Ludwig Quidde - Warum ist er so unbekannt?

tilia

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Die deutschen Friedensnobelpreisträger Brandt, von Ossietzky, Stresemann sind wesentlich bekannter als Ludwig Quidde. Woran liegt das? Hat das Gründe, die in seiner Person liegen? Oder liegt es daran, dass er den Preis gemeinsam mit einem Franzosen bekommen hat? Oder hat z.B. die FDP gar kein Interesse an diesem "Liberalen"? Er hat nur wenige Straßen, die ihn würdigen. Schulen oder ähnliches gibt es nach meiner Meinung auch nicht, die seinen Namen würdigen. Woran liegt das wohl?
 
Oder hat z.B. die FDP gar kein Interesse an diesem "Liberalen"?
...vermutlich hat die nach WW II gegründete FDP kein übermäßig intensives Interesse an einem vor ihrer Gründen verstorbenen linksliberalen Politiker...

Es gibt auch etliche Literaturnobelpreisträger, die nahezu in Vergessenheit geraten sind - c´est la vie.

Wie der Wikipedia-Artikel über Quidde mitteilt, sind allerdings schon ein paar Straßen und Plätze nach ihm benannt.
 
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Die deutschen Friedensnobelpreisträger Brandt, von Ossietzky, Stresemann sind wesentlich bekannter als Ludwig Quidde. Woran liegt das? Hat das Gründe, die in seiner Person liegen? Oder liegt es daran, dass er den Preis gemeinsam mit einem Franzosen bekommen hat? Oder hat z.B. die FDP gar kein Interesse an diesem "Liberalen"? Er hat nur wenige Straßen, die ihn würdigen. Schulen oder ähnliches gibt es nach meiner Meinung auch nicht, die seinen Namen würdigen. Woran liegt das wohl?


Es liegt wohl nicht zuletzt an seiner Schrift Caligula- eine Studie über Byzantinismus und Cäsarismus, eine relativ kleine Schrift, die Wilhelm II. und seine Umgebung aufs Korn nahm, obwohl der (deutsche) Kaiser nicht einmal darin erwähnt wird. Jahrelang hatte Quiddde die Staatsanwaltschaft auf den Fersen wegen Majestätsbeleidigung, und wegen einem Zitat " einem Kaiser Wilhelm dem Großen kann man nur sprechen, wenn man ihn von einem künftigen Wilhelm dem Kleinen unterscheiden müsse." Quidde musste dafür Jahre später 3 Monate in Stadelheim absitzen, und wenn Quidde auch viel heimlichen Beifall von Konservativen erhielt, wurde er von der deutschen Historikerzunft gnadenlos geächtet. Eine Professur erhielt er im Kaiserreich nicht, und sein Pazifismus machte ihm auch im 1. Weltkrieg und der Weimarer Republik viele Feinde.
 
Inzwischen habe ich Caligula gelesen.
Ironische Schrift, die Kommentare bzw. die Einleitung die Quidde später dazu verfasst hat ist für mich interessanter gewesen als die Parallelgeschichte Wilhelm-Caligula.
Der eigentliche Aufreger ist doch eher die Rezeptionsgeschichte. Das Essay kann doch so ernst nicht genommen werden, dass es Auswirkungen hat, die bis heute reichen?

Zum Argument: "Es geraten gar viele in Vergessenheit..." meine ich:
Ja, schon. Aber die Historikerzunft selbst lässt hier einen der Ihren links liegen.
Zumindest nach meiner Auffassung.

Noch etwas zum Vergleich mit den Literatur-Nobelpreisträgern. Da fällt mir sofort Nelly Sachs ein! Eine Frau, die auch zu wenig gegenwärtig ist.

Zurück zum Thema: In den 80ern war das Friedensthema wesentlich präsenter und auch die DFG/VK war aktiv. Trotzdem habe ich in meiner recht friedensbewegten Jugend nur von den anderen Herrn mit Friedensnobelpreis gehört. Ich hatte mich sehr für die Damen interessiert (v. Suttner, Augspurg etc), aber Ludwig Quidde war ein Nobody. Übrigens hatte Anna B. Eckstein 1913 den Friedensnobelpreis "verpasst". Da wäre sogar eine deutsche Frau dabei gewesen.
 
Die deutschen Friedensnobelpreisträger Brandt, von Ossietzky, Stresemann sind wesentlich bekannter als Ludwig Quidde. Woran liegt das? Hat das Gründe, die in seiner Person liegen? Oder liegt es daran, dass er den Preis gemeinsam mit einem Franzosen bekommen hat? QUOTE]


Gustav Stresemann hat den Friedensnobelpreis gemeinsam mit Aristide Briand bekommen. Daran kann es wohl nicht gelegen haben. In der Erinnerungskultur sind allerdings Stresemann, Brandt und Ossietzky präsenter, als Ludwig Quidde. Woran das liegt ist fraglich.

Stresemann war während des 1. Weltkriegs Annexionist und Parteigänger Ludendorffs. Mit Stresemann verband und verbindet man bis heute die besseren Zeiten der Weimarer Republik, und sein Tod 1929 erschien als eine Art Zäsur. Carl von Ossietzky saß im KZ, und die deutsche Regierung übte massiven Druck auf Norwegen und das Nobelpreiskomitte aus, um die Verleihung zu hintertreiben. Für die Verleihung des Friedensnobelpreises für 1935 engagierte sich übrigens u. a. auch Willy Brandt. Von Ossietzky wurde erst 1936 aus dem KZ entlassen, trotz massiven Drucks von Seiten der Nazis nahm er den Preis an, gesundheitlich war er allerdings ein gebrochener Mann.

Quidde emigrierte kurz nach der Machtergreifung Hitlers in die Schweiz, wo er unter schwierigsten Bedingungen leben musste. Durch das Schweizer Fremdenrecht konnte er keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und verlor durch seine Flucht den Ertrag aus dem Friedensnobelpreis. Quidde lebte in den letzten Lebensjahren fast ausschließlich auf Basis eines schmalen Stipendiums des Nobelpreiskommitees wofür er als Gegenleistung eine Geschichte des deutschen Pazifismus während des Weltkriegs verfasste. Das allein reichte aber nicht zum Lebenserwerb aus, Freunde und Gesinnungsgenossen sammelten für ihn. Da seine Frau in deutschland blieb, hielt sich Quidde mit politischen Meinungsäußerungen zurück, wurde aber trotzdem 1940 ausgebürgert aus Deutschland wegen einer extrem kritischen Äußerung zum Anschluss Österreichs, in der er die Nazis als Verbrecher, Mörder, Brandstifter und bestialische Folterknechte bezeichnet hatte. er starb 83jährig 1941.
 
Quidde hatte kein politisches Amt mit Einfluss.

Der Bremer Historiker Karl Holl, ein Mitglied der FDP, legte 2007 eine umfangreiche Biografie über Ludwig Quidde vor.

Die FDP scheint kein großes Interesse an dem linksliberalen Politiker zu haben. Wahrscheinlich ist er in der Partei kaum bekannt.

Die "Stiftung für die Freiheit" (der Name Friedrich Naumann wird nur noch "nebenbei" erwähnt) berichtet ab und zu über Quidde.

http://www.freiheit.org/10122012-Li...-wird-mit-dem-Friedensnobelpreis-ausgezeichne
 
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