommandos mit leichten Aufklärungsstreitkräften sowie einige Fallschirmjäger aktiv, die jeweils den deutschen Räumungen "nachstießen", so bei Patras und Korinth, Athen und Saloniki. Die Kommandos "buck force" und "fox force" hatten zB Stärken von ca. 100 Mann und waren nur zur Beobachtung geeignet, aber nicht in der Lage, 150.000 Mann gefangen zu nehmen.
George Jellicoe, 2nd Earl Jellicoe - Wikipedia, the free encyclopedia

Die Räumungen wurden von der RN und der RAF laufend angegriffen, soweit hierfür überhaupt abseits Italien und Westeuropa geringfügige Kräfte zur Verfügung standen. Kriegsschiffe wurden so zB auch vor Saloniki versenkt, der Flughafen zur Behinderung der Räumung angegriffen, ebenso wie vorher die deutschen Räumungsbewegungen auf Saloniki zu angegriffen wurden.

Der Erlebnisbericht suggeriert Dir also etwas, was so nicht mit den Realitäten in Übereinstimmung zu bringen ist.

Zu Speers Bemerkung:
Diese hat einen realen Hintergrund, nämlich entsprechende Gerüchte im Wehrmachtführungsstab, findet sich dort im KTB und auch in der Denkschrift über die Griechenland-Räumung vom Januar 1945. Dort wird spekuliert, dass den Westalliierten die "bolschewistische Besetzung" Griechenlands unpassend käme. Über die tatsächlichen allierten Kräfteverteilungen und das Vorgehen hat man nur bruchstückhafte bzw. gar keine Informationen, zumal auch Luftaufklärung nicht mehr möglich war. Speers "Gerüchte" gehen direkt auf Hitler-Mutmaßungen vom 14.10.1944 zurück, dass den Briten eine "deutsche Polizeitruppe" in Griechenland "nicht unlieb wäre, um die Ausbreitung des Bolschewismus zu verhüten". Das sind Gerüchte, wie sie in der Endphase des Regimes umherschwirrten, die Wehrmacht marschiere direkt mit Amerikanern und Briten gegen die UdSSR.

Offenbar stellte Speer die Hitler-Mutmaßungen nach dem Krieg als Fakt dar. Tatsächlich war man ende 1944 über die völlig unzureichenden westallierten Kräfte im östlichen Mittelmeerraum nicht informiert, und höchstens verwundert darüber, dass der Abzug der wesentlichen Teile der HG E überhaupt gelungen war.

Der 999er-Erlebnisbericht aus dem verlinkten Spiegel-Artikel trägt jedenfalls nichts zur Aufhellung der Lage bei, sondern spiegelt allenfalls damalige Gerüchte und Hoffnungen, verquickt die Abläufe zeitlich in sinnentstellender Weise (siehe Pristina) und war auch ohne jede Information zu dem tatsächlichen britischen Engagement (siehe Anlandung der indischen Division).

Wenn Du da weiter an Literatur interessiert bist:
Hnilicka, Das Ende auf dem Balkan 1944/45, Studien und Dokumente WW II, Band 13, S. 68-86.
Schmidt-Richberg, Die Operationen auf dem Balkan, Der Rückzug der Heeresgruppe E aus Griechenland
Jackson/Playfair, The Mediterranean and Middle East, Volume VI/2 und VI/3: Victory in the Mediterranean.
Die Aufsätze von Hümmelchen und Röhricht zur Balkanräumung 1944 in WWR 1959 und WWR 1962.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben