Kontinuität indianischer Völker im Osten der USA und Oral History

El Quijote

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Bei Wikipedia las ich im Artikel über den Conquistadoren Hernando de Soto folgendes:
Der genaue Verlauf der Expedition de Sotos ist Gegenstand geschichtswissenschaftlicher und lokalpolitischer Diskussionen. Die Hauptquelle sind die von den Spaniern hinterlassenen Journale. Neben der üblichen Quellenkritik, die in solchen Fällen anzuwenden ist, kommen in de Sotos Fall weitere Probleme hinzu. Die Spanier waren im Lande unkundig, die Verständigung mit den Einheimischen lief oft über eine Kette von Dolmetschern, so dass die Gefahr groß ist, dass Orts- und Personennamen falsch überliefert worden sind. Zudem hatten zahlreiche Führer und Kontaktpersonen ein Eigeninteresse daran, die Expedition in die Irre zu führen.
Archäologische Rekonstruktionen und der Rückgriff auf die Oral History (mündlich überlieferte Geschichte) der Einheimischen wird erst in den letzten Jahren/Jahrzehnten verstärkt betrieben – allerdings mit dem Handicap, dass viele der besuchten Orte mittlerweile überbaut sind und sich über 450 Jahre bewegte Geschichte zwischen Ereignis und Erzählung befinden. Die verbreitetste und in der Form auch in US-amerikanischen Schulen gelehrte Version geht auf einen Bericht des US-Kongresses unter der Federführung des Anthropologen John R. Swanton aus dem Jahr 1939 zurück.
Und da frage ich mich doch glatt: welche indigenen Gruppierungen gibt es eigentlich im fraglichen Raum, wo eine orale Geschichtsüberlieferung 500 Jahre zurückreicht? Welcher Stamm kann eine unverschobene Kontinuität aufweisen? Klar, natürlich gibt es auch im Osten der USA Überreste der ursprünglichen Bevölkerungen, aber die sind doch vergleichsweise dünn verglichen mit den Überresten der westlichen Völker.
 
Charles Hudson - ein Anthropologe an der University of Georgia - hat fünfzehn Jahre damit verbracht, de Sotos Route zu konstruieren. Nach seiner Meinung überquerte de Soto etwas südlich des heutigen Memphis den Mississippi in das jetzige Arkansas, das "dicht mit großen Städten bebaut war, so dass von einer zwei oder drei andere zu sehen sind."
Diese Aussage wird durch die Archäologie (Mound-Erbauer der Mississippi-Kultur)) bestätigt.
Als Anfang 1682 die Franzosen die Gegend durchquerten fanden Sie auf über 300 km kein einziges Indianerdorf. Es ist zu vermuten, dass von de Soto und Begleittreck (lebende Tiere wie Pferde => Pocken und Schweine) ausgelöste Krankheiten einen wahren Genozid ausgelöst hatten.
Dazu kommt die Vertreibung der restlichen einheimischen Bevölkerung im Zuge der Landnahme durch die Europäer von Osten her.
Die letzten Reste der Mississippi-Völker waren wohl die Natchez (Eigenname Théoloels). Deren Überlieferung wird aber wohl - ich kenne diese nicht - eher die großen Krankheitswelle und den Niedergang des Volkes tradieren als den Durchzug einer verlausten Kleingruppe von bärtigen Menschen mit ihrem merkwürdigen Vieh.
 
Cherokee und Seminolen würden mir einfallen. Wobei die Seminolen erst im 18. Jh. entstanden, und die Cherokee schon lange eine eigene Schrift haben.
 
Cherokee und Seminolen waren zur Zeit de Soto's (um 1540) weiter östlich des Mississippi wohnhaft. Eine Karte der Siedlungsgebiete im 16. Jhdt. gibt es hier USA Südosten-Tohome - Tohome – Wikipedia

De Soto traf 1540 auf seiner Expedition durch die heutigen Südstaaten der USA auch auf die Mobile, die seit etwa 1760 als ausgestorben gelten. Sie gehören wie die zuletzt mit ihnen siedelnden Tohome zu dem Zweig der Muskogee-Sprachgruppe, die einen Choctaw-Dialekt (derzeit noch etwa 9.000 Sprecher) benutzten. Auch die Choctaw waren ein Teil der Mississippi-Kultur im Tal des Mississippi River, die in ihrer Ausformung an die mexikanischen Pyramidenbauten erinnert.. Choctaw haben übrigens in der Ursprungslegende eine "Höhle" als Herkunft. Diese soll weit entfernt von ihren späteren Wohnsitzen im Westen des Großen Flusses und dem Schneegebirge (also der Rocky Mountains) gelegen haben (daraus folgt auch eine entsprechende Wanderlegende).

Westlich des Mississippi war die Caddo-Konförderation, aber "keine der heute noch vier gesprochenen Caddo-Sprachen erreicht jeweils eine Sprecherzahl von mehr als 25 und zählen daher alle zu den ernsthaft bedrohten Sprachen (Südliches Caddo) bzw. fast ausgestorbenen Sprachen (Nördliches Caddo)" (Quelle).

Da wird es Zeit, orale Geschichtsüberlieferungen zu dokumentieren ....
 
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