Die Manson Family - welcome to this sick, sick city.

iamNex

Aktives Mitglied
Auf meinem Europaroadtrip hatte ich eine Geschichtszeitschrift dabei, welche einen kleinen Report über die berühmte Manson-Familie und ihren Anführer Charles Manson beinhaltete.
Der Artikel weckte mein Interesse für dieses Thema - seitdem ich wieder hier bin lese ich viel über dieses Thema nach.
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Als der Kriminelle Charles Manson 1967, 32 Jahre alt, aus dem Gefängnis entlassen wurde, hatte er bereits mehr als sein halbes Leben inhaftiert verbracht.
Charles Manson träumte davon, erfolgreicher Folkmusiker zu werden - in der Hippie-Bewegung sah er dort gute Chancen.
Er schloss sich einer Hippie-Kommune an, gründete aber bald darauf quasi seine eigene - die "Manson-Family".

Die Musikkarriere scheiterte - Mansons Denken wurde immer negativer.

In seiner Family scharte er junge, meist rothaarige Frauen (aber auch einige junge Männer) um sich, und machte diese mehr und mehr durch Drogen (LSD) und Gruppensex gefügig.
Die Hippie-Ideen änderten sich bei Manson bald in eine von Rassismus, Autorität und Verfolgungswahn geprägte Ideologie.
Manson sagte eine Art "Rassenkrieg" voraus, welchen die Afroamerikaner gewinnen würden. Sie wären jedoch unfähig ihre Macht zu behalten, und würden deshalb einen überlebenden Weißen (laut Manson er selbst) zum neuen Herrscher ernennen.
Dieses bizarre Szenario bezeichnete Charles Manson als "Helter Skelter" (benannt nach dem Beatles Song).

Den Mitgliedern Susan Atkins, Patricia Krenwinkel, Linda Kasabian und Charles Watson ordnete Manson die berühmten "Tate-LaBianca-Morde" an - die Family ermordete die schwangere Sharon Tate, viele ihrer Freunde, und bald darauf auch das Ehepaar LaBianca auf brutalste Weise.
Mit Blut schmierten die Family-Mitglieder wörter wie "PIG" oder "Helter Skelter" an die Wände.

Bald darauf wurde ein Großteil der Family verhaftet und zum Tode verurteilt.
Da kurz darauf aber die Todesstrafe abgeschafft wurde, wurden die Urteile in lebenslange Haftstrafen umgewandelt.
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Ich hab gestern mit meinem Vater über dieses Thema gesprochen, und er konnte sich erinnern, dass die Vorfälle ganz groß in den Zeitungen auch in Deutschland geschildert wurden.
Hat vielleicht auch jemand aus dem Forum noch Erinnerungen daran?

Wie konnte die friedliche Hippie-Bewegung sich so radikal, brutal abzweigen?

Cheers,

nex
 
Ich hab gestern mit meinem Vater über dieses Thema gesprochen, und er konnte sich erinnern, dass die Vorfälle ganz groß in den Zeitungen auch in Deutschland geschildert wurden.
Hat vielleicht auch jemand aus dem Forum noch Erinnerungen daran?

Ja, an den Pressehype kann ich mich noch erinnern. Wir hatten damals einen Lesezirkel mit allen Zeitschriften, die ich heute nur noch beim Zahnarzt oder Friseur mit spitzen Fingern anfasse. Wahrscheinlich hat es sich auch deshalb so in der Erinnerung eingebrannt, weil es mit zu meinen ersten schrecklichen Geschichten gehörte und sehr viele Fotos veröffentlicht wurden.

Wie konnte die friedliche Hippie-Bewegung sich so radikal, brutal abzweigen?
Mit der Hippiebewegung habe ich es eigentlich nie Verbindung gebracht, die hatte 1967 doch eben erst angefangen. Das war doch eher eine Sekte mit einem schizophrenen Führer.

Was fasziniert dich daran?
 
Mit der Hippiebewegung habe ich es eigentlich nie Verbindung gebracht, die hatte 1967 doch eben erst angefangen. Das war doch eher eine Sekte mit einem schizophrenen Führer.

Was fasziniert dich daran?

Die Manson-Family war schon eng verwoben mit der Hippie-Bewegung. Manson wirkte damals bereits als eine Art spiritueller Führer in San Francisco im berühmten Viertel Haight Ashbury. Er bildete eine Kommune in Los Angeles, wo er auch den "Beach Boy" Dennis Wilson kennen lernte. Die Mitglieder der Manson Family betätigten sich auch exzessiv als frühe Drogenmitglieder.
Was das Pulverfass zum explodieren brachte, waren wohl neben Mansons Manipulation die schwierige materielle Lage in der Kommune, kombiniert vielleicht mit drogeninduzierten Halluzinationen. Auf jeden Fall herrschte eine Art kollektives Angstgefühl, und Manson begann, über das Ende der Welt und einen kommenden Kampf zwischen den Rassen zu predigen. In gewisser Weise ein relativ früher Fall eines Musters, dass später in der Endphase anderer Psychosekten auftreten sollte.
 
Auf meinem Europaroadtrip hatte ich eine Geschichtszeitschrift dabei, welche einen kleinen Report über die berühmte Manson-Familie und ihren Anführer Charles Manson beinhaltete.
Der Artikel weckte mein Interesse für dieses Thema - seitdem ich wieder hier bin lese ich viel über dieses Thema nach.
Dann kann ich Dir "The Family" von Ed Sanders (Deutsch: Rowohlt 1972 & 1995. ISBN 3-499-19644-1) wärmstens empfehlen.
Sanders hat über Jahre akribisch Recherchiert und dokumentiert die Geschichte der "Family" von den Anfängen, über die Morde jener Nacht in Hollywood, bis zum Prozess und zur Gegenwart. Dabei gelingt es ihm, die Stimmung der Flower-Power-Hippie-Zeit bis zum psychedelischen Alptraum aus Gewalt und satanischen Blutritualen der Charles ("Charly") Manson Family wirklichkeitsnahe wiederzugeben...


Saludos!
 
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Wie konnte die friedliche Hippie-Bewegung sich so radikal, brutal abzweigen?
[...]

Ist es Sinnvoll die Hippiebewegung mit den Machenschaften des Manson gleich zu stellen?

Vielleicht war es ein gefundenes Fressen für die bürgerliche Welt und deren Presse, daß Bild vom Hippie in die Gewaltecke zu schieben.
Ich denke in jeder Jugendsubkultur gibt es die gewalttätigen Randgruppierungen.
Aber vielleicht war die Hippiebewegung zur Zeit des Manson schon am Ende, es gab nicht mehr viele, die sich mit Hippies in Verbindung brachten, ausser die "ewig gestrigen" und ihr enormer Drogenkonsum.
 
Ist es sinnvoll die Hippiebewegung mit den Machenschaften des Manson gleich zu stellen?

Das wird ja nicht getan. Was man vielleicht sagen kann, ist, dass innerhalb dieser Jugendsubkultur stark mit Drogen experimentiert wurde und gerade LSD ist ja für die Möglichkeit des Horrortrips bekannt. Insofern ist es nicht ganz verwunderlich, wenn eine Gruppe, die offensichtlich in einer negativen Grundstimmung noch dazu angepeitscht wird, zu derartigen Exzessen kommt.

Aber vielleicht war die Hippiebewegung zur Zeit des Manson schon am Ende, es gab nicht mehr viele, die sich mit Hippies in Verbindung brachten, ausser die "ewig gestrigen" und ihr enormer Drogenkonsum.
Das ist eher auszuschließen. Die Morde geschahen schon 1969.
 
Das ist eher auszuschließen. Die Morde geschahen schon 1969.

Naja, die Hippie-"Kernzeit" war dann aber doch von Mitte bis Ende der 60iger, also war 69 der Zenit der Bewegung schon überschritten.

Neue Jugendkulturen nahmen Ende der 60iger und Anfang der 70iger die Schwung der Hippiebewegung. Dachte ich zumindest.
 
Fals es so rüberkommt, dass ich Manson mit den Hippies gleichsetze, ist dies nicht so gemeint.
Ich meine mehr, Manson war ein extremer Seitenzweig der Hippie-Bewegung.
Die Family stammte anfänglich jedenfalls aus dieser Szene.
 
Fals es so rüberkommt, dass ich Manson mit den Hippies gleichsetze, ist dies nicht so gemeint.
Ich meine mehr, Manson war ein extremer Seitenzweig der Hippie-Bewegung.
Die Family stammte anfänglich jedenfalls aus dieser Szene.

Ja, da habe ich wohl etwas falsch aus deinen Zeilen gelesen, sorry.

Aber ich glaube die Problematik um Manson hat letztlich nur die Verbindung gemein, daß er sich bei den Hippies rumtrieb. Vielleicht wegen der "Freiheit" und der vielen Drogen, aber die geistigen Gewalttriebe hätte er wohl auch ohne die Hippies ausgelebt. Sicherlich in einer anderen Form.
 
Die Manson-Family war schon eng verwoben mit der Hippie-Bewegung...
Wobei wir sicher darin einig sind, dass - so auch köbis17 - sich das (anfängliche) Verwobensein primär auf Äußerliches bezieht: Kleidung, Gesellungsform, Drogenkonsum.

Die libertär-anarchistisch angehauchte Hippie-"Bewegung" [1] war, wie ihre Vorläufer in den zwei Jahrzehnten davor, grundsätzlich eine gewaltfreie und lebte das auch. Dass sie, wie man sagt [2], in Altamont ihre "Unschuld" verlor, kann man ihr schwerlich anlasten.

...Manson begann, über das Ende der Welt und einen kommenden Kampf zwischen den Rassen zu predigen. In gewisser Weise ein relativ früher Fall eines Musters, dass später in der Endphase anderer Psychosekten auftreten sollte.
Ja, da hast Du sicher recht! Schade, dass der Manson-Artikel der WP [3] insoweit sehr schmal ausfällt. Immerhin wird dort noch eine ganz frische Publikation angegeben- kennt die jemand?


[1] Der Überblick in Hippie ? Wikipedia ist aus meiner Sicht ganz brauchbar.
[2] Altamont Free Concert ? Wikipedia
[1] Helter Skelter (Manson) ? Wikipedia
 
Naja, die Hippie-"Kernzeit" war dann aber doch von Mitte bis Ende der 60iger, also war 69 der Zenit der Bewegung schon überschritten.

Neue Jugendkulturen nahmen Ende der 60iger und Anfang der 70iger die Schwung der Hippiebewegung. Dachte ich zumindest.

"Der Autor Barry Miles sieht den Kern der Hippiezeit in den Jahren von 1965 bis 1971. In den 1980er Jahren ging die Hippiekultur in den alternativen Bewegungen auf und beeinflusste auch neue Subkulturen und Szenen." So siegt es Wikipedia. Ich würde die Hochphase der Hippiebewegung mit dem Vietnamkrieg sehen, also von '65 - '75. Spätestens ab '77 ist dann der politisierte Teil des Punk, der den FlowerPower als nicht hinreichend sieht und aggressivere Formen des Widerstands propagiert.
 
Die libertär-anarchistisch angehauchte Hippie-"Bewegung" [1] war, wie ihre Vorläufer in den zwei Jahrzehnten davor, grundsätzlich eine gewaltfreie und lebte das auch. Dass sie, wie man sagt [2], in Altamont ihre "Unschuld" verlor, kann man ihr schwerlich anlasten.

Das "Grundsätzliche" muss doch in Frage gestellt werden, wenn man die Theoriepapiere der damaligen Zeit verfolgt. Die politische Perspektive des Hippietums umfasste bei nicht wenigen Vordenkern wie Debray oder Dutschke auch die Idee vom weltweiten revolutionären bewaffneten Kampf.
Dies schließt nicht aus, dass auch viele Formen des gewaltfreien Widerstands praktiziert wurden.
 
Das "Grundsätzliche" muss doch in Frage gestellt werden... Vordenkern wie Debray oder Dutschke ...

Dutschke ein Vordenker des Hippietums? Da solltest Du etwas tiefer graben und den Zusammenhang zwischen Hippiebewegung und dem "weltweiten revolutionären bewaffneten Kampf" näher ausleuchten. Gibt es eventuell Dutschke-Äußerungen über Hippies und Hippietum (oder vice versa)?

Natürlich kann man unterschiedlicher Meinung sein, was "Hippietum" eigentlich ist/war und welche politische Grundanschauungen "die" Hippies (wer immer das war) vertraten - wir sollten nur keinen "catch all"-Begriff daraus machen, so wie das bei der http://www.geschichtsforum.de/f58/lebensreformbewegung-zu-beginn-des-20-jahrhunderts-33418/ der Fall war.
 
Dutschke ein Vordenker des Hippietums? Da solltest Du etwas tiefer graben und den Zusammenhang zwischen Hippiebewegung und dem "weltweiten revolutionären bewaffneten Kampf" näher ausleuchten. Gibt es eventuell Dutschke-Äußerungen über Hippies und Hippietum (oder vice versa)?

Am offenkundigsten fand ich den Zusammenhang zwischen Hippie-Kultur und revolutionären Ideen bei dieser Gruppierung:
Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen ? Wikipedia

Der teilweise etwas puritanische Dutschke selbst war vielleicht kein Hippie. Aber zumindest in Deutschland war er für die Studenten- und Hippiebewegung doch eine politische Ikone, und das recht "fraktionenübergreifend", wenn man mal von beinharten Altkommunisten absieht.

Ich bin zwar auch der Meinung, dass man die Zeit nicht zu sehr durch die politische Brille betrachten sollte, wie dies in der Forschung meist geschieht. Aber Überschneidungen zwischen linker bis linksradikaler Politik der 1960er und Hippiebewegung gab es doch häufig. Auch in Woodstock kam es doch z.B. teilweise auch zu "politischen Beiträgen", man denke etwa an den Vietnam-Protestsong von Country Joe.
 
Die politische Perspektive des Hippietums umfasste bei nicht wenigen Vordenkern wie Debray oder Dutschke auch die Idee vom weltweiten revolutionären bewaffneten Kampf.

Auch wenn die Zeitzeugenperspektive nicht völlig unproblematisch ist: die Hippies waren unpolitisch, im Gegensatz zu Dutschke, Debray et al. Das schließt nicht aus, daß es thematische Berührungen und Überschneidungen gab, wie zb die Ablehnung des Vietnamkrieges. Ich denke, nicht zuletzt dadurch wurde die Antikriegsbewegung seinerzeit wirklich eine Massenbewegung.

Edith:
In Woodstock kamen sozus richtungsübergreifend mehrere Musikrichtungen zusammen, die vorher nicht viel miteinander zu tun hatten, und dies gerade auf dem Hintergrund der Ablehnung des Vietnamkriegs. Wobei Country Joe zb auch noch die Ablehnung des Lebensstils der 'alten Generation' mit aufgreift ("Whatsat spell? F*CK!")
 
Zuletzt bearbeitet:
Am offenkundigsten fand ich den Zusammenhang zwischen Hippie-Kultur und revolutionären Ideen bei dieser Gruppierung...
Muss zu meiner Schande gestehen, dass ich - wiewohl Zeitzeuge - von den "Haschrebellen" damals nichts mitbekommen habe. :rotwerd:
Aber auch hier wieder, Dutschke beiseite, die Frage: Hat "die Hippiebewegung" diese Rebellen bemerkt? Haben diese umgekehrt sich in irgendeiner Form übers Hippietum ausgelassen oder Einfluss auf dieses genommen? [1]

...die Hippies waren unpolitisch, im Gegensatz zu Dutschke, Debray et al. Das schließt nicht aus, daß es thematische Berührungen und Überschneidungen gab, wie zb die Ablehnung des Vietnamkrieges.
Das sehe ich "grundsätzlich" auch so. Im Übrigen möchte ich einstweilen daran festhalten, dass die "Ablehnung des Vietnamkrieges", von Country Joe oder sonstwem artikuliert, nicht identisch ist mit dem "weltweiten revolutionären bewaffneten Kampf". so wie ihn Frantz Fanon, Che Guevara und andere Anfang der 60er Jahre propagiert haben.
 
Das sehe ich "grundsätzlich" auch so. Im Übrigen möchte ich einstweilen daran festhalten, dass die "Ablehnung des Vietnamkrieges", von Country Joe oder sonstwem artikuliert, nicht identisch ist mit dem "weltweiten revolutionären bewaffneten Kampf". so wie ihn Frantz Fanon, Che Guevara und andere Anfang der 60er Jahre propagiert haben.

Dem widerspreche ich doch gar nicht. In der Hippiebewegung war ein im großen und ganzen diffuser Friedensbegriff angesagt, der natürlich die Ablehnung des Vietnamkriegs einschloß, jedoch auch dem bewaffneten Kampf nicht unbedingt positiv gegenüberstand. Die Umherstreifenden Haschrebellen sehe ich (wiewohl im Nachhinein) eher als vom damals allgemeinen Lebensgefühl infizierte politische Akteure, die das bewußtseinserweiternde Element des Drogenkonsums politisch nutzen bzw für eine Politisierung nutzen wollten.

NB: Du hast uns die Angabe in deinem obigen Zitat vorenthalten, jetzt plagt mich die Neugier....
 
Dem widerspreche ich doch gar nicht.
War auch nicht für Dich bestimmt :winke: - ich hatte meine gräßliche Gegenrede gen Gießen gerichtet...

NB: Du hast uns die Angabe in deinem obigen Zitat vorenthalten, jetzt plagt mich die Neugier....
Mist - ich wollte unbedingt Bommi Baumann zitieren (Wie alles anfing, S. 50 oder so), kann aber vor Aufregung das Buch nicht finden.:rotwerd:
 
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