Die bedeutendsten modernen deutschen Historiker

Ashigaru

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Ich mache mir gerade ein wenig Gedanken, wer wohl die bedeutendsten und einflussreichsten modernen deutschen Historiker (und auch Archäologen) sein könnten. Ich würde gern ein paar Namen sammeln, dann bastel ich vielleicht Spasses halber eine Umfrage aus. Ich weiß, es gibt sinnhaftigere Themen, aber so eine Art "Ranking" interessiert mich gerade einfach.

Hier mal ein paar Namen mit kurzer Begründung:

Fritz Fischer (1908 - 1999): Löste durch die Fischer-Kontroverse (Thema: Kriegsschuld im Ersten Weltkrieg) denn ersten größeren Historikerstreit in der Nachkriegsgeschichte aus.

Hans-Ulrich Wehler (* 1931): Verfasser der umfangreichen Gesamtdarstellung "Deutsche Sozialgeschichte".

Guido Knopp (* 1948): vor allem durch zahlreiche zeitgeschichtliche Dokumentarserien aus dem Fernsehen bekannt.

Alexander Demandt (* 1937): Althistoriker, bedeutendes rezeptionsgeschichtliches Werk "Der Fall Roms", zuletzt viele "leichtere" kulturwissenschaftliche Titel.

Joachim Fest (* 1926): Hitler-Biografie, Vorlage zum Film "Der Untergang".

Götz Aly (* 1947): wichtige Theorien zu "Hitlers Volksstaat", Euthanasie-Erforscher.

Golo Mann (1909 - 1994): Wallenstein, Mitarbeit Propyläen-Weltgeschichte

Ernst Nolte (* 1923): Totalitarismustheorien, Eröffner des Historikerstreits.

Hannes Heer (* 1941): Konzeption d. Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht".

Eberhard Jäckel (* 1929): Hitlerforscher, bes. Engagement für das Holocaust-Denkmal.

Markus Junkelmann (* 1949): Pionier der experimentellen Archäologie in der BRD.


Das wäre eine erste Sammlung. Es fällt auf, dass die meisten halbwegs prominenten Historiker zur NS-Zeit gearbeitet haben, ebenso sind die meisten schon um die 60. Es fällt ebenfalls die Absenz von Damen der Zunft auf (mir fällt nur Brigitte Hamann ein, die aber Österreicherin ist).
 
Was heißt denn da modern, müssen de im 20 jh. aktiv gewesen sein? Ansonsten schmeiß ich mal noch Karl Marx in die Runde, Wolfgang Leonhardt, Sebastian Haffner(eher Publizist) in die Runde. Naja, ansonsten hätte ich her sehr unbekannte noch in petto. Also nicht bedeutend. Oder warte, wie hieß der einstige Chef von Nolte, der auch 68er war, hmm ich komm nicht auf den Namen?
 
@ Wieger: mit modern meine ich schon Leute, die eben nach 1945 bekannt geworden sind. Daher fällt auch Marx (den ich trotz starker historischer Erklärungsansätze doch mehr als Philosoph sehen würde) hier raus. Ja, Haffner finde ich schwierig. Er ist eigentlich kein gelernter Historiker, manche seiner Arbeiten haben mich sehr beeindruckt, besonders der Film "Generale - Anatomie der Marneschlacht".
Wolfgang Leonhard - ja (wenn ich ihn persönlich auch als Zeitzeuge bedeutsamer als als Historiker finde).
 
@Wieger: Marx hat zwar Jura studiert und kunstgeschichtlich promoviert, aber meist doch eher als Nationalökonom und Philosoph geschrieben. Er hat kein Quellenstudium (außer bei seiner Promotion) im Historikersinne betrieben.
@Ashigaru: Dass Deine bedeutensten modernen Historiker alle über den NS geschrieben haben, mag wohl daran liegen, dass dies das Thema des öffentlichen Interesses ist, während andere Historiker doch eher ein Nischendasein führen und daher nicht diesen Bekanntheitsgrad erlangen.
 
Zuletzt bearbeitet:
El Quijote schrieb:
@Ashigaru: Dass Deine bedeutensten modernen Historiker alle über den NS geschrieben haben, mag wohl daran liegen, dass dies das Thema des öffentlichen Interesses ist, während andere Historiker doch eher ein Nischendasein führen und daher nicht diesen Bekanntheitsgrad erlangen.

Ob man Lothar Gall oder Thomas Nipperdey ein Nischendasein bescheinigen kann?
Die Liste ließe sich beliebig verlängern.
 
*

@ Wieger: Also Sebastian Haffner ist auch meiner Meinung nach kein Historiker. Eher Philosoph, der die Situation seiner Zeit analysiert und uns eine sehr gelungene, in meinen Augen perfekte, Interpretation der Vorgänge liefert!
Aber kennzeichnend für ihn ist der Punkt, dass er nicht Geschichte bearbeitet, sondern sein Leben, also für ihn das hier und jetzt. Er schrieb sein berühmtes Werk "Geschichte eines Deutschen" wohl 1938 oder 1939.

Ich würde ihn eher rausnehmen und ihm einen großen Platz in einer anderen Kategorie einnehmen lassen, wie Philosophen (oder andere Vorschläge).

Ashigaru schrieb:
Guido Knopp (* 1948): vor allem durch zahlreiche zeitgeschichtliche Dokumentarserien aus dem Fernsehen bekannt.

Oh, mein Lieblingshistoriker!:pfeif:
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=11374

Dort setzen wir uns mit der Frage auseinander, wer Guido Knopp genau ist, oder welche Bezeichnung auf ihn passt.

Historiker ist, in meinen Augen natürlich, unangemessen. Guido Knopp ist sehr relativ und versorgt mit einer Art Grundwissen. Er ist nicht spezifisch auf ein Thema bezogen und seine Methoden wurden auch teilweise kritisiert (z.B. nachgespielte Szenen, von denen man nicht weiß, bo sie wirklich so stattgefunden haben, reinschneiden von Filmmaterial welches in einen anderen Zusammenhang gehört, graphische Mittel, mit denen er beeinflußt).

Man könnte ihn vielleicht anders bezeichnen, als einen "Grundwissensversorger", aber ein richtiger Historiker ist nicht.

* Ich sag lieber noch, dass das meine subjektive Meinung zum Thema ist, nicht dass es wieder Rote hagelt, die behaupten, ich verdrähe irgendetwas:pfeif:
 
Zuletzt bearbeitet:
@ Martas: Knopp ist insofern "richtiger Historiker", als dass er Geschichte studiert und darin promoviert hat. Seine Bücher sind zwar häufig oberflächlich, dennoch entbehren sie nicht eines eigenen Stils. Dennoch würde ich zustimmen, dass er sich heute selbst wohl eher als Journalist sieht, weshalb er auch als Dozent Journalistik lehrt und nicht Geschichte.
 
Ashigaru schrieb:
Das wäre eine erste Sammlung. Es fällt auf, dass die meisten halbwegs prominenten Historiker zur NS-Zeit gearbeitet haben, ebenso sind die meisten schon um die 60. Es fällt ebenfalls die Absenz von Damen der Zunft auf (mir fällt nur Brigitte Hamann ein, die aber Österreicherin ist).
Das hört man sogar, dass Brigitte Hamann KEINE Österreicherin ist.

http://de.wikipedia.org/wiki/Brigitte_Hamann

Wenn ihr schon die Österreicher ausschließen wollt...
 
Schini schrieb:
Wenn ihr schon die Österreicher ausschließen wollt...
Die Österreicher würde ich schon hereinlassen, wenn ich sie kännte.
In Erinnerung ist mir nur Friedrich Heer, "Gottes erste Liebe" z.B., aber der ist auch in Österreich längst vergessen.
 
Ich will hier mal Christian Meier vorschlagen. Für mich einer der klügsten Althistoriker unserer Zeit, der sich im übrigen auch zu aktuellen politischen Fragen geäußert hat. Bekannt ist natürlich v.a. seine Cäsar-Bio und "Die Geburt des Politischen bei den Griechen".
 
Dann will ich auch noch zwei Kolonialhistoriker zuliefern. Es geht ja um "bedeutend", nicht um "sympathisch" ;), darum:

Professor Dr. Horst Gründer - Universität Münster
Gilt weitestgehend als der "Kolonial-Pabst" in Deutschland.

und

Dr. Joachim Zeller - Lehrer und Schriftsteller/Herausgeber.
steht durch (teils provokante) Bücher und TV-Beiträge häufig im Rampenlicht
 
Michael North http://www.perlentaucher.de/autoren/3212.html
vor allem das hat mir sehr gut gefallen: "Genuss und Glück des Lebens. Kulturkonsum im Zeitalter der Aufklärung"
Walter Markov (1909-1993) - wichtige Werke zur Französischen Revolution, auch wenn auch ich einige Kritik an ihm bisweilen äußern muss. Als Widerstandskämpfer gehörte er wohl selber zur deutschen Geschichte. http://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Markov
Siegrfried Fischer-Fabian
- "Die ersten Deutschen"
- "Die Deutschen Kaiser. Triumph und Tragödie der Herrscher des Mittelalters"

Dass vor allem die beiden letzten Herren bis jetzt fehlen, löst bei mir Verwunderung aus.

Zu dem mit dem Hauptfokus auf dem 2. WK. Ja ich muss da mal eine Anekdote erzählen, die ganz gut passt. In Görlitz, habe ich im größten Bücherladen der Stadt mich mal verdächtig lange bei der Geschichtsabteilung aufgehalten (mir überlegt, ob ich den Fred Funcken-Band im Sonderangebot nehmen soll (lustiges Bilderbuch)), da kam ein älterer Herr auf mich zu und lobte mich, dass ich mich für Geschichte interessieren würde, als ich ihm aber bescheinigen musste, dass mein Interesse eher von 1900 gelagert ist bekam ich dann zu hören, dass alles vor 33 kaum interessant sei. Na ja und ich war froh einer längeren Diskussion zu entgehen, indem ich den guten Mann in seinem Glauben um seinen missionarischen Erfolg ließ.
:winke:
 
Ich will mal zwei verdienstvolle Göttinger Namen in die Runde werfen: Alfred Heuss und Jochen Bleicken. Bei den Mediävisten und Kriminalitätshistorikern würde ich noch meinen Mentor Ernst Schubert, den Besten von Allen anführen, der dieses Jahr leider verstorben ist.
 
Götz Ally halte ich für einen hervorragenden Historiker, wobei ich doch hoffe, daß der im Eingangsbeitrag gennante Knopp eher aus Gründen der Popularität aufgezählt wurde.

Sebastian Haffner mag zwar kein Historiker sein, würde ich aber dennoch gelten lassen, einfach aufgrund der Qualität seiner "Anmerkungen zu Hitler".

Holm Sundhaussen finde ich auch sehr gut.

Übrigens ein sehr interessantes Thema. :)
 
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Wenn man so will, ist Götz Aly der Joschka Fischer der deutschen Historiker: Ein 68er, der es ganz nach oben geschafft hat, und der doch vom einst verhassten Establishment nie so ganz als einer der ihren akzeptiert werden wird.

Ja das stimmt, mit Aly ist das so eine Sache. Er sorgt mit recht unorthodoxen Forschungsmethoden und extravaganten Thesen gerne für Aufsehen. In seinem Buch "Hitlers Volksstaat" hat er behauptet, die deutsche Bevölkerung habe den Nationalsozialismus ge- bzw. ertragen, weil die Nazis einen sehr komfortablen Sozialstaat eingerichtet hätten.
Methodisch ignoriert Aly angeblich ganz gerne den Stand der Forschung; dadurch fühlen sich natürlich einige etablierte Kollegen vors Schienenbein getreten.

Wale
 
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