Schon mal Don Quijote gelesen? Schon mal über diese Stelle gestolpert? "Don Quijote entrichtete der Natur seinen Zoll, indem er dem ersten Schlummer unterlag, aber den zweiten gestattete er sich nicht; ganz im Gegensatze zu Sancho, der einen zweiten
Schlaf nicht kannte". Die meisten lesen wohl darüber hinweg. Nicht so der Historiker Roger Ekirch von der Virginia Tech University.
Ich weiß nicht, ob der Quijote ein guter Beleg für eine solche Praxis ist. Don Quijote ist ja gewissermaßen - auch wenn Cervantes die psychologische Diagnose noch nicht kennen konnte, er hat sie aber auf den Punkt gebracht - jemand, der aufgrund
Realitätsverlustes wegen zu vielen Lesens
(solche Diagnosen gibt es in der Psychologie tatsächlich, auch
Fernsehens und
Computerspielens) schließlich durchdreht und nur ganz allmählich geheilt werden kann (auch, weil ein Großteil seiner Bücher verbrannt wird).
Ihn [Roger Ekirch] ließen diese und andere Erwähnungen des ersten und zweiten Schlafes nicht mehr los. Er wühlte sich durch Dramen, Traktate, Tagebücher, fand mehr als 500 verschiedene Zitate, die ihm klar machten: Der Mensch schlief jahrhundertelang in zwei Blöcken von je etwa vier Stunden. Dazwischen war er eine Stunde lang wach. Diese Stunde war kein quälendes Im-Bett-Wälzen, sondern eine veritable Tageszeit: Die Menschen lasen, erzählten sich Geschichten und besuchten Nachbarn. Gelehrte empfahlen die Stunde zum besonders ergiebigen Studieren, Ärzte zum Kinderzeugen und die Kirche zum Beten. Eine ganze Reihe von Gebetsbüchern war einzig der wachen Nachtstunde gewidmet.
Es ist ja durchaus so, dass man mal nachts aufwacht, weil man was gehört hat oder auf's Klo muss oder einen was zwickt (und wenn es der/die Liebhaber/in ist). Danach kann man wachliegen oder wieder einschlafen, ich denke, das ist von Mensch zu Mensch ganz unterschiedlich und kann nicht für derartige Thesen herangezogen werden.
Problematisch sehe ich auch die Erwähnung der Gebetbücher (Gebet
sbücher? Ist das hier nicht die falsche Ruhrgebietsfuge?). Die Stundenbücher (Matutin) dienten ja nicht der Schlaflosigkeitsüberbrückung sondern Gebetspflichten. Ich würde sie eher als Last bezeichnen wollen.
Für eine profunde Kritik an Ekirch (die ggf. ja auch sich anschließend sein kann, müsste man aber mal das Quellenmaterial, welches er zur Stützung seiner Ansichten vorlegt sich anschauen). Auf jeden Fall ein interessantes Thema. Könnte mir vorstellen, dass Briso vielleicht noch was dazu einfällt.