Siegfried Lenz, Der Überläufer

steffen04

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In Lenz´Nachlass wurde ein vollständiger Roman gefunden und kommt jetzt auf den Markt: https://magazin.spiegel.de/digital/index_SP.html#SP/2016/9/143351364

Das Buch soll laut Spiegel sehr gut sein.

Interessant ist m.E., warum die Geschichte eines Wehrmachtsdeserteurs 1951 nicht veröffentlicht wurde.

Der aus heutiger Sicht bemerkenswert offene Schriftwechsel zwischen Lenz und Görner, seinem Ansprechpartner bei Hoffmann und Campe, ist in der Printausgabe ausschnittsweise wiedergegeben.
 
Interessant ist m.E., warum die Geschichte eines Wehrmachtsdeserteurs 1951 nicht veröffentlicht wurde.

Der Sachverhalt bietet einen Einblick in die politische Kultur des westlichen Nachkriegs-Deutschland bzw. in die Sichtweise konservativer Kreise.

Die "Legende", die durch die Memoiren-Literatur angeboten wurde, formulierte, dass es einen "Befehlsnotstand" im 3. Reich gab und "man" Befehle auszuführen hatte, da man auf seinen "obersten Kriegsherren" - den "Führer"Adolf Hitler - seinen Eid abgelegt hat.

Vor diesem Hintergrund erschien es logisch und zwangsläufig, dass die WM bis zum bitteren Ende ihrem "Führer" gefolgt ist. Das hatte natürlich auch Vorteile hinsichtlich der Verantwortung für die kriminellen Taten, die im Rahmen des Krieges auch von der WM ausgeführt worden sind und Hitler angelastet wurden.

Die Zwangsläufigkeit dieser Rechtfertigung der unkritischen Wehrmachtssoldaten im Nachkriegsdeutschland erfuhr von vier Seiten zunächst eine Infragestellung:

- den militärischen Widerstand vor allem aus dem adeligen Umfeld, Stichwort 20. Juli 44
- das Nationakommitee Freies Deutschland
und natürlich auch:
- die Soldaten, die sich entzogen haben, indem sie desertiert sind und so den Krieg in Frag gestellt haben
und zusätzlich natürlich durch den Kreis der Verweigerer.

Vor diesem Hintergrund wurde und konnte der Konsens der Nachkriegsgesellschaft nicht in Frage gestellt werden und auch nicht obige Legende, da der soziale und politische Frieden, den Adenauer anstrebte, dadurch gefährdet worden wäre.

Und somit war das Nichtpublizieren nur konsequent, wenngleich es in anderen Verlagen vermutlich sogar hätte publiziert werden können. Allerdings nicht in einem "konservativen" Umfeld.
 
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