Von Lastenseglern und Gebirgsjägern
Wenn von der Technik die Rede ist, dann unterteilten sich die Luftlandetruppen auf Kreta – wie im 2. WK allgemein – auf eher 2 Bereiche: Die Fallschirmjäger & die Luftlandetruppen.
Die Fallschirmjäger sind bei weitem die Bekanntesten und auch der Kern der ganzen Idee. Die Männer sprangen von verhältnismäßig niedrig fliegenden Transportflugzeugen mit dem Fallschirm ab und trugen dabei zumindest Teile ihrer Ausrüstung bei sich. Schwerere Bewaffnung wie Maschinengewehre oder gar Mörser wurden eigens mit Waffenbehältern gesondert abgeworfen. Der Nachteil dieser Methode liegt darin, dass die Kampfeinheiten auf einer „dünnen, lang gezogenen Linie“ am Boden ankommen. Bevor sie taktisch gut agieren können, müssen sie sich sammeln und am Besten frühzeitig ihre Waffenbehälter bergen. Das braucht Zeit und in dieser Zeit konnte (und kann noch immer) viel von der eigentlichen Überraschung des Luftlandeangriffs verloren gehen: Sprich der Verteidiger kann bei entschlossener Führung im Gegenangriff die verstreuten Jäger überrumpeln und vielleicht sogar ausschalten. Psychologisch bedenklich für die Fallschirmjäger war es während der Schwebephase in der Luft hilflos feindlichem Feuer ausgeliefert zu sein und dann am Boden erst einmal mit dem Schirm kämpfen zu müssen, welcher dem Gegner seinen Landepunkt genau sichtbar machte. Es stellte sich heraus, dass die Verluste in der Luft eigentlich so hoch auf Kreta gar nicht waren, wie die Männer selbst geglaubt hatten, was die psychologische Wirkung aber unterstreicht. Zur besseren Auffindung hatten die Waffenbehälter oft andere Farben als Fallschirmseide, was entsprechend entschlossene Verteidiger ebenfalls für sich nutzen konnten...!
In gewissem Rahmen wurden die genannten Nachteile, bei ansonsten fast gleichem taktischem Ansatz durch Einsatz von Lastenseglern minimiert. Lastensegler waren so etwas wie „Wegwerf-Flugzeuge“ ohne Motor, die im Schlepp von anderen Flugzeugen in die Nähe der Absetzpunkte gebracht wurden, wo sie ausgeklinkt und ohne eigenem Antrieb als Segelflugzeuge im Zielgebiet landeten. Die deutschen DSF 230 – Standard – Lastensegler waren einfach und billig gebaute Vehikel, die auf Kufen landeten, damit sie schnell zum Stehen kommen sollten und somit eine geringere Landebahn benötigten. Die Tragkraft umfasste neben dem Flugzeugführer (der dann für den Bodeneinsatz zur Verfügung stand) in der Regel aus 9 Mann, die im Segler mit ihrer kompletten Bewaffnung hockten und nach der (hoffentlich sanften) Landung sofort als taktisch einsatzfähiger Körper vor Ort waren. Das ist der entscheidende Vorteil der Lastensegler gegenüber der Sprunglandung. Die Reaktions- und Einsatzzeiten der Männer waren deutlich geringer, die Landung selbst schneller als am Schirm, was beides unmittelbar um die Landungsphase von kaum zu überschätzendem Vorteil war. Heute übernehmen die Aufgaben der Lastensegler prinzipiell Hubschrauber… Nachteil war die eingeschränkteren Landemöglichkeiten und die leichter zu erahnende Flugbahn, was die Bekämpfung beim Anflug erleichterte. Wie effektiv Lastensegler sein konnten zeigte sich vor Kreta schon im Westfeldzug beim Angriff auf die belgische Sperrfestung Eben-Emael, wo die Sturmpioniere mitten zwischen den Befestigungen niedergingen und die verblüfften belgischen Soldaten rasch zur Aufgabe zwangen.
Ein weiterer Vorteil war der Lufttransport selbst, der durch verschiedene Flugzeugtypen im Schleppverfahren nur allgemein nahe an den Einsatzort gebracht werden musste. Die speziell ausgebildeten Lastensegler-Piloten konnten ihre Landungsplätze besser aussuchen, als Transportpiloten für Fallschirmjäger, die häufig wenig Erfahrung darin hatten, ihre Fallschirm-Soldaten gut abzusetzen. Die Segler selbst waren spottbillig und an sich so wertlos, dass sie kaum je nach den Operationen geborgen wurden, während man sich im rohstoffarmen Deutschland immer nach der raren Fallschirmseide recken musste!
Vom Ansatz her sind Sprunglandung wie Landung per Lastensegler ähnlich: Ihre Kapazität ist recht begrenzt, die Zielauswahl vor Ort eher taktischer Natur. Beides waren Spezialeinsatzarten für Fallschirmjäger. Ihre Aufgabe war es wichtige Punkte vor der eigentlichen Landung (oder Ähnliches) zu sichern. Auf Kreta waren das wichtigste dieser Ziele natürlich die Flughäfen. Erst nach Eroberung von Flughäfen war eine Versorgung und Verstärkung der Truppen in mehr als punktuellem Rahmen möglich, weshalb ihre Eroberung der Schlüssel zum Sieg war. Es konnte die nächste Phase der Operation beginnen: Die Luftlandung von Verstärkungen! Die Wehrmacht verfügte 1940 neben den Fallschirmjägern (die zur Tarnung damals als 7. Fliegerdivision fungierten) auch über Luftlande-Einheiten. Noch im Westfeldzug war dies die 22. Luftlande Infanterie Division gewesen. Diese Division war nun weit weniger eine Spezialtruppe wie die Fallschirmjäger, als vielmehr eine Truppe die – wie es ein englischer Historiker gesagt hat – „gelernt hat, schnell in Flugzeuge einzusteigen und am Zielort auszusteigen und zu kämpfen“ (Erinnerungszutat). Dieses Zitat greift ein bisschen kurz, denn es war auch eine entsprechend leichte Ausrüstung erforderlich, die ebenfalls per Lufttransport verschoben werden konnte. Diese Division stand allerdings für den Einsatz in Kreta nicht zur Verfügung – anders als während des Westfeldzuges, wo sie auch als Luftlandeeinheit eingesetzt worden war. An ihrer Stelle wurden überwiegend Truppen der 5. Gebirgsdivision in dieser Eigenschaft verwendet. Die Gebirgsjäger waren in mehrerer Hinsicht für die Operation geeignet: Zum einen ist Kreta eine sehr gebirgige Insel und zum Anderen war die spezielle Ausrüstung einer Gebirgsdivision ebenfalls eher leicht und daher für den Lufttransport relativ gut geeignet – im Gegensatz etwa zu Panzern oder schwerer Artillerie. Letztlich waren es die als taktische Truppenkörper in den Flughäfen angelandeten Gebirgstruppen, welche dann die Entscheidung auf dem Boden erzwingen konnten. Nun konnten Einsätze über einen taktischen Rahmen heraus erfolgen und die Insel in Besitz genommen werden.
Besonders auffällig bei der Ausrüstung der 7. Fliegerdivision war gewiss ihre Artillerieabteilung, welche „Zirkus Schramm“ genannt wurde. Die Abteilung bestand nur aus leichten Geschützen und ihre Bespannung bestand nicht aus schweren Kaltblütern, wie bei der Infanterie üblich, sondern zumindest zum Teil aus Hundegespannen! Beides war der Anforderung nach geringem Gewicht und wenig aufwändigen Transportmöglichkeiten geschuldet. In diesem Zusammenhang ist ein Blick auf die Geschütze von Gebirgsdivisionen auch interessant: Zumindest in Teilen besaßen deutsche Gebirgsdivisionen leichte Geschütze ohne Zuglafette, welche demontiert von Maultieren zum Einsatzort getragen werden konnten. Allgemein verstärkte sich nach den Erfahrungen auf Kreta der Ruf nach schwereren, auch für den Lufttransport geeigneten Waffen. Dazu gehörten vor allem rückstoßfreie Geschütze, die daher keine aufwändigen Lafetten benötigten. Es wurden solche Waffen in Form von Haubitzen, Kanonen und auch Panzerabwehrgeschützen entwickelt. Auch sollten die Fallschirmjäger verstärkt auch Waffen wie Maschinengewehre nicht erst nach der Landung aus Waffenbehältern zu bergen haben, sondern nach Möglichkeit bereits beim Sprung mit sich führen. Besonders die „alte Tante Ju“ – die Ju 52 war das Rückgrat des Transportwesens der Luftwaffe gewesen und erlitt auf Kreta bedeutende Verluste in Höhe von über 50%! Aber um bei späteren Luftlandungen auch schwere Waffen mitführen zu können, war bereits seit 1940 der Ruf nach schweren Lastenseglern laut geworden. Die dabei entwickelte Me 321 war allerdings zu schwer um von Standard-Flugzeugen geschleppt zu werden und kam auf Kreta nicht zum Einsatz. Es wurde eine motorisierte Version davon geplant, die später zur Me 323 „Gigant“ mit 6 Motoren ausgebaut wurde. Das größte Transportflugzeug des Krieges (abgesehen von Schwimmflugzeugen)! Allerdings stieß sich dieses Konzept mit der eigentlichen Idee des Lastenseglers. Ein Flugsaurier, der die Grenzen des Sinnvollen bereits überschritten hatte.
Im Übrigen wird beim Blick auf Kreta gerne das Schicksal der beiden improvisierten, maritimen Seestaffeln übersehen, die Silesia bereits kurz angesprochen hatte. Die Eroberung Kretas war keineswegs als reine Luftlandung geplant gewesen, sondern sollte durch geringe Seeversorgung ergänzt werden! Da die Wehrmacht im Mittelmeer 1941 verständlicherweise keinerlei Kräfte besaß, improvisierte man Transportvolumen aus vorgefundenem, in der Regel völlig unzureichendem, lokalen Zivilmaterial. Da die Vorbereitungszeit ohnehin extrem kurz war, war das Resultat dieser Bemühungen mehr als ungenügend. Zum Geleit forderte man italienische Marineeinheiten an und letztlich wurden die Schiffsansammlungen durch einzelne Torpedoboote der Regia Marina geleitet. Diese hatten freilich keine Chance gegen die britische Marine, welche diese Landungen erfolgreich verhindern konnte. Die deutschen Luftangriffe forderten allerdings erhebliche Verluste und zwangen die Royal Navy letztlich dazu, den Seeraum direkt bei Kreta zumindest am Tage möglichst zu meiden. Ohne den bewunderungswürdigen Einsatz des italienischen Torpedobootes Lupo (Spica-Klasse) wären die deutschen Verluste auf See noch größer geworden. Beide Seestaffeln wurden zerstreut und mussten fliehen.
Damit wäre erneut die Bedeutung der deutschen Luftüberlegenheit (oder“ Luftmonopol“ ) zur Sprache gekommen. Ohne dieses hätten die langsamen Transportflugzeuge kaum ungeschoren die Insel erreichen können. Der direkte, taktische Lufteinsatz ersetzte für die Luftlandetruppen die nicht vorhandene Artillerie, was besonders gegen die Feldbefestigungen der Briten verständlich ist. Weiterhin hielt die Luftwaffe die Royal Navy von einer dauernden Präsenz bei Kreta ab, deren Schiffsgeschütze sonst gewiss manches Wort auch in den Bodenkämpfen hätte sprechen können. Andererseits zeigte sich, dass auch die Lufthoheit nicht in der Lage war die Angriffe auf die Seestaffeln völlig zu verhindern. Ein Fakt, der nicht anders im Falle einer „Operation Seelöwe“ (der geplanten Landung in England) eingetreten wäre, wobei der britische See-Einsatz gewiss noch rücksichtsloser zu erwarten gewesen sein dürfte. Weiterhin war die Luftwaffe 1941 effektiver für den Einsatz gegen Seeziele vorbereitet, als dies nach Dünkirchen 1940 der Fall gewesen war. Der Erfolg auf Kreta war also nicht zuletzt den besonderen geographischen Bedingungen dort geschuldet. Wobei beide Seiten fern von ihren größeren Basen operieren mussten und die britische Seite so gut wie absolut auf ihre Luftwaffe verzichten musste. Jagdflugzeuge auf britischer Seite hätten gewiss gewaltige Verluste verursachen können: Nicht nur unter den Luftlandetruppen, sondern auch mit Auswirkungen auf die Möglichkeiten der Luftwaffe in Bodenkämpfe einzugreifen oder gar die britische Flotte zu bekämpfen! Ganz ungeachtet davon, dass die Briten bereits vor der Landung davon Informationen erhalten hatten, während die deutsche Seite die Kräfte der Verteidiger ebenso unterschätzte, wie sie vom Kampfeswillen der Einheimischen überrascht wurde!