Gastwirtschaften im 17. Jh.

KeineAhnung

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Hans Ulrich Megerle alias Abraham Sancta Clara, seines Zeichens Hofprediger Kaiser Leopolds I, (geb. 1644, gest. 1709 in Wien) schrieb über seine Erfahrungen in (badischen?) Gaststätten bzw. Herbergen:


„Das Tischtuch war aber nicht ungleich einem Fischernetz oder wenigstens hätte einer geschworen, es wäre eine Fahne gewest bei der Schlacht zu Nördlingen, durchlöchert von Kugeln. Die Tischsalvet [Besteck] waren so sauber, dass man noch etlich Untzen Spennat und Habergreis [Grütze] darein gefunden. Die Tücher waren so rein als hätten darauf Bluntzen- und Leberwürst miteinander gerauft. Man führte sie endlich ins Bett, in welchem fast nichts als lateinisch Lob [Laus] zu finden gewest. Die Leilach [Leintücher] so sauber wie die indianischer Marmel.“

Leider ist mir nicht bekannt, welche edle Lokalität er konkret meinte, leider habe ich auch keine Angaben zum genauen Erstellungsjahr gefunden.

Klingt jedenfalls sehr einladend... :pfeif:
 
Hans Ulrich Megerle alias Abraham Sancta Clara, seines Zeichens Hofprediger Kaiser Leopolds I, (geb. 1644, gest. 1709 in Wien) schrieb über seine Erfahrungen in (badischen?) Gaststätten bzw. Herbergen:


„Das Tischtuch war aber nicht ungleich einem Fischernetz oder wenigstens hätte einer geschworen, es wäre eine Fahne gewest bei der Schlacht zu Nördlingen, durchlöchert von Kugeln. Die Tischsalvet [Besteck] waren so sauber, dass man noch etlich Untzen Spennat und Habergreis [Grütze] darein gefunden. Die Tücher waren so rein als hätten darauf Bluntzen- und Leberwürst miteinander gerauft. Man führte sie endlich ins Bett, in welchem fast nichts als lateinisch Lob [Laus] zu finden gewest. Die Leilach [Leintücher] so sauber wie die indianischer Marmel.“

Leider ist mir nicht bekannt, welche edle Lokalität er konkret meinte, leider habe ich auch keine Angaben zum genauen Erstellungsjahr gefunden.

Klingt jedenfalls sehr einladend... :pfeif:


Hmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmm........

weißt Du was sein Vater war?

Gastwirt!=)

in Kreenheinstetten über dem wunderschönen Durchbruchstal der Donau.


ich denke mal er meinte Papas Konkurrenz..:cool::still::motz:
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Mag sein, aber Konkurrenz ist relativ.
In dem Kaff, in dem ich heute lebe, gab es um 1750 etwas mehr als 400 Häuser. Über 100 davon waren Gastwirtschaften. Davon waren wiederum 25 Schildwirtschaften und der Rest waren die Gassenwirtschaften und Besen. Jeder 5. männliche Erwachsene hatte die Konzession zum Ausschank, meist neben dem Hauptberuf her.

Über Herrn Megerle wird übrigens noch geschrieben: "Da er selbst aus einem Gasthaus im badischen Kreenheinstetten stammte, kann man annehmen, dass er wusste von was er sprach." :still:

Aber noch ein weiteres Beispiel: Im Jahre 1736 weilte der Oberist Graf v. Wittgenstein mit dem hochfürstlichen württembergischen Crayssinfanterieregiment im Winterquartier in einer der obigen Schildwirtschaften. Er war so erbost und angewiedert über den Zustand seiner Unterbringung, dass er seinen "Aufenthalt nicht geniessen" konnte und daher von der Stadt eine erkleckliche Summe Quartiergeld forderte.

LG
KeineAhnung

Btw.: über Megerles Ausdruckseise musste ich einfach grinsen, deswegen habe ich es eingestellt.
 
Über Herrn Megerle wird übrigens noch geschrieben: "Da er selbst aus einem Gasthaus im badischen Kreenheinstetten stammte, kann man annehmen, dass er wusste von was er sprach." :still:


Btw.: über Megerles Ausdruckseise musste ich einfach grinsen, deswegen habe ich es eingestellt.

Dadurch wurde er auch überaus berühmt.
Aber von "badisch" wusste er noch nichts. Sein Vater war fürstenbergischer Leibeigener.
Der Gasthof Zur Traube blickt auf eine reiche geschichtliche Vergangenheit zurück. In diesem Haus wurde im Jahre 1644 der berühmte kaiserliche Hofprediger in Wien Abraham a Sancta Clara geboren. Das Anwesen Traube war bis ins 20. Jahrhundert in erster Linie ein stattlicher Bauernhof mit umfangreichem Grundbesitz. Zahlreiche Nebennutzungen wurden betrieben, so unter anderem eine Schnapsbrennerei und ein Kindergarten, im Zweiten Weltkrieg diente der Keller als Luftschutzbunker für die Bevölkerung. Durch mehrere Umbauten und Renovierungen im Laufe der Jahre entstand aus der rustikalen Dorfwirtschaft ein Landgasthaus mit Pension.
aus Wiki
 
Aber noch ein weiteres Beispiel: Im Jahre 1736 weilte der Oberist Graf v. Wittgenstein mit dem hochfürstlichen württembergischen Crayssinfanterieregiment im Winterquartier in einer der obigen Schildwirtschaften. Er war so erbost und angewiedert über den Zustand seiner Unterbringung, dass er seinen "Aufenthalt nicht geniessen" konnte und daher von der Stadt eine erkleckliche Summe Quartiergeld forderte.
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60 Jahre später hat Vandamme, "in dem Kaff in dem ich lebe", ein ganz erhebliches "Geldgeschenk" verlangt, dafür dass er erst mit der Nachhut abzog.
Auf das "unmoralische" seines Tuns angesprochen (er war öfter schon "Gast" unserer Stadt gewesen, man kannte sich) antwortete er:
Nun er sei Soldat, da heiße es heute lustig morgen tot, das dürfe man ihm nicht krumm nehmen.

Mit anderen Worten, die Herren Oberoffiziere suchten ständig einen Grund ein paar Dukaten "herauszulassen".
 
Mit anderen Worten, die Herren Oberoffiziere suchten ständig einen Grund ein paar Dukaten "herauszulassen".

Schon klar. Dafür gibt es hier auch diverse andere Beispiele. Allein nach dem Dreißigjährigen Krieg beliefen sich die Schulden an Quartiergeld in der Stadt auf 30 000 Gulden.

Dennoch klingt es für mich plausibel, dass es mit der "Qualität" und der Sauberkeit in vielen Herbergen (auch nach damaligen Gesichtspunkten) oft nicht weit her war.
Die Frage ist doch, warum es überhaupt derart viele Gaststätten gab. Sicherlich war die Anzahl auch abhängig von der Anzahl Durchreisender, aber ein wichtiger Faktor dürfte eben auch der des "leichten Zubrotes" gewesen sein. Nachdem äußerst schwierige Zeiten nach dem Dreißigjährigen Krieg und später nach Mèlac durchgestanden waren, versuchte man wieder zu etwas Geld zu kommen. Bis auf wenige der Schilderwirtschaften wurden nahezu alle neben dem eigentlichen Beruf her geführt. Dazu wurde einfach nur ein Raum mit ein oder zwei Tischen bestückt und irgendwas halbwegs Essbares oder Trinkbares auf den Tisch gebracht. War kein Platz in der eigenen Stube, hat man eben als Gassenwirtschaft auf die Straße verkauft.

Unsere heutige "first-class-Herberge" am Ort ist nachweislich seit spätestens 1475 "durchgehend" bewirtschaftet. In der Hauschronik findet sich zu Anfang des 18. Jh. ein Zeitraum von etwa 40 Jahren, an denen die Gaststätte nur einen Tag im Jahr geöffnet hatte - damit der Wirt die Konzession nicht verlor, denn an die war auch sein Brennrecht gekoppelt. Der Gastraum selbst war nur noch eine Rumpelkammer, die auch für diesen einen Tag nicht aufgeräumt wurde, nur ein Tisch und eine handvoll Stühle wurden nahe beim Eingang plaziert. Sämtliche Verwandten und Nachbarn wurden genötigt, sich mit schalem Bier und kalter Hafergrütze bewirten zu lassen und dafür auch noch einen Obulus zu bezahlen.

LG
KeineAhnung
 
Schon klar. Dafür gibt es hier auch diverse andere Beispiele. Allein nach dem Dreißigjährigen Krieg beliefen sich die Schulden an Quartiergeld in der Stadt auf 30 000 Gulden.

Das ist aber eine andere Kiste.

Dennoch klingt es für mich plausibel, dass es mit der "Qualität" und der Sauberkeit in vielen Herbergen (auch nach damaligen Gesichtspunkten) oft nicht weit her war.

Für mich nicht.
Wenn die Unsauberkeit auffällt, muss auch damals der entsprechende Wirt Gäste verloren haben, die dort landeten, wo es sauber war.


Die Frage ist doch, warum es überhaupt derart viele Gaststätten gab. Sicherlich war die Anzahl auch abhängig von der Anzahl Durchreisender, aber ein wichtiger Faktor dürfte eben auch der des "leichten Zubrotes" gewesen sein.


Es hat sich, zumindest im 19. Jahrhundert, für die Zeit zuvor fehlen mir Quellen zum Thema, ein ganz erheblicher Teil des Lebens im Wirtshaus abgespielt. Der tägliche Gang ins Wirtshaus war anscheinend üblich.
Auffallend ist auch, wie viele der 1848/49 Aktiven in der Revolution Wirte waren.
 
Na ja, es war zwar in den Wirtz-Rechten eindeutig geregelt, was ausgeschenkt werden durfte, ob Gäste Speisung erhalten und übernachten durften, es gab Brauer-Eide (die natürlich häufiger nicht eingehalten wurden) bezüglich der Inhaltsstoffe, aber ich fürchte zur Reinheit und Ausstattung gab es noch nicht so viele "Ordnungen".

Interessant finde ich folgende Datei http://www.strobel-sontheim.de/mediapool/21/215653/data/WIRTAON.pdf

Und zum Reinheitsgebot des Bieres, das in Bayern seit 1516 Bestand hatte und z.B in Baden angeblich erst 1896 durchgesetzt wurde. Will heissen, zuvor wurde ganz schön gepanscht.
http://www.bier-lexikon.lauftext.de/reinheitsgebot-4.htm
 
Zuletzt bearbeitet:
Unsere heutige "first-class-Herberge" am Ort ist nachweislich seit spätestens 1475 "durchgehend" bewirtschaftet. In der Hauschronik findet sich zu Anfang des 18. Jh. ein Zeitraum von etwa 40 Jahren, an denen die Gaststätte nur einen Tag im Jahr geöffnet hatte - damit der Wirt die Konzession nicht verlor, denn an die war auch sein Brennrecht gekoppelt. Der Gastraum selbst war nur noch eine Rumpelkammer, die auch für diesen einen Tag nicht aufgeräumt wurde, nur ein Tisch und eine handvoll Stühle wurden nahe beim Eingang plaziert. Sämtliche Verwandten und Nachbarn wurden genötigt, sich mit schalem Bier und kalter Hafergrütze bewirten zu lassen und dafür auch noch einen Obulus zu bezahlen.

LG
KeineAhnung

Bei uns gab es Anfangs des 20. Jahrhundert ein Ausflugslokal eine runde Wegstunde weg von der Stadt.
Der Wirt bot jahrzehntelang Sonntags noch Nachmittags warme "Weckle" (Semmel, Schrippe, Halbstück) an. Wie er das machte, war sein Geheimnis. Auf alle Fälle brummte auf Grund dessen der Laden an schönen Sonntagen.

Irgendwann, als der Wirt bereits ein alter Mann war, ließ er versehentlich einmal die falsche Tür offen. Die Wecken bewahrte bis zum Verkauf in seinem Bett auf.....
 
Noch ein Histörchen zur lokalen Wirtshauskultur des beginnenden 20. Jahrhunderts.

Im Jahr 1910 vereinbarten 3 gestandene Herren des gehobenen Bürgertums "des Nests in dem ich lebe", dass sie an den 2 Weihnachtsfeiertagen in sämtlichen Wirtschaften im Städtlein einkehren und jeweils 2 Halbe Bier trinken würden. Nachdem sie ein paar Lokale wegen des weiten Weges ausgeschlossen hatten, blieben 46 Wirtshäuser übrig.
Wer es von den Dreien nicht schaffen sollte, wäre verpflichtet die Zeche aller zu bezahlen.
Man war unter Ehrenmännern, zur Sicherheit und für die staunende Nachwelt wurde die Vereinbarung aber paraphiert.

Um es kurz zu machen, 2 haben es geschafft, der Dritte musste nach 38 Kneipen kapitulieren, vermutlich hatte er an einem der beiden Tage etwas schlechtes gegessen:grübel:

Festzuhalten bleibt,
1. damals war das Bier deutlich schwächer als heute, aber so 2-2,5% hatte es auch.
2. Die drei Herren haben in 2 Tagen zusammen 130 Liter Bier gesoffen.
3. Die Qualität des Bieres kann angesichts der Menge nicht schlecht gewesen sein.
4. Und der Hauptpunkt, bei dem mir vermutlich keiner widersprechen wird
Es waren gute alte Zeiten:yes:
 
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Geht es jetzt um eine Schenke oder ein Wirtshaus?

Ich bin erstaunt, dass von Besteck überhaupt die Rede ist. In den meisten Schenken gab es ja vor allem Wein und Most bzw., je nach Region, auch Bier bzw. nur Bier. Auf den wenigen Wirtshausabbildungen, die ich kenne, sieht man auch bloß blanke Tischplatten.

Da aber von Bettzeug im Entferntesten die Rede ist, nehme ich mal an, dass das gute Haus wohl Übernachtungsgäste erwartete. Es war also eher ein Wirtshaus (wir würden heute von einem miesen Hotel sprechen).
 
Da aber von Bettzeug im Entferntesten die Rede ist, nehme ich mal an, dass das gute Haus wohl Übernachtungsgäste erwartete. Es war also eher ein Wirtshaus (wir würden heute von einem miesen Hotel sprechen).


Fällt mir der Casanova ein.
Zu seiner Zeit war es wohl üblich, dass die Übernachtungsgäste allesamt im selben Bett schliefen.
Nord- und Mittelitalien beschreibt er dies auf jeden Fall, und ich glaube auch in Frankreich.
Im Nordschwarzwald war er wohl nicht, aber ich unterstelle mal den selben Brauch=).
 
Mir fällt spontan noch die Bäckerwirtschaft ein, die um 1820 herum als besonderen Service 5 Badewannen für die Gäste aufgestellt hatte - im Flur zwischen Backstube und dem Gastraum, von letzterem immerhin durch einen Vorhang getrennt.

@Brissotin
es ging im Ursprungspost vermutlich um ein Wirtshaus bzw. eine Herberge. Leider weiß ich nicht um welches Etablissement es sich handelt.

@Repo
Es waren gute alte Zeiten
völlig d'accord! :D

Immerhin sind Casanovas "Erfolge" nun auch erklärbar =)
 
Mir fällt spontan noch die Bäckerwirtschaft ein, die um 1820 herum als besonderen Service 5 Badewannen für die Gäste aufgestellt hatte - im Flur zwischen Backstube und dem Gastraum, von letzterem immerhin durch einen Vorhang getrennt.


Da sieht man mal wieder den immensen Vorsprung den Süddeutschland gegenüber dem Norden in Sachen Kultur hat.

Im Berliner Schloss gab es keine Badewanne! So dass, wenn Wilhelm zu baden wünschte, die Wanne im Hotel Bristol ausgeliehen wurde.
Und wir sprechen hier von Kaiser Wilhelm dem Ersten, also der Zeit von !871 bis 1888!
 
Fällt mir der Casanova ein.
Zu seiner Zeit war es wohl üblich, dass die Übernachtungsgäste allesamt im selben Bett schliefen.
Oftmals liest man auch davon, dass man gemeinsam einfach auf Strohschütten in einer Kammer schlief.

Ich kann mich v.a. entsinnen, dass Casanova mit seinem Schlafwagen einmal erfolgreich die Wirtshäuser in Osteuropa umging.
 
Vielleicht waren ja nicht nur die Wirschaften um 1700 herum "etwas rustikaler" sondern auch die Gäste...:pfeif:

In der fürstlichen Polizeiordnung von 1700 wurde festgelegt, dass beim Hochzeitsmahl nicht mehr als sechs bis zehn Tische je acht Personen erlaubt seien. Der Wirt dürfte höchstens sechs verschiedene Speisen auftragen und es war ihm untersagt, Gästen, die nach ein oder zwei Uhr mittags eintrafen, noch aufzutischen. Das Hochzeitsschießen war ebenfalls bis ein Uhr beschränkt.

In einem Gerichtsprotokoll aus jener Zeit heißt es: „Hochzeitsexcesse sollen abgestellt werden. Kein Wirt darf nachmittags nach zwei Uhr jemand bei einer Hochzeit etwas zu verzehren mehr aufstellen, weder am ersten noch am andern Tag, damit man sehen könne, wer zur Hochzeit gekommen.“ Auch abends durften die Festlichkeiten nicht länger dauern, als es die Landesordnung zuließ und sogar die Zahl der Spielleute war vorgeschrieben. Die Überwachung erfolgte durch die Mitglieder des Kirchenkonvents, außerdem hatte die Stadt extra einen Inspektor eingesetzt, der allen Hochzeiten von Anfang bis zum Ende beizuwohnen die Namen der Gäste zu notieren und für Ordnung zu sorgen hatte.
 
Vielleicht waren ja nicht nur die Wirschaften um 1700 herum "etwas rustikaler" sondern auch die Gäste...:pfeif:


So Bestimmungen gab es aller Orten.

Fakten:
Als meine Großmutter im Jahr 1899 ihren Auserwählten heiratete, ging das Fest drei Tage lang.
Und die Familiensaga erzählt, dass die zuvor extra geleerte "Latrinengrube" am 3. Tage nachmittags übergelaufen wäre.
Mit anderen Worten, es wurde gepichelt und pokuliert, dass es eine Art war.

Es waren glückliche Zeiten.

Und welchen Kulturschock diese Menschen 1915-1923 getroffen hat, ist kaum mehr nachvollziehbar.
 
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