Einführung in die Schweizer Geschichte

Status
Für weitere Antworten geschlossen.

ursi

Moderatorin
Teammitglied
Ich habe mal ein paar Beiträge die ich im laufe der Zeit hier im Forum über die Schweizer Geschichte und vor allem über die Gründung der Schweiz geschrieben habe zusammengefasst und zusammengeführt.

Im 13. Jahrhundert existierten auf dem Gebiet der heutigen Schweiz drei voneinander unabhängige Bündnisregionen. Das sind die Bündnisse der burgundischen Eidgenossenschaft Berns, die Bündnisse der Städte um den Bodensee und das Bündnis um den Vierwaldstättersee.

In den Tälern am Vierwaldstätter See zeichnete sich eine starke ökonomisch-politische Aktivität ab. Dies hatte vor allem mit dem um 1200 eröffneten Gotthardweg zu tun. Die Bauern in den Ländern waren Selbstversorger, sie betrieben bis in die hohen Lagen Ackerbau und mit der Möglichkeit über den Gotthard zu kommen, stellten sie allmählich auf Viehzucht und Alpwirtschaft um, es wurde Käse, Butter und Schlachtvieh über den Gotthard exportiert. Da diese Art von Wirtschaft weniger Bauern benötigte wendeten sich viele der Kriegskunst zu. Das Säumerwesen und die Schifffahrt waren bereits genossenschaftlich organisiert. Im 12 und 13. Jahrhundert schliessen sich Allmend-, Alp- Bannwald und Dorfgemeinschaften zu Talschaften zusammen, sie bildeten Communitates oder Universitates unter der Führung der einheimischen Geschlechtern, das waren in Schwyz die Stauffacher, in Uri die Attinghauser und in Unterwalden die Wolfenschiessen.

1231 erhielt Uri den Freibrief von Hagenau durch König Heinrich, Schwyz erhielt 1240 einen Freibrief von Kaiser Friedrich II. In dieser Urkunde werden die Leute im Tates Schwyz als freie Leute unter dem Schutz des Reiches gestellt. Begründet ist dies dadurch, dass sich die Leute aus Schwyz treu zu den Staufern verhielten und dadurch auch kaiserlichen Sold erhalten haben.

Von 1257 ist eine päpstliche Urkunde bekannt, die den Innerschweizern mit dem Kirchenbann droht, falls sie nicht die Rechte Rudolfs II. anerkennen. Diese Urkunde geht auf den Konflikt zwischen den Staufern und dem Heiligen Römischen Reich zurück. Es ist hier nicht auszuschliessen, dass Rudolf IV. gegen die Interessen seines Onkels Rudolf III. auf den Seiten der Schwyzer stand. Rudolf IV. ist der spätere König Rudolf I. von Habsburg.
Dies ist bis dahin durch Quellen gesichert. Es gibt aber keine Belege darüber dass die Habsburger die Reichsvogtei über die Innerschweiz hatten. Die Präsenz der Habsburger in den Jahren 1240 bis 1259 ist sehr schwach.

Kurz zu den Bündnissen:
Die Bündnisse in dieser Zeit wurden in der Regel auf Zeit abgeschlossen und der jeweiligen politischen Lage angepasst.
Zwischen 1243 und 1245 entstehen ein Vierstädtebündnis zwischen Bern, Freiburg, Murten und Avenches. Dann das Bündnissystem rund um den Bodensee, dies war eine reine Städteeinigung zwischen Zürich, Schaffhausen, Überlingen, Konstanz, Lindau und St. Gallen.
In der Region um den Vierwaldstättersee gab es bereits während der staufischen Zeit ein Bündnissystem. Hier fehlen aber leider die genauen Quellen dazu. Bei diesen Bündnissen ging es vor allem um den Gottardweg, denn die Länder Schwyz, Uri und Unterwalden hatten wirtschaftliche Interessen daran. Der Bund der im August 1291 war eine Erneuerung eines älteren Bundes. Dieser neue Bund war nötig weil Rudolf I. 1291 gestorben war. Mit diesem Landfriedensbund wollten die drei Waldstätten ihre Interessen sichern. Die drei Länder erklärten, dass sie keine fremden Richter in ihrem Bereich anerkennen werden. Diese Aussage deutet auf einen bestimmten Abwehrwillen gegen äussere Eingriffe hin. Der Bund von 1291 hatte keinen antihabsburgischen Fokus. Das angesprochene Richteramt das von einem Einheimischen besetzt werden und nicht gekauft werden soll, ist unbestritten und entspricht einer Urkunde vom Februar 1291 die König Rudolf I. von Habsburg in Baden den freien Leuten von Schwyz ausgestellt hatte.

Das Bündnis von 1291 regelt das Richteramt und die innere Ordnung bei Streitfällen. Man kann sie als strafrechtliche Bestimmungen bezeichnen. Darin wird das Vorgehen bei Totschlag, Raub, Brandstiftung, Ungehorsam und Fehden geregelt. Der nächste Teil der Urkunde beruft sich auf ältere Abmachungen und am Schluss wird die ewige Gültigkeit angeführt. Dies zeugt davon, dass dieses Bündnis nicht wie sonst üblich beschränkt werden soll.
Im Bundesbrief steht nichts über Freiheit, Widerstand und Gründung einer Eidgenossenschaft. Es werden keine Personen oder Handlungsorte erwähnt. Die Urkunde ist nichts anderes als eine Gerichts- und Landfriedensordnung. Dieser Brief von 1291 steht nicht alleine da. Denn die Landfriedensbewegung, die vom Königtum und den Städten ausging, war zu dieser Zeit ein zunehmend bestimmtes politisches Element im Reichsverband.
1291 gab es keine heimliche Beschwörung auf dem Rütli. Ab dem 16. Jahrhundert kam diese heimliche Beschwörung auf. Auch wurden dann zum erstem mal die „Drei Eidgenossen“ namentlich erwähnt. Damit wurde aus einem normalen Landfriedensbund ein Freiheitskampf gemacht, der so nie stattfand.
In der älteren Geschichtsschreibung wird immer wieder von der Feindschaft zwischen den Habsburgern und den Eidgenossen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gesprochen. Dieses Geschichtsbild entstand im 19. Und 20. Jahrhundert und geht auf Aegidius Tschudis Überlieferung aus dem 16. Jahrhundert zurück. Tschudi hat die politische Situation des 16. Jahrhundert in dem er lebte einfach ins 13.Jahrhundert rückprojiziert. Seine Version der Schweizer Geschichte ist nicht belegbar, seine Quellen sind nicht vorhanden und rein spekulativ.

Literatur:

Maissen, Thomas: Geschichte der Schweiz. Hier und Jetzt Verlag. 2010

Niederhäuser, Peter: Die Habsburger zwischen Aare und Bodensee. Chronos Verlag. 2010

Kreis, Gerog: Mythos Rütli. Geschichte eines Erinnerungsortes. Orell Füssli Verlag. 2004

Krieger, Karl-Friedrich: Rudolf von Habsburg. Primus Verlag. 2003

Sablonier, Roger: Gründungszeit ohne Eidgenossen. Politik und Gesellschaft der Innerschweiz um 1300. Hier und Jetzt Verlag. 2008

Stercken, Martina: Städte der Herrschaft. Kleinstadtgenese im Habsburgischen Herrschaftsraum des 13. und 14. Jahrhundert. Böhlau. 2006

Sammelband: Geschichte der Schweiz und der Schweizer. Schwabe Verlag. 2004
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Mythos Wilhelm Tell

Die legendenhafte schriftliche Überlieferung von der Gründung der Eidgenossenschaft setzte im 15. Jahrhundert ein. Diese Schriften waren eine Vermischung aus den Lokalentraditonen und fremden Erzählmotiven. Zu den grossen Mythen der Schweiz zählen die Sagen von Wilhelm Tell, Burgenbruch und Bundesschwur der drei Urkantone und zeitlich klar davon getrennt die Erzählung von der Selbstaufopferung Arnold Winkelriede in der Schlacht von Sempach 1386. Wann die Berichte die Form annahmen, die um 1470 im weissen Buch von Sarnen niedergeschrieben wurden, ist in der Forschung unklar. Auch kann man noch nicht nachweisen, dass diese Legenden mit tatsächlichen Begebenheiten um 1300 übereinstimmen. Ob diese Legenden wirklich waren ist nicht so von Bedeutung, da aus diesen Geschichten das weit verbreitete Leitbild einer Schweizer Staatsideologie entstanden ist. Die Forschung untersucht denn auch vorwiegend die politische Funktion der Befreiungstradition im jeweiligen zeitlichen Kontext.

In der Berner Chronik von Konrad Jusinger (1420) wird erstmals die Zeit vor dem Morgartenkrieg (1315) erwähnt. Hier wird eine Willkürherrschaft und Übergriffen des Hauses Habsburg gesprochen. Es wird von Vögten in den Waldstätten erzählt die auf den Widerstand der Bevölkerung stiessen, aber weder Tell noch der Bundesschwur wird erwähnt.

Im weissen Buch von Sarnen wird folgende Geschichte erzählt: Als Knechte des Landvogts von Unterwalden, Beringer von Landenberg, dem Bauern im Melchi Ochsen wegnehmen wollten, habe dessen Sohn sich zur Wehr gesetzt, und weil dieser nach Uri entfloh, hätten sie den Vater geblendet. Bald darauf sei Landvogt Wolfenschiessen durch Konrad von Baumgarten auf Altzellen wegen versuchter Nötigung seiner Frau erschlagen worden. Wie zur selben Zeit Landvogt Gessler dem Schwyzer Landamman Werner Stauffacher wegen dessen Hochmut mit Repressionen gedroht habe, sei dieser auf Anraten seiner Frau nach Uri geflohen, um einen Geheimbund zu gründen. Dann folgt die Geschichte von Tell, der Burgenbruch und die Beschwörung des ersten Bundes auf dem Rütli unter der Führung von Walter Fürst aus Uri, Werner Stauffacher von Schwyz und Arnold von Melchtal aus Unterwalden. 1477 entstand das so genannte Bundes- oder Tellenlied, hier kommt die Variante vor, dass der Landvogt den Tell im Urnersee ertränken liess und in der Chronik von Melchior Russ (1483) wurde Tell nach seinem Sprung vom Boot erschossen. 1507 entstand die erste Chronik die gedruckt wurde, diese enthält die erste Abbildung der Apfelschuss-Szenze und 1512 wurde das Tellenspiel verfasst, und in dieser Aufführung wurde Fürst vom Rütli verbannt und an seiner stelle nahm Tell am Rüti-Schwur teil.

Die erstmalige schriftliche Zusammenfügung verschiedener Überlieferungen zu einem kohärenten und folgerichtigen Geschichtsbild von der Entstehung der Eidgenossenschaft entsprang dem Bedürfnis nach einem gestärkten Gemeinschaftsbewusstsein des lockeren, durch innere Konflikte gefährdeten eidgenössischen Bündnissystem. Zugleich setzten sich die Führungsgruppen damit gegen die aus dem Reich vor allem von habsburgischen Exponenten vorgetragene Polemik der Illegitimität der Eidgenossenschaft zur Wehr. Den Vorwurf, sie hätten ihre Unabhängigkeit durch den Umsturz der christlichen Ständeordnung und die Vernichtung des Adels erlangt, konterten sie aus einer klar antiösterreichischen Position heraus mit der legitimen Notwehr der frommen edlen Bauern gegen die Willkürherrschaft des Adels besonders der habsburgischen Vögte.

Literatur:
Historisches Lexikon der Schweiz
B. Meyer, Weisses Buch und Wilhelm Tell
D.Frei, Das schweiz. Nationalbewusstsein
 
Zur Erschliessung des Gotthards.

Es ist nicht auszuschliessen, dass bereits in der Eisenzeit der Gotthard als Handelsweg genutzt wurde. Dies belegen Funde die südalpine Herkunft aufweisen. Dieser Nord-Südkontakt kann aber natürlich auch über andere Pässe geschehen sein. Die römischen Zeugnisse reichen auch nicht aus um einen regelmässigen Verkehrsfluss über den Gotthard zu bezeugen. Der Gotthard spielte auch im Früh- und Hochmittelalter eine untergeordnete Rolle. Es gab lokale Begehungen zwischen der Leventina und dem Ursertal, dies bezeugen die Weidrechte, welche die Levinentaler nördlich der Passhöhe bis in frühe 14. Jahrhundert innehatten. (Dazu gibt es einen Beleg aus dem Jahr 1331 - Schiedsverfahren).

Auf der Passhöhe gab es eine nicht datierte Kapelle, gemäss Überlieferung soll diese zwischen 1116/76 und 1230 eingeweiht worden sein. Erste Erwähnung des Passes findet man im Habsburger Urbar von 1303-07. Darin wird neben der Kapelle auch der Pass so genannt.

Die erste überlieferte Beschreibung einer Reise über den Pass stammt aus dem Jahr 1234, die ersten Säumerstatuten stammen aus den Jahr 1237. Wahrscheinlich wurde die Schöllenen um 1200 passierbar gemacht. Den Walsern, die im 12. Jahrhundert über die Furka nach Ursern vorgestossen waren, wird eine Schlüsselrolle bei der Errichtung des Weges zugesprochen.

Zur Bedeutung des Gotthardpasses

In der altern Forschung wurde dem Gotthard ein hoher Stellenwert für die politische und wirtschaftliche Geschichte der Eidgenossenschaft zugeschrieben. Die neuere Forschung hat dies für die Entwicklung der Eidgenossenschaft relativiert. Der internationale Fernhandel war gegen Ende des Spätmittelalters geringer als angenommen. Zwischen 1493 und 1503 (hier gibt es eine gesicherte Quellenbasis) wurden Durchschnittlich 170 t Waren, das waren ca. 1'200 Säume jährlich über den Gotthard transportiert. Der wirtschaftlich interessantere Pass war der Brenner, über der in dieser Zeitspanne ca. 4 500 t Waren transportiert wurde.

Ein solches Transportvolumen erreichte der Gotthard nicht einmal kurz vor der Eröffnung der Gotthardstrasse im Jahr 1830.

Der Gotthard war dennoch für Teile Italiens, des Tessins, der Innerschweiz und des Mittellandes von Bedeutung. Mindestens 21 Luzerner Unternehmer hatten Geschäftskontakte mit Partnern in Mailand und Como. Eine dominierende Rolle für den Handel zwischen Italien und Nordeuropa hatte der Gotthard im Mittelalter aber nicht.

Für Uri und die übrige Innerschweiz war es nach der Eröffnung der Schöllenen wichtig rasch auf die Märkte in der Lombardei zu gelangen. Vor allem im Spätmittelalter, als es eine Umstrukturierung in der Landwirtschaft gab, waren für die Bauern die externen Märkte wichtig.
 
Eine ungarische Königin im Aargau

Königin Agnes von Ungarn

Agnes wurde am 18. Mai 1281 in Brugg oder Baden geboren. Sie war die zweitälteste oder älteste Tochter Albrecht I. und seiner Frau Elisabeth von Görz-Tirol. Ihre Mutter Elisabeth zog, nachdem Albrecht 1282 von seinem Vater die Herzogtümer Österreich und Steiermark als Lehen empfangen hatte, mit Agnes nach Wien.
1296 wurde die fünfzehnjährige Agnes mit König Andreas III. von Ungarn verheiratet. Albrecht gab seiner Tochter 40 000 Mark Silber als Mitgift in die Ehe mit und Andreas III. überliess ihr die Grafschaft Pressburg.
Die Ehe mit dem ungarischen König dauerte vier Jahre, dann starb Andreas III. und gleich nach dem Ableben des Königs wurden Agnes und ihre Stieftochter Elisabeth in der Burg von Buda gefangen genommen. Sie wurde kurz darauf vom österreichischen Marschall Hermann von Landenberg und einem ungarischen Magnaten befreit und kehrte mit einem grossen Vermögen nach Wien zurück. Agnes von Ungarn wird in der Österreichischen Chronik als eine fromme Frau beschrieben, die sich gerne zurückzog:

„ (…) Si was geren allain, wie wol das si junkch was, und begert der gehaime des untödleichen chüniges. (…) Si waz auch enzündet mit der flamme götleicher liebe rund erhub sich über fleischleich begirde, daz si möchte hören, was got in ir redte. (…)“

Agnes reiste im Winter 1316/17 in die Vorlande, vermutlich als Begleiterin ihrer Verstorbenen Mutter Elisabeth, deren Wunsch es war in Königsfelden beigesetzt zu werden. Dass Agnes in den Vorderlanden war bezeugt eine Urkunde vom Februar 1317, die sie als Stifterin eines Altars im Armenspital Winterthur erwähnte, und im Oktober 1317 genehmigte Herzog Leopold von Baden die Einlösung verschiedener Pfänder im Eigenamt durch seine Schwester Agnes. Mit 37 Jahren liess sich die Königstochter im Kloster Königsfelden nieder, wobei sie nicht im Hauptgebäude des Klosters wohnte, sondern sich in der Nähe des Chors ein kleines Häuschen bauen liess.
Dieses Haus war bis zu ihrem Tod ihre Residenz, von hier aus leitete sie, ohne je Klarissin zu werden, das Doppelkloster. Das Königsfelder Klosterarchiv, heute im Aargauer Staatsarchiv, enthält aus der Zeit der Gründung des Klosters bis zum Tode der Königin Agnes im Jahre 1364 nicht weniger als 450 Urkunden, wovon gegen 150 von ihr entweder selbst ausgestellt sind oder sie erwähnt wurde. 1318 waren die Wohnräume der Klarissinnen und der Franziskaner fertig gestellt. Die Klarissinnen hatten ihre Räume an der Nordseite der Klosterkirche und die Franziskaner ihre an der Südseite. Die Klosterkirche war in diesem Jahr noch nicht fertig gestellt, nur das Kirchenschiff mit der Habsburgergruft waren schon vollendet, so dass die Überreste von Elisabeth dort beigesetzt werden konnten. Damit beide Konvente die Kirche benutzen konnten, holte Agnes beim Generalminister der Franziskaner sich die Erlaubnis für die gemeinsame Nutzung.

In der Österreichischen Chronik von den 95 Herrschaften steht über Agnes und ihre Zeit in Königsfelden folgendes:

„(…) Si hat auch den chor und die altar ze Chünigveld geschaffet ze weihen. Bey der weich si auch besunder andacht empfinege. Si waz auch ain besunder muter aller begeben junchfrawn ze Chünigsveld, den si gab leipleich und geistleich speizze. Si cham nie in daz chloster, si schüff ettwaz gutes fruchtes den junchfrawen mit worten und werchen, oder mit lere und beyezaihen (…).“

Politische Wirksamkeit

Am 10. August 1314 befreiten Friedrich und Leopold von Habsburg das Kloster und ihr Gut von jeder Steuer, mit der Urkunde „Freiheiten des Kloster Königsfelden und seines Gutes. In diesem Freiheitsbrief steht:

„Ez sol auch auf des vorgenanten chlofters gut dahein rihter gwalt noh gerihte haben.“

Kein habsburgischer Richter sollte über das Gut des Klosters richterliche Gewalt und Gericht halten. Der Hofmeister des Klosters konnte in allen richterlichen Angelegenheiten, ausser die Leibes- und Todesstrafe, entscheiden können. Die Hohe Gerichtsbarkeit blieb bei den Habsburgen, hingegen fiel dem Kloster bei einer Straftat ein Teil des Vermögens des Verurteilten zu. Fortan standen der Lindhof, die Mühle, einige kleine Güter und die darauf lebenden unfreien Bauern unter der Gerichtsbarkeit des Klosters. Der Meierhof in Windisch wurde jedoch davon ausgenommen. Damit das Kloster diese Rechte ausüben konnte, erliess Agnes 1351 eine Öffnung der Gotteshausleute des Klosters Königsfelden. Dies war eine eigene Gerichtsorganisation in 14 Punkten. Nach dieser Ordnung fanden jährlich vor dem Kloster drei Gerichtstage statt. Die erste Regel besagt, dass alle Klosterleute an diesen Gerichtstagen teilnehmen mussten. Wer nicht kam, musste eine Busse von 3 Schilling bezahlen. Die Klosterleute wurden sieben Nächte vorher aufgeboten.

„1. Umb des gotzhus eigen und erb fol nieman richetn wan ein kaftvogt. Wer erb oder lehen hat von dem gotzhufe und her gedinghöfig ift, der fol in drien gedingen fin. Du felbe gedinge fol man vor fiben nächten künden, und wer nit dar kunt, der fol dri fchilling beffern, er zihe denne für, daz in ehafte not geirt hab. (…).“

Bei diesem Gericht mussten auch alle Verkäufe und Verpfändungen von Klostergütern öffentlich beurkundet werden. Dass Konvent machte auch seine Rechte gegenüber den Bauern öffentlich geltend.

Im Königsfelder Frauenkonvent galt, wie in allen andern Konventen von Franziskanerinnen, dir Ordensregel der Klarissen, welche Papst Urban IV. 1263 erlassen hatte. Laut dieser Regel durfte die Klostergemeinschaft, nicht die einzelne Nonne, Besitz haben. Deshalb gingen die Schenkungen der Familie an den Frauenkonvent. Dieser wiederum musste für den Unterhalt der Mönche sorgen.
Königin Agnes liess die Regeln Papst Urban IV. 1318 im Beisein ihres Bruders Leopold ergänzen. Ihre Klosterordnung betraf nicht das religiöse Leben des Klosters, sondern das wirtschaftliche und organisatorische äussere Leben. Daneben organisierte die Klosterordnung den richtigen Vollzug der liturgischen Handlungen der Kirche, vor allem den Gedächnisgottesdienst für die Stifterfamilie. In der Klosterordnung wurde bis in Detail bestimmt, wofür die gestifteten Güter dienen sollten und wie das Kloster verwaltet werden musste. Die Verwaltung des Klosters und die Herrschaft über die unfreien Bauern war Aufgabe der Äbtissin. Die Klarissinnen durften laut der Ordenregel das Kloster nicht verlassen, was zu Schwierigkeiten mit dem Kontakt zur Aussenwelt führte. Aus diesem Grund wurde ein weltlicher Vertreter bestimmt, der „Pfleger“. Später hiess er Hofmeister und war die zentrale Kontaktperson der abhängigen Bevölkerung zum Kloster. Mit der Klosterordnung regelte Agnes von Ungarn das Leben der Nonnen und Mönche im Doppelkloster. Die Ordnung umschrieb die einzelnen Klosterämter und enthält bis ins Detail, wie die Schwestern mit Nahrung und Kleidung versorgt werden mussten. Auch die Pflege und Ernährung von erkrankten Schwestern und Kindern wurden genau geregelt.
Agnes bestimmte auch, dass ihr Haus, welches innerhalb der Klostermauer stand, nach ihrem Tod abgerissen werden sollte.

Neben der Förderung und Verwaltung des Klosters entwickelte Agnes eine rege politische Tätigkeit. Ihre Brüder starben einer nach dem andren, 1330 lebten noch zwei von den sieben Söhnen Albrechts I. Der eine Bruder Otto kam 1330 das letzte mal in diese Region, und Albrecht der Lahme, besuchte sie nach 1327 nur noch 1337, 1351, 1352 und 1354. Königin Agnes wurde so die einzige Vertreterin des Hauses Habsburg in den westlichen Gebieten. Sie trat in der Folge als Schiedsrichterin und Vermittlerin in den Konfliktbereich zwischen der Stadt Bern und der habsburgischen Stadt Freiburg in Erscheinung. Die Stadt Bern dehnte sich immer mehr aus, was zu einem Krieg zwischen den beiden Städten führte. 1333 gelang es Agnes, einen kurzfristigen Frieden zu vermitteln. Acht Jahre später kam es wieder zu einem Krieg zwischen Bern und Freiburg, Bern konnte an der Schlacht bei Laupen einen Sieg erringen, und wieder gelang es Agnes von Ungarn zu vermitteln, diesmal nicht nur zwischen den Städten sondern auch zwischen dem Haus Habsburg und den Bernern. 1341 kam es zu einem Bündnis zwischen Bern und Österreich. In den nächsten Jahren trat sie immer wieder als Schiedsrichterin bei Konflikten zwischen verschiedenen Städten auf. So versuchte sie 1351 zwischen Österreich und dem mit den vier Waldstätten verbündeten Zürich zu vermitteln. Alfred Nevismal konnte glaubhaft nachweisen, dass Agnes von Ungarn zwar kein offizielles Amt bekleidete, aber den Landvögten Anweisungen erteilte was für Verträge ausgehandelt werden mussten. Einer dieser Landvögte war Johann von Hallwyl, der als offizieller Vermittler von Herzog Friedrich eingesetzt wurde.

Als Agnes von Ungarn im Jahr 1364 starb, verlor Königsfelden seine politische Bedeutung. Nun war es nur noch ein reiches Klarissenkloster. Die Privilegien des Klosters wurden 1367 und 1397 von den Habsburgern erneuert und nach der Schlacht bei Sempach wurde Leopold III. zusammen mit seinen gefallenen Ritter in Königsfelden beigesetzt. Damit wurde Königsfelden zur Grabesgruft der Habsburger.

Gedruckte Quellen:

Maag Rudolf: Quellen zur Schweizer Geschichte, Herausgegeben von der Allgemeinen Geschichtsforschenden Gesellschaft der Schweiz, Band 14, Das Habsburger Urbar, Das eigentliche Urbar über die Einkünfte und Rechte, Verlag von Adolf Geering, 1894

Merz Walter: Die Rechtsquellen des Kantons Argau, Zweiter Teil, Rechte der Landschaft, Zweiter Band, Die Oberämter Königsfelden, Biberstein und Kasteln, Sauerländer Verlag, 1926 S. 10 - 13

Seemüller Joseph (Hrsg.): Österreichische Chronik von den 95 Herrschaften, Buch IV. Chronist Leopold Steinreuter, Von der seligen küniginn Agnesen. S. 190 – 192
Monumenta Germaniae Histrica digital

Literatur:
Baumann Max: Brugg erleben Schlaglichter auf die Brugger Geschichte Band 1. hier +jetzt Verlag für Kultur und Geschichte, 2005

Baumann Max: Geschichte von Windisch, vom Mittelalter zur Neuzeit. Druckerei Effingerhof AG Brugg. 1983

Bärtschi Marianne: Das Habsburger Urbar, vom Urbar-Rodel zum Traditionscodes, Abhandlung zur Erlangung der Doktorwürde der philosophischen Fakultät der Universität Zürich, Angenommen im Sommersemester 2006 auf Antrag von Herrn Prof. Dr. Roger
Sablonier und Frau PD Dr. Martina Stercken Zürich 2008

Beck Marcel: Zur Geschichte des Klosters Königsfelden, In Königsfelden. Geschichte, Bauten, Glasgemälde, Kunstschätze, Olten 1970 S. 13 – 29

Boner Georg: Königsfelden und Königin Agnes von Ungarn. In Argovia, Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau. Band 91, Sauerländer Verlag Aarau, 1979
S. 100 – 293

Niederhäuser Peter: Alter Adel – neuer Adel, Zürcher Adel zwischen Spätmittelalter und Frühen Neuzeit. Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich Band 70 (167 Neujahrsblatt). Chronos Verlag Zürich. 2003

Meier Bruno: Ein Königshaus aus der Schweiz. Die Habsburger, der Aargau und die Eidgenossen im Mittelalter. Hier +Jetzt Verlag Baden. 2008

Meier Bruno: Zur Habsburgerforschung im Aargau. In Argovia 2008. Jahresschrift der historischen Gesellschaft des Kantons Aargau. Band 120. hier + jetzt Verlag Baden. 2008 Seiten 8 bis 17

Rösener Werner: Grundherrschaft im Wandel. Untersuchungen zur Entwicklung geistlicher Grundherrschaft im südwestlichen Raum vom 9. bis 14. Jahrhundert. Vandenhoeck & Ruperecht. 1991

Sablonier Roger: Adel im Wandel. Eine Untersuchung zur sozialen Situation des Ostschweizerischen Adels um 1300. Chronos Zürich 2. Auflage 2000
 
Zuletzt bearbeitet:
Status
Für weitere Antworten geschlossen.
Zurück
Oben