Von Operation Catapult bis zu Unternehmen Anton - Strategie des Vichy Regimes

Zechi

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Im Rahmen des playtests für ein Computerspiel mache ich mir gerade Gedanken über die Strategie und Außenpolitik des Vichy Regimes im Zweiten Weltkrieg. Im Rahmen des Spiels sind natürlich diverse "Was wäre wenn" Szenarien denkbar, so dass z.B. die Alliierten auf Operation Torch verzichten können oder eine Landung in Südfrankreich vor 1944 möglich sind, wobei für das historische Vorgehen in der Regel die größeren Anreize bestehen. Im Rahmen des Spiels soll das Verhalten des Vichy Regimes im Zweiten Weltkrieg möglichst realistisch simuliert werden. Bei näheren Recherchen finde ich das Verhalten des Vichy Regimes "ungewöhnlich".

Mir ist bewußt, dass die Strategie des Regimes es war, sich möglichst unbeschadet aus dem Zweiten Weltkrieg herauszuhalten, aber da Vichy Frankreich sowohl von Achsenmächten als auch den Allierten in Kampfhandlungen verstrickt wurde, finde ich es ungewöhnlich dass das Vichy Regime nicht der Versuchung erlegen ist, den Achsenmächten buzw. später den Allierten beizutreten.

Bereits 1940 wird in Operation Catapult ein Großteil der französischen Mittelmeerflotte durch die Briten versenkt. Das geschah kurz nach der Niederlage Frankreichs, so dass ich noch nachvollziehen kann, dass das sich noch konstituierende Vichy Regime nicht sofort Großbritannien den Krieg erklärt hat.

Spätestens aber nach beginn der Operation Exporter Anfang Juni 1941, der Invasion Syriens und des Libanons durch die Briten, war doch ein Casus Belli gegeben, zumal nach den Wikipedia-Artikeln die Vichy-Truppen erbitterten Widerstand geleistet haben und logistisch von den Achsenmächten unterstützt wurden. Für mich ist es schwer nachvollziehbar, dass Vichy nicht den Achsenmächten beigetreten ist. Das gilt insbesondere deshalb, weil zu dem Zeitpunkt der Invasion das Britische Empire noch "allein" im Kampf gg. die Achsenmächte stand. Der Überfall auf die Sowjetunion stand zwar unmittelbar bevor, aber zu diesem Zeitpunkt waren die Achsenmächte stark und eine Niederlage der Briten nicht ausgeschlossen. Oder waren die Politiker des Vichy Regimes weise genug, nicht auf einen Sieg der Achsenmächte zu setzen?

Sollte das der Fall gewesen sein, so macht zum einen der erbitterte Widerstand in Syrien/Libanon keinen Sinn. Zum anderen frage ich mich, weshalb dann das Regime nicht bei der ersten Gelegenheit sich den Allierten anzuschließen. Auch bei Operation Torch leisteten die Vichy Truppen in Nordafrika Widerstand und man bat sogar um Unterstützung durch die Luftwaffe.

Spätestens aber als die Achsenmächte das Unternehmen Anton (Besetzung Vichy-Frankreichs) starteten wäre doch ein Überlaufen zu den Allierten mehr als gerechtfertigt?

Sowieso frage ich mich, wie man die "Neutralität" angesichts der bewaffneten Auseinandersetzungen mit den Briten und später den Achsenmächten politisch vor der eigenen Bevölkerung rechtfertigen konnte?

Oder hatte das Regime keine wirkliche Strategie und agierte mehr oder weniger planlos?
 
Bei näheren Recherchen finde ich das Verhalten des Vichy Regimes "ungewöhnlich".

Es gibt tatsächlich einige Widersprüche, zmuindest oberflächlicher Natur.

Mir ist bewußt, dass die Strategie des Regimes es war, sich möglichst unbeschadet aus dem Zweiten Weltkrieg herauszuhalten, aber da Vichy Frankreich sowohl von Achsenmächten als auch den Allierten in Kampfhandlungen verstrickt wurde, finde ich es ungewöhnlich dass das Vichy Regime nicht der Versuchung erlegen ist, den Achsenmächten buzw. später den Allierten beizutreten.

Die geostrategische Lage für das Vichy-Regime war mehr als ungünstig. Das Mutterland konnte nicht angemessen gegen Deutschland verteidigt werden und die Kolonien waren aufgrund der erzwungenen Abrüstung nicht unbedingt sicher.

Bereits 1940 wird in Operation Catapult ein Großteil der französischen Mittelmeerflotte durch die Briten versenkt. Das geschah kurz nach der Niederlage Frankreichs, so dass ich noch nachvollziehen kann, dass das sich noch konstituierende Vichy Regime nicht sofort Großbritannien den Krieg erklärt hat.

Man hat allerdings Gibraltar bombardiert und dazu mehr moderne Bomber eingesetzt als gegen Deutschland. Man kämpfte defacto ohne wirkliche Kriegserklärung gegen GB.

Spätestens aber nach beginn der Operation Exporter Anfang Juni 1941, der Invasion Syriens und des Libanons durch die Briten, war doch ein Casus Belli gegeben, zumal nach den Wikipedia-Artikeln die Vichy-Truppen erbitterten Widerstand geleistet haben und logistisch von den Achsenmächten unterstützt wurden. Für mich ist es schwer nachvollziehbar, dass Vichy nicht den Achsenmächten beigetreten ist. Das gilt insbesondere deshalb, weil zu dem Zeitpunkt der Invasion das Britische Empire noch "allein" im Kampf gg. die Achsenmächte stand. Der Überfall auf die Sowjetunion stand zwar unmittelbar bevor, aber zu diesem Zeitpunkt waren die Achsenmächte stark und eine Niederlage der Briten nicht ausgeschlossen. Oder waren die Politiker des Vichy Regimes weise genug, nicht auf einen Sieg der Achsenmächte zu setzen?

Defacto hätte eine Kriegserklärung die Lage aber nicht verändert. Syrien war verloren und konnte kaum verstärkt werden. Also gab es zwar nichts, was gegen eine Kriegserklärung gesprochen hätte, aber auch nichts was für den Krieg gesprochen hätte. Defacto befand man sich bereits im Kriegszustand mit GB. 1941 schloss man defacto ein Defensivbündnis mit Deutschland (Pariser Protokolle) in dem man gegen den Durchmarsch/Zwischenlandungsrechten in Syrien, Stützpunkte in Afrika und Anker- und Werftrechte niedrigere Reparationszahlungen und die Befreiung von Kriegsgefangenen sowie Hilfszusagen für alliierte Aggressionen auf die Kolonien erhielt.

Sollte das der Fall gewesen sein, so macht zum einen der erbitterte Widerstand in Syrien/Libanon keinen Sinn. Zum anderen frage ich mich, weshalb dann das Regime nicht bei der ersten Gelegenheit sich den Allierten anzuschließen. Auch bei Operation Torch leisteten die Vichy Truppen in Nordafrika Widerstand und man bat sogar um Unterstützung durch die Luftwaffe.

Frankreich wollte nunmal sein Territorium verteidigen. Das Vichy-Regime sah sich bis 1945 als legitime Regierung des ganzen Frankreichs. Dazu gehörte auch eine Verteidigung der Kolonien.

Spätestens aber als die Achsenmächte das Unternehmen Anton (Besetzung Vichy-Frankreichs) starteten wäre doch ein Überlaufen zu den Allierten mehr als gerechtfertigt?

In Nordafrika kooperierte Admiral Darlan nach Torch mit den Alliierten (ein Grund für Anton). Dort regierte das Vichy-Regime defacto bis 45 unter der Kontrolle der US-Streitkräfte.

Sowieso frage ich mich, wie man die "Neutralität" angesichts der bewaffneten Auseinandersetzungen mit den Briten und später den Achsenmächten politisch vor der eigenen Bevölkerung rechtfertigen konnte?

Mit der Begründung das beste für das Vaterland zu tun. Allerdings war das Regime nun einmal nicht neutral, sondern defacto ab 1940 im Konflikt mit GB.
 
Ohne eine Einarbeitung in die Innenpolitik der Dritten Republik kommst du da wohl nicht weiter. Das "ungewöhnliche" Verhalten des Vichy-Regimes resultiert aus Widersprüchen und schierem Realitätsverlust. Die Kreise um Petain waren, sicher nicht ganz zu Unrecht, der Meinung, daß die Volksfrontregierungen der Vorkriegsjahre die Widerstandskraft der Republik geschwächt haben und den deutschen Sieg 1940 in seiner demütigenden Totalitarität so erst ermöglich haben. Der Gegenentwurf war ein faschistisch-nationalistischer, eine Annäherung an Nazi-Deutschland wurde von Teilen der Vichy-Regierung angestrebt (siehe beispielsweise die "Protokolle von Paris" 1941, in dem eine militärische Zusammenarbeit mit D in Nahost und im Magreb vereinbart werden sollte). Letztendlich war eine Annäherung D-F auf Augenhöhe aber ideologisch nicht möglich. Nationalismus bedeutet eben, daß die eine Nation sich der anderen überlegen fühlt, deswegen gibt es auch keine "Faschistische Internationale" und D sah Frankreich nach der Niederlage nie als einen möglichen auch nur annähernd gleichberechtigten Partner. An diesem Widerspruch scheiterte jeder Ansatz einer kongruenten Außenpolitik Vichys, in den DOM/TOMS traten die Zentrifugalkräfte naturgemäß zu erst auf und reduzierten Vichy auf ihren tatsächlichen Status eines geduldeten Kollaborationsregimes.

Kurze und knappe Buchempfehlung: Henry Rousso, VICHY - Framkreich unter deutscher Besatzung
Immer wieder nett zu lesen und gut fürs Grundverständnis der französischen Innenpolitik: William Shirer, Der Zusammenbruch Frankreichs - die Geschichte der Dritten Republik 1871 - 1940

Hab aber keine Ahnung, wie du das in ein Compuerspiel packen könntest...
 
Bei allen opportunistischen Ansätzen von Vichy-Frankreich sollte man die faktische "doppelte Geiselhaft" des unbesetzten Frankreichs nicht übersehen:

1. das Deutsche Reich hatte einen großen Teil Frankreichs besetzt, dessen Bevölkerung erheblichen Repressalien im Fall der Anlehnung an die Alliierten ausgesetzt wäre.

2. die Alliierten waren im Kriegsverlauf in der Lage, das Kolonialreich Frankreichs komplett zu zerschlagen, was teilweise auch passierte. Wenn der Zustand für eine Nachkriegsregelung zumindest formal offengehalten werden sollte, war ein Übertritt zu den Achsenmächten ausgeschlossen.
 
O Die Kreise um Petain waren, sicher nicht ganz zu Unrecht, der Meinung, daß die Volksfrontregierungen der Vorkriegsjahre die Widerstandskraft der Republik geschwächt haben und den deutschen Sieg 1940 in seiner demütigenden Totalitarität so erst ermöglich haben.

Das ist eine ziemlich "starke" These, die zumindest aus meiner Sicht die historischen innenpolitischen Verhältnisse im damaligen Frankreich (1936 bis 1939) auf den Kopf stellt.

Es waren die "Volksfront-Politiker" unter Leon Blum und Daladier, die gegen Franco und die vom faschistischen Italien und dem NS-Deutschland unterstützten utra-rechten spanischen "Movimiento National" Front bezogen haben.

Front populaire ? Wikipedia

Léon Blum ? Wikipedia

Édouard Daladier ? Wikipedia

Und a. durch die konservativen britischen Kreise zu einer Neutralität verpflichtet wurden inklusive der Unterstützung des britischen Appeasements und b. durch die konservativen französischen Parteien massiv bekämpft wurden. Parteien, denen man eher eine Nähe zu faschistischen Bewegungen, denn zu sozialistsichen Strömungen zubiligen kann. Und Frankreich als Nation tief gespaltet haben.

Und c. nach der Sudetenkrise deutlich die Rüstungsanstrenungen in Frankreich vorantrieb. Fast in zeitlicher Übereinstimmung mit dem konservativ regierten GB. Und eine völlig ausreichendes Rüstungspotential bereit gestellt hat, um eigentlich erfolgreich gegen das 3. Reich zu bestehen.

Da würde mich doch Interessieren, wieso ausgerechnet die Volksfront, trotz ihrer klaren Haltung gegen Italien und Deutschland und ihrer Aufrüstung die "Widerstandskraft der Republik" vermeintlich geschwächt haben.

Vielmehr als Gegenthese: Der Zusammenbruch Frankreichs lag nicht in der mangelhaften Rüstung begründet, sondern in einer völlig antiquierten Militärdoktrin, die im wesentlichen durch vor allem konservative Militärs zu verantworten war, die mental nicht den WW1 ausreichend verarbeitet hatten und den letzten Krieg im Rahmen ihrer Doktrin antizipierten als "zukünftigen Krieg".

Und in diesem Faktum liegt auch die tiefere Ursache, warum Frankreich nach dem Zusammenbruch zu einer drittklassigen Militärmacht degeniert ist, die nicht mehr in der Lage war, eine eigenständige Außenpolitik zu formulieren und erfolgreich durchzusetzen. Die wurde in Berlin formuliert.
 
Das ist eine ziemlich "starke" These, die zumindest aus meiner Sicht die historischen innenpolitischen Verhältnisse im damaligen Frankreich (1936 bis 1939) auf den Kopf stellt.

Setze bitte statt "waren nicht ganz zu Unrecht der Meinung" "konnten glaubhaft versichern" oder eine adäquate Formulierung.
Kern der Aussage: Petain/Vichy suchten einen Grund, die Dritte Republik zu beerdigen und Haltung und Parolen der franz. Linken gaben ihnen dazu reichlich Stoff.
 
Wenn man defacto annimmt, dass ein Kriegszustand zwischen Vichy Frankreich und dem Britischen Empire bestand, ist meines Erachtens nicht ganz nachvollziehbar, weshalb Vichy sich nicht den Achsenmächten angeschlosssen hat, ggf. ähnlich wie das Finnland getan hat.

Das gilt insbesondere für den Zeitraum nach der Niederlage im Juni 1940 bis zum Eintritt der USA in den Krieg. Eine Niederlage der Achsenmächte war zumindest bis zum Scheitern des Angriffskriegs gg. die Sowjetunion und dem Kriegseintritt der USA keine sichere Sache. Im Gegenteil, bevor die Sowjetunion und die USA in den Krieg eintraten, waren die Briten in keiner starken Position und zumindest eine Niederlage aus damaliger Sicht nicht unwahrscheinlich.

Daher verstehe ich auch nicht ganz Silesias zweiten Kommentar. Inwiefern haben die Allierten das französische Kolonialreich zerschlagen? Insbesondere in der kritische Phase für die Briten als Sie "alleine" standen, war das meines Erachtens nicht der Fall und trotzt der Britischen Angriffe gegen Vichy kam es nicht zur Kriegserklärung. Schwer nachvollziehbar was für eine Strategie dahinterstand.
 
Finnland war nie im Krieg mit GB oder den USA und sah sich nicht als Teil des deutschen Bündnisses sondern nur als parallel-kriegsführende Nation.
 
Finnland war nie im Krieg mit GB oder den USA und sah sich nicht als Teil des deutschen Bündnisses sondern nur als parallel-kriegsführende Nation.


Das meinte ich ja, aber habe das nicht deutlich genug ausgedrückt. Weshalb hat Vichy nicht nur GB den Krieg erklärt, ähnlich wie eben Finnland nur der Sowjetunion den Krieg erklärt hat. Gründe aufgrund er Britischen Angriffe dafür gab es genug und zudem war ja im Zeitraum Sommer 1940 bis Sommer 1941 sowieso GB "allein".
 
Wenn man defacto annimmt, dass ein Kriegszustand zwischen Vichy Frankreich und dem Britischen Empire bestand, ist meines Erachtens nicht ganz nachvollziehbar, weshalb Vichy sich nicht den Achsenmächten angeschlosssen hat, ...

Wenn man das von der formalen Seite völkerrechtlich betrachten will:
Die britischen Maßnahmen hatten Interventionscharakter. Beide Seiten haben keinen Kriegszustand unterstellt, noch Kriegserklärungen abgegeben.

Daher verstehe ich auch nicht ganz Silesias zweiten Kommentar. Inwiefern haben die Allierten das französische Kolonialreich zerschlagen?

Der Hinweis auf die "doppelte Geiselnahme" bezog sich auf die allseitige Wahrnehmung der tatsächlichen Lage. Das sind aus Sicht von Vichy-Frankreich rein optionale Überlegungen, die sich mit den möglichen politischen Konsequenzen des Kriegsausganges beschäftigen.
 
dass ein Kriegszustand zwischen Vichy Frankreich und dem Britischen Empire bestand, ist meines Erachtens nicht ganz nachvollziehbar, weshalb Vichy sich nicht den Achsenmächten angeschlosssen hat, ggf. ähnlich wie das Finnland getan hat.

Deine Prämisse ist bereits verkehrt.

1. Hitler hatte kein Konzept für eine kooperative Integration europäischer Staaten in das "Neue Europa".

2. Frankreich war im wesentlichen das Objekt der Plünderung und der Unterstützung der Kriegspläne von Hitler.

3. Hitler hatte eine relativ tiefe Abneigung gegen Frankreich, das er als nicht zuverlässig einstufte und somit aus seiner Sicht absolut keine Bereitschaft für irgendwelche Bündnisverpflichtungen vorhanden waren.

4. Aus diesem Grund hatte Hitler wenig Interesse an einer weitergehenden Kooperation, obwohl Vichy ihm im Rahmen seiner Kollaboration entgegenkam.

Vichy-Regime ? Wikipedia

5. Von daher ist Finnland ein völlig anderer Fall, da die WM Finnland nicht "niedergeworfen" hat und anders als Frankreich nicht direkt zur "Festung Europa" zählte.
 
Weshalb hat Vichy nicht nur GB den Krieg erklärt,

Die Frage stellt sich angesichts der Niederlage, harten Waffenstillstandsbedingungen und Besetzung durch das Deutsche Reich, mit Hitler in Paris, schlicht nicht.

Dagegen waren die britischen Interventionen Marginalien.

Lässt man den ersten Absatz kontrafaktisch weg, bleibt die Verwundbarkeit des Kolonialreiches gegenüber Großbritannien (und Japan). Hinzu mag der Wunsch gekommen sein, der Verschärfung der innerfranzösischen Unruhe über den Waffenstillstand auszuweichen: London ist mal als "neue französische Hauptstadt" ab Juli 1940 bezeichnet worden.
 
Dagegen waren die britischen Interventionen Marginalien.

Das finde ich etwas stark formuliert und zwar aus zwei Gründen.

Zum einen waren die Briten ja zuvor Verbündete der Franzosen und nun fallen Sie ihnen in den Rücken.

Zum anderen unterstützten die Briten die Freifranzosen und arbeiteten letztlich aktiv daran mit, dass das Vichy-Regime gestürzt wird. Bereits im September 1940 versuchte ja De Gaulle unterstützt von den Briten Dakar zu erobern bzw. die dortigen Vichy-Kräfte zum Überlaufen zu bewegen.

Letztlich ging es doch um die Existenz des Regimes und das kann man kaum als Marginalie abtun.

Nachvollziehbarer finde ich den Einwand, dass die Achsenmächte Vichy Frankreich gar nicht ernsthaft als Verbündeten wollten, insbesondere nicht in der eher kriegsgünstigen Lage Sommer 1940 - Sommer 1941.
 
Das finde ich etwas stark formuliert und zwar aus zwei Gründen....

Letztlich ging es doch um die Existenz des Regimes und das kann man kaum als Marginalie abtun.

Das mag stark klingen, ist jedoch auf die völkerrechtliche Lage des Kriegszustandes mit dem Deutschen Reich und dem Vergleich zum Dakar-Vorfall als Intervention bezogen gewesen. Der Durchmarsch deutscher Truppen in Paris mit dahinter stehendem Kriegszustand ist nicht mit der Intervention eine Stufe darunter, militärisch begrenzten Handlungen gegen Seestreitkräfte oder Kolonien, zu vergleichen.

Der Kriegszustand - wäre er eingetreten - ist dann auch keine Frage von Regimen (oder deren Untergrabung), sondern von Staaten. Das Regime hat für den Staat Frankreich (dabei ungeprüft, ob es das rechtlich überhaupt hätte tunen können und dazu handlungsfähig war) auch keinen Krieg gegen GB erklärt, weswegen das Ganze auf der Interventionsstufe verbleibt bzw. verblieben ist.

Ob das gegebenfalls einen Kriegsgrund hätte abgeben können, ist vermutlich mit "ja" zu beantworten, obwohl es auch Gegenbeispiele einer Blockade oder (erheblicher) Intervention ohne Kriegszustand gibt. Das ist aber eine theoretische Frage - es gab jedenfalls keinen völkerrechtlichen Automatismus von der Intervention zum Krieg (kein "müssen" oder "sollen").

Schließlich war die Fragestellung, warum Vichy-Frankreich keinen Krieg erklärt hat, ... und nicht, ob es völkerrechtlich dazu hinreichende Gründe gegeben hätte.
 
Erstmal danke für alle Antworten. Eine Frage habe ich in diesem Kontext noch. Gab es konkrete Planungen des Vichy-Regimes im Falle einer Landung der Allierten in Süd-Frankreich? Wie hätte sich das Regime dann verhalten? Wenn ja, wäre das Regime den Allierten zusammen mit den Achsenmächten entgegengetreten (mit der Rumpfarmee die ihm in Frankreich verblieb), wollte man abwarten oder hätte man gar die Allierten unterstützt?

Nach Operation Torch und evtl. sogar davor war ja eine Landung in Süd-Frankreich durchaus denkbar. Daher haben die Achsenmächte in Unternehmen Anton auch die unbesetzte Zonte Frankreichs besetzt.

Die Entscheidung der Allierten fiel dann 1943 für Sizilien und nicht Süd-Frankreich, welches erst nach dem D-Day 1944 erobert wurde. Dennoch fände ich es interessant, ob mögliche Planspiele des Vichy-Regimes bekannt sind, wie man sich im Falle der Invasion durch die Allierten der unbesetzten Zone verhalten wollte?
 
Im November 1942 wurde Rest-Frankreich besetzt und besatzungsseitig auf deutsche und italienische Truppenstationierungen aufgeteilt. Vichy-Frankreich war damit auf dem Kontinent kein militärischer Akteur mehr. Die Marine war in Toulon etc. vesenkt, Reste gingen an Italien und die Kriegsmarine.

Im Juli 1943, Entscheidung "Husky" gab es daher keine Vichy-treuen frz. Streitkräfte, die gegen eine Invasion hätten eingesetzt werden können.

Nimmt man die Situation vor "Torch", war eine Landung in Südfrankreich logistisch ausgeschlossen. Von daher glaube ich nicht, dass es konkrete frz. Planungen gab, außer natürlich vorsorglichen Überlegungen, quasi im Sandkasten. Die Frage stellte sich im Sommer/Herbst 1942 nicht (Tobruk-El Alamein-Pedestal usw.).

Zu dem Zeitpunkt gefährdet in Bezug auf alliierte Landungen war eigentlich nur Nordwestafrika. Dort bestand auch eine gewisse Distanz zur Einwirkungsmöglichkeit der Luftwaffe. Hier ordnete man Widerstand gegen alliierte Landungen an, mit den bekannten Ergebnissen.
 
Gibt es eigentlich Berichte darüber, was die Vichy-Truppen im Alltag zwischen Juni 40 und Nov. 42 getrieben haben? Normaler Ausbildungsbetrieb ? Grenzsicherung gg. D und I? Vielleicht repressive Einsätze im Inneren?
 
Gibt es eigentlich Berichte darüber, was die Vichy-Truppen im Alltag zwischen Juni 40 und Nov. 42 getrieben haben? Normaler Ausbildungsbetrieb ? Grenzsicherung gg. D und I? Vielleicht repressive Einsätze im Inneren?

Gemäß Art. 4 des Waffenstillstandvertrages mit dem Deutschen Reich soll das Vichy-Heer im unbesetzten Teil zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung dienen.

Den Text des Vertrages findest du z.B. hier: http://www.zaoerv.de/10_1940/10_1940_1_4_b_851_2_860_1.pdf

Was die Vichy Rest-Armee tatsächlich neben dieser Aufgabe getrieben hat, wäre in der Tat interessant. Micht würde hier vor allem auch die von Silesia angesprochenen "Sandkasten-Spiele" interessieren, falls es dazu überhaupt Quellen gibt.
 
Kleine Ergänzung. Im französischen wikipedia Artikel über die Armée de Vichy findet sich ein interessanter Abschnitt zu verdeckten Tätigkeiten der Vichy-Armee im unbesetzten Teil Frankreichs. So wurden offenbar versteckte Waffendepots angelegt. Näheres findet sich hier: Armée de Vichy - Wikipédia

Trotz der Depots hat die Vichy-Armee zu Lande keinen Widerstand während des Unternehmens Anton geleistet. Dennoch gab es sicherlich "Sandkasten-Planungen".
 
Bzgl. der "Sandkastenspiele" bin ich auf ein interessantes neu entdecktes Dokument (März 2012) gestoßen, über das z.B. die BBC berichtet:BBC News - The British general who planned to arm Vichy France

Hiernach gab es einen Allierten "Sandkasten"-Plan, die Vichy Armee zu bewaffnen (8 Divisionen) und eine Landung bei Bordeaux/La Rochelle zu wagen, um offenbar Südfrankreich unter Allierte Kontrolle zu bekommen. Interessant in diesem Zusammenhang, dass Churchill und De Gaulle von dem Plan offenbar nichts erfahren haben.
 
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