Deutsche Siedlungen in fremden Laendern

udaipur99

Mitglied
In den letzten Jahren hoerte ich verstaerkt den Begriff “German Town”. Bei Begegnungen mit Menschen aus verschiedenen Laendern wurde mir immer wieder von deutschen Siedlungen in deren Heimatland berichtet. Doch welche Geschichten verbergen sich hinter den Fachwerkhaeusern und deutschsprachigen Strassenschildern ?

Da mir dieses Thema sehr interessant erscheint hoffe ich, dass einige von euch zu diesem Thema etwas beisteuern , um meinen Wissensdurst zu befriedigen.

Ich eroeffne mal mit German Towns in Jamaika.


In einem Brief an ihren Cousin in Deutschland mit dem Datum 3.12.1778 berichtete eine deutsche Touristin in Jamaika gluecklich :

“So bald wir das Schiff verlassen hatten erwartete uns ein Mann an Land, welcher uns in perfektem deutsch willkommen hiess und uns einlud, zu ihm nach Hause zu gehen. Ein Deutscher in Jamaika ? Ja, mein liebes Kind, es gibt Deutsche in der ganzen Welt.”

Sie erklaert weiter : “Der Deutsche welchen wir getroffen haben war ein Schreiner aus Holstein. Er und sein Bruder kamen vor 17 Jahren nach Jamaika. Kunstgeschick, harte Arbeit und Sparsamkeit machten ihn reich. So reich, dass er jetzt 7 grosse Haeuser in der Stadt besitzt und zu dem noch eine Werkstatt mit 30 Sklaven. Spaeter fanden wir heraus, dass der Schreiner und auch sein Bruder jeweils eine Negerin zur Frau hatten, welche sie auf dem Sklavenmarkt gekauft hatten. Europaeische Frauen sind hier nicht viel Wert, denn anstatt zu arbeiten gewinnen sie den Luxus viel zu lieb und geben das Geld ihres Ehemanns aus.”


Ein halbes Jahrhundert spaeter, in den 1830ern, wurde die Sklaverei abgeschafft. In folge dessen suchten Plantagenbesitzer ueberall in den British West Indies nach Arbeitern. In Jamaika war die Sorge das Exsklaven das Zucker produzierende Flachland komplett verlassen wuerden und die Berggegenden bevoelkern recht gross. Um ihnen diese Moeglichkeit zu nehmen, heckten sie den Plan aus Europaer zu importieren, welche die Berggegenden bevoelkern wuerden.


Bekannt als “Bountied European Immigration” wurde dieser Plan im May 1834 erstmals mit der Ankunft von 64 Deutschen, welche nach 108 taegiger Reise aus Bremen ankamen in die Tat umgesetzt. Der Bruder von Solomon Myers, ein deutscher Jude welcher in St George mit Kaffee sein Geld verdiente hatte die Deutschen angeworben.

Er siedelte sie nahe Buff Bay an, ein Bezirk welcher als “Bremen Valley” bekannt wurde. Das Vorhaben schlug fehl, denn die meisten Deutschen verliessen die landwirtschafltichen Berufe und zogen in die Staedte. Im Dezember des gleichen Jahres kamen weitere 506 Deutsche in Jamaika an und im darauffolgenden Jahr nochmal 532.

Waehrend Seaford Town heute ueberall auch als German Town bekannt ist, ist es nicht der einzige Ort wo man auf hellaeugige, blonde Jamaikaner trefffen kann. Es gibt German Towns in Alexandria, Christiana, Brown's Town, Stewart Town und Ulster Spring, doch da diese Orte intensivere Verbindungen mit Nachbarstaedten hatten werden sie nicht als ueberwiegend rein deutsch angesehen.

Ueberwiegend in den Berggegenden gibt es viele Orte aus deren Namen der deutsche Ursprung herausklingt. Um nur ein paar zu nennen : Manhertz Gap, Charlotten-burgh, Mount Holstein, Bremen Valley, New Brunswick und Hessen Castle.

Heutzutage leben noch ca. 160 Deutschstaemmige in Seaford Town, doch Namen wie Dusterdick, Eisinger, Sleifer, Volker und Zwinkman, welche dort noch vor 100 Jahren zu hoeren waren, gibt es nicht mehr. Vermischung mit Jamaikanern afrikanischer und asiatischer Herkunft fuehrte zur Kreation der “Germaicans”.
 
Ich denke mal, du möchtest mit diesem Pfad auf Siedlungen von Auswanderen eingehen, ist vielleicht bei Imperialismus nicht so passend angesiedelt..(?)

Die grossen Auswanderungswellen gingen ja in verschiedene Richtungen. Kenne mich da nur beschränkt aus. Ich würde sagen, so in grobe Epochen aufgeitelt:

1750 - Europäischer Osten (Rußland, Polen..)
1850 - USA
1900 - USA, Afrika, Südamerika
1945 - Südamerika, Kanada, USA

Ich kenne einige Städte in Südamerika, die um die 1900 entstanden sind. Peru, Argentinien, Brasilien. Deutsche Auswanderer waren da wohl sehr bedacht sich eine neue "alte" Heimat zu schaffen. Man blieb gern zusammen und baute sich die gewohnten Häuser, sprach deutsch und pflegte alte Traditionen.
Paradebeispiele: Die großen Oktoberfeste in Waterloo(Kanada) oder Blumenau(Brasilien). ;)
 
Dann noch was zu Südafrika ... Quelle: Keith Tankard's EL-Seite

Um East London herum gibt es einige Städte mit deutschen Namen: Berlin, Hamburg, Breidbach, Braunschweig, Frankfort, usw.. Diese stammen vor allem aus zwei Einwanderungswellen:

* Die Erste erfolgte 1857 nach dem Krim-Krieg, da man den deutschen (und anderen) Legionären Land am Kap zur Verfügung stellte. Die Ansiedlung war aber nur mäßig erfolgreich, da die Soldaten nur mittelmäßige Bauern abgaben. Draufhin ersann man den Plan, die Soldaten "bodenständiger" zu machen, indem man irische Jungfrauen einschiffen ließ - die sog. "Kennaway Girls". Der Erfolg war mäßig ...

* Die zweite Welle folgte in den Folgejahren, als man dazu überging, richtige deutsche Bauern aus Europa anzuwerben.

Das nur als Zusammenfassung. Die Geschichten sind im Link oben nachzulesen.
 
Eine interessante Geschichte aus Venezuela:

In der Mitte des 19. Jh. siedelten sich etwa 60 km von Caracas entfernt deutsche Aussiedler aus dem Schwarzwald an. Der Grundherr hieß Tovar, also nannte man die Ansiedlung "Colonia Tovar".

Kurze Zeit später verschüttete ein Bergrutsch die einzige Zufahrtsstraße. Die Ortschaft geriet in Vergessenheit und wurde erst im 20. Jh. beim Bau einer Überlandstraße wieder entdeckt.

Die Deutschen hatten ihre Schwarzwaldkultur die ganze Zeit aufrecht erhalten. Sie sprachen einen badischen Dialekt, den es in Deutschland schon gar nicht mehr gab und deshalb sogar Sprachforscher anlockte.

Heute ist die Ortschaft der Ausflugsort für die Bewohner von Caracas. Die Leute in Tovar leben vom Tourismus (wobei das typische Deutschlandbild natürlich mit aller Gewalt dargestellt wird), die Mädchen laufen im Dirndl rum und sprechen dennoch kein Wort Deutsch.

Gut schmecken übrigens die selbstgebackenen Kuchen im "Café Muhstall (!)".

Wer mehr darüber wissen will:
http://www.venezuelatuya.com/centro/coloniatovar.htm

Da sind auch ein paar schöne Fotos zu sehen, wie man sie aus einem Land an der Karibik nicht erwartet.

Grüße,

Jacobum
 
Die Deutschen hatten ihre Schwarzwaldkultur die ganze Zeit aufrecht erhalten. Sie sprachen einen badischen Dialekt, den es in Deutschland schon gar nicht mehr gab und deshalb sogar Sprachforscher anlockte.
http://de.wikipedia.org/wiki/Alemán_Coloniero

Kurze Zeit später verschüttete ein Bergrutsch die einzige Zufahrtsstraße. Die Ortschaft geriet in Vergessenheit und wurde erst im 20. Jh. beim Bau einer Überlandstraße wieder entdeckt.
Äh... Woher hast Du diese Geschichte?
 
Sogar in Jamaika gab es mal eine deutsche Stadt, Seafordtown im Bezirk Hanover (liegt in West-Jamaika)
 
El Quijote schrieb:
Äh... Woher hast Du diese Geschichte?

Ganz einfach: Ich war schon ein paar Mal dort und habe mich mit den Einheimischen unterhalten. Gerade die Älteren (die, die noch dieses seltsame Schwarzwalddeutsch sprechen) waren sehr interessante Gesprächspartner. Außerdem gab es da eine Art Ortschronik, in der alles stand.

Danke für den wikipedia-Link, ich wusste noch gar nicht, dass es einen eigenen Eintrag für diesen Dialekt gibt. Der Hinweis, dass es den bald nicht mehr geben dürfte, ist korrekt. Die jungen Leute ziehen aus Tovar weg in die Stadt und sprechen nur noch Spanisch. Die Alten sterben aus. Aus Caracas ziehen immer mehr Venezolaner zu, denen es in diesem kleinen Stück Deutschland sehr gut gefällt. Natürlich kann von denen kaum einer Deutsch.

Grüße,

Jacobum
 
ich finde diese auswanderung immer wieder sehr interessant und habe mich teilweise auch damit beschäftigt aber in einem anderen dt. sprachigen raum. meine großeltern sind südmährer und einige ihrer bekannten sind nach lateinamerika, im besonderen brasilien und argentinien (nein, sie waren keine nazis) ausgewandert.

der link, mit den büchern hat mir sehr weiter geholfen bei meinen kleinen nachforschungen, vielleicht hilft er dir auch einwenig. http://io.uwinnipeg.ca/~germcan/Bibliography/Bibliography_Migrations.html

weiters, ein interessanter fall ist der ort "13 linden" in brasilien - ein ort wie aus wie aus "sound of music" ... das deutsch dort, sprachhistorisch gesehen, auch sehr interessant, wie eingefrohren.
http://www.santa-catarina.net/br/Santa-Catarina/treze-tilias/tt-index.htm

angeblich gibts in argentinien und chile auch einige solcher "siedlungen" nur "13 linden" hat irgendwie schon kultcharakter.
 
Es gab ja auch Auswandererzeitungen in Deutschland. Diese sollten Ausreisewilligen helfen, so waren z.B. Anzeigen zu Schiffspassagen enthalten. Eine der berühmtesten dürfte wohl die "Allgemeine Auswandererzeitung" aus Rudolstadt gewesen sein.Sie kam so etwa um 1850/60 raus, ging so etwa über 20 Jahre, die genauen Jahreszahlen habe ich vergessen.

Als ich mal ein Praktikum in unserer historischen Bibliothek machte, hatte ich die Chance, die Auswandererzeitung im Original zu lesen. Das war schon ei n tolles Erlebniss. Davor hatte ich nicht gedacht, das es so etwas überhaupt gegeben hätte. Besonders die Artikel waren interessant. So gab es Erlebnissberichte, Artikel über Land und Kultur( auch längere über mehrere Ausgaben). Die Auswandererzeitung hatte sich besonders auf Amerika spezialisiert, dementsprechend auch die Themen der Artikel. Zum einen zur Situation während des Bürgerkriegs, über Indianer, etc. Alles in allem war es sehr interessant!
 
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