Wertung historischer Leistungen

Robert Craven

Aktives Mitglied
Lass gut sein, Repo, manche Forumsteilnehmer brauchen nun mal den moralisierenden Duktus. Sie können halt nicht anders.
Wenn ihr dieser Meinung seid, tut mir das Leid. Ich wollte lediglich vermeiden, dass hier Geschehnisse hochgehalten werden, die in ihren Folgen und den Zeichen, die sie setzten, zu verurteilen sind. Das Verständnis der Historie ist heute zum Glück ein etwas anderes, als es Hegel, Nietzsche (moralisierende Historie) und Ranke andachten. Sobald es um eine Wertung der Geschehnisse geht, und nicht mehr nur um deren Wahrheitsgehalt, muss die Moral mit einbezogen werden. Anders kann ein Mensch gar nichts bewerten.
 
Es geht hier doch gar nicht darum, die Wehrmacht "hoch zu halten" oder Opas Stammtisch zu kolportieren. Genauso wenig sollte man alles auf die damalige oder heutige ideologische Brille verengen. Niemand bestreitet hier, dass furchtbare Verbrechen geschehen sind. Trotzdem waren die Ereignisse um Kurland eine logistische und militärische Meisterleistung, das ist keine Wertung, sondern eine sachliche Feststellung. Oder soll man auch pauschal alle wissenschaftlich-technischen Errungenschaften, die man deutscherseits von 1933-45 erbracht hat, ignorieren und verurteilen?
Ohne Peenemünde und Wernher von Braun hätte z.B. Armstrong nicht den Mond betreten, ohne Konrad Zuse säßen wir jetzt nicht hier am Rechner. Etc. pp. ...
 
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Trotzdem waren die Ereignisse um Kurland eine logistische und militärische Meisterleistung, das ist keine Wertung, sondern eine sachliche Feststellung. Oder soll man auch pauschal alle wissenschaftlich-technischen Errungenschaften, die man deutscherseits von 1933-45 erbracht hat, ignorieren und verurteilen?
Ohne Peenemünde und Wernher von Braun hätte z.B. Armstrong nicht den Mond betreten, ohne Konrad Zuse säßen wir jetzt nicht hier am Rechner. Etc. pp. ...
Vielleicht sollten wir diese Diskussion in einem neuen Tread weiterführen? (Etwa "Über die Wertung historischer Leistungen") Ich halte es bei der geballten Meinungswand, gegen die ich hier stoße, für sinnvol. Wie hört sich der Begriff "Meisterleistung" bezüglich der Atombombe für dich an? Ist er wirklich nicht wertend?
 
Wie hört sich der Begriff "Meisterleistung" bezüglich der Atombombe für dich an? Ist er wirklich nicht wertend?
Nein, er ist nicht wertend. Oppenheimer hat sie ja nicht persönlich abgeworfen, er war bekanntlich gegen ihren Einsatz. Missbrauchen lässt sich fast jede Erfindung, angefangen beim Faustkeil und Feuermachen.

EDIT: Eigentlich sollte die Diskussion damit vorbei sein, sonst soll @Robert seinen Thread öffnen und ein Mod meinetwegen die letzten passenden Beiträge von hier dranhängen. Wir sind immer noch bei Kurland...
 
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Ganz abgesehen von der kernphysischen Forschungsleistung: Kann man jemanden, der für eine kriegführende Macht eine Waffe entwickelt - unter der Voraussetzung, dass die Person und ihre Angehörigen körperlich und psychisch nicht bedroht sind -, Mitschuld an ihrem Einsatz wirklich absprechen?
 
Lieber @El, darüber lässt sich trefflich diskutieren und spekulieren, aber das wird eine endlos. Was wäre in der Welt alles passiert und wie würde sie heute aussehen, hätte es Hiroshima und das "Gleichgewicht des Schreckens" im Kalten Krieg nicht gegeben...?
 
Ich sehe da deutliche Unterschiede zwischen der kontrafaktischen "Was wäre wen?"-Frage und der - moralischen - Bewertung eines Wissenschaftlers, der eine Massenvernichtungswaffe für eine kriegführende Macht entwickelt. Dabei muss man gar nicht zwingend zu einer Verurteilung des Wissenschaftlers kommen, man kann auch ganz pragmatisch urteilen: Die eigenen Soldaten als Teilmenge der Bevölkerung sind mir als kriegführender Macht mehr wert als die Bevölkerung eines mit mir im heißen Krieg liegenden Bevölkerung. Daher ist eine Waffe, mit der ich auf einen Schlag einen Großteil der mir feindlichen Bevölkerung auslöschen kann, gegenüber dem Kampf Mann gegen Mann, bei dem ich meine eigenen Soldaten verheize, vorzuziehen.
 
Über die Wertung historischer Leistungen

Hier nun die Möglichkeit, die im Tread Kurland-Kessel begonnene Diskussion über die Wertung von historischen Ereignissen weiterzuführen...

Mein Anstoß zu dieser Problematik war die von Repo vorgenommene Wertung der Ereignisse im Kurland gegen Ende des 2. WKs:

6 Schlachten von Oktober 1944 bis März 1945 sprechen eigentlich eine deutliche Sprache.
Schon der Rückzug der gesamten Heeresgruppe Nord, nach dem Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte, über das Nadelöhr Riga, fast ohne Verluste, ist eine Muster dt. Generalstabsarbeit.
Es wurde auch eine ganz erhebliche Menge an russ. Truppen gebunden, das 6-10fache der deutschen.

Nachstehender Link ist, obwohl privater Natur, seriös (dem Homepage-Besitzer wird es gegangen sein wie mir:D, Papa war stolz darauf zur HG Kurland gehört zu haben)

Versorgung und Nachschub über die Ostsee war übrigens (Oktober 1944-April1945!)ebenfalls eine logistische Meisterleistung!

Meine Reaktion darauf war folgende:

---Ich dachte die Zeiten, in denen man ungerügt die "Meisterleistungen" der Wehrmacht preisen und den propagandierten "Kampf bis zum letzten Mann" gut heißen kann, seien vorbei. Anscheinend habe ich mich getäuscht. Aus heutiger Sicht sollte jedem halbwegs vernünftigen Menschen die Absurdität des Durchhalteglaubens und die Verblendung der damaligen Generäle einleuchten. Natürlich ging kein Soldat gerne in russische Gefangenschaft, doch die Motive zur Aufrechterhaltung des Kampfes waren sicher andere. Die Ideologie des unbesiegbaren Deutschtums und der Irrglaube an den Endsieg standen hier im Mittelpunkt. Es gibt demnach keinen Grund diese Ereignisse mit Stolz zu betrachten. Auch das Lob der Logistik ist völlig unangebracht. Die Bewaffnung und (schlechte) Ausbildung des letzten "Volkssturms" war logistisch gesehen bestimmt auch anspruchsvoll. Dennoch macht es keinen Sinn dies anzuerkennen, da ansonsten unweigerlich die verbrecherischen Motive in den Hintergrund rücken. ---

Im weiteren Verlauf der Diskussion, ging es um einen Zentralen Punkt in der Betrachtung historischer Ereignisse. Sollten einzelne Begebenheiten, wie etwa die Logistik der Wehrmacht separat von anderen Begebenheiten, wie etwa Kriegsverbrechen, beurteilt werden oder nicht. Ich sehe da eindeutige Zusammenhänge, deren Verschweigen die historische Wahrheit in meinen Augen falsch ablichten.

Unter Verweis auf das Geschichtsverständnis Leopold Rankes, wurde mir vorgeworfen zu moralisierend zu urteilen. Die Diskussion wanderte weiter und begab sich auf ein weiteres und allgemeineres Feld. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob historische Leistungen überhaupt moralisch gewertet werden sollten.

Niemand bestreitet hier, dass furchtbare Verbrechen geschehen sind. Trotzdem waren die Ereignisse um Kurland eine logistische und militärische Meisterleistung, das ist keine Wertung, sondern eine sachliche Feststellung. Oder soll man auch pauschal alle wissenschaftlich-technischen Errungenschaften, die man deutscherseits von 1933-45 erbracht hat, ignorieren und verurteilen?
Ohne Peenemünde und Wernher von Braun hätte z.B. Armstrong nicht den Mond betreten, ohne Konrad Zuse säßen wir jetzt nicht hier am Rechner. Etc. pp. ...

Es stehen sich also in etwa folgende Positionen gegenüber:
Eine Befürwortung der Wertung historischer Ereignisse unter Einbeziehung der Moral, denn nur so kann man objektiv werten.
Und eine Gegenperspektive, die ihren Focus einzig auf die erbrachte Leistung richtet und diese an sich, Folgen und weitere Entwicklungen ausgenommen, wertet.

Mich würden weitere Standpunkte brennend interessieren. Spielt die Moral in der Geschichtswissenschaft eine Rolle?

Ist etwa der Bau der Atombombe eine singulär zu betrachtende technische Meisterleistung, oder ist schon die Erfindung im Hinblick auf deren Folgen zu verurteilen?
 
Um noch mal kurz auf die andere Diskussion zurückzukommen, aus der diese Diskussion ja erwuchs: So wie ich die genannten Mitglieder kenne und glaube einschätzen zu können, bewerteten sie logistische und strategische Leistungen. Sie sind aber von einer Verharmlosung des Vernichtungskrieges freizusprechen. Wenn aber einer die Logistik und die Strategie und der andere die Moral bewertet, dann redet man schon zwangsläufig aneinander vorbei.
 
Gab/gibt es denn in einem Krieg jemals eine Seite die moralisch nicht zu beanstanden ist?
Meines Erachtens nein.
 
Ich habe meine Meinung zum Thema vor etwa 1 1/2 Jahren in einem anderen Thread dargetan. Meine Meinung hierzu hat sich seitdem auch nicht um Haaresbreite geändert. Deshalb stelle ich sie noch einmal hier herein, und zwar als abschließendes Statement zu meiner Auffasung. An einer weiteren Diskussion werde ich mich nicht beteiligen.

Wie soll ich mit der Geschichte umgehen? Wie kann ich mit der Geschichte umgehen?

In der Zeit der Aufklärung war es Usus geworden, über die Vergangenheit scharf zu urteilen, ihre Menschen, deren Charakter, ihre Handlungen und ihre Absichten. Voltaire hat sich da ja ganz besonders hervorgetan.

1824 stellte Ranke dem eine andere Auffassung von der Aufgabe eines Historikers entgegen: Während andere Historiker beanspruchten „über die Vergangenheit zu richten und die Mitwelt zum Nutzen künftiger Jahre zu belehren“, meinte er, „solcher Dinge vermesse“ er sich nicht, er wolle nur zeigen, „wie es eigentlich gewesen ist“. Und in seinem Werk „Englische Geschichte, vornehmlich im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert“ sagte er: „Ich wünschte, mein Selbst gleichsam auszulöschen, und nur Dinge reden, die mächtigen Kräfte erscheinen zu lassen. Könnte dieses Postulat Rankes voll umgesetzt werden, so ergäbe sich daraus eine objektive Darstellung der Geschichte.

Auch vor Ranke hatten Geschichtsschreiber, seit Thukydides, Herodot und Tacitus, immer wieder ihren Anspruch hervorgehoben, unparteilich über geschichtliche Vorgänge zu berichten (Tacitus: „sine ira et studio“), was sie aber nicht hinderte, wie selbstverständlich Zensuren über gut und böse zu erteilen. Genau in diesem Punkt wollte Ranke aber mehr. Er meinte dem Sinne nach, ich kann mich an die genaue Stelle nicht erinnern, jede Epoche sei unmittelbar zu Gott, sei nicht mediatisiert durch unsere Perspektive von unserer Gegenwart her.

Nun sollte man meinen, Geschichtsbetrachtung, jedenfalls wenn sie von einem Historiker mit wissenschaftlichem Anspruch betrieben wird, müsse zwangsläufig Rankes Anforderungen genügen. Schließlich ist der Historiker Vertreter einer Wissenschaft, der Geschichtswissenschaft, er gehört zur scientific community. Wenn er Aussagen zur Geschichte macht, dann sind das nicht einfach Meinungen oder Überzeugungen, nein, ein Wissenschaftler muss beanspruchen objektiv zu sein. Würde dieser Anspruch nicht bestehen oder nicht eingelöst werden können, dann wäre die Geschichts“wissenschaft“ eben keine wissenschaftliche Disziplin.

Nun sind Historiker auch nur Menschen. Sie sind durch Gene, Erziehung, Ausbildung in ihrem Charakter geformt worden, jeder hat seinen individuellen Charakter entwickelt in seiner Zeit, der ihn prägt, ob er will oder nicht. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass die gleichen geschichtlichen Vorgänge von Historikern mit unterschiedlichem Werdegang und in unterschiedlicher Zeit völlig verschieden dargestellt werden können. Auch Ranke war davon nicht frei, aber er hatte den Willen, die sich daraus ergebende Einschränkung seiner Objektivität bewusst zu überwinden. Aber natürlich konnte auch er nur von seinem Standpunkt und aus seiner Zeit heraus Geschichte erzählen. Und was der Historiker über Geschichte erzählt, ist ja nur ein Ausschnitt aus einer kontinuierlichen Entwicklung, die bis zur Gegenwart reicht und darüber hinaus offen weiterführt. Und aus der Perspektive seiner individuellen Gegenwart berichtet der Historiker. Insofern ist Objektivität, auch für den Wissenschaftler, wohl vollständig gar nicht möglich.

Aber sollte sie angestrebt werden? Schon früh hat Ranke mit seiner Forderung Widerspruch erfahren. Johann Gustav Droysen etwa hielt Rankes Ideal, zu berichten, „wie es eigentlich gewesen ist“ für „eunuchenhaft“. Und nicht nur in Deutschland, in vielen Ländern Europas hat man im 19. Jahrhundert der Geschichtswissenschaft die Rolle eines politischen Erziehers des Volkes zugedacht. Sie sollte nicht ein möglichst objektives Bild der Geschichte vermitteln, sondern sie sollte „cum ira et studio“ mit nationalem Engagement ein besonders positives Bild der eigenen Geschichte vermitteln. Diese volkserzieherische Perspektive historischer Betrachtung findet man auch in der Gegenwart, so, wenn etwa der frühere Bundespräsident von Weizsäcker einmal einen zeitgeschichtlichen Vorgang, der der Perspektive des herrschenden Zeitgeistes nicht entsprach, als „volkserzieherisch unerwünscht“ bezeichnete.

Und auch heute gibt es eine Schule von Historikern, insbesondere in westlichen Ländern, die ein objektives Geschichtsbild gar nicht für wünschenswert halten. Sie stellen historische Vorgänge tendenziell negativ dar, und zwar nahezu generell. Wie in einem Strafprozess, in dem sie gleichzeitig Staatsanwalt und Richter sind, verurteilen sie die handelnden Personen der Geschichte, werfen ihnen Versagen vor, insbesondere ethisches und moralisches, und betonen die Schuld, die diese Personen der Geschichte, vielleicht auch die betreffenden Völker oder Institutionen auf sich geladen haben. Sie stellen sich selbst auf ein hohes moralisches Podest, von dem herunter sie urteilen; dabei messen sie oft Jahrhunderte zurückliegendes Verhalten an einem realitätsfernen, heute entstandenen Ideal, das sie wahrscheinlich für besonders progressiv halten. Diese historische Schule hat erheblichen Einfluss auf die Medien und den Zeitgeist und hat die heute so verbreitete Mode des Entschuldigens provoziert, die selbst wieder in einem Rückkopplungseffekt manche Versuche zu objektiverer Geschichtsbetrachtung zu kommen, be- oder gar verhindert.
Es wäre ja geradezu degoutant, den Einfluss jahrhundertelanger arabischer Eroberungszüge auf die Entscheidung der Päpste zu Kreuzzügen zu untersuchen, wenn sich deren Nachfolger ständig für die Tatsache der Kreuzzüge entschuldigen.
Und so entschuldigen sich Queen Elizabeth bei den Maoris, Tony Blair und der Erzbischof von Canterbury für Großbritanniens Beteiligung an Sklavenhandel und Sklaverei. Dabei gibt es keinen Menschen, unter dessen Vorfahren nicht auch sowohl Sklaven als auch Sklavenhalter waren.
Weiter kann man sich von dem von Ranke für sich selbst formulierten Postulat nicht entfernen, und seiner Feststellung, jede Epoche sei unmittelbar zu Gott. Dieser Satz enthält eine tiefe Wahrheit, auch wenn uns heute diese religiöse Sprache nicht zur Beurteilung geschichtlicher Vorgänge geeignet erscheint.

Wie aber sollte denn nun Geschichtsbetrachtung sein, auch hier bei uns im Forum?. Zwar sind die meisten von uns wohl keine Historiker mit wissenschaftlichem Anspruch. Es stellt sich aber dennoch auch für uns die Frage, inwieweit die Diskussion versuchen sollte, objektiv zu sein und sich ständiger Werturteile zu enthalten.

In der Praxis ist Rankes Ideal nicht durchführbar. Weil jeder in seiner Zeit und nach seiner individuellen Entwicklung Geschichte betrachtet, ergibt sich daraus für sein Denken eine bestimmte individuelle Perspektive, die mit dem Ideal der absoluten Objektivität nicht kompatibel sein kann. Sollte er sich nun aber um Objektivität bemühen? Oder sollte er immer für die Sache eintreten, die er für gut hält, die er für gerecht hält, auch wenn darüber, was nun gut oder gerecht in diesem Zusammenhang bedeutet, Streit besteht? Sollte er immer Partei nehmen?

Ich meine, man sollte sich immer um das Ideal der Objektivität bemühen, eine Aussage, die man machen will, daran messen. Ich bin mir bewusst, dass man mir hier den Vorwurf machen wird, ich würde einer Apologie der Vergangenheit das Wort reden. Aber auch eine Apologie ist ein Werturteil und nicht mit objektiver Betrachtung vereinbar. Alle politischen und moralischen Entscheidungen von Personen, die in der Geschichte gehandelt haben, sind Sache ihrer menschlichen Verantwortung. Werturteile hierüber zu fällen ist selbst dann problematisch, wenn wir uns alle über unsere Wertordnung, an der wir messen, einig wären. Und wir können unsere Werte schon gar nicht auf fremde Zeiten anwenden, die Vergangenheit an die Messlatte unserer Werte anlegen. Und wenn wir über fremde Kulturen in anderen Zeiten reden, dann müssen wir uns immer vor Augen halten, dass wir sie zwar beschreiben können. Aber sie verschließen sich unserer Beurteilung, jedenfalls einer ihnen angemessenen Beurteilung, wenn wir dafür unsere Werte als Grundlage nehmen würden. Die ganze Komplexität des Zusammenstoßes unterschiedlicher Werteordnungen, und das in einem Land und in einer Gesellschaft, wird ja derzeit an zahlreichen Beispielen aus dem täglichen Geschehen deutlich. Man sollte diese Probleme nicht auf die Befassung mit der Geschichte übertragen.

Ich musste mir dies einmal von der Seele schreiben, da mich der so unterschiedliche Umgang mit der Geschichte schon sehr lange beschäftigt. Die Gedanken, die Thomas Nipperdey 1979 in einem Aufsatz über „Kann Geschichte objektiv sein?“ und Hermann Lübbe 2001 in seinem Buch „Ich entschuldige mich“ vorgetragen haben, haben mir bei der Beschäftigung mit dem Thema sehr geholfen.
 
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Eine Befürwortung der Wertung historischer Ereignisse unter Einbeziehung der Moral, denn nur so kann man objektiv werten.
und genau das ist meiner Meinung nach falsch
Moral ändert sich,Objektivtät ist aber neutral
wird die Moral in eine Beurteilung mit einbezogen kann sie nur subjektiv sein
bei der Beurteilung einer Gegebenheit kommt es ganz allein darauf an wie die zu lösende Aufgabe bewältigt wurde,Gut und Böse haben da nichts zu suchen.Eine allgemein und ewige Moral kann es genauso wenig geben wie es nur eine Wahrheit geben kann
 
Mich würden weitere Standpunkte brennend interessieren. Spielt die Moral in der Geschichtswissenschaft eine Rolle?

Moral spielt mE immer eine Rolle. Aber ich denke man muss hier versuchen eine klare Trennlinie für sich selbst zu ziehen. Sonst kannst du kein Waffensystem angefangen von der Keule bis zum modernsten Tarnkappenbomber betrachten ohne dir zeitgleich Gedanken über die Vernichtungskraft und die möglichen Todesopfer durch diese Waffen zu machen. Das verhindert aber eine objektive Diskussion im Kern, da in diesem Falle immer eine ethisch-moralische Diskussion entstehen würde, die am Ende zu ähnlichen Ergebnisse führt, ohne das eigentliche Thema wirklich zu tangieren. Ich hoffe ich konnte meinen Gedanken richtig zum Ausdruck bringen.

Fraglos muss man sich Gedanken um die Schrecken des Krieges machen und Krieg an sich ist immer ein verurteilenswerte Sache. Aber wie soll ich dann zum Beispiel die Leistungen von Wallenstein im 30-jährigen-Krieg bewerten, wenn ich immer im Hinterkopf habe, dass dieser Krieg Teile von Europa nahezu entvölkert hat? Wie kann ich sonst objektiv über Julius Caesar urteilen, wenn ich die billigend in Kauf genommenen zivilen Opfer vor Alesia betrachte?

Ein schweres aber durchaus betrachtenswertes und wichtiges Thema.
 
Vielleicht spielt auch der historische Abstand eine Rolle, ebenso ob es womöglich das eigene Volk und seine Repräsentanten betrifft.

Wenn es um Dschingis Khan geht, hört und liest man doch fast nur über seine militärischen und verwaltungsstechnischen Seiten. Besonders die religiöse Toleranz wird hervorgehoben und das alles bis hin zur Glorifizierung. Das ist die rein objektive Seite. Komme ich hier mit der moralischen Keule, stünde er in den Top Five der bösen Buben und Massenmörder der Weltgeschichte.
Oder legt da wer unterschiedliche Maßstäbe bei der Bewertung historischer Ereignisse im Sinne von political correctness an, weil er kein Europäer war?
Siehe auch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Shaka
 
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Nein, er ist nicht wertend. Oppenheimer hat sie ja nicht persönlich abgeworfen, er war bekanntlich gegen ihren Einsatz. Missbrauchen lässt sich fast jede Erfindung, angefangen beim Faustkeil und Feuermachen.
Bloß ist im Falle einer Atombombe der Abwurf nun gerade kein Missbrauch, sondern der geplante Gebrauch.
Ich kann eine Atombombe auch als technische Meisterleistung bezeichnen, wenngleich ich ein anderes Wort wählen würde, aber die technische Leistung als gekonnt und beeindruckend zu bezeichnen, bereitet mir nur dann Magenschmerzen, wenn darüber der Zweck vergessen wird.
Es geht doch hier im wesentlichen darum, in wie kleinen Schubladen jeder bereit ist zu denken bevor er die ganze Kommode aufmacht.
 
Bloß ist im Falle einer Atombombe der Abwurf nun gerade kein Missbrauch, sondern der geplante Gebrauch.
Die eigentliche Entdeckung ist doch die Kernspaltung. Daraus eine Bombe zu entwickeln ist ein technisches Produkt. Zumal man in den 50/60ern auch über zivile Anwendungen nachdachte und damit experimentierte.
Ziviler atomarer Sprengsatz ? Wikipedia

Auch Flugzeuge wurden, nachdem sie nicht mehr als Spielerei galten, erstmal militärisch genutzt, obwohl Lilienthal und die Wrights dies ursprünglich bestimmt nicht geplant hatten. Ab wann kam es denn wirklich hier zur umfangreichen zivilen Verbreitung? Nicht vor den 1920er Jahren.
 
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Nichtsdestotrotz sehe ich da einen Unterschied. Die Fliegerei war schon zuvor ein Menschheitstraum. Die Massenvernichtungswaffe auch? Als Kulturoptimist denke ich, dass nicht.
 
Moral ändert sich,Objektivtät ist aber neutral
wird die Moral in eine Beurteilung mit einbezogen kann sie nur subjektiv sein
bei der Beurteilung einer Gegebenheit kommt es ganz allein darauf an wie die zu lösende Aufgabe bewältigt wurde,Gut und Böse haben da nichts zu suchen.

Mein Verständnis von Moral ist ein ganz anderes. Moral ist gerade der Abgleich meiner Subjektiven Beurteilung mit der Objektivität, bzw. mit der Subjektivität aller anderen, im Sinne von Kants Kategorischen Imperativ. Die Moral hilft mir daher, auch bei der Wertung historischer Ereignisse, der Wahrheit nahezukommen ohne die Resultate und Zusammenhänge aus den Augen zu verlieren. Wobei ich bekräftigen möchte, dass jegliche Wertung der Ereignisse erst nach der genauen Analyse der Tatsachen erfolgen darf. Würde ich die Moral als rein subjektive Instanz ansehen, so hätte sie in der Wissenschaft rein gar nichts verloren.

Auch der von balticbirdy angesprochene historische Abstand spielt sicher eine große Rolle. Er entkräftet die Position von kwschaefer insoweit, dass alles was sich so zeitnah (Zeitgeschichte) abgespielt hat, wie etwa der 2. Weltkrieg, mit heutigen moralischen Maßstäben messbar ist. Meine Lebenswelt entspricht in ihren wesentlichen Grundzügen derjenigen von damals. Das ändert sich natürlich umso weiter man in der Geschichte nach "Früher" gelangt. Natürlich hat von Rankes Position in ihrer Konzentration auf die Sache der historischen Wahrheit eine große Stärke, ihre Schwäche ist es allerdings, dass sie dadurch größere und soziale Zusammenhänge vernachlässigt.

Es geht mir in der Kurlanddiskussion, wie in der über die Atombombe um mehr Feingefühl bezüglich wertender Begriffe. Die Erfindung der Atombombe ist unbestritten eine technische Revolution. Sie befähigte den Menschen erstmals die ganze Erde zu vernichten. Gebraucht man aber Begriffe wie "Meisterleistung" so wertet man etwas als Erfolg, das tausenden Menschen das Leben nahm, oder die Möglichkeit dazu bereitete. Auch ein gewißer Stolz auf die Nationalität der Erfinder, wie auch bezüglich von Brauns Raketen oft gehört, erweist sich historisch als völlig deplaziert.

Dasselbe Feingefühl, das wir an den Tag legen, wenn wir nationalsozialistisch geprägte Begriffe wie "Selektion" oder "lebensunwert" meiden, sollten wir auch bezüglich anderer Begebenheiten haben. Der Respekt vor den Opfern des Nationalsozialismus sollte uns ein Beispiel sein für den Respekt gegenüber anderen Opfern, etwa jenen der Atombomben. Was übrigens nicht im geringsten ein stetes Entschuldigen oder Sühnen beinhaltet, wie es kwschaefer zu empfinden scheint.
 
Die Erfindung der Atombombe ist unbestritten eine technische Revolution. Sie befähigte den Menschen erstmals die ganze Erde zu vernichten. Gebraucht man aber Begriffe wie "Meisterleistung" so wertet man etwas als Erfolg, das tausenden Menschen das Leben nahm, oder die Möglichkeit dazu bereitete.
die meisten technischen Entwicklungen,ob nun als Meisterleistung bezeichnet oder auch nicht,haben tausenden Menschen das Leben gekostet oder ermöglichen es,das mindert aber nicht die Leistung deas Erfinders
Und gerade die Atombombe und ihr Einsatz werden sehr unterschiedlich bewertet,die meisten Militärexperten sind der Meinung das die beiden Bomben hundertausenden von Menschen das Leben gerettet hat da bei einer Weiterführung des Krieges weit mehr Menschen getötet worden wären
 
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