Voltaire und Goethe - ein Vergleich

Brissotin

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Ich bin eben darauf gekommen, dass man doch mal ganz polemisch vergleichen könnte, was es für Gemeinsamkeiten zwischen Goethe und Voltaire gab.

Wäre schön, wenn sich Kenner v.a. von Goethe (!) daran beteiligen würden. Wobei es gut wäre, wenn die Mitschreibenden zumindest ein paar Werke von beiden kennen würden. Sonst wäre ein Vergleich wohl etwas sinnlos.

1. Genies, die sich ihrer Genialität wohl bewusst waren.

2. Es galten beide als letzte Vertreter des Universalgenies(?).
Anmerkung: Ich glaube aber, dass Voltaire grundsätzlich sagte, dass es zusehends schwerer geworden wäre Universalgelehrter zu sein, da man maximal oberflächlich die neuesten Erkenntnisse aller Wissenschaftler als Gelehrter kennen könne.

3. Zu ihrer Zeit schon hoch geschätzt.
Man kennt ja aus den Biographien von Zeitgenossen schon, wie damals zum Wohnsitz Voltaires Ferney gepilgert wurde. Eine wohl ähnliche Anziehungskraft kann man, nicht zuletzt durch Goethe, auch Weimar zusprechen.

4. (hängt mit 3. zusammen) Ein enormer Niederschlag in Malerei und Bildhauerei
Also ich kenne kaum einen Dichter und Denker, der soviel wie Voltaire porträtiert wurde. Am charakteristischsten von den Skulpturen finde ich Pigalles Werk, das im Louvre zu sehen ist. File:Voltaire nu.jpg - Wikimedia Commons Viele seiner Büsten tragen die Aufschrift "IMMORTALIS".
Für Goethe gilt ähnliches, wenn auch vielleicht nicht in dem Maße.

5. Beeindruckende Grabstätten. (Wenngleich bei Voltaire ursprünglich von den "Herrschenden" wohl nicht so vorgesehen. ;))

6. Beide wohl "Fürstenerzieher" - davon überzeugt, dass wenn eine Besserung zu erzielen ist, dann über die Fürsten.
Bei Voltaire ist der Grund eindeutiger, warum er wohl die Volksmasse für unfähig hält, geordnet selbstständig fähig zu sein zu reformieren.

7. Ganz platt: Beide wurden über 80 (83 und 82) und erreichten damit wohl für ihre Zeit ein hohes Alter.
 
War Voltaire dabei auch so eine Niete als Jurist?
Es geht.
Er war Notar. Im Grunde schien er darüber in den Stand der Noblesse de Robe aufsteigen zu sollen. Aber er wendete sich einfach zu früh von der Juristerei ab, um genauer was darüber sagen zu können.

Ich denke das Studium half beiden auf ihre Weise in der Zukunft. Voltaire bekam eine Stelle bei einem Gesandten, der nach Den Haag geschickt wurde und geriet damit auf das politische Parkett, welchem er gewissermaßen ja lebenslänglich treu bleiben sollte.
Zum anderen könnte man wahrscheinlich Züge seines juristischen Verständnisses in seiner Einmischung in den Fall Callas erkennen.

Goethe wurde ja nach einer wohl ähnlich kurzen juristischen "Karriere" auch dann eher Hofmann, wie auch Voltaire und konnte seine juristischen Kenntnisse später als Geheimrat sicherlich nutzen.

Von daher würde ich sagen, dass beide mit einem nicht sehr geliebten Studium das beste daraus machten.:cool:

Beide waren:

9. Viel auf Reisen. (Ist vielleicht doch nicht so unwesentlich.)

10. Hofleute.
Wobei da bei Goethe zwischen dem Minister, Günstling und Hofmann wohl schwer zu trennen sein dürfte. Gewissermaßen passt seine Karriere im Staat zu seiner Ausbildung genauso wie zu seiner Herkunft (Papa war doch sicher stolz. ;)) Schon mit Mitte 20 im "Consilium", das ist ja allerhand.:cool:
 
Goethe wurde ja nach einer wohl ähnlich kurzen juristischen "Karriere" auch dann eher Hofmann, wie auch Voltaire und konnte seine juristischen Kenntnisse später als Geheimrat sicherlich nutzen.

Dass die Beiden relativ kurz nach dem Erreichen ihres Abschlusses ihre eigentliche "Arbeit" zum Jordan geschickt haben, würde ich als 11. Punkt nehmen. :D

Und als 12., wie ich meine doch bewerten zu können, dass sie dazu auch nicht gerade hässlich waren. :red:
 
Muss es unbedingt ausschließlich um Gemeinsamkeiten gehen?
Wäre schöner, weil Unterschiede Legion sind und beinahe noch streitbarer als die Gemeinsamkeiten.

Guck mal, lasse ich jetzt Unterschiede zu, kommen Pappkameraden, die behaupten:
Voltaire war ein Philosoph - Goethe keiner.
Voltaire hatte lange Haare - Goethe keine.
(Beides bei näherem Hinsehen falsch bzw. "diskutierbar".)
 
Schön fände ich auch sowas wie: "Beide hatten eine Braunschweiger Putzfrau." Nur so als Beispiel, also unüberprüft. ;)=)
Aber es dürfen auch ruhig objektive, aber witzige Gemeinsamtkeiten sein.

Höchst philosophisch, wäre vielleicht was für Dich Hulda, wäre die Frage, ob beide eine gemeinsame/ähnliche Einstellung zu Gott hatten?
Ich würde zumindest sagen, dass ich beider Verständnis von Gott eher kompliziert finde.:rotwerd::angsthab:
 
Habe Deine Beweggründe verstanden und werde mal in mich gehen...

Schwierig, schwierig... schauen wir uns das gemeinsam komplizierte Verhältnis zu Glaubensdingen an, bin ich schon wieder in der Bredouille wegen der Unterschiede :grübel: :cry:

Das von Dir initiierte Thema lockt mich sehr, muss mal gucken, ob ich was einigermaßen Brauchbares zusammenkriege...

Edit: Das Verhältnis zu Frauen ist auch spannend!
 
Zuletzt bearbeitet:
Das von Dir initiierte Thema lockt mich sehr, muss mal gucken, ob ich was einigermaßen Brauchbares zusammenkriege...
Mich lockt es auch, wobei mir sozusagen eben Knall auf Fall die Gemeinsamkeiten auffielen.
Wobei es auch ganz nett wäre, ob es gegenseitige Kenntnis gab. Theoretisch könnte Voltaire noch von Goethe gehört haben, d.h. wenn ihn Goethes Metier überhaupt interessierte.
 
Beide lehnten dogmatisches Denken in der Religion ab. Goethe hat diese Sichtweise von Voltaire übernommen und "erweitert" sie später in seinen Ausführungen über die Natur.

Hoffentlich habe ich in der Verkürzung jetzt keine Verfälschung betrieben... :angsthab:

Eigentlich müsste ich jetzt meine Aussage mit Werken Beider belegen... dafür müsste ich aber in wochenlangen Sonderurlaub gehen.

Voltaire hat sich mit Vorliebe mit Leibnitz auseinander gesetzt... ein spannendes Thema...
 
Edit: Das Verhältnis zu Frauen ist auch spannend!
Wie würdest Du das denn sehen?

Zumindest in der Hinsicht, dass sie den Damen ein Recht oder die Fähigkeit zu eigenständigem Denken zustanden, könnte man Unterschiede sehen.

Voltaire:
Hatte Kontakt zu vielen weiblichen Geistesgrößen und lobte diese auch. Sein Verhältnis zu Mme. du Châtelet ist ja weltberühmt. In Werken wie die "Denkwürdigkeiten..." pries er sie und ihren Geist ganz erheblich.

Goethe:
Dazu fällt mir momentan nur Folgendes aus dem Wikipediaartikel zu seiner Schwester Cornelia ein.
"Sie bemerkt seine veränderte Einstellung zu Frauen, hatte er sich doch in seiner Abwesenheit in die damals vorherrschende männliche Vorrangstellung eingelebt. Seine Briefe spiegeln die Unterschiede wider, die damals zwischen den Geschlechtern bestanden: Er verweist sie darin auf ihre weiblichen Pflichten wie „die Haushaltung, wie nicht weniger die Kochkunst zu studiren“. ..."
*

Halb OT:
Im Grunde verwunderte mich das, was ich über Cornelia Schlosser las ein wenig. Ihr Gatte war ja einer der größten Freunde von J.G. Jacobi. Und dieser Jacobi war ja geradezu berühmt dafür, dass er die Damen nicht nur ermunterte den Geist zu schulen, wie es Jacobi auch unterstützend bei seiner Gemahlin tat:), sondern auch die Ergebnisse der eigenständigen Überlegungen zu publizieren. Darin ähnelte er seinem langjährigen Weggefährten Wieland, der bspw. das "Journal für deutsche Frauen von deutschen Frauen geschrieben" nach 1800 herausgab. :yes: Über die Vermittlung Jacobis hätte Cornelia Schlosser doch sicherlich auch wirken können oder nicht?


* Cornelia Schlosser ? Wikipedia
 
Goethe und sein Herzog

Voltaire wie Goethe waren im Grunde an den Höfen, als sie ankamen, schon ein wenig als Emporkömmlinge angesehen worden. Ihren Aufstieg verdankten sie ihrem Genie - Goethe wohl auch seiner rasch entstandenen Freundschaft zum Herzog Carl August, die u.a. durch Karl Ludwig von Knebel vermittelt wurde.

Carl August 19-jährig verlautete:
"Das Urteil der Welt, welches vielleicht missbilligt, dass ich den Dr. Goethe in mein wichtigstes Kollegium setze, ohne dass er zuvor Amtmann, Professor, Kammerrat und Regierungsrat war, ändert garnichts. Die Welt urteilt nach Vorurteilen. Ich aber sorge und arbeite, wie jeder andere, nicht um des Ruhmes, und des Beifalls der Welt willen, sondern um mich vor Gott und meinem eigenen Gewissen rechtfertigen zu können."
*

Wohlgemerkt war Goethe nichtmal Doktor, wie ihn hier der junge Herzog bezeichnete. Dass er sich für die Regierungsgeschäfte und das in dem hohen Amt eignen würde, konnte der Herzog freilich noch nicht ahnen. Glaubt man zeitgenössischen Quellen, so war Goethe mit Ende 20, als er anfing an der Seite des Herzogs zu arbeiten, auch eher noch ein sehr ausgelassener Mann, was natürlich ganz gut zum jugendlichen Alter auch seines Herrschers passte (Man denke an eine Ermahnung Klopstocks aus dieser Zeit, es nicht so toll zu treiben!).
Hier muss Sympathie und wohl auch Bewunderung für den deutlich älteren Dichter eine Rolle gespielt haben. Auch durch seine juristische Tätigkeit kann er sich 1774-76 noch nicht hervorgetan haben.

*
zitiert nach:
Karl Eduard Vehse: "Der Hof zu Weimar - Privat" (Original um 1855) Anaconda, Köln, 2011
S. 8
 
Tja ,ich habe noch eine Gemeinsamkeit,die in Verbindung mit unserem diesjährigen Forentreff steht:
Sowohl Voltaire als auch Goethe besuchten Mainz,tranken daselbst Wein und logierten im "Haus zum Römischen Kaiser", in dem heute das Gutenberg-Museum untergebracht ist.
Und damit dürften sie sich auch bei den Damen in der angrenzenden Rote-Kopf-Gasse vergnügt haben ;)
 
Voltaire interessierte sich wie auch Goethe für die Kunst.

Einige ihrer Werke wurden zu ihren Lebzeiten vertont. Zum Teil arbeiteten beide eng mit den Musikschaffenden zusammen. So komponierte Anna Amalia, die Herzogin von Sachsen-Weimar, "Erwin und Elmire" auf ein Libretto von Goethe.
Das Bühnenschaffen Voltaires ging in der Hinsicht freilich deutlich über ein solches Maß hinaus. So arbeitete er eng mit dem führenden französischen Komponisten Mr. Rameau zusammen. Auch qualitativ dürfte daher das Gesangstheater vom musikalischen Standpunkt überlegen gewesen sein. Die erste, leider verloren gegangene Oper von Rameau, war in Zusammenarbeit mit Voltaire entstanden. Vieles daraus soll Rameau in "Zoroastre" wiederverwendet haben. Daneben schufen sie gemeinsam "La Princesse de Navarre" und "Le Temple de la Gloire", beides 1745, wohl in der Zeit, als Voltaire bei Hofe in der höchsten Gunst stand. Beide Werke wurden bezeichnenderweise in Versailles erstmalig zu Gehör gebracht.

Goethe sammelte zwar viel Kunst, aber schmückte sich nicht nur mit der guten. Ich denke da an J.H. Meyer, dessen Werke in Goethes Wohnhaus am Frauenplan mir eher etwas -ähm- wenig gelungen vorkamen. Auch seine Einschätzung über Oeser, den er sehr mochte und empfahl, scheint mir hauptsächlich einer freundschaftlichen Verbindung als dessen wirklichem Talent verschuldet - wenn ich mich so an Chodowieckis vernichtendem Urteil über Oesers Arbeiten anlässlich seines Leipzig-Besuches erinnere. Und eben diese Beobachtungen wie damals Chodowiecki, kann man auch heute noch im Wittumspalais in Weimar machen. Mit dem Kolorit und der Ausführung hatte es der arme Oeser nicht so. :autsch:
 
War Goethe dafür nicht zu prüde?:grübel:

Nee, Frau von Stein war ja nicht sein einziges Verhältnis
Kähe Schönkopf, Charlotte Buff, Christiane Vulpius , Friderike Brion, Lili Schönemann, Marianne v.Willemer, Ulrike v.Levetzow, "die Faustina" waren ja bekannt

Und es gibt eine Skizze von Tischbein mit der Unterschrift "Das verfluchte zweite Kissen" . Die Zeichnung dokumentiert einen Besuch Tischbeins in Goethes römischem Quartier während seines Italienaufenthalts, bei dem der Dichter das verräterische Indiz eines Damenbesuchs verschwinden lassen will. :D

Also prüde war der alte Geheimrat sicher nicht und auch kein Kind von Traurigkeit.
Wenn Du dir die Römischen Elegien, die bezeichnenderweise zunächst "Erotica Romana" benannt waren ,anschaust,so ist das eine Bildungsreise im Bett. Vier der ursprünglich 24 Elegien ließ Goethe übrigen wegen ihres freizügigen Inhalts unveröffentlicht. Und die Walpurgisnachtszenen im Faust lässt da auch nix aus.
 
Also prüde war der alte Geheimrat sicher nicht und auch kein Kind von Traurigkeit.
Wenn Du dir die Römischen Elegien, die bezeichnenderweise zunächst "Erotica Romana" benannt waren ,anschaust,so ist das eine Bildungsreise im Bett. Vier der ursprünglich 24 Elegien ließ Goethe übrigen wegen ihres freizügigen Inhalts unveröffentlicht. Und die Walpurgisnachtszenen im Faust lässt da auch nix aus.
Ab da schon. Aber in seiner Jugend scheinen mir die Beziehungen weniger schlüpfriger Art gewesen zu sein. Er hatte viele Geliebte, aber die hätten sich allesamt nicht an einen einfachen Studenten oder wenig bedeutenden Juristen verschenkt, wenn er nicht die Ehe eingegangen wäre. Zu seiner Weimarer Zeit hing er vor allem in einer platonischen Beziehung an der Frau von Stein.
In Italien soll sich seine grundlegende Wandelung vollzogen haben. Man könnte auch sagen, "der Knoten ist geplatzt".

In den 1790ern hingegen umhüllte ihn bereits jene abschreckende Kälte, welche bereits Schiller in den Jahren kurz nach ihrer ersten Begegnung in Rudolstadt festgestellt hatte. Jean Paul und Charlotte von Kalb zeugen uns davon noch immer durch ihren Briefverkehr.
Zu dieser Zeit spielte aber bereits Christiane Vulpius die Hauptrolle in Goethes privaten Leben und er war ein gesetzter Endvierziger.
Auch wenn er sie dann nach ihrem frühen Tode sehr betrauerte, äußerte Goethe nicht über sie, sondern über Lili im Alter:
"Lili war die erste, die ich tief und wahrhaft liebte, und vielleicht war sie auch die letzte."
 
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