Kinderaufzucht in der Geschichte, wirklich nur Frauensache?

rena8

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Angeregt durch
http://www.geschichtsforum.de/f82/a...litik-auf-niedrige-geburtenraten-heute-22639/
möchte ich das Thema am liebsten rückwärts diskutieren, also angefangen mit unseren Eltern und Großeltern bis zur Steinzeit, unsere Spekulationen dazu, haben wir in
http://www.geschichtsforum.de/f22/kannte-man-biologische-v-ter-21833/
bereits andiskutiert.

Das Thema interessiert mich schon lange, habe ich in diversen Runden bisher immer die Theorie vertreten, dass unsere heute praktizierte Arbeitsteilung bei der Kinderaufzucht ein sehr kurzes Kapitel in der langen Geschichte der Menschheit ist.
Besonders wichtig finde ich, dass bei der Diskussion über die Frauenrolle bei der Kinderaufzucht alle Gesellschaftsschichten berücksichtigt werden, die römische Patrizierin z.B. hatte wahrscheinlich Ammen und gut dokumentierte griechische Hauslehrer:autsch:, traf das auch auf die Plebejer zu????
Bei den Römern sind wir jedoch noch nicht, mal sehn, wie groß das Interesse an diesem Thema ist?

PS Liebe Mods, könntet ihr @repos Beitrag Nr. 5 und meinen Nr.6 hierhin verschieben?
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Bei den Spartanern war ab einem gewissen Kindesalter Schluss mit fräulicher Erziehung. Es waren übrigens nicht die Mütter sondern Ammen die Kinder nährten und bis zum 8. Lebensjahr erzogen.
 
Ammen gegen Bezahlung konnte sich aber nur eine Elite leisten, """"vielleicht war der Ammenjob ein Beispiel für frühe Vereinbarkeit von Kindern + Beruf""""""
 
...möchte ich das Thema am liebsten rückwärts diskutieren, also angefangen mit unseren Eltern und Großeltern bis zur Steinzeit ...alle Gesellschaftsschichten berücksichtigt werden, die römische Patrizierin z.B. hatte wahrscheinlich Ammen und gut dokumentierte griechische Hauslehrer

Die Idee mit dem Rückwärtsgehen finde ich gut! Sollte man eine Art Analyseraster entwickeln und für jede Ära durchdeklinieren? Unvollkommenes Beispiel:
1. Wer versorgt das Kind?
2. Wer erzieht das Kind?
3. Wer sichert den Lebensunterhalt für die Kleinfamilie?
(Antwortmöglichkeiten: Vater, Mutter, beide, Amme, Großfamilie, Clan, Staat usw.)
4. In welche Gesellschafts-/Rechtsordnung sind diese Fragen eingebettet? usw.
 
Für die Spartaner trifft das nicht zu.
Bei den Spartanern kenne ich mich nicht aus.

Wenn ich meine eigene Familiengeschichte betrachte, ich konnte meine beiden Großmütter noch gut kennenlernen, sehe ich durchaus verschiedene Möglichkeiten und das ist vermutlich kein Einzelfall.
Die eine Großmutter (Jahrgang 1903) stammt aus einer christlichen Kleinbeamtenfamilie mit 6 Töchtern und 2 Söhnen. Nach meinem Eindruck wurde in dieser Familie einem bürgerlich-wilhelminischen Modell nachgeeifert, trotzdem haben bis auf meine Oma alle Töchter eine Berufsausbildung gemacht und bis zur Eheschließung Vollzeit gearbeitet. Nach der Geburt der Kinder (20er/30er Jahre) haben einige, wenn es möglich war, gearbeitet, um das spärliche Einkommen aufzubessern. Zwei dieser Großtanten waren Schneiderinnen, die konnten natürlich gut zu Hause arbeiten, abends und nachts oder wenn die größeren Kinder/Nachbarn/Verwandte auf die kleineren aufpaßten.
Auch meine Oma hat trotz Kindern oft nebenher in einer Wäscherei gearbeitet, anfangs wahrscheinlich wenn mein Opa Frühschicht hatte. Trotzdem sah diese Großmutter ihre Hauptaufgabe in Haushalt und Kindererziehung und hat das bis ins hohe Alter sehr vehement vertreten, gleichzeitig war sie natürlich der ideale Babysitter und immer bereit, wenn meine Mutter etwas ohne Kinder erledigen wollte.

Die andere Großmutter (Jahrgang 1885) war die älteste von 11 Kindern, sie war immer in Vollzeit berufstätig in einer Weberei und mein Vater war ihr einziges Kind, wohl verständlich, sie hatte seit ihrer Kindheit bestimmt genug von Kindern und auch später wenig Lust sich mit ihren Enkeln zu beschäftigen. Als ich geboren wurde, war sie schon lange Rentnerin, es hielt sie aber trotzdem nicht im Haus, so hat sie als Hochbetagte noch einer Freundin in deren Nebenerwerbslandwirtschaft geholfen.
Allerdings weiß ich nicht genau, wer sich um meinen Vater als Baby gekümmert hat, ich vermute eine der vielen Schwestern meiner Oma, da mein Opa auch gearbeitet hat. Später gab es mittags nach der Schule eine Stulle und weitläufig hatten die benachbarten Verwandten ein "Auge auf ihn". Kinder ungefähr ab 5 - 7 Jahren wurden damals nicht mehr ständig beaufsichtigt oder beschäftigt. Nach den Schularbeiten ging man raus zum spielen, wenn man vermeiden wollte zum Helfen geschickt zu werden.
 
Bei den Spartanern kenne ich mich nicht aus.

Wenn ich meine eigene Familiengeschichte betrachte, ich konnte meine beiden Großmütter noch gut kennenlernen, sehe ich durchaus verschiedene Möglichkeiten und das ist vermutlich kein Einzelfall.
Die eine Großmutter (Jahrgang 1903) stammt aus einer christlichen Kleinbeamtenfamilie mit 6 Töchtern und 2 Söhnen. Nach meinem Eindruck wurde in dieser Familie einem bürgerlich-wilhelminischen Modell nachgeeifert, trotzdem haben bis auf meine Oma alle Töchter eine Berufsausbildung gemacht und bis zur Eheschließung Vollzeit gearbeitet. Nach der Geburt der Kinder (20er/30er Jahre) haben einige, wenn es möglich war, gearbeitet, um das spärliche Einkommen aufzubessern. Zwei dieser Großtanten waren Schneiderinnen, die konnten natürlich gut zu Hause arbeiten, abends und nachts oder wenn die größeren Kinder/Nachbarn/Verwandte auf die kleineren aufpaßten.
Auch meine Oma hat trotz Kindern oft nebenher in einer Wäscherei gearbeitet, anfangs wahrscheinlich wenn mein Opa Frühschicht hatte. Trotzdem sah diese Großmutter ihre Hauptaufgabe in Haushalt und Kindererziehung und hat das bis ins hohe Alter sehr vehement vertreten, gleichzeitig war sie natürlich der ideale Babysitter und immer bereit, wenn meine Mutter etwas ohne Kinder erledigen wollte.

Die andere Großmutter (Jahrgang 1885) war die älteste von 11 Kindern, sie war immer in Vollzeit berufstätig in einer Weberei und mein Vater war ihr einziges Kind, wohl verständlich, sie hatte seit ihrer Kindheit bestimmt genug von Kindern und auch später wenig Lust sich mit ihren Enkeln zu beschäftigen. Als ich geboren wurde, war sie schon lange Rentnerin, es hielt sie aber trotzdem nicht im Haus, so hat sie als Hochbetagte noch einer Freundin in deren Nebenerwerbslandwirtschaft geholfen.
Allerdings weiß ich nicht genau, wer sich um meinen Vater als Baby gekümmert hat, ich vermute eine der vielen Schwestern meiner Oma, da mein Opa auch gearbeitet hat. Später gab es mittags nach der Schule eine Stulle und weitläufig hatten die benachbarten Verwandten ein "Auge auf ihn". Kinder ungefähr ab 5 - 7 Jahren wurden damals nicht mehr ständig beaufsichtigt oder beschäftigt. Nach den Schularbeiten ging man raus zum spielen, wenn man vermeiden wollte zum Helfen geschickt zu werden.

Sehr anschaulich! Vom Setting her kann man das sicher dem Modell "Großfamilie" zuordnen, wobei bei der jüngeren Oma auch noch die Großtanten eine wichtige Rolle spielten. Waren die unverheiratet oder hatten sie einen eigenen Haushalt bzw. eine eigene Familie? (Ich weiß, dass solche Tanten relativ oft eine Art von "Ergänzungserzieher/-betreuer" für ihre Nichten/Neffen waren.)
Dass nach der Schule "frei" war, ist auch schon als Errungenschaft zu betrachten.
 
@rena: Ein schönes Themenfeld. Ich gehe davon aus, dass Aufzucht und Erziehung gemeint sind.

Der Eigenwert der Kindheit gegenüber der Erwachsenenwelt scheint mir ein wesentlicher Faktor bei der Auseinandersetzung mit dieser Thematik zu sein.
Rousseau hat als erster der Kindheit zumindest theoretisch in seiner Utopie "Emile" (als Ausweg aus dem damaligen gesellschaftlichen Dilemma) zu ihrem Recht verholfen.
Bis dahin waren Kinder- und Erwachsenenwelt eng miteinander verwoben, was sich z. B. in Kleidung und Spielen zeigte.

Vor dem Hintergrund möchte ich einen bewusst provozierenden Gedanken in den Raum stellen, der zu Diskussionen anregen müsste:

Inwieweit hängt die Entdeckung der Kindheit als gleichwertige Lebensstufe mit der Notwendigkeit der Rolle der Mutter in der Erziehung zusammen?
 
Waren die unverheiratet oder hatten sie einen eigenen Haushalt bzw. eine eigene Familie? (Ich weiß, dass solche Tanten relativ oft eine Art von "Ergänzungserzieher/-betreuer" für ihre Nichten/Neffen waren.)
Dass nach der Schule "frei" war, ist auch schon als Errungenschaft zu betrachten.

Geheiratet haben alle und es hatten auch alle Kinder aber zu unterschiedlichen Zeiten und da sie damals nicht so weit entfernt voneinander wohnten, fand dieses Unterstützen auf Gegenseitigkeit statt, wo es gebraucht wurde.
Überhaupt denke ich, dass die heutige Gesellschaft mit der extremen räumlichen Trennung von Beruf und Familie mit den früheren Verhältnissen schwer zu vergleichen ist. Erst mit der Industriealisierung fand die Erwerbsarbeit räumlich getrennt vom sonstigen Leben statt. Meine Oma mußte z.B. zu Fuß mehr als 15 km bis zur Weberei zurücklegen, d.h. sie war mind. 10 Stunden abwesend.
Ihre Geschwister im gleichen Ort waren aber Bauern oder Handwerker, da arbeiteten beide Eltern quasi zu Hause und die Kinder liefen nebenher.
Säuglinge wurden während der Erntezeit neben dem Feld abgelegt, größere Kinder mußten mithelfen.
Habt ihr in dem Zusammenhang den Ausdruck "Mohnplebs" oder so ähnlich, schon mal gehört? Soll schwäbisch sein, für ein mit Mohn gefülltes Stoffzipfelchen, das der Säugling zum Nuckeln erhielt, damit er die Arbeit nicht zu oft mit Hungergeschrei unterbrach.


@rena: Ein schönes Themenfeld. Ich gehe davon aus, dass Aufzucht und Erziehung gemeint sind.

Der Eigenwert der Kindheit gegenüber der Erwachsenenwelt scheint mir ein wesentlicher Faktor bei der Auseinandersetzung mit dieser Thematik zu sein.
Rousseau hat als erster der Kindheit zumindest theoretisch in seiner Utopie "Emile" (als Ausweg aus dem damaligen gesellschaftlichen Dilemma) zu ihrem Recht verholfen.
Bis dahin waren Kinder- und Erwachsenenwelt eng miteinander verwoben, was sich z. B. in Kleidung und Spielen zeigte.

Vor dem Hintergrund möchte ich einen bewusst provozierenden Gedanken in den Raum stellen, der zu Diskussionen anregen müsste:

Inwieweit hängt die Entdeckung der Kindheit als gleichwertige Lebensstufe mit der Notwendigkeit der Rolle der Mutter in der Erziehung zusammen?

Ich bin mir gar nicht sicher, ob diese Betrachtung der Kindheit als besondere Lebensstufe nicht eine vergleichsweise unbedeutende und nur in einigen Erdteilen stattfindende Phase der Menschheitsgeschichte ist.
Ich würde nach Kindesalter differenzieren, den Übergang fließender sehen.
 
Ich bin mir gar nicht sicher, ob diese Betrachtung der Kindheit als besondere Lebensstufe nicht eine vergleichsweise unbedeutende und nur in einigen Erdteilen stattfindende Phase der Menschheitsgeschichte ist.
Es ist aber doch sowas wie eine Initiierung zum Erwachsenen (ggf. zeremonieller Art) recht universell feststellbar. Vorher Kind, dann Erwachsener, da ist doch die Kindheit als erkannte Phase recht deutlich.

Ich würde nach Kindesalter differenzieren, den Übergang fließender sehen.
Genau das sehe ich nicht als universell übertragbar an.
 
Es ist aber doch sowas wie eine Initiierung zum Erwachsenen (ggf. zeremonieller Art) recht universell feststellbar. Vorher Kind, dann Erwachsener, da ist doch die Kindheit als erkannte Phase recht deutlich.
Meine Antwort bezog sich auf @Huldas These der Rousseau´schen Kindheit als besonderen, von der Erwachsenenwelt abgetrennten Lebensabschnitt, Initiationsriten sind wesentlich älter und bedeuten nicht, dass Kinder vorher eine Kindheit im heutigen Sinne hatten, sondern meist war das Ritual im Zusammenhang mit der Geschlechtsreife zu sehen.
 
Für die Spartaner trifft das nicht zu.
Sie waren die Elite der spartanischen Gesellschaft (wobei wir hier von Spartiaten reden sollten, denn nur für die war die Agoge mit Amme, Prügel, usw). Die Amme war dabei vielleicht eher Ausdruck für Unterordnung von Familie unter Beruf/Pflichten für den Staat.
 
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