ius divinum, ius naturae und ius positivum im Mittelalter

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Rechtsgelehrter

Gast
Woraus wurde im Mittelalter das Recht gewonnen? Stimmt es, dass man sowohl Bibel, als auch Naturrechliche Überlegungen, neben bloßem positiven Recht akzeptierte?

Wenn ja, für welche Fälle war welches Recht zuständig?

Im Sachsenspiegel sollen alle Vorschriften noch biblisch grundiert worden sein, stimmt das?
 
zum Sachsenspiegel:
nein, höchstens biblisch verbrämt
Steht im Vorwort, es handelt sich um altes Stammesrecht+ das von KdG gesetzte Recht, durch Rechtsprüche weiterentwickelt.
 
Als Einwurf eines Menschen der in Sachen MA nur eine Einführung besucht hat. War der Sachsenspiegel nicht eher eine schriftliche Fixierung zeitlich angesammelten Gewohnheitsrechts? Und solches Recht hatte meistens keine biblischen Hintergründe, brauchte es aufgrund seiner Entstehungsgeschichte auch nicht. Was vermeintliche biblische Begründungen angeht.. in diesem riesigen Schlafmittel kann man bei ausdauernder Suche Begründungen für alles finden, eingeschlossen Menschen zu töten die am Sabbat Stöckchen aufheben ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Sachsenspiegel sind eine Sammlung alten Gewohnheitsrechts + von KdG gesetztem Recht+ späterem Gewohnheitsrecht/Rechtsprüche. Es gibt ja mehrer Fassungen, die sich auch unterscheiden.
Daneben gibt´s dann ja auch noch z.B.Schwabenspiegel
 
Dass unterschiedliche Rechtstraditionen in unterschiedlichen Mischungen durcheinander gingen (auch abhängig vom jeweiligen Land), wurde schon angedeutet (speziell zu England gab es auch schon mal eine Diskussion, die evtl. noch zu finden ist). Die christlichen Autoritäten hatten aber lange Zeit große Probleme mit dem Naturrecht, weil es zu sehr als mit der "heidnischen" griechischen Philosophie assoziiert galt
Naturrecht ? Wikipedia
Thomas von Aquin ? Wikipedia
 
Dass unterschiedliche Rechtstraditionen in unterschiedlichen Mischungen durcheinander gingen (auch abhängig vom jeweiligen Land), wurde schon angedeutet (speziell zu England gab es auch schon mal eine Diskussion, die evtl. noch zu finden ist). Die christlichen Autoritäten hatten aber lange Zeit große Probleme mit dem Naturrecht, weil es zu sehr als mit der "heidnischen" griechischen Philosophie assoziiert galt

Ich bin jetzt mal von 3 Quellen des Rechts ausgegangen:
1. Positives Recht, wird von irgendwem Gesetzt.
2. Naturrecht, ist angeblich durch philosophische Überlegung legitimiert.
3. Göttliches Recht, hat Gott offenbart.

Dann gibt es natürlich noch bloße Tradition. Aber die kann man vielleicht unter (1) fassen? Ich wollte jetzt wissen, welche dieser 3 Faktoren die Hauptquelle des Rechtsverständnisses im Mittelalter war.
 
Deine Frage selbst kann ich Dir auch nicht beantworten. Ich wollte nur mal kurz darauf hinweisen, dass es wenig bringen wird, zu schauen was der eine oder andere über seine eigenen Rechtsquellen hinterlassen hat. Zum einen weist das auf den Zeitgeist hin (wer wird sich schon mit Gotteskriegern anlegen?), zum anderen auch auf die eigenen Lebenslügen.

Was Quelle ist lässt sich am sichersten dadurch feststellen, wo die jeweilige Rechtsvorstellung schon früher herrschte, wo das nicht geht, durch Differenzierung. Wenn z.B. Katholiken in Mexiko zu Allerheiligen, die Knochen ihrer Vorfahren aus den Gräbern holen, sie putzen und dann "mit ihnen" picknicken, und meinen das täten sie weil sie gute Katholiken seien, so zeigt das im Vergleich zu Katholiken anderswo zweierlei: a. Es ist nicht typisch katholisch. b. Es ist typisch für mindestens eine der vor den Katholiken dort bereits verwurzelten Vorgängerkulturen.
 
jetzt mal die übliche Frage:
Wann im Mittelalter und wo auf der Welt/im Universum?
Das Mittelalter geht von ~460 bis ~1498, und nach Einstein sind nur 2 Dinge unendlich, die menschliche Dummheit und das Universum, wobei er das Letzte als zweifelhaft ansah
 
Wann im Mittelalter und wo auf der Welt/im Universum?
Du hast ja schon in #2 den Sachsenspiegel genannt, d.h. Dich auf Mitteleuropa im 13. Jh. bezogen - das ist ein gutes Beispiel, weil sich im 12./13. Jh. die Rezeption des Römischen Rechts verstärkt. Lass uns dabei bleiben.

Ereignisgeschichtliche Begriffe wie "Mittelalter", egal von wann bis wann, sind rechtsgeschichtlich weniger prägend. Wichtiger ist die Frage, auf welche Rechtsgebiete bzw. Regelungsgegenstände man sich bezieht: Landrecht? Stadtrecht? / Privatrecht? Strafrecht? usw.

Ich bin jetzt mal von 3 Quellen des Rechts ausgegangen: ...
Die Unterscheidung nach der (vermeintlichen) Herkunft von Rechtssätzen leidet ein wenig darunter, dass die verwendeten Begriffe nicht besonders trennscharf sind. Hier ein Auszug aus dem Landrecht des Sachsenspiegels, Drittes Buch, Artikel 42 [1]:
"Gott hat den Mann nach sich gebildet und mit seiner Marter geledigt; ihm ist der Arme so nahe wie der Reiche [...]
Da man auch zunächst Recht setzte, da war kein Dienstmann. Alle Leute waren frei, als unsere Vorfahren her zu Lande kamen. Aus meinem Verstande kann ich's nicht abnehmen, daß jemand des Anderen Eigener sein solle [...]"
Offenbar argumentiert der Sachsenspiegel hier sowohl naturrechtlich wie gewohnheitsrechtlich wie gottesrechtlich. Daß Sklaverei/Leibeigenschaft 'gegen die Natur' ist, wurde schon von römischen Juristen im 2. Jh. postuliert und in der Zeit der Aufklärung vielfach aufgegriffen. Das wesentliche Problem liegt woanders: Die 'Norm' blieb im 13. Jh. so folgenlos wie im 2. Jh.... [2]


[1] Zitiert nach der von Sachße besorgten Ausgabe Heidelberg 1848, S. 249.
[2] So jedenfalls Uwe Wesel: Geschichte des Rechts. München 1997, S. 317.
 
jain
Den Sachsenspiegel gibt es nicht, denn es gibt in den noch existierenden Exemplaren redaktionelle Unterschiede (unterschiedliche Seitenzahlen, z.B., einen genauen Textvergleich mögen andere machen, die Sprache jedenfalls unterscheidet sich, es sind zumindest unterschiedliche Dialekte)

Allerdings treffen diese Bücher nur auf "Norddeutschland" zu und nur die zeit von ~~1200 und 1370, also ein eng begrenzter Raum und zeitlich stark eingegrenzt.

Der Schwabenspiegel und wohl auch der Deutschenspiegel haben ganz andere Wurzeln und Grundlagen

Jedenfalls lässt sich die einfache Frage von oben nicht so einfach pauschal beantworten, der Sachsenspiegel kennt nur von Menschen gesetztes Recht, die anderen Gesetzessammlungen kenne ich noch viel weniger, ich habe den Wolfenbütteler Sachsenspiegel auch nur spasseshalber angelesen
 
Notwendige Ergänzung

Der Schwabenspiegel und wohl auch der Deutschenspiegel haben ganz andere Wurzeln und Grundlagen

Mich würde die Differenzierung zwischen "Wurzeln" und "Grundlagen" interessieren. Bezeichnet das eine den historischen Ursprung und das andere die argumentativen Prämissen?

Jedenfalls lässt sich die einfache Frage von oben nicht so einfach pauschal beantworten, der Sachsenspiegel kennt nur von Menschen gesetztes Recht, die anderen Gesetzessammlungen kenne ich noch viel weniger, ich habe den Wolfenbütteler Sachsenspiegel auch nur spasseshalber angelesen

Du hast offenbar die Begriffe falsch verstanden. Ich denke, für diese Diskussion können wir ohne nähere Erörterung davon ausgehen, dass alles recht letztlich auf Menschen zurück geht. Aber dennoch stellt sich die Frage, wie das jeweilige Recht legitimiert wird.
Entweder (a) durch reines Nachdenken. Man versucht also Begründungen zu erfinden, die auf eine Art "Naturzustand" basieren oder die für jeden Menschen einsehbar sein sollen. (Als Beispiel führe ich mal Kant, Locke oder Aristoteles an.)
Oder (b) durch Rekursion auf Gott, der es als Oberste Instanz natürlich immer besser weiß und es immer gut meint, daher kann man ihn trauen. Ob der Anspruch, dass sich Norm a nun aus "göttlichen Recht" ergibt, haltbar ist, ist eine davon unabhängige philosophische (keine historische!) Frage. Allerdings ist es historisch richtig, das viele Rechtsgrundsätze in früheren Zeiten aus "heiligen Büchern" abgeleitet werden und das, was Gott (angeblich) gesagt hat, für viele Leute immer noch eine große Rolle in ihrem Rechtsempfinden spielt.
Oder endlich (c) durch verweis auf die Rechtssetzung durch eine weltliche Instanz, den Reichtstag oder Kaiser etwa, oder dem lokalen Fürsten. Hier ist unmittelbar klar, von wem das Recht kommt.

Entsprechend unterscheide ich zwischen (a) "Naturrecht", (b) "Göttlichen Recht" und (c) positivem Recht und Frage, welche dieser Typen damals als wichtiger angesehen wurde. Akropolis, Golgatha oder das Capitol also, um die Frage so zuzuspitzen. ;-)
Golgatha ? Wikiquote

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Den Sachsenspiegel gibt es nicht...
Schon klar, deswegen mein Hinweis auf die von mir benutzte Ausgabe, deren Bearbeiter auch angibt, woher genau er seine Texte hat.

Der Schwabenspiegel und wohl auch der Deutschenspiegel haben ganz andere Wurzeln und Grundlagen
Vielleicht kannst Du zu dem "ganz anderen" ein paar nützliche Hinweise geben?

...der Sachsenspiegel kennt nur von Menschen gesetztes Recht...
In der oben zitierten Passage ist von "Gott" die Rede, der den Menschen frei (nach seinem Bilde) erschaffen habe. Du qualifizierst das als "von Menschen gesetzt". Wenn es darauf ankommt, wer was zu Papier gebracht hat, hast Du zweifellos recht - aber was bleibt dann vom ius divinum übrig?
 
Du hast offenbar die Begriffe falsch verstanden. Ich denke, für diese Diskussion können wir ohne nähere Erörterung davon ausgehen, dass alles recht letztlich auf Menschen zurück geht. Aber dennoch stellt sich die Frage, wie das jeweilige Recht legitimiert wird.
Die Frage stellte sich im MA weniger. Dort waren Autoritäten zur Rechtssetzung berechtigt. Einen Anspruch auf eine Begründung gab es nicht. Spannend wurde es freilich, wenn zwei Autoritäten (z.B. Papst und Kaiser) unterschiedliche Auffassungen zu einer Rechtsfrage (z.B. zur Frage des Rangverhältnisses von päpstlicher und kaiserlicher Macht [Zwei-Schwerter-Theorie]) entwickelten und die Sache in einen Machtkampf ausartete. Dieser wurde mit Wort und Schwert ausgefochten. In einem solchen Fall wurden zur Beeinflussung Dritter auch entsprechende Begründungen entwickelt und geliefert. Das klingt abschätzig. Aber mit diesem Vorgang war ein Prozess des Nachdenkens über das "warum" verbunden, der durch neueste Denkrichtungen gefüttert werden konnte bzw. deren Entwicklung und Ausbreitung (ggf nebst Kontrollverlusteffekt) auch begünstigen konnte - z.B. Universalienstreit. Mit der Aufklärung wurde verstärkt nach dem Rechtsgrund gefragt.
Entsprechend unterscheide ich zwischen (a) "Naturrecht", (b) "Göttlichen Recht" und (c) positivem Recht und Frage, welche dieser Typen damals als wichtiger angesehen wurde.
Das "göttliche Recht" würde ich im MA zum Naturrecht zählen (konnte man damals "nachdenken" ohne "an Gott zu denken"?) und das Naturrecht würde ich als Gegensatzbegriff zum positiven Recht sehen. Ein striktes Rangverhältnis gab es nicht. Widersprüche liessen sich durch Auslegung und bei der Rechtsanwendung vermeiden. Letztlich liess sich auch damit argumentieren, dass Gewohnheiten (von Gott!) vorgegeben/akzeptiert waren.
 
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In der oben zitierten Passage ist von "Gott" die Rede, der den Menschen frei (nach seinem Bilde) erschaffen habe. Du qualifizierst das als "von Menschen gesetzt". Wenn es darauf ankommt, wer was zu Papier gebracht hat, hast Du zweifellos recht - aber was bleibt dann vom ius divinum übrig?

Hier nochmal die von dir genannte Passage:
"Gott hat den Mann nach sich gebildet und mit seiner Marter geledigt; ihm ist der Arme so nahe wie der Reiche [...]
Da man auch zunächst Recht setzte, da war kein Dienstmann. Alle Leute waren frei, als unsere Vorfahren her zu Lande kamen. Aus meinem Verstande kann ich's nicht abnehmen, daß jemand des Anderen Eigener sein solle [...]"


Nach meinem Dafürhalten ist das eine naturrechtliche Argumentation. Hier wird nicht darauf Bezug genommen, dass Gott Recht gesetzt habe, sondern dass auf Grund der göttlichen Schöpfung Menschen bestimmte Eigenschaften haben. Die Göttliche Schöpfung ist hierbei ein als wahr unterstelltes Erklärungsmodell für die Existenz der Dinge und ihre grundlegenden Eigenschaften.

Hätte man zur Frage der Sklaverei/Leibeigenschaft nach ius divinum argumentiert, hätten sich in den entsprechenden Schriften leicht Belege dafür finden lassen, dass dies nicht per se gegen den unterstellten göttlichen Willen verstößt.

Ich finde die angesprochene Dreiteilung der Rechtsquellen durchaus sinnvoll. Wenn man aus einer abstrakten Rechtsvorstellung Folgerungen zieht, die man als Rechtsquelle verwendet und die daraus gezogenen Folgerungen wiederum als Rechtsquelle verwendet, kommt mitunter am Ende etwas abstruses heraus. Diese Denkweise ist typisch für dogmatisches Recht. Ein ius divinum ist seiner Natur nach dogmatisch. Ich vermute, dass es auch der Natur dieser Rechtsdenke entspricht, Folgerungen aus Folgerungen zu ziehen. Das kann ich aber nicht spontan untermauern.

Positives Recht kommt zunächst ohne jede Begründung aus - Ich bin das Recht, mache das Gesetz und ihr haltet Euch daran. Als Herschaftsmodell halte ich das für recht fragil.
 
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Hier schlägt Eike Recht vor !
Sein Buch ist ja kein Gesetzbuch im heutigen Sinn, sondern eine Sammlung bestehenden Rechts. Im Bezug auf "Eigentum am Menschen" gab es ja die Auffassung, das ein Mensch einem anderen gehört und eben die Auffassung, kann gar nicht sein, seit wann das denn? Eike argumentiert, anfangs war ´n wir alle frei, mir ist nichts bekannt, das irgendwer gesagt hat, das wird geändert, also gilt der Erstzustand.

Er beruft sich auf die Rechtssetzung der Vorfahren vor langer Zeit. Also auf positives Recht, denn das zum Zeitpunkt der sächsischen Landnahme Sklaverei üblich war, wusste er z.B. aus der Bibel.

Es ist bei Ihm immer "der hat Recht gesetzt , die haben früher Recht gesetzt usw."

Nie Jesus hat gesagt oder in der Bibel steht oder das xte Gebot unseres Herrn verlangt.

Der Sachsenspiegel wurde zwar ziemlich allgemein angenommen, er war aber nicht als rechtsverbindliche Norm geschrieben. Sonst hätte im 16.Jhdt ein Braunschweiger Herzog nicht "für Recht erkennen können" das es "nicht Recht sei, das ein Christenmensch einem anderen gehöre"

Der Schwabenspiegel beruft sich hingegen nach Wiki auf die Bibel usw. und andere schriftliche Rechtsquellen
 
Hier schlägt Eike Recht vor! Sein Buch ist ja kein Gesetzbuch im heutigen Sinn, sondern eine Sammlung bestehenden Rechts.
Da hast Du recht! Oder noch abgeschwächter: Recht, das er als bestehend/geltend ansah.

Er [Eike] beruft sich auf die Rechtssetzung der Vorfahren vor langer Zeit. Also auf positives Recht...
Jein. Wir wissen nicht, wie die Rechtsetzung der Vorfahren zustande gekommen ist - vielleicht haben sie sich ja auf göttliches Recht berufen und es ist lediglich das Wissen um den göttlichen Ursprung abhanden gekommen?!

Beispiel aus der Gegenwart: Art. 1 GG wurde 1949 "positiv gesetzt". Manche Verfassungsinterpreten sind aber der Meinung, dass der Begriff "Würde des Menschen" christlichen Ursprungs ist - ius divinum also? Oder doch jus naturae?

...denn das zum Zeitpunkt der sächsischen Landnahme Sklaverei üblich war, wusste er [Eike] z.B. aus der Bibel.
Da stehe ich auf dem Schlauch - welche Landnahme meinst Du?
 
Der Raum wurde erst so um 400-500 "sächsisch", d.i. in den sächsischen Verband "eingegliedert", dazu kamen noch Franken, die Gegend hatte angeblich 400 Pferde an die Franken als Tribut zu zahlen, gehörte aber zu "Sachsen"
 
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