Unterschied totaler / totalisierter Krieg?

M

Magdimo

Gast
Liebes Forum,

Gibt es einen Unterschied zwischen dem totalen Krieg und dem totalisierten Krieg?

Totalisierung heißt ja, dass gesellschaftliche und wirtschaftliche Ressourcen umfassend für eine industrialisierte Kriegsführung in Anspruch genommen werden. Wie es sowohl beim ersten als auch beim zweiten Weltkrieg der Fall war.
Aber wann spricht man von einem totalisierten oder von einem totalen Krieg?

lg Magdimo
 
@Magdimo

zwischen den Begriffspaar "totalisierter" bzw. "totaler" Krieg meine ich, keinen inhaltlichen Unterschied erkennen zu können.

"...Totalisierung heißt ja, dass gesellschaftliche und wirtschaftliche Ressourcen umfassend für eine industrialisierte Kriegsführung in Anspruch genommen werden. Wie es sowohl beim ersten als auch beim zweiten Weltkrieg der Fall war. ..."

Richtig! Spätestens seit dem "Vier-Jahres-Plan" begann sich die deutsche Wirtschaft auf eine Kriegswirtschaft umzustellen ("Kriegszwangswirtschaft"). Grob gesagt, war auch die Kriegswirtschaft im Nationalsozialismus geprägt von konkurrierenden Interessen sowohl zwischen zivilen und militärischen Anforderungen, aber auch innerhalb des militärischen Wirtschschaftsektors. Diese "Reibungsverluste" wurden von führenden Protagonisten immer wieder beklagt (Görings "Vier-Jahres-Plan-Behörde", Goebbels in seinen Tagebüchern, Speer als RM für Bewaffnung und Munition, Gen. Thomas, Sauckel, RWM, Reichsbank, RFM etc.).

Es ist ein Kennzeichen der nationalsozialistischen Herrschaft, daß konkurrierende Partei- und Staatsdienststellen nebenher bestanden und bereits so herrschaftsimmanent "Reibungsverluste" entstehen ließen. Hinzu kamen ideologische Vorgaben, die ebenfalls, im Hinblick auf die reine kriegswirtschaftliche Effizienz, zu "Reibungsverlusten" im nationalsozialistischen "Kompetenzdschungel" führten.

M.E. hat die Kategorie des "totalen Krieges" zwei Seiten, und zwar eine ideologische und eine ökonomische Seite.

Die ideologische Seite, umfasst die ideologieimmanenten Tabubrüche bei der Organisation der Kriegswirtschaft. Diese Tabubrüche mußten ideologisch gerechtfertigt werden (Frauenarbeit, Einsatz von Kindern und Jugendlichen z.B. bei den häufigen "Ernteschlachten", kriegsbedingte Einschränkungen beim Lebensstandard, Dienstverpflichtungen etc.).

Die ökonomische Seite, umfasst die Einbindung aller Ressourcen für die Kriegswirtschaft und mußte tw. ideologisch begründet werden, aber auch gegen rivalisierende innerökonomische bzw. militärische Interessen durchgesetzt werden. Dieses gelang nur unvollständig, es gab halt keinen "Rüstungsdiktator". Auch erfolgte die Einbeziehung der VW der besetzten Länder nur sukzessive und nicht reibungslos (z.B. entgegengesetzte Interessen von Zivil- und Militärverwaltung etc.).

Fazit: Rüstungswirtschaftlich war der II. WK schon ein totaler Krieg, allerdings mit Effizienzschwächen. Ideologisch war der II. WK ebenfalls ein totaler Krieg, da systemimmanente Tabugrenzen vom nationalsozialistischen Regime überschritten wurden. Hier sind die Tagebücher von Goebbels sehr aufschlußreich, Totalisierung vs. unterschiedlicher Interssenverfolgung innerhalb des ns. Regimes.

M.
 
zwischen den Begriffspaar "totalisierter" bzw. "totaler" Krieg meine ich, keinen inhaltlichen Unterschied erkennen zu können.
M.

Dem ist zuzustimmen. Das Konzept geht auf Ludendorff zurück und präzisiert die Erfahrungen des WW1.

Der Zusammenbruch des Kaiserreich führte zu dem Konzept des totalen Krieges und trieb die Nutzung sämtlicher Ressourcen eines Staates für Kriegszwecke auf die Spitze.

Totaler Krieg ? Wikipedia

Die Nutzung dieses Denkmodells ist dabei nicht auf das 3.Reich beschränkt, sondern wurde in enger Anlehung an die deutschen Erfahrungen in Japan und auch der UdSSR adaptiert.

Japan adaptierte dabei die Gedankenwelt des totalen Krieges von den Deutschen und das System der "Fünfjahres-Pläne" von der UdSSR.

Für beide Länder war die Totalisierung der Planung für den nächsten Krieg ein zentrales Element staatlichen Handelns in den dreißiger Jahren.

Eine wichtige Randgröße, die die Intensität der Motivation verständlich macht, war die subjektiv wahrgenommene Gefahr, durch eine nicht ausreichende Tiefenrüstung den Anforderungen eines nächsten Krieges nicht gerecht zu werden und den Status einer Großmacht zu verlieren.

Ein wichtiger Repräsentant für die Idee eines totalen Krieges in Japan war beispielsweise Ishiwara.

Ishiwara Kanji ? Wikipedia

http://books.google.de/books?id=zA4...&resnum=1&ved=0CDkQ6AEwAA#v=onepage&q&f=false

Für die SU stellte sich das Problem, ähnlich wie für Japan, als Modernisierungsproblem dar. Das Überleben als Großmacht war an die Fähigkeit gebunden, als Industriemacht sich zu entwickleln. In diesem Sinne mußte die Sowjets das Vermächtnis der Zaren aufgreifen und
den Industriealisierungsprozess dynamisieren, wie Service betont.

http://books.google.de/books?id=vWa...ook_result&ct=result&resnum=1&ved=0CDcQ6AEwAA

Allerdings unterschied sich die japanische und die sowjetsche Konzeption des totalen Krieges in den machtpolitischen Ambitionen von der Zielsetzung des 3.Reichs.
 
Zuletzt bearbeitet:
Du, in dem Fall geht es nicht um meine Empfindung, sondern um eine historische korrekte Bewertung des Sachverhaltes.
.... aber der 1.WK, ein "Totaler Krieg" Nein, niemals.

Richtig! Dennoch, zunächst gibt es keine Metrik für einen "Totalen Krieg". Sondern bestenfalls Kriterien, die mehr oder minder erfüllt sein können.

Bei Wiki zum "Totalen Krieg" finden sich durchaus brauchbare Kriterien in Anlehung an Deist (Auf dem Weg zu ideologisierten Kriegsführung 1918 - 1945, in: Militär, Staat und Gesellschaft, S. 392-394).
Der totale Krieg enthält folgende ihn kennzeichnende Elemente:

  • totale Mobilisierung: Freisetzung zusätzlicher Kräfte für die Front (Frauen übernehmen z. B. Arbeiten der Männer), Verstärkung der Rüstungsanstrengungen
  • totale Kontrolle: Gleichschaltung des Volkswillens durch gelenkte , Propaganda
  • totale Methoden: Verknüpfung von verschiedenen Waffentechniken und -systemen, Missachtung internationaler Konventionen
  • totale Kriegsziele: totale militärische Unterwerfung der Gegner, totale politische Entmachtung der Gegner. Insofern ähnelt der totale Krieg dem Vernichtungskrieg. <sup id="cite_ref-6" class="reference"></sup>
Und diese Aspekte lassen sich empirisch für die Zeit der 3. OHL in der Phase 1917 im WW1 m.E. belegen. Dieses auch mit dem Hinweis auf Hillgruber, der folgendes dazu bemerkt. Aus seiner Sicht kann man das Konzept des Totalen Kriegs wie folgt definieren:

" die Integration von Innen- und Außenpolitik, von militärischer und psychlogischer Kriegsplanung und Kriegsführung, von Wehrwirtschaft und Rüstung durch die Führungsspitze eines Staates zur Verwirklichung einer ideologisch-machtpolitischen Gesamtkonzeption" (Der Faktor Amerika in Hitlers Strategie...in Nationalsozialistische Außenpolitik, S. 493, Nichalka (Hg.).

In seinem umfassenden Werk zum WW1 (The First World War: Volume I, S. 4) klassifiziert Strachan diesen Krieg als den ersten Krieg, der als "Totaler Krieg" geführt worden ist und als solcher auch von den Historikern bezeichnet wurde.

Die gesellschaftlichen Friktionen am Ende des Konflikts im Rahmen des Zusammenbruchs 1918 !! widersprechen dieser Einordnung absolut nicht im geringsten. Und sie führen in der Reflektion der Ereignisse von 1917/18 bei Ludendorff, gerade wegen der Novemberunruhen, noch zu einer verschärften Sicht auf die gesellschaftliche Geschlossenheit, die die Voraussetzung für eine erfolgreiche Führung eines Totalen Krieges ist. Im Gegensatz zu dem erfolglosen Versuch der "totalen" Kriegsführung von 1914-18.

Die durch den preußischen Militarismus stark formierte Gesellschaft hatte sich aus der Sicht von Ludendorff als "unbrauchbar" erwiesen für seine Konzeption einer totalen Kriegsführung. Und war somit entsprechend seinen Vorstellungen in seinem Buch von 1935 zusätzlich zu "formieren".

Insofern ergab sich, gemessen an dem WW1, für Ludendorff durchaus ein Optimierungspotential für den WW1 in der Version 2.0. Den Hitler dann als WW2 anzettelte.

Es ist natürlich auch richtig, dass es unterschiedliche Varianten eines "Totalen Krieges" gibt, die kulturell unterschiedliche definiert werden, wie das Beispiel Japan zeigt.
 
Zuletzt bearbeitet:
[...]

  • totale Mobilisierung: Freisetzung zusätzlicher Kräfte für die Front (Frauen übernehmen z. B. Arbeiten der Männer), Verstärkung der Rüstungsanstrengungen
  • totale Kontrolle: Gleichschaltung des Volkswillens durch gelenkte , Propaganda
  • totale Methoden: Verknüpfung von verschiedenen Waffentechniken und -systemen, Missachtung internationaler Konventionen
  • totale Kriegsziele: totale militärische Unterwerfung der Gegner, totale politische Entmachtung der Gegner. Insofern ähnelt der totale Krieg dem Vernichtungskrieg. <sup id="cite_ref-6" class="reference"></sup>
[...]

Das bedeutet aber im Umkehrschluss, daß alle Kriegsparteien im 1. und 2. WK einen Totalen Krieg führten?
 
Das bedeutet aber im Umkehrschluss, daß alle Kriegsparteien im 1. und 2. WK einen Totalen Krieg führten?

Nein, sicherlich nicht und Muheijo verweist bereits völlig zutreffend auf die Unterschiede im WW1 hin.

Der Grad der Mobilisierung im Rahmen der Kriegsführung des WW 1 weist ähnliche Merkmale zwischen den Ländern auf. Das ist richtig.

Der Nationalismus / Patriotismus als Grundlage für Millionenheere und die schnelle Industriealisierung sind zwei Aspekte, die die Ähnlichkeit der kriegsführenden Nationen zwischen 14/18 unterstreicht und auch ihre Nähe zum "Totalen Krieg" flüchtig denkbar werden läßt.

Der Unterschied ist dennoch der Grad des Primats der Politik über das Militär. Und an diesem Punkt hat sich das Deutsche Reich unter der 3. OHL gravierend von allen anderen europäischen kriegsführenden Parteien unterschieden.

Es war nicht nur die Mobilisierung, wie in anderen europäischen Ländern inklusive die USA, sondern die Entwicklung zur Militärdiktatur durch die 3. OHL.

Sie war in 1917/18 in der Lage, den Kaiser zu erpressen und ihre vor allem politischen Ziele im Bereich des "Hindenburgschen Siegfrieden" sowohl dem Kaiser, dem Kanzler und dem Außenminister zu diktieren. Und sofern eine abweichende, moderate politische Position in Richtung eines Verständigungsfriedens vorlag, konnte die 3. OHL die Entlassung des Kanzlers durchsetzen und die Neubestellung beeinflussen und somit das Clausewitzsche Primat der Politik über das Militär in sein groteskes Gegenteil verkehren.

Das ist der entscheidende Unterschied, der eine Machtfülle in Kombination mit einer Exekutivgewalt signalisierte, die für das politische System und seine Legitimation im Rahmen der preußisch-deutsche Monarchie nicht vorgesehen war.

Es war die Systemkrise der Monarchie von 1917, ausgelöst ironischerweise duch die traditionellen Garanten ihrer Existenz, durch das Militär (vgl. beispielsweise Craig, S. 334-335; ähnlich auch bei Wehler, DGG)

http://books.google.de/books?id=p8A...a=X&ei=qp8AU6miDoTPsgbjqoCwAg&ved=0CDIQ6AEwAA
 
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Die totale Mobilisierung haben alle Kriegsparteien durchgeführt, ansonsten ist es nicht möglich, sich zu verteidigen oder zurück zuschlagen.
Beispiel USA, die bis 1914 militärisch wie auch wirtschaftlich absolut nicht kriegsbereit waren und diesen Missstand schon bis 1917 aufgeholt hatten. Da wurde alles in die Kriegswirtschaft gesteckt was möglich war.

Der Unterschied ist dennoch der Grad des Primats der Politik über das Militär. Und an diesem Punkt hat sich das Deutsche Reich unter der 3. OHL gravierend von allen anderen europäischen kriegsführenden Parteien unterschieden.
[...]

Also wenn ich da an die antideutsche Propaganda in Frankreich, England und später auch in der USA, um die Bevölkerung für einen Kriegseintritt "zu sensibilisieren", frage ich mich, ob es Militarismus benötigt, um die totale Kontrolle, die Gleichschaltung im Dafürhalten der Bevölkerung im Krieg benötigt, ala OHL.

Es gibt keinen gerechten Krieg, der Einsatz aller möglichen Mittel und darüber hinaus
wurde von allen Kriegsparteien je länger der Krieg ging ausgeschöpft. In den vielen letzten Jahren wurden nur Fehlverhalten in Sinne internationaler Konventionen auf die vermeintlichen Verlierer des Krieges übertragen. Dies subjektive Sichtweise in diesen Punkt ist nicht mehr haltbar.

Die Kriegsziel der militärischen Unterwerfung des Gegners, war wohl schon immer das Ziel, seit dem es Krieg gibt, die politische Unterwerfung kann ich mir bei einer Niederlage Frankreichs 1914 nicht vorstellen, dabei beziehe ich mich auf die Aktionen Deutschlands aus dem Krieg 1870/71.
Die totale politische Unterwerfung war eines der Kriegsziele der USA, was wohl Wilson eindeutig aufgezeigt hat, mit seinen Forderungen zu Waffenstillstandsverhandlungen ...

Also wo sollen jetzt hier nach dem im Wiki genannten Merkmale des Totalen Krieges im 1.WK nur auf Deutschland umsetzbar seinen, im Gegenteil.

Wahrscheinlich hätte die Bevölkerung den Kaiser und seine Generale schon 1917 zum Teufel gejagt, wenn die den Totalen Krieg ausgerufen hätten, wie das Göbbels Jahre später tat.
 
Also wo sollen jetzt hier nach dem im Wiki genannten Merkmale des Totalen Krieges im 1.WK nur auf Deutschland umsetzbar seinen, im Gegenteil.

Wenn es mir bisher nicht möglich war, Dir den Unterschied zwischen der "leisen" Militärdiktatur der 3. OHL plausibel zu machen, im Vergleich zu der Unterordnung bzw. Kontrolle des Militärs in den drei westlichen Demokratien unter die demokratisch legitimierte Regierung, dann werde ich wohl auch zukünftig scheitern.

Deswegen konstatiere ich, dass ich in Anlehnung an beispielsweise Craig (bereits zitiert), W.J. Mommsen: Das Schattenregiment. Der Kaiser im Ersten Weltkrieg 1914-1918, in: War der Kaiser an allem schuld?, S. 222-257, oder Wehler: Die Dritte Oberste Heeresleitung und der Totale Krieg, in: Deutsche Gesellschafts-Geschichte 1914-1945, Bd. 4, S. 112-147 eine andere Postion zum Totalen Krieg im DR vertrete.

Wahrscheinlich hätte die Bevölkerung den Kaiser und seine Generale schon 1917 zum Teufel gejagt, wenn die den Totalen Krieg ausgerufen hätten, wie das Göbbels Jahre später tat.

Nochmal: Der Totale Krieg war in 1917 die Realität. Und in 1917 gab es ca. 561 Streiks mit ca. 667.000 Teilnehmern (vgl. Wehler, DGG Bd 4, S. 135). Diese Entwicklung kennzeichnete einen relativen Höchststand an Streiks während des Krieges von 14-18!

Es kann somit überhaupt nicht die Rede sein, dass die Bevölkerung des DR sich nicht gegen die zunehmenden Lasten der Kriegswirtschaft im Rahmen des Totalen Krieges zur Wehr gesetzt hätte.

Parallel und in ähnlicher Weise wirkte sich die Kritik der SPD in 1917 aus, die auf die Abschaffung des Drei-Klassen-Wahlrechts abzielte. Eine Forderung, deren Bedeutung als Imperativ für innenpolitische Reformen auch Bethmann-Hollweg begriffen hatte und unterstützte.

Demgegenüber setzten die Protagonisten (3. OHL) des Totalen Krieges gerade in 1917 auf die polizeiliche bzw. militärische Repression von politischen Kräften, die sich gegen die vollständige Unterordnung einer Gesellschaft und der Politik unter "militärische Erfodernisse" aussprachen.

Und genau diese Kräfte mobilisierten auch gegen die von der SPD angestrebten innenpolitischen Reformen. Hindenburg, Ludendorff und die "Vaterlandspartei" standen für den Siegfrieden und für die Unterdrückung demokratischer Reformen.

Es gab eine Klammer zwischen außen- und innenpolitischen Zielen, die durch die 3. OHL zusammen gehalten wurde. Und somit nahm sie eine neuartige Rolle ein, die ihr aufgrund des politsichen Systems des DR nicht zugestanden hätte. Und diese neue Qualität der politischen Führung ist das zentrale Merkmal, auch in Abgrenzung zu anderen Staaten, das die alleinige Zuschreibung, einen Totalen Krieg geführt zu haben, rechtfertigt.

Und letztlich, gerade die Lasten des Totalen Krieges in Verbindung mit einer gesellschaftlichen Repression erzeugte den Widerstand, der in der "November-Revolution" von 1918 dann seinen Ausdruck fand.
 
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Wahrscheinlich hätte die Bevölkerung den Kaiser und seine Generale schon 1917 zum Teufel gejagt, wenn die den Totalen Krieg ausgerufen hätten, wie das Göbbels Jahre später tat.
[...]
Es kann somit überhaupt nicht die Rede sein, dass die Bevölkerung des DR sich nicht gegen die zunehmenden Lasten der Kriegswirtschaft im Rahmen des Totalen Krieges zur Wehr gesetzt hätte.

Parallel und in ähnlicher Weise wirkte sich die Kritik der SPD in 1917 aus, die auf die Abschaffung des Drei-Klassen-Wahlrechts abzielte. Eine Forderung, deren Bedeutung als Imperativ für innenpolitische Reformen auch Bethmann-Hollweg begriffen hatte und unterstützte.

Die Protagonisten des Totalen Krieges setzten gerade in 1917 auf die polizeiliche bzw. militärische Repression von politischen Kräften, die sich gegen die Unterordnung unter "militärische Erfodernisse" richtete.

Und genau diese Kräfte mobilisierten auch gegen die von der SPD angestrebten innenpolitischen Reformen. Hindenburg, Ludendorff und die "Vaterlandspartei" standen für den Siegrieden und für die Unterdrückung demokratischer Reformen.

Und letztlich, gerade die Lasten des Totalen Krieges in Verbindung mit einer gesellschaftlichen Repression erzeugte den Widerstand, der in der "November-Revolution" von 1918 dann seinen Ausdruck fand.
Ich kann es jetzt garnicht verstehen, wie du dazukommst, meine Worte ins Gegenteil zu verwandeln.
So habe ich, in einem Thema, bevor du die Diskussion zerrissen hast, folgendes geschrieben:
[...]
Wenn der 1. WK als Totaler Krieg bewertet oder auch genannt werden kann, was ist dann mit der Meuterei in der Flotte 1917, oder den politischen Aktivitäten der linker Sozialisten oder Gewerkschaften und der Werftarbeiter bis zum Nov 1918, oder der militärischen Aufgabe der OHL Sept. 1918 usw. ... das sind keine Anzeichen für einen Totalen Krieg!
[…]


Und gerade der Umstand, der revolutionären Strömungen durch alle Bereiche der Gesellschaft im Kaiserreich halte ich für ein Zeichen, daß der Krieg kein Totaler Krieg in dem von Dir dargestellten Sinn darstellt, denn die totale Kontrolle der Gleichschaltung um die totale Mobilisierung durchzusetzen scheiterte schon 1917, da die polizeiliche bzw. militärische Repression von politischen Kräften den Weg in die Revolution beschleunigten.
Die Illusion der OHL und später der SKL ihr totalen Ziele umsetzen zu können, zeigt höchstens auf, wie sehr sich die Herren einen solchen totalen Krieg wünschten.
 
So habe ich, in einem Thema, bevor du die Diskussion zerrissen hast, folgendes geschrieben:

Ich habe gar nichts "zerrissen", sondern lediglich die Diskussion über den Totalen Krieg" von der Systemkrise bzw. dem Epochenjahr 1917 getrennt.

Damit der ursprüngliche Threadersteller weiterhin über das Epochenjahr 1917 diskutieren kann.
 
Ich habe gar nichts "zerrissen", sondern lediglich die Diskussion über den Totalen Krieg" von der Systemkrise bzw. dem Epochenjahr 1917 getrennt.

Damit der ursprüngliche Threadersteller weiterhin über das Epochenjahr 1917 diskutieren kann.

Na dann doch bitte mit allen relevanten Beiträgen, sonst verliert der ein oder andere Beitrag seinen Sinn.
 
Wenn es mir bisher nicht möglich war, Dir den Unterschied zwischen der "leisen" Militärdiktatur der 3. OHL plausibel zu machen, im Vergleich zu der Unterordnung bzw. Kontrolle des Militärs in den drei westlichen Demokratien unter die demokratisch legitimierte Regierung, dann werde ich wohl auch zukünftig scheitern.

Na so drastisch solltest Du das nicht betrachten ... aber mir sind deine Argumente nicht plausibel genug.
Nach den Angaben des Wikiartikels ist der Totale Krieg sehr allgemein bewertet. Im Grunde passt es auf beide Weltkriege, aber gibt es doch enorme Unterschiede zwischen beiden Kriegen und den Kriegsparteien.
 
wiki schreibt:
Der Begriff des totalen Krieges wurde 1935 auch von Erich Ludendorff verwendet. Er bezeichnet bei ihm den Vorrang des Krieges vor der Politik.
Ludendorff selber definiert den totalen Krieg über den Umfang der Einbeziehung der Bevölkerung in die Kriegsführung sowie die existentielle Bedeutung:

Ganz anderen Charakter als alle bisherigen Kriege der letzten 150 Jahre zeigte der Weltkrieg. Ihn führten nicht nur die Wehrmächte der am Kriege beteiligten Staaten, die gegenseitig ihre Vernichtung erstrebten, die Völker selbst wurden in den Dienst der Kriegsführung gestellt, der Krieg richtete sich auch gegen sie selbst und zog sie selbst in tiefste Mitleidenschaft. ... Zum Kampf gegen die feindlichen Streitkräfte auf gewaltigen Fronten und weiten Meeren gesellte sich das Ringen gegen die Psyche und Lebenskraft der feindlichen Völker zu dem Zweck, sie zu zersetzen und zu lähmen. Der totale Krieg, der nicht nur Angelegenheit der Streitkräfte ist, sondern auch unmittelbar Leben und Seele jedes einzelnen Mitgliedes der kriegsführenden Völker berührt, war geboren, nicht durch eine veränderte Politik allein, ... [den "völkischen" Quatsch schenken wir uns mal] ..., sondern durch die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht bei den steigenden Bevölkerungszahlen und von Kampfmitteln, deren Wirkung sich immer vernichtender gestaltet. ... Nicht nur die Heere, auch die Völker sind der unmittelbaren Kriegshandlung, wenn auch in ihren einzelnen Teilen abgestuft, unterworfen und durch die mittelbaren, wie Hungerblockade und Propaganda, in Mitleidenschaft gezogen, ...
Im totalen Krieg geht es nach L. um die Lebenserhaltung eines Volkes, konsequenterweise können auch Kolonialkriege den Charakter eines totalen Krieges aufweisen:
"Kolonialkriege", in denen ein Volk oder ein Stamm nur um sein Leben zu ringen hat, der Gegner diese einfach zermalmen kann, tragen für jenes Volk oder jenen Stamm den Charakter des totalen Krieges und werden von ihnen aus sittlichen Gründen geführt.
Aus dem Charakter des totalen Krieges ergeben sich mit unerbittlicher Notwendigkeit tiefgreifende Folgerungen.
Dazu gehört für L. dann auch die Politik, die sich in den Dienst der Kriegsführung zu stellen hat,
denn beide haben das gleiche Ziel: Das Volk zu erhalten.
Bei den angelsächsischen Mächten hieß/heißt das entsprechende Konstrukt dann Kriegskabinett.

Dass die Zivilbevölkerungen auf beiden Seiten bereits im I. Weltkrieg mittel- und unmittelbar betroffen waren ist wohl unstreitig. Ebenso wenig lässt sich bestreiten, dass auch die politische Umgestaltung des unterlegenen Gegners in den Kriegszielen beider Seiten auftauchte, insbesondere die Aufteilung Österreich-Ungarn oder des Osmanischen Reiches.

Der Erste Weltkrieg war also zweifellos ein totaler Krieg - auch von alliierter Seite!
 
Die erste Nennung des Begriffes „totaler Krieg“ ist in den 1770er Jahren (wohl 1778) belegt bei Georg Christoph Lichtenberg.<sup id="cite_ref-1" class="reference">[1]</sup> Bei seiner Materialsammlung zu einem beabsichtigten Orbis Pictus (einer Beschreibung von Alltagsgebräuchen und -gegenständen) war ihm aufgefallen, dass die Bedienten das Wort „total“ häufig in falschem Zusammenhang gebrauchten. Als Beispiel nennt er u. a. „totaler Krieg“. Der Ausdruck stammt also möglicherweise aus der Alltagssprache des einfachen Volkes im 18. Jahrhundert.
Der preußische Militärtheoretiker Carl von Clausewitz prägte den Begriff des „absoluten Krieges“. Clausewitz bezieht sich auf den Krieg zwischen Streitkräften<sup id="cite_ref-2" class="reference">[2]</sup> und betont, dass der Krieg von sich aus keine Mäßigung kenne. Die Dynamik kriegerischer Gewalt werde nur von politischen und gesellschaftlichen Momenten eingeschränkt.
1924 verwies Paul Levi auf jüngste Entwicklungen in Frankreich (Über realistischen Pazifismus, in: Sozialistische Politik und Wirtschaft, Jg. 2, Nr. 67, 13. November 1924): "Die Franzosen haben ihre Konzeption des kommenden Krieges zu erkennen gegeben: nicht mehr der Weltkrieg, der geographisch die Welt erfaßt, sondern der Krieg, der alle Zweige menschlichen und staatlichen Seins an sich reißt: die militärischen Organisationen, die Industrie, die Finanzen, die chemische, bakteriologische, die medizinische Wissenschaft, die Kirche, die innere Politik, die landwirtschaftliche Produktion – alles erfaßt vom einen Kriegsgott. Die Franzosen haben für diese neue Form des Krieges auch das neue Wort schon gefunden: »la guerre totale«, der Totalkrieg, zu dem an Grausigkeit der Krieg von 1914 sich verhalten wird wie der von 1870 zu diesem."
und direkt danach kommt das, was du aus Wiki bzgl. Ludendorf zitierst.


zu fragen wäre, ob der "absolute Krieg" des 19. Jh. schon in Richtung "totaler Krieg" verstanden werden kann - Solferino oder Krimkrieg, aber auch der amerikan. Unabhängigkeitskrieg waren ja allesamt extrem mörderisch.


dennoch hat kein Krieg vor dem ersten Weltkrieg eine vergleichbare Resonanz in der Kultur (Literatur, Malerei usw.) gefunden, will sagen: dieser erste umfassende "totale Krieg" stellte eine Zäsur dar.
 
Es war sowohl den theatralischen Untersuchungsausschüssen der Weimarer Republik als auch der republikfeindlichen Rechten sehr wichtig, die "totale" Kriegsführung der Allierten gegen das Deutsche Reich zu belegen, sozusagen die Fortentwicklung des "sauberen" Kabinettkrieges zum Volkskrieg durch alliiertes Verschulden.

Man bejammerte auch sich selber, der Totalität nicht nachgekommen zu sein, insofern war
1. die Diskussion das Geschwisterchen der Dolchstoßlegende.
2. Ebenfalls ein naher verwandtschaftlicher Hintergrund bestand zur Reparationsfrage bzw. deren Beseitigung.
3. und der dritte Verwandte: "Entschuldung" der Kräfte, die diesen Weltkrieg auf deutscher Seite mit begonnen, und mangels Verständigungsfrieden oder rechtzeitiger Bitte um Waffenstillstand in die Niederlage zu Lasten des eigenen Volkes ab 1917 geführt hatten.

Die Verdrängungsschlachten des Tintenkrieges spielten hier allerdings mit einem durchaus gegebenen Unterschied in dem Verständnis: Krieg als Volk gegen Volk oder Staat gegen Staat. Auftragsbezahlte deutsche und ausländische Juristen fertigten dann Gutachten an, dass die durchtriebenen Alliierten doch tatsächlich den ehrenhaften Kabinettskrieg formal durchbrochen hätten. Umgekehrt gab es dann Schriften wie "Unser Recht auf den U-Boot-Krieg". Mit Ausnahme der ausländischen Kreise, die in diese deutsche Diskussion hineingezogen wurden, interessierte das im Ausland kaum jemanden.


Thanepower hat oben den Literaturstand betr. Totalitätsdiskussion, die nichts mit dieser alten Vergangenheitsbewältigung zu tun hat, und die dort vorgeschlagenen methodischen Kriterien und Antworten sehr gut aufgerissen. Das sollte man sauber von seinerzeitigen Zuordnungen trennen.

Wie gesagt, mir geht es hierbei nur um den rezeptionsgeschichtlichen Hintergrund.
 
Zuletzt bearbeitet:
Volkskrieg = Totaler Krieg?

Die Gleichsetzung könnte bei Ludendorffs Begriffswahl ("Phase 1") eine Rolle gespielt haben, weiß ich aber nicht. Vielleicht kann da jemand helfen.

Wenn man "Phase 2" (Goebbels) nimmt, mag auch hier ein "völkisches Element" des Krieges bei ihm eine Rolle (Totaler Krieg) gespielt haben, das geht aber in Richtung eliminatorischen bzw. Vernichtungsgedanken (so wie man den Krieg im Osten führte).

Nochmal eine andere Frage (sozusagen Phase 3) ist die Historikerdiskussion um den Totalen Krieg oben, siehe thanepower.
 
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