Gruppendynamische Ansätze als Erklärung von geschichtlichen Vorgängen??

rena8

Aktives Mitglied
Wahrscheinlich bin ich auf der falschen Spur, da ich mich mit Psychologie gar nicht auskenne, von der "berüchtigten Küchenpsychologie" mal abgesehen :still:.
Seit http://www.geschichtsforum.de/488293-post4.html geht mir nicht aus dem Kopf, ob man solche Prozesse gruppenpsychologisch erklären könnte und ob das schon gemacht wurde und wo ich das nachlesen kann.

Nach meinem Laienverständnis müsste dazu ein ganzes Volk als Gruppe betrachtet werden. Dann lande ich bei Politische Psychologie ? Wikipedia und bei Adolf Bastian ? Wikipedia. Das hilft mir nicht weiter, da ich Herrn Bastian eine völkerkundliche Prägung unterstelle, ohne etwas von seinen Schriften gelesen zu haben.
Ich würde das Thema auch nicht auf Deutschland und die Juden beschränken wollen. Im Gegenteil, die deutsche Befindlichkeit nach dem 1.WK ist schon so oft diskutiert worden und besonders wie es zum Holocaust kommen konnte, ist sozusagen vermintes Terrain.

Ich frage mich, ob man bestimmte massenhysterische Zeitgeistphänomäne auch mit gruppendynamischen Ansätzen erklären kann.

Zitat aus Gruppendynamik ? Wikipedia
In jeder Gruppe gibt es charakteristische Rollen.<SUP id=cite_ref-1 class=reference>[2]</SUP> Raoul Schindler nannte sie:
    • Alpha (der Führer),
    • Beta (die Spezialisten),
    • Gamma (die Arbeiter),
    • Omega (der Sündenbock).
Manche Rollen werden immer besetzt. Wenn beispielsweise der Sündenbock ausgeschlossen wird, tritt ein anderes Gruppenmitglied an dessen Stelle. Dies gilt nicht für die Spezialisten (Beta). Diese Rolle muss in einer Gruppe nicht unbedingt besetzt sein.
Daneben gibt es noch weitere Rollen, die bestimmte Funktionen im Gruppenprozess erfüllen. Bekannt sind: der "Klassenkasper", der "Intrigant", der "Mitläufer", der "Beliebte". Solche Rollen werden im Gruppenprozess einzelnen Mitgliedern zugewiesen, sie haben erst in zweiter Linie auch mit den Persönlichkeitseigenschaften der Rollenträger zu tun.

Kurt Lewin ? Wikipedia hat nach dem Krieg über die Lösung sozialer Konflikte und Umerziehung geschrieben. Hat das jemand gelesen und geht das in Richtung "Volkspsychologie"?
 
das ist schon so.

Wahrscheinlich hat sich das daraus entwickelt, dass der Anführer verantwortlich war für das Schicksal seiner Sippe/Familie in kritischen Situationen; und die Sippe/Familie hatte die grösste Chance, wenn sie geeint auftrat. Der Sippen- bzw. Familienführer war derjenige, der den besten Mix zwischen Erfahrung, Intelligenz, Risikoberechnung etc. hatte.

Heutzutage lässt sich diese Situation auf Parteien oder anderer Gruppierungen ummünzen: es genügt jeweils, die örtlichen Alpha-Tiere auf die eigene Linie einzuschwenken, damit kriegt man dann den anhängenden Rest. Die funktioniert am besten bei populistischen Bewegungen oder bei religiös strengen Bewegungen, wo das Führergefühl wohl am meisten präsent ist. Vielorts werden diese Führer "vergöttert" (man denke dabei z.B. an Sekten).
 
@rena8, versuche doch einmal, diese<link rel="File-List" href="file:///C:%5CDOKUME%7E1%5CAdmin%5CLOKALE%7E1%5CTemp%5Cmsohtml1%5C01%5Cclip_filelist.xml"><!--[if gte mso 9]><xml> <w:WordDocument> <w:View>Normal</w:View> <w:Zoom>0</w:Zoom> <w:HyphenationZone>21</w:HyphenationZone> <w:Compatibility> <w:BreakWrappedTables/> <w:SnapToGridInCell/> <w:WrapTextWithPunct/> <w:UseAsianBreakRules/> </w:Compatibility> <w:BrowserLevel>MicrosoftInternetExplorer4</w:BrowserLevel> </w:WordDocument> </xml><![endif]--><style> <!-- /* Style Definitions */ p.MsoNormal, li.MsoNormal, div.MsoNormal {mso-style-parent:""; margin:0cm; margin-bottom:.0001pt; mso-pagination:widow-orphan; font-size:12.0pt; font-family:"Times New Roman"; mso-fareast-font-family:"Times New Roman";} @page Section1 {size:595.3pt 841.9pt; margin:70.85pt 70.85pt 2.0cm 70.85pt; mso-header-margin:35.4pt; mso-footer-margin:35.4pt; mso-paper-source:0;} div.Section1 {page:Section1;} --> </style><!--[if gte mso 10]> <style> /* Style Definitions */ table.MsoNormalTable {mso-style-name:"Normale Tabelle"; mso-tstyle-rowband-size:0; mso-tstyle-colband-size:0; mso-style-noshow:yes; mso-style-parent:""; mso-padding-alt:0cm 5.4pt 0cm 5.4pt; mso-para-margin:0cm; mso-para-margin-bottom:.0001pt; mso-pagination:widow-orphan; font-size:10.0pt; font-family:"Times New Roman";} </style> <![endif]--> Gruppendynamische Ansätze als Erklärung für den sich stetig steigerden Nationalismus der europäischen Nationen Ende des 19.Jahrhunderts bis zum Ausbruch des 1.Weltkrieges zu nutzen.

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nur ein hobbypsyochologischer Eindruck:

ich geh mal davon aus, das in der Gruppendynamik die verschiedenen Rollenmodelle von der Mehrheit akzeptiert werden (ansonsten würden sie nicht bestehen).
Dies schließt dann auch mit ein, das ,z.B., eine Gamma-Rolle von einem Arbeiter für sich selbst angenommen wird. Er definiert seine eigene Position so.

Ich zweifel daran, das stark ähnliche Prozesse bei Völkern, Staaten auftreten.

Mir kommt es s
 
Zuletzt bearbeitet:
ich geh mal davon aus, das in der Gruppendynamik die verschiedenen Rollenmodelle von der Mehrheit akzeptiert werden (ansonsten würden sie nicht bestehen)...
Ich zweifel daran, das stark ähnliche Prozesse bei Völkern, Staaten auftreten.
Deine Zweifel teile ich. Was seit Kurt Lewin als "Gruppendynamik" bezeichnet wird, bezieht sich auf sog. "reale (Klein-) Gruppen", d. h. auf drei bis ca. 15 Leute, die ständig miteinander interagieren.

Die "Dynamik" kann sich etwa darin äußern, dass die Gruppe als Ganzes dahin kommt, in einem bestimmten Entscheidungskomplex mehr Risiken einzugehen ("risky shift"), als das ein einzelnes "durchschnittliches" Gruppenmitglied täte. Im Vietnam-Beispiel hatte sich die Diskussion unter "all the president's men" in diese Richtung entwickelt.

Heutzutage lässt sich diese Situation auf Parteien oder anderer Gruppierungen ummünzen: es genügt jeweils, die örtlichen Alpha-Tiere auf die eigene Linie einzuschwenken, damit kriegt man dann den anhängenden Rest.
Wenn man Entscheidungen in einer Großgruppe beinflussen will, ist es sicher richtig und ökonomisch, sich der Zustimmung der Leute zu versichern, von denen man annimmt, dass sie ihrerseits weitere Leute beeinflussen können, d. h. der formellen oder informellen Führer bzw. der "gatekeeper".

Solche Arten von "Taktik" bzw. mikropolitischem Handeln würde ich nicht als Gruppendynamik bezeichnen - aber es ist ja ein ungeschützter Begriff.:winke:
 
das ist schon so.

Wahrscheinlich hat sich das daraus entwickelt, dass der Anführer verantwortlich war für das Schicksal seiner Sippe/Familie in kritischen Situationen; und die Sippe/Familie hatte die grösste Chance, wenn sie geeint auftrat. Der Sippen- bzw. Familienführer war derjenige, der den besten Mix zwischen Erfahrung, Intelligenz, Risikoberechnung etc. hatte.

An die klassische Familie hatte ich gerade nicht gedacht, weil dort ein fast automatisch wirkendes Korrektiv eingebaut ist.
Das Problem bei gruppendynamischen Prozessen, wie beim von jschmidt angeführten Vietnambeispiel, ist ja dieses sich gegenseitig Verstärken der einzelnen Gruppenmitglieder, wobei die Gruppe einseitiger, fehlerhafter, riskanter handeln kann, als es der einzelne je täte.
Bei Familien besteht diese Gefahr nicht so leicht, durch die altersgemischte Zusammensetzung auf bipolarer Basis.

Heutzutage lässt sich diese Situation auf Parteien oder anderer Gruppierungen ummünzen: es genügt jeweils, die örtlichen Alpha-Tiere auf die eigene Linie einzuschwenken, damit kriegt man dann den anhängenden Rest. Die funktioniert am besten bei populistischen Bewegungen oder bei religiös strengen Bewegungen, wo das Führergefühl wohl am meisten präsent ist. Vielorts werden diese Führer "vergöttert" (man denke dabei z.B. an Sekten).

Bei Sekten, Vereinen, Berufsverbänden und vielleicht bei Parteien und ihren Wählern als Gruppe würde ich dieses Phänomen heute eher suchen.


nur ein hobbypsyochologischer Eindruck:

ich geh mal davon aus, das in der Gruppendynamik die verschiedenen Rollenmodelle von der Mehrheit akzeptiert werden (ansonsten würden sie nicht bestehen).
Dies schließt dann auch mit ein, das ,z.B., eine Gamma-Rolle von einem Arbeiter für sich selbst angenommen wird. Er definiert seine eigene Position so.

Der Ausgangspunkt meiner Überlegungen war ja Deutschland im 3.Reich.
Wenn ich deine Aussage übertrage, würde das bedeuten, dass die Mehrheit des Volkes die Gammaposition der "Gruppe deutsches Volk" angenommen hätte, Alpha war Hitler mitsamt NSDAP, SS usw., wir hätten auch ein paar Beta-Spezialisten und die Omegarolle wurde den Juden zugewiesen. Da das Korrektiv durch Andersdenkende in einem totalitären System unterdrückt wird, könnte sich eine Gruppendynamik im deutschen Volk entwickelt haben, die direkt ins Verderben führte.

Das schreibt sich leicht, kann man so schlicht argumentieren?

Ich zweifel daran, das stark ähnliche Prozesse bei Völkern, Staaten auftreten.

Ich auch, deshalb zerpflückt meine Fantasie von Alpha-AH und den Gamma-Deutschen bitte nach Belieben. :grübel:

Die "Dynamik" kann sich etwa darin äußern, dass die Gruppe als Ganzes dahin kommt, in einem bestimmten Entscheidungskomplex mehr Risiken einzugehen ("risky shift"), als das ein einzelnes "durchschnittliches" Gruppenmitglied täte. Im Vietnam-Beispiel hatte sich die Diskussion unter "all the president's men" in diese Richtung entwickelt.

Hast du noch mehr Beispiele? Ich bin im Moment blockiert vom schrecklichen Nazideutschland-Beispiel.
Ich schaffe es noch nicht mal, der Anregung von Köbis zu folgen und die Gruppendynamik auf die Nationenbildungsphase im 19.Jhdt. anzuwenden.
 
eins noch zu "Gruppen-Gruppen-Dynamik":

Im Grunde kann es zwischen Staaten/Völkern(/Rassen?) keine Rollenverteilung geben, da sie, z.T., gegeneinander agieren, jeder weitestgehend seine eigenen Interessen verfolgt.

Es gibt gar keine Gruppe.


Ich finde die Idee mit der steigernden und ausgrenzenden Wirkung der Gruppendynamik in der NS-Zeit nicht vollkommen unbegründet.

Ich habe nur den Verdacht, das Antisemitismus (auch davon) eine gesonderte Stellung einnimmt.

Ich erinner mich an antisemitische Tendenzen in der Antike, die sich durch einen unbegründeten Haß, im Gegensatz zu der Wahrnehmung der Christen, auszeichnete. Aber da müßt ich nochmal genauer nachschlagen.

Ist vielleicht ein Ansatz die Antisemitismus-Forschung, auf Gruppendynamiken zu durchforsten.

@jschmidt:

Das mehrere Leute sich stärker fühlen, als einer alleine, das Risiko dann niedriger ist, meine ich, die falsche Perspektive.
Das beschreibt, wie eine ganze Gruppe sich zu etwas externem verhält, nicht wie die Gruppe sich untereinander bewegt.


P.S.: Beitrag #5 war ungefähr 6mal so lang.
Kann man den noch irgendwie rausfischen?
 
Ich möchte hier einmal an den Thread http://www.geschichtsforum.de/f22/von-der-brutpflege-zur-gesellschaftsbildung-25234/ erinnern, wo dasselbe Thema mit einem etwas anderen Vorzeichen behandelt wurde.

Die Ausgangsthese ist die, dass dasselbe biologische Instrumentarium, das für die Brutpflege verwendet wird, zum Zwecke der Partnerwahl "wiederverwendet" wird und bei sozialen Säugetieren für die Strukturierung von Gruppen ein drittes Mal zur Anwendung kommt.

Dies führt letztendlich dazu, dass zur Lenkung von Staaten dieselben archaischen Impulse des Individuums eine Rolle spielen, die zu einem ganz anderen Zwecke "gedacht" sind, und deshalb zur Bewältigung dieser Aufgabe gar nicht angemessen sind.

Wir wollen im Regierungschef offensichtlich den starken und dominanten Vater, Beschützer und Ernährer ("alpha") wiederfinden, der uns schon "damals" vor den Wölfen geschützt und das Mammut erlegt hat. Die automaische Reaktion des Kindes (bzw. Untertanen) ist es, sich in die "gamma"-Rolle zu begeben. Viele öffentliche Selbstdarstellungen von Amtsträgern bedienen diese archaischen Mechanismen - und das genau zu diesem Zweck.
 
......Was seit Kurt Lewin als "Gruppendynamik" bezeichnet wird, bezieht sich auf sog. "reale (Klein-) Gruppen", d. h. auf drei bis ca. 15 Leute, die ständig miteinander interagieren.

Dass die Gruppendynamik für reale Gruppen entwickelt wurde, ist mir soweit klar. Man kann sie auf Schulklassen, Arbeitsteams und ähnliche Gruppen anwenden.

......Wenn man Entscheidungen in einer Großgruppe beinflussen will, ist es sicher richtig und ökonomisch, sich der Zustimmung der Leute zu versichern, von denen man annimmt, dass sie ihrerseits weitere Leute beeinflussen können, d. h. der formellen oder informellen Führer bzw. der "gatekeeper".

Solche Arten von "Taktik" bzw. mikropolitischem Handeln würde ich nicht als Gruppendynamik bezeichnen - aber es ist ja ein ungeschützter Begriff.:winke:

Das meinte ich auch nicht, meine Idee war ja, ein ganzes Volk als eine Großgruppe aufzufassen und die gruppendynamischen Mechanismen als Erklärung von geschichtlichen Vorgängen heranzuziehen.
Darauf gekommen bin ich durch die Sündenbockrolle, die den Juden im 3.Reich und davor zugeschrieben wurde. Diese Omegarolle ist ja nicht die Rolle eines von Anfang an außerhalb der Gruppe stehenden, sondern der Sündenbock gehört originär zur Gruppe und wird erst im Laufe der Dynamik zum Sündenbock, Opfer, Aussenseiter.

eins noch zu "Gruppen-Gruppen-Dynamik":

Im Grunde kann es zwischen Staaten/Völkern(/Rassen?) keine Rollenverteilung geben, da sie, z.T., gegeneinander agieren, jeder weitestgehend seine eigenen Interessen verfolgt.

Es gibt gar keine Gruppe.

Ich meinte nicht die Menschheit als globale Großgruppe, sondern Staatsvölker als jeweils eine Gruppe. Wobei die Nationenbildung in Europa des 18. und 19. Jhdt. wie eine Gruppenbildung funktioniert haben könnte.


Ich finde die Idee mit der steigernden und ausgrenzenden Wirkung der Gruppendynamik in der NS-Zeit nicht vollkommen unbegründet.

Ich habe nur den Verdacht, das Antisemitismus (auch davon) eine gesonderte Stellung einnimmt.

Das ist sicher so, es gibt viele Gründe, Erklärungen und keine Entschuldigung. Dieser gruppendynamische Ansatz kann , wenn überhaupt, nur einen ganz kleinen Teil erklären. Vielleicht ist er überhaupt nicht anwendbar, weil die einzelnen Gruppenmitglieder sich nicht kennen.

Ich erinner mich an antisemitische Tendenzen in der Antike, die sich durch einen unbegründeten Haß, im Gegensatz zu der Wahrnehmung der Christen, auszeichnete. Aber da müßt ich nochmal genauer nachschlagen.

Ist vielleicht ein Ansatz die Antisemitismus-Forschung, auf Gruppendynamiken zu durchforsten.

Ich würde gern ein Beispiel aus einem ganz anderen Bereich finden, wo ein Volk als Großgruppe agierte, abseits von Antisemitismus und Nationenbildung.
P.S.: Beitrag #5 war ungefähr 6mal so lang.
Kann man den noch irgendwie rausfischen?

Den langen Beitrag hatte ich zuerst auch gelesen, auf einmal war er verschwunden.
 
Komplementär zu meinem obigen Beitrag möchte ich auch auf den umgekehrten Ansatz eingehen, nämlich die Beschreibung einer Gruppendynamik, die die individuellen Beweggründe - sozusagen die Psychologie - einfach ausklammert und sich auf die aus der Interaktion erwachsende "Komplexität" als eigenständiges Phänomen konzentriert. Es geht nicht darum, die Psychologie als nicht existent abzutun, sondern das ist lediglich ein Akt der Vereinfachung, um sich eben ausschließlich auf die Interaktion als solcher konzentrieren zu können

Robert Axelrod ("Die Evolution der Kooperation") veranstaltete in den 1970er Jahren einen Computerwettbewerb. Das Szenario bestand aus einer Zahl von Händlern, die herumliefen, sich zufällig trafen und miteinander Waren austauschten. Jeder hatte die Möglichkeit, entweder zu kooperieren, also seinen Anteil ordnungsgemäß abzuliefern, oder aber zu betrügen und den Karton mit Zeitungspapier zu füllen. Beim nächsten Treffen wurde der Handelspartner wiedererkannt und man konnte seine Entscheidung, zu kooperieren oder nicht, dementsprechend ausrichten.

Bei dem Wettbewerb konnte nun eine Strategie in Form eines Computerprogramms eingereicht werden. Gewonnen hatte, wer am Schluss am meisten Geld in der virtuellen Tasche hatte.

Gewonnen hat das einfachste Programm, es hieß "Tit for Tat" (wie du mir, so ich dir). Die Strategie lautete : Kooperiere beim ersten Treffen immer. Tue bei den folgenden Treffen immer genau das (kooperieren oder betrügen), was der Andere beim vorigen Treffen gemacht hat.

Auch die Simulation "Boids" (Vgel) fragt nicht nach der Herkunft der Motivationen, sondern jedem der Vögel sind vier Verhaltensweisen mathematisch eingegeben, nämlich 1. Folge dem Anführer, 2. Halte Abstand von den anderen Vögeln , 3. Strebe zum Zentrum des Schwarms und 4. Gleiche deine Geschwindigkeit den anderen an. Als Ergebnis sieht man ein naturnahes Bewegungsmuster des Schwarms. Man kann die Gewichtung dieser vier Motivationen übrigens verändern, so dass sich auch das Muster der kollektiven Bewegung ändert.

Auch der durch die Wirtschaftswissenschaften geisternde "Homo Oeconomicus" ist so beschaffen. Es entspricht zwar nicht der Realtät, dass jeder ausschließlich nach seinem materiellen Vorteil entscheidet, trotzdem ist dieser virtuelle Mitbürger von Nutzen, wenn es um das Verständnis von wirtschaftlichen Zusammenhängen geht.
 
Zusammenfassend halte ich drei Aspekte der Gruppendynamik für relevant :

1. Die Herkunft der individuellen Motivationen (Beitrag #9)
2. Die Eigendynamik der Interaktion als solcher (Beitrag #11)
3. Die Beeinflussung der Gruppe von außen
(Lenkung durch Instrumentalisierung der für die Bildung der Eigendynamik "vorgesehenen" archaischen Funktionen, http://www.geschichtsforum.de/486658-post10.html)
 
Ich meinte nicht die Menschheit als globale Großgruppe, sondern Staatsvölker als jeweils eine Gruppe. Wobei die Nationenbildung in Europa des 18. und 19. Jhdt. wie eine Gruppenbildung funktioniert haben könnte.

Glaube ich nicht.

Nehmen wir einfach mal aktuelle Beispiele. Großgruppen unseres Staates: Rentner, Arbeitslose oder nach politischen Parteien sortiert.
Ich hätte jetzt gesagt, das diese Gruppen sich ausreichend selbst genug definieren, sich gegenseitig zusprechen, so daß sie keine Rollenzuweisung von woanders annehmen, aber mir fällt auf, das in den letzten 3 Jahren oder so, schon eine Omega-Prägung der Arbeitslosen stattgefunden haben könnte (kurz zum politischen: 500.000 offene Stellen und 3,5 Mil. Arbeitslose erübrigt meines Erachtens nach die ganze Sozialschmarotzerdebatte).

Hm.
 
Nehmen wir einfach mal aktuelle Beispiele. Großgruppen unseres Staates: Rentner, Arbeitslose oder nach politischen Parteien sortiert.
Das ist die entscheidende Frage : Sind das Gruppen ? Fühlen sie sich als Gruppe ? Agieren sie als Gruppe ?

Fühlt sich ein Rentner als Rentner, ist er anderen Rentnern gegenüber solidarisch, oder fühlt er sich seiner Familie, seinem Dorf, seiner Region, seiner ehemaligen Firma, seinem Berufsstand, seinem Geschlecht, seinem Bildungsniveau,... als "klassifizierendes" Merkmal mehr verpflichtet ?

Das war nach meiner bescheidenen Meinung Marxens großer Irrtum : dass er an die Existenz einer als Gruppe handlungsfähige und -willige "Arbeiterklasse" glaubte.
 
Glaube ich nicht.

Ich glaube hingegen schon, dass die Nationenbildung in Europa damals einen gruppendynamischen Prozess ausgelöst hat.

Nehmen wir einfach mal aktuelle Beispiele. Großgruppen unseres Staates: Rentner, Arbeitslose oder nach politischen Parteien sortiert.
Ich hätte jetzt gesagt, das diese Gruppen sich ausreichend selbst genug definieren, sich gegenseitig zusprechen, so daß sie keine Rollenzuweisung von woanders annehmen, aber mir fällt auf, das in den letzten 3 Jahren oder so, schon eine Omega-Prägung der Arbeitslosen stattgefunden haben könnte

Du lässt dabei aussen, das seither wesentliche emanzipatorische Prozesse stattgefunden haben. Das Zeitalter vor der Aufklärung war hierarchisch geprägt, und vor vielen Herrschern musste der einfache Bürger (oder Unfreie oder gar Sklave) Angst haben. Vor 500 Jahren oder weiter zurück gab es noch keine Gewerkschaften wie heute; und die Gerichte waren in erster Linie Handlanger der Obrigkeit.

Damals gab es noch nicht so viele Interessengemeinschaften wie heute. Die Leute von damals waren wohl meist mit dem täglichen überleben beschäftigt und hatten damit zu kämpfen.

Zwar gab es im Mittelalter und in der Antike auch Volksaufstände; Auslöser dazu sind auch Hungersnöte infolge von Missernten gewesen.

(kurz zum politischen: 500.000 offene Stellen und 3,5 Mil. Arbeitslose erübrigt meines Erachtens nach die ganze Sozialschmarotzerdebatte).

Hm.

Ich denke, Tagespolitik ist hier im Forum fehl am Platz.

Das war nach meiner bescheidenen Meinung Marxens großer Irrtum : dass er an die Existenz einer als Gruppe handlungsfähige und -willige "Arbeiterklasse" glaubte.

Ich glaube nicht, dass dies der Fehler war. Der Fehler war, dass:
- einerseits sich der Kapitalismus zur sozialen Marktwirtschaft weiterentwickelte (also lernfähig war)
- der Sozialismus beharrte auf Ideologien und war letztendlich auf dem Weltmarkt nicht mehr Konkurrenzfähig aufgrund Ineffizienz
 
Zuletzt bearbeitet:
Interessante Überlegungen.
Da die Gruppendynamik jedoch letztlich auf „Psychologie“ basiert, sollte man meinen, dass die Gruppendynamik relativ unabhängig von der Kultur der Gruppe wäre.<o:p></o:p>
Das wäre meiner Ansicht nach nicht ganz vollständig gedacht.<o:p></o:p>
Geschichtsprozesse oder einzelne Geschichtsabschnitte erklären sich aus der (vor)Geschichte des betrachtenden Abschnitts und aus den entsprechenden Kulturen.<o:p></o:p>
In einer patriarchalischen Gesellschaft wird ein Alpha-Tier immer mehr (unkritische) Anhänger finden, als in einer basisdemokratischen.<o:p></o:p>
Ausserdem besteht jede Gemeinschaft nach meinem Verständnis aus verschiedenen Gruppen mit verschiedenem Kulturhintergrund.<o:p></o:p>
<o:p></o:p>
Es wären demnach wohl mehrere einzelne Gruppendynamische Prozesse, die zusammen wieder einen „höheren“ gruppendynamischen Prozess in Gang setzen. <o:p></o:p>
Hinzu kommt, dass der eine Auslöser X in der Gruppe Y etwas in Gang setzt, was zeitgleich in der anderen Gruppe Z etwas völlig anderes oder gar nichts auslöst.<o:p></o:p>
<o:p></o:p>
Siehe Parteinlandschaft und geübte Demokratie in Deutschland. <o:p></o:p>
Ohne auch jetzt nur irgendwie parteipolitische Meinungen oder Auseinandersetzungen anstoßen zu wollen, ist, jetzt mal sehr, sehr vereinfacht, die Parteienlandschaft, wenn man/frau so will von „rechts“ nach „links“ unterschiedlich patriarchisch gegliedert. Ganz links oder ganz rechts ganz arg, (Heldenverehrung etc.) in der Mitte je nach Partei mehr oder weniger. <o:p></o:p>
Das gemeinsame Demokratieverständnis basiert auf dem humanistischen Weltbild. <o:p></o:p>
Entsprechend reagieren die Parteien höchst unterschiedlich auf dies oder jenes Problem. Und deren Anhänger genauso. <o:p></o:p>
Außer es betrifft „grundsätzliche“ Werte (für uns westliche Demokraten...), da herrscht dann wieder Einigkeit. Keiner wäre bei uns z.B. wirklich für eine religiös motivierte Politik, auch wenn er ein ähnlich patriarchisch gegliedertes Denkmuster hat wie (nicht europäische) Fundamentalisten.<o:p></o:p>
<o:p></o:p>
Als historischen Prozess stelle ich mir deshalb eher eine Summe verschiedener, gleichzeitiger Gruppendynamischer Prozesse unter starkem Einfluss der (vor)Geschichte des Prozesses und der entsprechenden Kultur vor. <o:p></o:p>
Jetzt könnte man „Kultur“ noch als Ergebnis bereits erlebter Gruppendynamischer Prozesse definieren. Dann sind die Gruppendynamische Prozesse eine Summe von sehr, sehr vielen Einzelprozessen.<o:p></o:p>
<o:p></o:p>
Entsprechend wird Geschichte ja diskutiert. Die Auswirkung des Einzelprozess „Attentat von Sarajewo“ auf alle zeitgleichen und räumlich benachbarten Einzelprozesse ist ja gerade das Arbeitsgebiet des Historikers.<o:p></o:p>
Nur meine zwei Cents.<o:p></o:p>
<o:p></o:p>
Thomas<o:p></o:p>
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Bei der Betrachtung politischer Prozesse sollte man auch beachten, dass die Meinungsbildung (angesagte Kleidung, Haltung gegenüber fernen Kriegen, Körperrasur, Botox, Ernährung ... und seeeehr viel mehr, dessen wir uns gar nicht bewusst sind) überaus basisdemokratisch abläuft. Sie werden zumindest nicht von "den Mächtigen" gesteuert, sondern ergeben sich aus Public-Relations-Aktivitäten von Firmen aber auch von vielen-vielen Einzelpersonen per Mundpropaganda, auf die im Prinzip jeder Zugriff hat. Auch dies ist ein gruppendynamischer Prozess, der in meine oben (#12) genannten drei Kategorien einzuordnen wäre.
 
@megatrend:

Rena schrieb davon, das die Nationenbildung wie eine Gruppenbildung funktionierte.

Du schreibst, das die Nationenbildung Gruppendynamiken auslöste.

Also wie sich bestimmte soziale Rollen unter mehreren Staaten auf deren Entstehen auswirken können, verstehe ich nicht. Diese müßten ja eigentlich erst zugewiesen werden können, sobald etwas besteht, das eine Rolle tragen kann.
Es entsteht eine Nation, weil diese in einem größeren Gefüge zu einer anderen der ,z.B., der "Spezialist" ist?
(ich hab immer noch im Hinterkopf die Alpha,-Beta,-...Kategorie)

Was hat die von mir postulierte Annahme von der aktuellen "Sündenbock"-Gruppe:Arbeitslose damit zu tun, das es früher weniger Interessensgemeinschaften gab?
Meinst du das früher zu wenig Gruppen bestanden, als das keine entsprechende Gruppendynamik stattfinden konnte?

@klaus:

Ich denke jeder Person können mehrere (Gruppen)Identitäten zugewiesen werden (Alter, Geschlecht, Ethnie, Vermögensstand...).
Wie sich diese einzelnen Bestimmungen zueinander verhalten, ist für den Tatbestand der Ausgrenzung, Diskriminierung ("Sündenbock") unerheblich.
Hat man die falsche Hautfarbe ist es nicht wichtig, ob man viel Geld verdient.

allgemein:

Mal die Nationen weggelassen, eine Differenzierung bei "Gruppen-Gruppen-Dynamik" zu "Gruppen-Personen-Dynamik" wäre eventuell auch, eben genannte Mehrfachidentitäten im Vergleich zu der stringenten Rollenverteilung.

Beispiel: Alpha-Position: reich
Omega-Position: weiblich

Rein banal gedacht, könnte keine klare Rollenverteilung mehr stattfinden, da sich mehrere Rollen überschneiden.

Geht man von der direkten Erfahrung einer "Gruppen-Personen-Dynamik" aus, wüßte man nicht, wie die betreffende Person, dann zu nehmen ist (ist die Frau Alpha/Führerin oder Omega/Sündenbock), oder ein klareres hierachisches System divergiert.
(die Struktur funktioniert noch, aber entwickelt sich ~"überlappend"?)

Ein Einwand könnte sein, das gesetzt den Fall es besteht eine Wahrnehmungsstruktur(man erkennt den als Alpha, den als Beta, usw.) in der kleinen "Gruppen-Personen-Dynamik" und auch eine ~"umgeschichtete" in der größeren "Gruppen-Gruppen-dynamik", dann wäre ein Fakt (These), das die letztere Wahrnehmung keinen Einfluß auf die erstere hat, da "Gruppen-Personen-Dynamiken" immer stattfinden.
(egal welche verschiedenen Rollenverhältnisse unter Großgruppen(Alter,Geschlecht,...) geschehen, es treten immer wieder diesselben Rollenzuteilungen in der Kleingruppe(X wird Alpha, Y Beta,...) auf.)
Beide Systeme bestehen und die Großgruppe beeinflußt nicht die Kleingruppe.

Wenn es stimmt, das in einer Großgruppe(viele Gruppen) eine Alpha-usw. Zuteilung unscharf (reich oder weiblich) wird, nicht mehr in der ursprünglichen Weise funktioniert, kann man dann davon ausgehen, daß
eben dieses Ursprungssytem Kleingruppe mit all seinen Auswirkungen komplett übernommen wird?
Könnte dann noch ein "Sündenbock" so entstehen, wie es in der Kleingruppe geschieht?

Auch das falls beide Syteme voneinander abhängen, aber sich nicht gegenseitig beeinflußen, kann dahin deuten, das Gruppendynamik nicht auf Großgruppen übertragen wird.
(das unscharfe Verständnis von Alpha,-usw. in der Großgruppe, ändert nicht das scharfe Verständnis von Alpha- in der Kleingruppe).

Ist aber auch hier nicht sicher ob das Gehirn überhaupt so kausal funktionieren muß, wie ich theoretisiere.

Eine Beobachtung ist da noch, setzt man "Sündenbock" mit Diskrimierung/Ausgrenzung gleich, sehe ich kein notwendiges Rollenbestehen dafür.
Also, das es nötig wäre sich, um zu diskrimineren, in eine Alpha-,Beta,... Hierachie einzufügen.
Da gäbe es ja dann auch den Tatbestand mehrer "Sündenböcke".
Ein Arbeitloser verunglimpft eine Frau, die einen Farbigen beschimpft.
Welche Gruppendynamik-Hierachie ist da vorherschend?
 
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