Mauerbau 1961

C

Chriskayone

Gast
Bezieht sich bei der Frage "hat Kennedy den Westen verkauft?" Westen auf Westberlin? Oder den ganzen Westen?
Damit ist doch gemeint, dass er die durch sein Nichteingreifen nach dem Mauerbau im Stich gelassen hat oder?

Lg Chris
 
Bezieht sich bei der Frage "hat Kennedy den Westen verkauft?" Westen auf Westberlin? Oder den ganzen Westen?
Damit ist doch gemeint, dass er die durch sein Nichteingreifen nach dem Mauerbau im Stich gelassen hat oder?

Lg Chris

JFK hat weder Westeuropa, noch West-Berlein "verkauft". Sondern er hat die unterschiedlichsten Abmachungen der Antihitlerkoalition über die Aufteilung der Einflußsphären im Nachkriegseuropa peinlich eingehalten.

"Stellvertreter-Kriege" gab es an der Peripherie (Korea, Vietnam, sowie in den ehemaligen Kolonien).

Deine Frage ist aus dem Kontext gebracht und somit schwer beantwortbar, aber ich würde sie auf West-Berlin beziehen.

JFK hätte niemals zugelassen, daß ein europäischer NATO-Staat unverteidigt vom Warschauer Pakt angegriffen worden wäre.

Welche Entscheidungsfreiheit hatte JFK, die UdSSR und die DDR haben alle internationalen Vereinbarungen weitestgehend eingehalten (man hätte völkerrechtlich vllt. über den Viermächte-Staus von Berlin etwas ableiten können, zur Begründung eines Krieges, aber dann säßen wir beide wahrscheinlich heute nicht vor dem Comp.), die haben ja nicht West-Berlin angegriffen, sondern die eigene Bevölkerung "eingemauert". Die haben nicht den status quo geändert, sondern "zementiert". Weil, die hatten ihre Lektion aus den Berlin-Krisen gelernt, daß eine militärische Veränderung des Status von West-Berlin einen III. Weltkrieg zur Folge haben könnte.

M.
 
danke für die ausführliche Antwort Melchior :) Ich habe mich vllt etwas undeutlich ausgedrückt. Mögliche Folgen sind mir klar... Ich frage mich nur, warum sich Westberlin verkauft fühlt, wenn der Osten eingemauert wird.
 
Man muss zwar Schüler nicht unbedingt "hinter die Kulissen" sehen lassen, aber trotzdem
Ablauf der Unterrichtseinheit | bpb

Vielleicht aus genau deswegen? Ich habe jedenfalls einen halbwegs hysterischen Lachkrampf bekommen, als ich mir den Link angeschaut habe.


1. Stunde

Einstieg
1961 flüchteten mehr DDR-Bürgerinnen und Bürger nach West-Berlin als jemals zuvor seit Gründung der DDR. Die Schülerinnen und Schüler erörtern diese Fluchtbewegung anhand eines Filmausschnitts aus der »Jahresschau 1961«.

Wie lang ist wohl dieser Filmausschnitt und wieviel Zeit bleibt den Schülern, das alles zu "erörtern"? ("Eine These oder Problemstellung durch eine Kette von Für-und-Wider- bzw. Sowohl-als-Auch-Argumenten auf ihren Wert und ihre Stichhaltigkeit hin abwägend prüfen und auf dieser Grundlage eine eigene Stellungnahme dazu entwickeln. Die Erörterung einer historischen Darstellung
setzt deren Analyse voraus. Vgl. "erörtern", Opertorenliste NRW: http://www.google.de/url?sa=t&rct=j...B9CMLO_2D0VVAAbzY1w6U-w&bvm=bv.42768644,d.Yms)

Aber egal:

Erarbeitung und Sicherung
Die Lernenden wählen aussagekräftige Daten der Statistik zur Fluchtbewegung aus der DDR und dem Ostsektor von Berlin (1949 bis 1961 und Juni bis August 1961) aus und übertragen diese mit einem geeigneten Office-Programm in ein Diagramm.

Offenbar haben wir es mit Lernenden zu tun, denen bereits völlig klar ist, nach welchen Kriterien "aussagekräftige" Daten erhoben werden sollten. Diese Daten mit einem "geeigneten Programm" irgendwohin übertragen zu können, ist ohnehin selbstverständlich (und übrigens auch das zentrale Lernziel, siehe unten).

Anschließend überlegen sie, welche Diagrammform sich zur Visualisierung der Statistik am besten eignet, und präsentieren ihre Ergebnisse am Interaktiven Whiteboard der Klasse.

Haben wir grad Mathe, Informatik oder Geschichte? Und wer hat denen das so schnell beigebracht?

Vertiefung
Die Schülerinnen und Schüler vergleichen verschiedene Diagrammformen und diskutieren über die Angemessenheit der Umsetzung.

Ja, tatsächlich! Diese erste Stunde zum Mauerbau endet mit der Frage danach, ob Diagrammformen angemessen umgesetzt worden sind..
 
danke für die ausführliche Antwort Melchior :) Ich habe mich vllt etwas undeutlich ausgedrückt. Mögliche Folgen sind mir klar... Ich frage mich nur, warum sich Westberlin verkauft fühlt, wenn der Osten eingemauert wird.

Du hast m.E. das richtige Wort gewählt, ich habe es in dem Zitat hervorgehoben. Meine Antwort ist weit ab von Wissenschaft und rationaler Begründung.

Ich denke, die Westberliner hatten ein Gefühl der Ohnmacht, abhängig von "der Gnade der Alliierten" und das schon seit spätestens 1948 und dann während der Berlin-Blockade. Aber man konnte bis zum 12. August in den jeweils anderen Teil der Stadt gelangen, zu Verwandten, Freunden, Bekannten, Kollegen oder auch nur zum Schrebergarten.

Die Situation in Berlin war obskur/surreal. Eine Stadt, zwei politische und wirtschaftliche Systeme, die sich hochgerüstet gegenüberstanden. Man stieg Lehrter Bahnhof (West-Berlin) in die S-Bahn und fuhr eine Station zur Friedrichstraße (Ost-Berlin) und war für 20 Pfennige und in 3 Minuten jenseits des "Eisernen Vorhanges".

Der Bau der Mauer zerriß dann die letzten Bande, nämlich die persönlichen Verbindungen (Familien, Freunde etc.). Das führte m.E. zu der extremen Verbitterung der West-Berliner und natürlich das Ohnmachtsgefühl.

Hätten sowjetische Truppen oder Einheiten der DDR auch nur einen Fuß nach West-Berlin gesetzt, wäre der III. Weltkrieg dagewesen, aber das taten sie nicht und es gab keinen Eingriff östlicherseits in die Rechte der Alliierten, bis auf einen und der betraf die Checkpoints, der war aber marginal.

So mag der Eindruck, insbesondere in der unmittelbaren Zeit nach dem Mauerbau, des Versagens der Alliierten entstanden sein, aber die haben nicht versagt, sondern bis 1990 ihre Rechte behauptet.

M.
 
Mauerbau 1961 Brandt Brief

Hallo,

was meint Brandt mit folgender Aussage in seinem Brief an Kennedy:
Wir haben jetzt einen Zustand vollendeter Erpressung, und schon höre ich, dass man Verhandlungen nicht werde ablehnen können.
LG
 
Hallo Chris,

der Brief ist vom 16. August 1961. Was ist denn wenige Tage vorher geschehen und in welcher Rolle war der spätere Bundeskanzler Brandt, als er den Brief schrieb?

EQ
 
Mauerbau 1961 Brandt Brief

Naja das Anliegen ist mir klar. Er verlangt nach dem Mauerbau das Eingreifen bzw Unterstützung der westlichen Mächte.
Eigentlich war er in seiner Position als Bürgermeister ja auch gar nicht befugt den Brief zu schreiben. Nur von wem hört er man Verhandlungen nicht werde ablehnen können?
 
...Eigentlich war er in seiner Position als Bürgermeister ja auch gar nicht befugt den Brief zu schreiben. Nur von wem hört er man Verhandlungen nicht werde ablehnen können?

Doch er war befugt. Er war "Regierender Bürgermeister" einer Stadt, in der die Alliierten erhebliche Rechte besaßen. Das ist völkerrechtlich sehr kompliziert.

Die Verfassung von West-Berlin wurde in Bezug auf die Zugehörigkeit zur Bundesrepublik von den Alliierten 1950 tw. suspendiert bzw. unter Vorbehalt gestellt. Noch 1971 wurde im Berlin Abkommen die konstituierende Zugehörigkeit von West-Berlin zur Bundesrepublik verneint. Faktisch war aber West-Berlin ein Bundesland, da das Abgeordnetenhaus von Berlin alle Bundesgesetze, m.w. immer einstimmig, nachträglich bestätigte. Die Zugehörgkeit West-Berlins zum Wirtschaftssystem der Bundesrepublik, auch zum Wertesystem war evident. Die Völkerrechtssituation war nur sehr komplex.

Beispiele:

- West-Berliner mußten nicht zum Bund, durften es aber freiwillig
- es gab keine Bundeswehrpräsenz in West-Berlin
- es galten die Alliierten restriktiven Waffengesetze aus der Nachkriegzeit
- etc.

West-Berlin ? Wikipedia

Verhandlungen hätten die westlichen Alliierten gegenüber der UdSSR in der Alliierten Kommandantur nicht ablehnen können.

Alliierte Kommandantur ? Wikipedia

Also, W.B. hat mindestens schon das Recht via der Alliierten einen derartigen Brief schreiben zu können/dürfen; der Regierende Bürgermeister war kein MP eines Bundeslandes.

M.
 
Zuletzt bearbeitet:
Doch er war befugt. Er war "Regierender Bürgermeister" einer Stadt, in der die Alliierten erhebliche Rechte besaßen. Das ist völkerrechtlich sehr kompliziert.

Die Verfassung von West-Berlin wurde in Bezug auf die Zugehörigkeit zur Bundesrepublik von den Alliierten 1950 tw. suspendiert bzw. unter Vorbehalt gestellt. Noch 1971 wurde im Berlin Abkommen die konstituierende Zugehörigkeit von West-Berlin zur Bundesrepublik verneint. Faktisch war aber West-Berlin ein Bundesland, da das Abgeordnetenhaus von Berlin alle Bundesgesetze, m.w. immer einstimmig, nachträglich bestätigte. Die Zugehörgkeit West-Berlins zum Wirtschaftssystem der Bundesrepublik, auch zum Wertesystem war evident. Die Völkerrechtssituation war nur sehr komplex.

Beispiele:

- West-Berliner mußten nicht zum Bund, durften es aber freiwillig
- es gab keine Bundeswehrpräsenz in West-Berlin
- es galten die Alliierten restriktiven Waffengesetze aus der Nachkriegzeit
- etc.

West-Berlin ? Wikipedia

Verhandlungen hätten die westlichen Alliierten gegenüber der UdSSR in der Alliierten Kommandantur nicht ablehnen können.

Alliierte Kommandantur ? Wikipedia

Also, W.B. hat mindestens schon das Recht via der Alliierten einen derartigen Brief schreiben zu können/dürfen; der Regierende Bürgermeister war kein MP eines Bundeslandes.

M.

Uneingeschränkt kann ich in erster Linie zustimmen, dass das kompliziert war, u.a. weil es Unterschiede zwischen der Behandlung von Ost- und Westberlin gab. Was man auch aus dem Brief Brandts entnehmen kann.
Und auch, dass die, die zuvor keine Verhandlungen wollten, sie dann doch in Betracht zogen.
Chronik der Mauer - Bau und Fall der Berliner Mauer | Opfer der Mauer
 
Mauerbau 1961 Brandt Brief

War denn nach dem Mauerbau noch ein Zugang der Westalliierten nach Ostberlin möglich? Die Sowjets durften ja noch nach Westberlin.
 
Der Zugang der Westalliierten zu Ostberlin gehörte zu Kennedys "3 Essentials". Er war aber nur noch über den "Checkpoint Charlie" möglich.
 
Mögliche Folgen sind mir klar... Ich frage mich nur, warum sich Westberlin verkauft fühlt, wenn der Osten eingemauert wird.

Guck Dir mal die politischen Karten an. Hat sich der Osten eingemauert? Oder der Osten den Westen? Aus Sicht der West-Berliner bitte.
Und West-Berlin hatte wegen seiner besonderen Situation einige Sonderregelungen wie z.B. die Deutsche Post Berlin, mit "eigenen" Marken.

Der regierende Bürgermeister ist und war kein einfacher Bürgermeister. Er ist mit einem Ministerpräsidenten eines Bundeslandes zu vergleichen, insbesondere der Stadtstaaten Hamburg und Bremen, auch wenn sie dort anders heissen.

Und nicht zu vergessen, die Leute von 1961 hatten noch die Berlin-Blockade und die Luftbrücke im Hinterkopf, deshalb kamen garantiert böse Erinnerungen hoch.

Apvar
 
Mauerbau 1961 Brandt Brief

Ok, danke. Ich war mir nicht sicher, ob er in den Forderungen der three essentials nicht nur vom freien Zugang zu Westberlin spricht bzw. die waren ja auch vor dem Mauerbau. Es hätte ja sein können, dass die Sowjets sich nicht daran halten.
 
Ok, danke. Ich war mir nicht sicher, ob er in den Forderungen der three essentials nicht nur vom freien Zugang zu Westberlin spricht bzw. die waren ja auch vor dem Mauerbau. Es hätte ja sein können, dass die Sowjets sich nicht daran halten.

Neben dem, was meine Mitdiskutanten bereits hinsichtlich der Essentials erwähnten, möchte ich ergänzen, es gab für die drei Westalliierten via Militärverbindungsmission auch Zugang zur gesamten DDR.

Militärverbindungsmission ? Wikipedia

M.
 
... es gab für die drei Westalliierten via Militärverbindungsmission auch Zugang zur gesamten DDR.

Das kann ich bestätigen.
War mal richtig überrascht als in Hainichen, war in den 60igern, ein Jeep mit Amerikanern auf dem Marktplatz hielt.
Im Gedächtnis ist mir haften geblieben, bevor die ausstiegen wechselten die die Schuhe.

Anmerkung: Hainichen/Sachsen, Gellertstadt. L. van Beethoven vertonte eines der Gedichte von Gellert: „Die Himmel rühmen“.
 
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