Frage zu Kriegen und Konflikten

Soralion

Mitglied
Hallo leute,

ich beschäftige mich ja schon lange gern mit Geschichte, und sie ist voller Konflikte/Kriege, was mir aufgefallen ist, eigentlich gibts in so gut wie allen Konflikten meistens eine übermächtige Partei und eine schwache.

Wieso gibt es selten gleichstarke Kontrahenten?

Und um die Frage zu erweitern, scheitern eigentlich eurer Meinung nach die meisten Rebellionen oder sind sie erfolgreich? Und was benötigt eine Rebellion um erfolgreich zu sein?
 
1. eigentlich gibts in so gut wie allen Konflikten meistens eine übermächtige Partei und eine schwache.

Wieso gibt es selten gleichstarke Kontrahenten?

2. Und um die Frage zu erweitern, scheitern eigentlich eurer Meinung nach die meisten Rebellionen oder sind sie erfolgreich? Und was benötigt eine Rebellion um erfolgreich zu sein?

Zu 1. Das ist zunächst eine These! Wenn man durch die Historie durchgeht trifft man auf sehr viele Beispiele, die dieser These widersprechen.

Ansonsten ist die Frage der Stärke sehr schwer zu beurteilen und bedarf einer sehr präzisen Beschreibung und Analyse.

- FdG vs Maria Theresia: Wer war der Stärkere und hat er auch gewonnen?
- Spanien: Napoleon & Wellington und der kleine Krieg. Wer war hier stärker und in welchem Sinne?
- Vietnam: Vietcong gegen USA. Wer war hier denn stärker und wodurch hat der Sieger gewonnen.

Einen hervorragenden Überblick bietet folgendes Buch
Handbuch Kriegstheorien - Google Books

Die Liste ließe sich fast endlos erweitern und zumindest Deine These in Frage stellen.

Es ist zusätzlich zu Angell zu hinterfragen, was der nachhaltige Erfolg von Krieg ist, sofern denn der "Stärkere" den "Schwächeren" angreift.

The Great Illusion: A Study of the Relation of Military Power to National ... - Norman Angell - Google Books

Folgt man Angell dann führt Krieg zu keinerlei positiven nachhaltigen Effekten für die jeweiligen Länder und bedeutet, dass Krieg unter dem Gesichtspunkt einer "Nutzenmaximierung" keinen nachweisbaren Sinn macht.

Ein Ergebnis, das neben der Demokratisierung der Länder zu einer deutlich reduzierten Bereitschaft geführt hat, Krieg zu führen.

Economic Origins of Dictatorship and Democracy - Daron Acemoğlu, James A. Robinson - Google Books

Gewalt: Eine neue Geschichte der Menschheit - Steven Pinker - Google Books

zu 2. Eigentlich eine andere Baustelle. Im Fall von 1. betrifft es den Inter-Staatenkonflikt und seine sehr unterschiedlichen Voraussetzungen. In diesem Fall ist ein Intra-Staatenkonflikt angesprochen, der eher in die Fragestellung von Bürgerkrieg und Revolutionen gehört. Sicherlich noch eine der wichtigsten Analysen stammt dazu von Gurr.

Rebellion: E. Motivationsanalyse von Aufruhr, Konspiration u. Innerem Krieg - Ted Robert Gurr - Google Books

Diesen Aspekt hat vor allem die Konfliktsoziologie betrachtet, wie z.B. auch Coser oder Dahrendorf.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo leute,

ich beschäftige mich ja schon lange gern mit Geschichte, und sie ist voller Konflikte/Kriege, was mir aufgefallen ist, eigentlich gibts in so gut wie allen Konflikten meistens eine übermächtige Partei und eine schwache.

Wieso gibt es selten gleichstarke Kontrahenten?

Und um die Frage zu erweitern, scheitern eigentlich eurer Meinung nach die meisten Rebellionen oder sind sie erfolgreich? Und was benötigt eine Rebellion um erfolgreich zu sein?

Nachdem Thane schon einen guten Einstieg gegeben hat würde ich dir noch raten dich etwas mit dem Thema Gewaltschwelle auseinander zu setzen und dem Gleichgewicht des Schreckens, dass uns 40 Jahre lang vor einem Krieg zwischen "gleichstarken" Nationen bewahrt hat, wenn diese natürlich auch andere Konflikte führten, denn den direkten Krieg.
 
Soralion schrieb:
ich beschäftige mich ja schon lange gern mit Geschichte, und sie ist voller Konflikte/Kriege, was mir aufgefallen ist, eigentlich gibts in so gut wie allen Konflikten meistens eine übermächtige Partei und eine schwache.

Wieso gibt es selten gleichstarke Kontrahenten?
Wichtig wäre es, erstmal die geschichtliche Entwicklung der "Streitkräfte" zu betrachten. Schon in der Antike erleben wir einen gravierenden Wechsel von Bürgermilizen zu professionellen stehenden Truppen (als Beispiel Rom nach Marius). In der Völkerwanderungszeit gewinnen Stammesaufgebote die Oberhand über diese Berufsheere. Im Mittelalter wiederum wird die Bewaffnung immer bedeutender und kleine Ritterheere obsiegen über die Großaufgebote von leichter Infanterie. Gegen Ende des Mittelalters wiederum unterliegen Ritterheere den mit Piken bewaffneten Infanterietruppen (zum Beispiel der Schweizer Gewalthaufen über die Habsburger und den Burgundern). Danach wandelt sich das Militär und durch Einführung von Büchsen und Kanonen steigen die Verluste stark an - um die 200%. Diese Revolution der Waffentechnik führt dazu, dass eingeborene Truppen aus Amerika, Afrika oder Asien den damit bewaffneten Europäern nichts mehr entgegen zu setzen haben.
In Europa dominieren nun Söldnertruppen. Die Kriege werden immer länger und es gibt keine eindeutigen Gewinner mehr. Geht ein Heer in einer Schlacht unter, wirbt man neue Söldner an. Irgendwo in Europa wartet immer ein Privatunternehmer mit Truppen auf einen neuen Auftrag. Diese Söldnertruppen ernähren sich aus dem Kriegsgebiet und plündern die Zivilbevölkerung brutal aus, vergewaltigen und brennen nieder, was sie nicht wegführen können. Gerade in der Zeit der Söldnerheere sehe ich ein weitgehendes Patt auf den Schlachtfeldern Europas. Schau dir mal den niederländischen Unabhängigkeitskrieg an.

Oder natürlich der 30jährige Krieg. Immer wieder gewinnt eine der beiden Parteien die Oberhand, was dazu führt, dass die unterlegene Partei ausländische Monarchen zur Hilfe holt oder man einen Mann wie Wallenstein Truppen aufstellen lässt. Hätte es hier einen eindeutig Unterlegenen gegeben, hätte man nicht dreißig Jahre lang Krieg führen müssen.

Auch der Kampf zwischen Habsburg und Frankreich dürfte deine These widerlegen. Gewinnt Karl der V. noch die Schlacht von Pavia gegen die Franzosen, hat m. E. nach dem Ende des dreißigjährigen Krieg Frankreich die Oberhand gewonnen. Wobei trotzdem diese beiden Mächte 200 Jahre sich auf Augenhöhe gegenüber standen.
 
Und um die Frage zu erweitern, scheitern eigentlich eurer Meinung nach die meisten Rebellionen oder sind sie erfolgreich? Und was benötigt eine Rebellion um erfolgreich zu sein?

Sorry, dass wir bisher den zweiten Teil der Frage ignoriert haben:
Es kommt drauf an, was du als Rebellion bezeichnest. Ich werde im folgenden einfach auf moderne Aufstände, Revolutionen und Bürgerkriege seit der französischen Revolution eingehen und die Begriffsunschärfe ausnutzen. Dabei ignoriere ich bewusst Ereignisse vor der französischen Revolution, weil diese häufig nicht in die Kategorie des politischen Aufstandes passen und weil meine Expertise im Gebiet der Bauernaufstände, feudalen Adelskriegekriege und römischen Bürgerkriege nicht unbedingt umwerfend ist.

Ob nun mehr Rebellionen scheitern, als erfolgreich sind ist wohl schwer zu beantworten. Ich würde zu einer größeren Anzahl der gescheiterten Rebellionen ausgehen, das kann ich aber leider nicht empirisch belegen und es wird auch, aufgrund der Begriffsunschärfe schwer zu belegen sein.

Rebellionen unzufriedener Einwohner leiden häufig aufgrund ihrer spontanität an organisatorischen Problemen. So haben Rebellen, sofern ein Staat mit Waffengewalt antwortet nicht genügend eigene Waffen oder Materialien um den Krieg.

Lange organisierte Rebellionen eines eingeschworenen Kaders kranken häufig an Rückhalt aus der Bevölkerung, die in vielen Fällen ihre Lage entwerder anders einschätzt als die Rebellen oder diese sogar als größere Gefahr einschätzt. Rebellionen wie der kurdische Aufstand 1992 oder der Biafra-Krieg werden auch von nationalen Minderheiten losgetreten, die den Zentralstaat zu Konzessionen zwingen will. Diese Aufstände werden aber von der Mehrheit der Staatsbevölkerung nicht getragen und führen häufig, sofern kein Staat sie unterstützt (siehe nächster Abschnitt) zumeist höchstens zu einem Patt.

Eine Rebellion kann eigentlich nur dann Erfolg haben wenn der Staat bereits geschwächt ist oder aber ein anderer Staat die Rebellen militärisch unterstützt. Häufig krankt eine Rebellion aber entweder an organisatorischen Fragen, so waren die Revolutionäre von 1848/49 sich nach der ersten Phase der Revolution uneinig, auch weil ein wichtiger Träger der Revolution (die Bauernschaft) beschwichtigt wurde und konnten deshalb 1849 einfach besiegt werden. Andererseits neigen sowieso zerfallende Systeme, wie die DDR in ihren letzten Tagen, dazu kein Militär einzusetzen. Wobei man dieses Beispiel nicht all zu sehr verallgemeinern sollte. So setzten einige Ostblock-Staaten trotz des um sie zerfallenden Ostblocks noch das Militär ein (z.B. Rumänien).

Die besten Chancen hat eine Rebellion, wenn alle drei Bedingungen, gute Organisation, schwacher Staat und Hilfe von Außen erfüllt sind. Ein Beispiel für eine erfolgreiche "Rebellion" war im weitesten Sinne wohl der Kampf des Vietcong, der alle drei Faktoren erfüllte. Er hatte sowohl Unterstützung aus dem Ausland (Nordvietnam und Ostblock), eine gute, strukturierte Organisation (Generäle aus dem Norden, klare Befehlsstrukturen) und die Sympathien der Menschen beim Kampf gegen den geschwächten Staat (das Südvietnamesische System war äußerst unbeliebt). Allerdings kann eine Rebellion in jedem Fall mit einem der Faktoren funktionieren, zumindest wenn Glück dazu kommt. So reichte für die französische Revolution auch ein schwacher Staat aus und ein (zunächst) passives Ausland um eine unorganisierte Rebellion zur Revolution werden zu lassen, die die Welt veränderte.
 
In Europa dominieren nun Söldnertruppen. Die Kriege werden immer länger und es gibt keine eindeutigen Gewinner mehr. Geht ein Heer in einer Schlacht unter, wirbt man neue Söldner an. Irgendwo in Europa wartet immer ein Privatunternehmer mit Truppen auf einen neuen Auftrag. Diese Söldnertruppen ernähren sich aus dem Kriegsgebiet und plündern die Zivilbevölkerung brutal aus, vergewaltigen und brennen nieder, was sie nicht wegführen können. Gerade in der Zeit der Söldnerheere sehe ich ein weitgehendes Patt auf den Schlachtfeldern Europas. Schau dir mal den niederländischen Unabhängigkeitskrieg an.

Oder natürlich der 30jährige Krieg. Immer wieder gewinnt eine der beiden Parteien die Oberhand, was dazu führt, dass die unterlegene Partei ausländische Monarchen zur Hilfe holt oder man einen Mann wie Wallenstein Truppen aufstellen lässt. Hätte es hier einen eindeutig Unterlegenen gegeben, hätte man nicht dreißig Jahre lang Krieg führen müssen.

Auch der Kampf zwischen Habsburg und Frankreich dürfte deine These widerlegen. Gewinnt Karl der V. noch die Schlacht von Pavia gegen die Franzosen, hat m. E. nach dem Ende des dreißigjährigen Krieg Frankreich die Oberhand gewonnen. Wobei trotzdem diese beiden Mächte 200 Jahre sich auf Augenhöhe gegenüber standen.
Bei den Kriegen Karl V. gegen Franz I. von Frankreich würde ich Dir zustimmen, beim 30-jährigen Krieg ist das m.E. schwerer zu beantworten. Da kommt unsere heutige Einschätzung ja daher, dass wir den Krieg als ein ganzes Ereignis begreifen. Wenn man sich die ersten 15 Jahre anschaut, könnte man aber zumindest nach dem bayerisch-kaiserlichen Bündnis im Vertrag von München 1619 eine Überlegenheit dieser Partei feststellen. Es gelang im Böhmisch-Pfälzischen Krieg mit Hilfe Spaniens sowohl die Böhmen als auch das Oberhaupt der Union, den Kurfürsten von der Pfalz in die Knie zu zwingen, der seit 1619 keine nenenswerten Erfolge mehr verzeichnen konnte. In der 2. Phase des 30-jährigen Krieges blieb im dänisch-niedersächsischen Krieg der Erfolg den Kaiserlichen und Bayern hold. Und abgesehen von der Gefahr, die mit dem Eingreifen Gustav Adolfs einherging, vermochte es doch die kaiserliche Seite letztlich sogar die Schweden noch in die Knie zu zwingen, was dann die Franzosen auf den Plan rief. Meines Erachtens spricht das insgesamt trotz der gelegentlichen Erfolge der Gegner der kaiserlichen Partei, doch recht eindeutig für dessen Überlegenheit und das bei chronisch klammen Kassen des Kaisers. Es wirkte sich natürlich für den Kaiser prositiv aus, dass Kurfürst Friedrich von der Pfalz nie wirklich die Union zu mobilisieren vermochte, wenngleich es ihm vergönnt war, immer neue Parteien in den Krieg hinein zu ziehen bzw. sich an diese zu hängen, um wieder in den Besitz seiner Gebiete zu kommen. Schließlich starb Friedrich V., der im Gefolge des Löwen aus Mitternacht ein letztes Mal nach Deutschland gekommen war 1632.

Meines Erachtens geben aber gerade die Kriege des 18.Jh. oftmals Pattsituationen her. Nehmen wir einen der ersten großen Kriege des Jahrhunderts, den Spanischen Erbfolgekrieg.
Trotz des Zusammenbruchs der französischen Verbündeten in Deutschland (Bayern und Kurköln) und der schweren Niederlage in Italien (Schlacht bei Turin) gelang es Frankreich letztlich durch die Aufbietung starker Kräfte, auch wenn dies auch für Frankreich an die Substanz ging, letztlich die Lage zu stabilisieren. Der Krieg lief sich genauso an der französisch-niederländischen Grenze wie auch in Südfrankreich/Italien und in Spanien fest, wo sich zwar Erzherzog Karl (der spätere Kaiser Karl VI.) behaupten konnte, aber in einer mehr oder minder kläglichen Lage sich befand. Von daher musste es auf einen Vergleichsfrieden hinauslaufen, der im Länderschacher auch wiederum die relative Pattsituation wiederspiegelte.

Die Friedensschlüsse bis hin zum Friede von Aachen (1748) waren ähnlich, vielleicht mit Ausnahme des Zusammenbruches Schwedens im Großen Nordischen Krieg (1700-1721) und dem Gewinn Schlesiens für Friedrich II.. Die sich gegenüberstehenden Parteien wollten sich keine Niederlage eingestehen und das Ergebnis waren Tauschprojekte.
Recht schön sieht man das am Polnischen Thronfolgekrieg, der faktisch schon nach der raschen Vertreibung Stanisław Leszczyńskis, was den ursprünglichen Anlass betraf, entschieden wurde. Auch die Kampfhandlungen waren nach einem schnell in Deutschland festgefahrenen Feldzug der Österreicher unter Prinz Eugen und einigem blutigen Ringen in Italien (Guastalla, Parma, Bitonto) erschöpft. Dann ging es wieder um einen Ländertausch und ein mehrjähriges Verhandeln.
 
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