Ugh Valencia
Aktives Mitglied
Als Kind Nordhessens war für mich lange klar, dass Dornröschen (KHM 50, Ordnungs[zahl] muss sein)ein Märchen aus der Region ist, das die Gebrüder Grimm vor rund 200 Jahren aufzeichneten. Die Sababurg schien, eine plausible Kulisse für die Entstehung dieses Märchens zu bieten. Erste Zweifel kamen vor ein paar Jahren als ich mich mit einer Bekannten aus Mexico unterhielt, die mich darauf hinwies, dass die Schlafende Schöne eine Art Topos ist, der in älteren Fassungen als die Grimmsche auch in romanischsprachiger Literatur vorkommt.
Kürzlich kam mir dieses Gespräch wieder in den Sinn, und ich bin dann auf folgenden Link gestossen: Schn Dornrschen
Erwähnt wird dort, dass zu Dornröschen in der Ölenberger Handschrift der Grimms von 1810 eine Notiz zu finden sei :"»Mündlich - Dies scheint g[an]z aus Perrault's Belle au bois dormant«"
La Belle au Bois Dormant - Charles Perrault - InLibroVeritas
(mein französisch ist sehr schlecht, daher habe ich nur eine deutsche Zusammenfassung gelesen). Dieses Märchen erschien 1696/97. Marie Hassenpflug, die den Grimms die Dornröschengeschichte erzählte, hatte hugenottische Vorfahren. Sie könnte entweder Perrault selbst gelesen haben oder seine Belle au bois dormant wurde in ihrer Familie mündlich an sie weitergegeben.
Perrault wiederum scheint als Vorlage Sonne, Mond und Thalia aus Giambattista Basiles Il Pentamerone gedient zu haben. Er entschärfte für sein Publikum Basiles Erzählung um erotische Komponenten. (Bei Basile wird die scheintote Thalia von einem jagenden König geschwängert und bringt die Zwillinge Sonne und Mond auf die Welt). Il Pentamerone erschien 1634-36 nach Basiles Tod.
Die erotische Komponente, wenn auch weniger zotig als bei Basile, lässt sich auch im 1330 erschienen Le Roman de Perceforest wiederfinden. In diesem altfranzösischen Werk findet man die Histoire de Troïlus et de Zellandine. Troïlus verliebt sich in die schon lange schlafende Zellandine und befindet sich in einem inneren Kampf zwischen Leidenschaft und Ritterlichkeit. Die Leidenschaft siegt, Zellandine wird schwanger und bringt schlafend einen Sohn zur Welt. Dieser lutscht ihr die Ursache ihres Dauerschlafes - eine Flachsfaser - unter dem Fingernagel weg. Zellandine erwacht und sie und Troïlus werden schlußendlich ein glückliches Paar. Das gleiche Thema wird ein paar Jahre später auch im katalanischen Frayre de Joy e Sor de Plaser behandelt.
Die Spur der schlafenden Schönen führt noch weiter weg von der Sababurg. Im arabisch/persischen 1001 Nacht findet sich die Geschichte der messingnen Stadt , in der ziemlich am Ende der Erzählung eine tote Schönheit zumindest eine Nebenrolle spielt.
Kurzum die These, dass es sich bei Dornröschen um einen Topos handelt, der mitnichten originär aus Nordhessen stammt, scheint sich für mich zu bestätigen. Die Gründe, warum die Gerbüder Grimm, ein "deutsches Märchen" daraus machten wollten, könnten im aufkommenden Nationalismus ihrer Zeit zu finden sein.
Kennt ihr weitere Geschichten/Märchen in der die "Schlafende Schöne" eine Rolle spielt? Kann man nicht auch Schneewittchen mit dieser Figur in Verbindung bringen?
P.S.: :red:Habe gerade bemerkt, dass ich mich beim Threadtitel verschrieben habe. Zennaldine sollte natürlich Zellandine heißen. Oje... ich lache gerade über mich selbst :rofl:
Kürzlich kam mir dieses Gespräch wieder in den Sinn, und ich bin dann auf folgenden Link gestossen: Schn Dornrschen
Erwähnt wird dort, dass zu Dornröschen in der Ölenberger Handschrift der Grimms von 1810 eine Notiz zu finden sei :"»Mündlich - Dies scheint g[an]z aus Perrault's Belle au bois dormant«"
La Belle au Bois Dormant - Charles Perrault - InLibroVeritas
(mein französisch ist sehr schlecht, daher habe ich nur eine deutsche Zusammenfassung gelesen). Dieses Märchen erschien 1696/97. Marie Hassenpflug, die den Grimms die Dornröschengeschichte erzählte, hatte hugenottische Vorfahren. Sie könnte entweder Perrault selbst gelesen haben oder seine Belle au bois dormant wurde in ihrer Familie mündlich an sie weitergegeben.
Perrault wiederum scheint als Vorlage Sonne, Mond und Thalia aus Giambattista Basiles Il Pentamerone gedient zu haben. Er entschärfte für sein Publikum Basiles Erzählung um erotische Komponenten. (Bei Basile wird die scheintote Thalia von einem jagenden König geschwängert und bringt die Zwillinge Sonne und Mond auf die Welt). Il Pentamerone erschien 1634-36 nach Basiles Tod.
Die erotische Komponente, wenn auch weniger zotig als bei Basile, lässt sich auch im 1330 erschienen Le Roman de Perceforest wiederfinden. In diesem altfranzösischen Werk findet man die Histoire de Troïlus et de Zellandine. Troïlus verliebt sich in die schon lange schlafende Zellandine und befindet sich in einem inneren Kampf zwischen Leidenschaft und Ritterlichkeit. Die Leidenschaft siegt, Zellandine wird schwanger und bringt schlafend einen Sohn zur Welt. Dieser lutscht ihr die Ursache ihres Dauerschlafes - eine Flachsfaser - unter dem Fingernagel weg. Zellandine erwacht und sie und Troïlus werden schlußendlich ein glückliches Paar. Das gleiche Thema wird ein paar Jahre später auch im katalanischen Frayre de Joy e Sor de Plaser behandelt.
Die Spur der schlafenden Schönen führt noch weiter weg von der Sababurg. Im arabisch/persischen 1001 Nacht findet sich die Geschichte der messingnen Stadt , in der ziemlich am Ende der Erzählung eine tote Schönheit zumindest eine Nebenrolle spielt.
Kurzum die These, dass es sich bei Dornröschen um einen Topos handelt, der mitnichten originär aus Nordhessen stammt, scheint sich für mich zu bestätigen. Die Gründe, warum die Gerbüder Grimm, ein "deutsches Märchen" daraus machten wollten, könnten im aufkommenden Nationalismus ihrer Zeit zu finden sein.
Kennt ihr weitere Geschichten/Märchen in der die "Schlafende Schöne" eine Rolle spielt? Kann man nicht auch Schneewittchen mit dieser Figur in Verbindung bringen?
P.S.: :red:Habe gerade bemerkt, dass ich mich beim Threadtitel verschrieben habe. Zennaldine sollte natürlich Zellandine heißen. Oje... ich lache gerade über mich selbst :rofl:
Zuletzt bearbeitet: