Friedrich II. von Hessen-Kassel

Brissotin

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Inspiriert von Scorpios altem Beitrag gehe ich mal wieder einem Herrscher auf die Spur - Friedrich II. von Hessen-Kassel.
Scorpio:
Großbritannien und Preußen bestätigten als Garantiemächte die Assekurationsakte. Bei der Konvertierung des Erbprinzen sollte, wie bereits die Zeitgenossen bestätigten "eine gewisse Dame" eine Rolle gespielt haben.

Lehndorff zu den Motiven zum Glaubenswechsel:
"29. Oktober [1759]
...Dieser Prinz von Hessen... Er ist niemals zufrieden, auch wenn er das Ziel seiner heißesten Wünsche erreicht hat. Schwiegersohn des Königs von England, Vater einer reizenden Familie, hat er sich von seiner Frau scheiden lassen, hat in seiner Leichtfertigkeit seinem reformierten Bekenntnis entsagt und ist katholisch geworden, bloß um eine katholische Gräfin zu erobern, die er für ein paar hundert Dukaten hätte haben können. ..."
Graf Lehndorff: "...Tagebücher" S. 457

Noch unverständlicher erscheint allerdings dieser Aufwand für eine Liebschaft, da er an dann wiederum am preußischen Hof scheinbar auch wiederum vielerlei Liebschaften hatte, so die Prinzessin Looz, die Gräfin Henckel usw., er war sozusagen für diesen Hang und Ausschweifungen fast ebenso berühmt wie für seinen Geiz.
 
Wirklich geizig war viel mehr sein Sohn, der Graf von Hanau- Münzenberg, der seinem Vater 1785 als Wilhelm IX. (seit 1803 Kurfürst Wilhelm I.) nachfolgte). Friedrich II. war eigentlich ein recht großzügiger Fürst, der beispielsweise kostenloses Bauholz aus landgräflichen Wäldern bereitstellte, um die Kriegsschäden zu beheben.

Seine Konvertierung hat er wirklich bitter bezahlen müssen, seine Gattin verzieh ihm niemals, und erst kurz vor seinem Tod versöhnte er sich mit seinen Söhnen. Innerhalb der Allianz galt er sozusagen als unsicherer Kantonist. Er war General der preußischen Armee und Ritter des Schwarzen Adlerordens wie des Hosenbandordens, hatte aber nur unwichtige Kommandos, da man ihm ganz offensichtlich mißtraute.

Im Gegensatz zu seinem Vater war er durchaus nicht vom Bündnis mit Preußen überzeugt, zumal die Franzosen jedes Jahr sein Fürstentum plünderten. Ein möglicher Wechsel der Koalition machte den Preußen wie den Briten Kopfzerbrechen, und das Mißtrauen gegen ihn war so groß, dass Ferdinand von Braunschweig 1762 nach der Rückeroberung Kassels ein hannoversches Bataillion stationierte, weil er befürchtete, der Landgraf könnte die Stadt den Franzosen übergeben.

So stellte man Friedrich in Braunschweig kalt, wo er sich offensichtlich gut amüsierte. Was ihn schließlich bei der Stange hielt, waren die britischen Subsidien, die freundlicherweise noch einige Jahre weitergezahlt wurden.

Das ist auch der Hintergrund für die abwertende Bemerkung seines Namensvetters an Voltaire:"Wäre der Landgraf aus meiner Schule hervorgegangen, würde er seine Soldaten nicht an die Engländer verkaufen."
 
1. Friedrich II. war eigentlich ein recht großzügiger Fürst, der beispielsweise kostenloses Bauholz aus landgräflichen Wäldern bereitstellte, um die Kriegsschäden zu beheben.

2. Im Gegensatz zu seinem Vater war er durchaus nicht vom Bündnis mit Preußen überzeugt, zumal die Franzosen jedes Jahr sein Fürstentum plünderten.

3. Das ist auch der Hintergrund für die abwertende Bemerkung seines Namensvetters an Voltaire:"Wäre der Landgraf aus meiner Schule hervorgegangen, würde er seine Soldaten nicht an die Engländer verkaufen."
1. Hm, die Meinung er wäre geizig gewesen entsprang auch eher dem subjektiven Eindruck eines Zeitgenossen. Später machte der Erbprinz ja durchaus auch Schulden bwevor er als Landgraf nach Hessen-Kassel zurückkehrte.

2. Ja sein Vater galt als ein verlässlicher Verbündeter, dessen tausende von Männern sicherlich gute Dienste leisteten. Die Preußen sendeten Stoßgebete zum Himmel, dass der alte Landgraf Wilhelm VIII. nunmehr fast 80-jährig, noch lange lebte, da man dem Sohn scheinbar, wie Du sagst, einen Bündniswechsel zutraute.
Zum anderen hätte ein Bündniswechsel Hessen-Kassels bedeutet, die Seite des Reiches wieder ins Spiel zu bringen, denn ohne die Mächte welche auf Seiten Preußens standen und diejenigen welche Preußen ausgeschaltet hatte bzw. sich neutral erklären mussten, hatte die Reichsarmee kaum die Chance überhaupt Gewicht im 7-jährigen Krieg zu erlangen.

3. Ich denke, es könnte auch gut darum gehen, dass Preußen schlichtweg stolz war, nicht wie Mittelmächte wie Hessen-Kassel und die Kurpfalz von Subsidien einer bestimmten Seite abhängig zu sein. Wohlgemerkt auch für Preußen war dies vor 1713 die gängige Lösung und wurde im 1. Koalitionskrieg wieder nötig.
 
Ad 3) Da ist etwas dran, und Friedrich hat ja oft sehr abfällig über seien Großvater gesprochen. Die englischen Subsidien fehlten dem Preußenkönig allerdings schon, und als mit dem Tod von Georg II. die Torries wieder das Ruder übernahmen und ihn fallenließen, gab es eigentlich nach menschlichem Ermessen keine Rettung mehr für den Preussenkönig. Erst der Tod von Zarin Elisabeth änderte die Lage wieder komplett.

Dazu dürfte es Friedrich auch nicht so recht gewesen sein, dass sein hessischer Namensvetter seine Kreise auf dem mitteldeutschen Soldatenmarkt störte, denn Preußen brauchte ja selbst Rekruten für den Bayrischen Erbfolgekrieg.

Bei den Plänen zu einem eventuellen Wechsel der allianz spielte wohl auch eine Rolle, dass sich der Erbprinz ernsthafte Chancen auf die Krone Polens machte.
 
1. Dazu dürfte es Friedrich auch nicht so recht gewesen sein, dass sein hessischer Namensvetter seine Kreise auf dem mitteldeutschen Soldatenmarkt störte, denn Preußen brauchte ja selbst Rekruten für den Bayrischen Erbfolgekrieg.

2. Bei den Plänen zu einem eventuellen Wechsel der allianz spielte wohl auch eine Rolle, dass sich der Erbprinz ernsthafte Chancen auf die Krone Polens machte.
1. Und Hessen-Kassel war scheinbar eine Macht, die man nicht so leicht einschüchtern konnte. Während das Sachsen Kurfürst Friedrich August II. das Heer sogar verkleinerte und die Pfalz wie auch Bayern bezüglich der Militärmacht stagnierten, legte Hessen-Kassel diesbezüglich zu. Es ist schon eine Ironie der Geschichte, dass eben die Politik der Vermehrung des Stehenden Heeres und der Anhäufung eines Staatsschatzes wie sie Preußen betrieb eben in Hessen-Kassel dazu führte, eine von Preußen unabhängige Politik zu betreiben und das unter einem Landgraf dann mit Friedrich II., der in Preußen das Kriegshandwerk ordentlich gelernt hatte.

2. Sicherlich. Auch im Falle August III. von Polen war der Kaiser der Königsmacher für Polen gewesen. Die Bindung Sachsens an das Kaiserhaus war zwar eine Forführung einer traditionellen Allianz, die seit dem 16.Jh. eigentlich außer dem Streit um die Pragmatische Sanktion nie abgebrochen war, aber war eben auch von dem erheblichen Einfluss des Kaisers in Polen und an allen deutschen Höfen bestimmt gewesen, welche die Thronbemühungen der Bewerber nach Möglichkeit unterstützen sollten.
Hatten die Hoffnungen auf den polnischen Thron, welche dann kurz nachdem Friedrich II. Landgraf wurde, mit dem Tode August III. am 5. Oktober 1763, akut wurden, schon einen erheblichen Anteil an den Beweggründen Friedrich II. die Konfession zu wechseln? So ganz kann ich es nämlich immer noch nicht nachvollziehen.
 
Es ist wirklich ungerecht, dass am ersten Fürsten der Aufklärung das Odium des "Menschenverkäufers" hängenblieb. Friedrich war in vielem ein sehr moderner Fürst. Um der Landwirtschaft abzuhelfen, berief er eine Agrarkomission, wobei er Prämien aussetzte und Ideenwettbewerbe ins Leben rief. Die Kartoffel gedieh auf hessischen Äckern schon vor dem Siebenjährigen Krieg. Die Folter hat erst sein Sohn Wilhelm IX. nach seinem Regierungsantritt 1785 endgültig beseitigt, doch fand sie schon unter der Regentschaft seines Vaters keine Anwendung mehr. In einem Fürstenspiegel, den er Voltaire schickte, propagierte er die Abschaffung der Todesstrafe. Als Vizekommandeur der britischen Truppen bei Culloden zeigte er im Gegensatz zu Cumberland Mäßigung gegen die aufständischen schotten, weshalb ihn die Stadt Sterling zum Ehrenbürger ernannte.

Ein Denkmal hat er sich vor allem in seiner Residenz Kassel gesetzt, wo er das erste öffentlich zugängliche Museum Europas, das Fridericianum eröffnete und Johann Heinrich Tischbein an die neugegründete Kunstakademie berief. Von den Bauten Du Rhys ist allerdings im 2. Weltkrieg viel zertört worden. Der Friedrichsplatz mit dem Fridericianum, das sich an die Karlsaue anschließt, ist allerdings noch heute Zentrum der Stadt.

Einen aufgeklärten Hof führte allerdings auch seine 2. Gattin, Philippine von Preußen, wo u. a. Georg Forster verkehrte.
 
In einem Fürstenspiegel, den er Voltaire schickte, propagierte er die Abschaffung der Todesstrafe.
Ich denke immer: meine Güte welches Arbeitspensum muss Voltaire gehabt haben, wenn bei ihm neben seinem schriftstellerischen, dramaturgischen, wissenschaftlichen, philosphischen Schaffen noch beständig Briefe und dergleichen eingingen. Irgendwie war Voltaire schon ein Titan der Aufklärung, eine eigene Instanz, bewundert von den großen Geistern und den Herrschern seiner Zeit, wobei bei letzteren doch so gern herausgestrichen wird, dass sie alle mit ihm in Austausch standen: Mme. de Pompadour, Friedrich II. in Preußen, Carl Theodor von der Pfalz... Entschuldige den kleinen Ausrutscher ins OT.

Das mit den Ideenwettbewerben kenne ich auch von der Mannheimer Akademie, das war damals scheinbar ein recht übliches Vorgehen der wissenschaftlich und ökonomisch reichlich interessierten Landesherren.

Auch ich finde eine Reduzierung auf den Landeskinderverkäufer immer wieder nervig. Sehr richtiges hat unlängst Martin Heller in der Doku vom hr dazu gesagt. Herrliches Hessen: Fuldaer Land und Rhöner Charme | Fernsehen | hr
 
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