Historischer Materialismus (Marxismus)

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Gast

Gast
Hallo,
wer kann mir etwas zum Thema "historischer Materialismus" und seine Beurteilung als Geschichtstheorie erzählen? Wäre Euch dankbar!!!

LG
Gisele
 
Hmm ... da gibt es zwei ganz heiße Adressen: Google und Wikipedia. Es gab Leute, die haben sowas jahrelang studiert, da ist so eine allgemeine Frage nur schwer zu beantworten.
Bye
Suedwester
 
In wenigen Worten und vereinfacht: der historische Materialismus geht von einer Verknüpfung von technischem und gesellschaftlichem Fortschritt aus. Technischer Fortschritt bedingt gesellschaftliche Veränderungen, es kommt zu gesellschaftlichen Konflikten (=Klassenkämpfen), die dann gelöst sind, wenn sich die neu entstandene Gesellschaftsschicht durchgesetzt hat, dann kommt es wieder zu technologischem Fortschritt usw. Ist, solange nicht zur "Religion" erhoben, eine ganz nette Analysemethode.
 
El Quijote schrieb:
Verknüpfung von technischem und gesellschaftlichem Fortschritt aus
Ähm ... nicht ganz. Statt technischem Fortschritt heißt es sozusagen "linientreu": Entwicklung der Produktivkräfte. Die beinhalten zwar auch die Technologie, des weiteren aber z.B. auch die Verteilungsmechanismen etc.
Bye
Suedwester
 
Falls du Beispiele suchst: www.mlwerke.de
Gesellschaftsschicht durchgesetzt hat, dann kommt es wieder zu technologischem Fortschritt usw. Ist, solange nicht zur "Religion" erhoben, eine ganz nette Analysemethode.
Da das aber in der Vergangenheit teilweise gemacht wurde, vermeidet man es heute eher. Zumindest im Untericht.

PS: probier mal Suedwesters Tipp aus und gib bei Google historischer Materialismus ein. Fast 100.000 Treffer. Unter anderem der hier macht einen netten Eindruck (abgesehen von der Schriftgröße) http://www.tu-berlin.de/fb7/ifs/soziologie/Archiv/Ws03/ps_soztheorie/MarxST25.11.03.pdf
http://philolex.de/marx.htm#hima
alternativer Googlebegriff: Histmat
 
Danke für die Antworten und Links. Der letzte war ganz brauchbar. Ich weiß leider immer noch nicht wie ich diese Frage beantworten soll:

"Wie beurteilen Sie den historischen Materialismus als Geschichtstheorie?"

Wer kennt sich da guz aus??
 
Als Marxist sicher anders denn als Vertreter der katholischen Kirche. Deswegen heißt es ja beurteilen und nicht abschreiben ... El Quijote hat da ja schon etwas dazu geschrieben.

Also ich halte ja eigentlich nicht wirklich so verdammt viel von Wikipedia, aber mit drei Klicks hab' ich dort alles Wichtige gefunden. (Stichworte: Marx, Materialismus, Stalin: Über Dialektischen und Historischen Materialismus)

Denken musst Du schon selber. Ist wahrscheinlich auch daß, was Dein Lehrer - vermute ich mal - erwartet. Die Frage war ja auch "Wie beurteilen Sie ...". Was da in Deinem Falle "political correct" ist, musst Du wissen ...

Bye
Suedwester
 
Gast schrieb:
Danke für die Antworten und Links. Der letzte war ganz brauchbar. Ich weiß leider immer noch nicht wie ich diese Frage beantworten soll:

"Wie beurteilen Sie den historischen Materialismus als Geschichtstheorie?"
Wenn du weißt, was der Histmat umfasst, stell dir Frage ob du damit Geschichte verstehst und wichtige Prozesse erklären kannst oder die Theorie wichtige Aspekte vernachlässigt.
 
@Suedwester: Lesen kann ich - danke! Fällt Dir eine Perle aus der Krone, wenn Du etwas hilfe leistest??
 
Glaubst du ernsthaft, wir können aus den paar Beiträgen schließen, wie DU diese Theorie bewertest?
Hier übrigens ein Marxtext, den mein Vater als günstigste Zusammenfassung des Entwicklers zum historischen Materialismus bezichnet:
"Die erste Arbeit, unternommen zur Lösung der Zweifel, die mich bestürmten, war eine kritische Revision der Hegelschen Rechtsphilosophie, eine Arbeit, wovon die Einleitung in den 1844 in Paris herausgegebenen "Deutsch-Französischen Jahrbüchern" erschien. Meine Untersuchung mündete in dem Ergebnis, daß Rechtsverhältnisse wie Staatsformen weder aus sich selbst zu begreifen sind noch aus der sogenannten allgemeinen Entwicklung des menschlichen Geistes, sondern vielmehr in den materiellen Lebensverhältnissen wurzeln, deren Gesamtheit Hegel, nach dem Vorgang der Engländer und Franzosen des 18. Jahrhunderts, unter dem Namen "bürgerliche Gesellschaft" zusammenfaßt, daß aber die Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft in der politischen Ökonomie zu suchen sei. Die Erforschung der letztern, die ich in Paris begann, setzte ich fort zu Brüssel, wohin ich infolge eines Ausweisungsbefehls des Herrn Guizot übergewandert war. Das allgemeine Resultat, das sich mir ergab und, einmal gewonnen, meinen Studien zum Leitfaden diente, kann kurz so formuliert werden: In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den <9> sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt. Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um. In der Betrachtung solcher Umwälzungen muß man stets unterscheiden zwischen der materiellen, naturwissenschaftlich treu zu konstatierenden Umwälzung in den ökonomischen Produktionsbedingungen und den juristischen, politischen, religiösen, künstlerischen oder philosophischen, kurz, ideologischen Formen, worin sich die Menschen dieses Konflikts bewußt werden und ihn ausfechten. Sowenig man das, was ein Individuum ist, nach dem beurteilt, was es sich selbst dünkt, ebensowenig kann man eine solche Umwälzungsepoche aus ihrem Bewußtsein beurteilen, sondern muß vielmehr dies Bewußtsein aus den Widersprüchen des materiellen Lebens, aus dem vorhandenen Konflikt zwischen gesellschaftlichen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen erklären. Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind. Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet wird sich stets finden, daß die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozeß ihres Werdens begriffen sind. In großen Umrissen können asiatische, antike, feudale und modern bürgerliche Produktionsweisen als progressive Epochen der ökonomischen Gesellschaftsformation bezeichnet werden. Die bürgerlichen Produktionsverhältnisse sind die letzte antagonistische Form des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, antagonistisch nicht im Sinn von individuellem Antagonismus, sondern eines aus den gesellschaftlichen Lebensbedingungen der Individuen hervorwachsenden Antagonismus, aber die im Schoß der bürgerlichen Gesellschaft sich entwickelnden Produktivkräfte schaffen zugleich die materiellen Bedingungen zur Lösung dieses Antagonismus. Mit dieser Gesellschaftsformation schließt daher die Vorgeschichte der menschlichen Gesellschaft ab."

Bedenke bei der Beurteilung auch richtigkeit der Vorraussagen von Marx und engels für die Zukunft (Verelendungstheorie).
PS: wir sind durchaus bereit, dir beim Verständnis zu helfen, aber die Schlußfolgerungen musst du selber ziehen. Deine Meinung bildest du dir und nicht wir.
 
Gast schrieb:
@Suedwester: Lesen kann ich - danke! Fällt Dir eine Perle aus der Krone, wenn Du etwas hilfe leistest??

Ich hatte schon das Buch draussen und wenigstens 20 Sätze getippt.
dann scrollte ich noch mal hoch und las diesen , deinen Satz.
So gehts nicht, wenn man Hilfe sucht.
 
Sorry, ihr habt ja recht. Aber ich bin so im Lernstress, und ich weiß es ja, dass ich es selbst beurteilen soll...
@suedwester: Ich entschuldige mich hiermit nochmals für mein dummes Benehmen...*schäm*

Danke an alle, die sich trotzdem die Mühe gemacht haben - vielen lieben Dank!!!
 
Ich will versuchen, es wie immer ganz einfach zu erklären. So, dass ich es selbst verstehe! Ich gehe nur kurz auf die Begriffe Materialismus und Idealismus ein. Ich setze sie als bekannt voraus- es ist die Frage, was eher war: Henne oder Ei! Der Idealismus setzt einen Geist (imaginäre Gedanken o. ä.) voraus, der die Materie schafft und verändert, z. B. die göttliche Erschaffung der Welt. Der Materialismus geht von einer materiellen Welt aus, die vorhanden war, und durch den Geist weiterentwickelt ( z. B. Erfindungen) worden ist. Manchmal könnte man meinen, dass beides Berechtigung hat - das ist aber nur eine persönliche Ansicht meinerseits.<?xml:namespace prefix = o ns = "urn:schemas-microsoft-com:eek:ffice:eek:ffice" /><o:p></o:p>
Aus diesem Verständnis heraus entwickelten Philosophen (nach der neuen Rechtschreibung Filosofen?) den dialektischen Materialismus. Der besagt, dass sich die Entwicklung der Natur und der Materie durch die Lösung von einander gegenüberstehenden „Konflikten“ in der Struktur zur Aufhebung eines der beiden Kontrahenten und zum Umschlagen in eine neue Qualität führt.- Ach nun ist es doch wieder kompliziert geworden! Nehmen wir ein anschauliches Beispiel:
Man nehme Wasser und Gips. Beide sind gegensätzlich: Wasser ist nass und flüssig, Gips ist trocken und mehlig. Mischt man beides so entsteht nach einiger Zeit eine breiartige Masse, die dann hart wird - eine neue Qualität ist entstanden. (Verzeiht, vielleicht hat jemand ein anschaulicheres Beispiel)
Aus dem dialektischen Materialismus entwickelten vor allem Marx und Engels den historischen Materialismus, wobei die „Mechanik“ des dialektischen Materialismus sinngemäß auf die Gesellschaft übertragen wurde. Hierzu wurde die Gesellschaft zergliedert in Klassen, die sich gegenüberstehen wie Wasser und Gips, Wasser und Feuer usw. usf., in Ausbeuter und Ausgebeutete, Kapitalisten und Proletarier. Beide stehen im Gegensatz zueinander, wobei die ausbeutende Klasse zunächst als Förderer der Produktionsverhältnisse eine revolutionäre Position einnimmt, die aber immer mehr zu Lasten der ausgebeuteten Klasse ausartet und dadurch allmählich den gesellschaftlichen Fortschritt behindert. Die Widersprüche verschärfen sich, die beiden Klassen reiben, bekämpfen sich, bis durch eine Revolution eine neue Gesellschaft entstanden ist (z.B. der Sozialismus, oder der Gips ist hart, oder das Feuer ist aus ;-).
Als Geschichtstheorie ist der historische Materialismus eine durchaus brauchbare Methode für die Strategie von Berufsrevolutionären. Interessant wäre es natürlich, wie diese etwa 150 Jahre alte Theorie erfolgreich auf die Periode der Globalisierung anwendbar ist. Wichtig scheint mir auch eine Strategie, wie es nach einer revolutionären Umgestaltung wirtschaftlich erfolgreich weitergeht, aber das sprengt schon den Rahmen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Globalisierung exisitert bereits immer, auch schon zu Marx' Zeiten. Er benennt es nur nicht so, ist sich aber dessen bewusst.
DIe Frage ist, was machen wir mit Finanzkapital, shareholder value usw., aber das ist aktuelle Tagespolitik.
 
Ich will versuchen, es wie immer ganz einfach zu erklären.


Das ist dir geglückt! Wirklich anschauliche Information! :yes:


Interessant wäre es vor allem, die positiven oder negativen Auswirkungen des Marxismus bzw. historischen Materialismus innerhalb der letzten hundert Jahre zu überprüfen.

Für eine Analyse der Globalisierung ist es meines Erachtens noch zu früh, da dieser Prozess erst in den Anfängen steckt. Wie sich dieses Phänomen entwickelt, wird man wohl erst in 20-30 Jahren seriös beurteilen können.
 
Ich hatte in meiner Berufsausbildung vor 22 Jahren eineinhalb Jahre lang das Fach "Historischer und dialektischer Materialismus". Ich habe mich ein halbes Jahr per Arztbescheinigung aus diesem Unterrichtsfach rausgehalten, da es für meinen Beruf keine Relevanz hatte und es furchtbar langweilig fand. Am Ende hatte die Lehrerin nur deshalb mich durchgeschleust, weil sie schwanger war und ihren Neugeborenen meinen Vornamen gab.
Ach ja, die alten Zeiten, als man noch jung war...
 
Wie, einfach Deinen Vornamen gegeben - dann hast Du jetzt keinen mehr?
Die hatte das mit der Enteignung aber schon gut drauf ;-)

Deshalb habe ich ja nur noch einen Nicknamen.
Nickname und Familienname sind auf dem Personalausweis eingetragen.:winke:
 
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