Gesellschaft und Militär in Deutschland

Köbis17

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[FONT=Verdana, sans-serif]Hallo Zusammen,[/FONT]

[FONT=Verdana, sans-serif]eines der interessantesten Verhältnisse innerhalb einer Gesellschaft ist das zivile und militärische Leben.[/FONT]
[FONT=Verdana, sans-serif]Als erstes Instrument der Machtentfaltung ist das Militär viele Jahrhunderte in der menschlichen Gesellschaft nicht wegzudenken, was dazu führte, daß Angehörige der militärischen Einheiten einer Gesellschaft den höchsten Rang in der selbigen einnahmen.[/FONT]

[FONT=Verdana, sans-serif]Jahrtausende lang bis zum Ende des 2.WK ändert sich nichts an dieser Tatsache. Der Bruch in der Gesellschaft mit dem hohen Stellenwert des Militärs setzt mit dem Demokratisierungsprozess ab den 1990iger Jahren vor allem in Europa ein.[/FONT]

[FONT=Verdana, sans-serif]Welche Rolle spielte der verlorene 2.WK in Deutschland mit der systematischen Herabstufung des gesellschaftlichen Rangs des Militärs und wieso war gerade dieser Stellenwert des Militärs in den beiden deutschen Staaten so unterschiedlich.[/FONT]

[FONT=Verdana, sans-serif]War ein Militärangehöriger noch zu Wilhelminischen Zeiten eine sehr angesehene Person, ist ca. Hundert Jahre später der Stellenwert des Militärs nur noch untergeordnet in der Gesellschaft.[/FONT]

[FONT=Verdana, sans-serif]Wie kam es dazu und wann setzte der Prozess wirklich ein? Oder gab es schon mal so eine wenig vom Militär beeinflusste Gesellschaft in Deutschland bzw. Europa und welche Rolle spielen andere Nationen in Europa dabei?
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[FONT=Verdana, sans-serif]Wie kam es dazu und wann setzte der Prozess wirklich ein? Oder gab es schon mal so eine wenig vom Militär beeinflusste Gesellschaft in Deutschland bzw. Europa und welche Rolle spielen andere Nationen in Europa dabei?[/FONT]
Also ich habe schon den Eindruck, dass das Militär, nehmen wir mal die Zeit um den Dreißigjährigen Krieg herum, bei der Zivilbevölkerung oder zumindest einem großen Teil davon ein unbeliebter und ungeachteter Stand war. In "Hortus Bellicus" wurde die generelle Abneigung v.a. des Landvolks gegenüber dem Soldatenberuf betont.*

In manchen Reichsständen war der Soldatenberuf auch noch weit ins 18.Jh. hinein wenig angesehen, was aber auch von den Subjekten herrührte, welche man vornehmlich dafür heranzog.
In Preußen war die Meinung über den blauen Rock unterschiedlich. Zum einen war die Gesellschaft durch den hohen Militäranteil v.a. ab Friedrich Wilhelm I. natürlich gekennzeichnet. Ein Soldat oder ein ehemaliger Soldat, der seine alte Uniform auftrug, war ein gewohntes Bild für viele Zivilisten. Auf der anderen Seite spielten auch die vielen Ausländer in der Armee eine Rolle bei ihrem schlechten Ruf (das Thema, dass man mit Gewalt v.a. gegen widerspenstige Ausländer vorgehen musste, hatten wir schonmal woanders).

* Herbert Langer: "Hortus Bellicus - Der Dreißigjährige Krieg" Edition Leipzig, Leipzig, 1982
 
Brissotin greift ein paar Ideen auf, die mir auch durch den Kopf gegangen sind. Typisches Gegenbeispiel sind aber auch beispielsweise die Spanier während der napoleonischen Kriege in Hamburg. Die sich einer hohen Beliebheit in der, vor allem weiblichen, Bevölkerung erfreut haben......:pfeif:

Aber diesen Aspekt will ich nicht vertiefen, allerdings verweist er auf die Bedeutung des bewaffneten Bürgers in Uniform, der seine relevanteste Ausformung während der französichen Revolution erfuhr und in der Organisationsform von "Volksbefreiungsarmeen" weiter existiert.

Dieser separate Analysestrang soll ausgeblendet bleiben, da er anderen Einflüssen unterlag.

Deswegen nur ein paar Bemerkungen zu dieser Situation für die Zeit nach dem WW2 bezogen auf die deutsche Situation:

Der Niedergang des Ansehens speist sich aus einer Reihe von Quellen, die teils zusammen hängen, teils aber unabhängi verlaufen sind.

1. Nationalstaat: Ein sehr wichtiger Aspekt, der die "Nobilität" des Berufs von Militärs unterstrichen hat, war die instrumentelle Rolle im Rahmen der französischen Befreiungskriege. Relevant waren sicherlich Leute wie Scharnhorst etc. In diesem Sinne erfuhr der Offizier eine Aufwertung, die weitgehend in Übereinstimmung mit der staatlichen Ideologie und dem Wertehorizont breiter Volksschichten war.

Mit dem Verlust der vergesellschaftednden Funktion der Idee des Nationalstaats nach dem WW2 und somit der Verlust der Relevanz des zentralen Instrument zur Durchsetzung dieser Idee, verlor das Militär in Deutschland eine sehr wichtige grundsätzliche Basis für ihre Legitimität und somit auch für ihr soziales Prestige.

2. Niedergang der Aristokratie: Institutioneller Träger des Militärs war der Adel und er stellte die Majorität seiner Offiziere. Seine gesellschaftliche Bedeutung bezog er zu einem nicht unerheblichen Prozentsatz, zumindest historisch, aus seiner wirtschaftlichen Stellung (Junker etc.) Durch den wirtschaftlichen Niedergang in der Folge des WW1 und endgültig nach dem WW2 ist der Verlust der wirtschaftlichen Bedeutung zu verzeichnen und somit auch der Verlust der Vorbildfunktion des Adels als "klassisches" Modell eines "Popstars"

Diese Veränderung betrifft auch die staatliche Legitimation im Rahmen seiner Ideologie. Im Prinzip basierte die Legitimation im Kaiserreich auf einer "gottgewollten Sozialstruktur" auf, die sich aus obiger Funktion speiste.

Mit dem Verlust des WW1 ging dieser Strang der Legitimitätsbeschaffung verloren und wurde teilweise durch den Kriegeradel des 3. Reichs, der die gottgewollte Stellung durch das Prinzip des Sozialdarwinismus ersetzt hat, als zentrale Stütze des Staatswesens ersetzt.

3. Fortschreitende Bedeutung der Aufklärung Eingebettet ist diese Entwicklung in die grundsätzliche eingetretende Säkularisierung der traditionellen Normen und Wertvorstellungen. Betroffen von dieser zersetzenden Wirkung war u.a. die Einheit von Obrigkeit, gebildet aus weltlicher (Kaiser&Adel) und spiritueller Tragerschaft (Kirche) und ihrer Rolles als sinnstiftende Institutionen.

Einen vorläufigen Endpunkt erhielt diese Entwicklung in der Instrumentalisierung der "neuen akademischen Eliten", die die obige Einheit aus Adel und Kirche ersetzt hat, auch und gerade im Bereich der SS während des Dritten Reichs. Ihr Handeln, dass sich zynisch und zweckrational dem Vernichtungsgedanken verschrieben hatte und jegliche traditionelle MOralvorstellung abgelegt hatte, raubte staatlichem Handeln die letzte Form von moralischer Rechtfertigung und führte zu einer grundsätzlichen Infragestellung staatlichen Handelns. Und berührte somit zentral auch die gesellschaftliche Bedeutung und Rolle des Militärs in einer Nachkriegsgesellschaft.

Die Ausgangsbasis für die Situation nach 45.

4. Ersetzung des militärisch induzierten Imperialsimus durch einen wirtschaftlichen Imperialismus: Auch als Folge der "Amerikanisierung" der internationalen Politik, die die Bedeutung von wirtschaftlicher Kooperartion in den Vordergrund gestellt hat, im Vergleich zur klassischen militärischen Machtpolitik preußischer Prägung, erfolgte ein drastischer Bedeutungszuwachs des "Managers" im Vergleich zum "Soldaten" und somit ist er der "legitime Erbe" des Prestiges und sozialen Staus der militärischen Eliten

5. Zusammenfassend ist sein Niedergang durch den Verlust der "historischen Mission" bzw. seiner Rolle gekennzeichnet beschleunigt durch den Verlust an moralischer Integrität durch den zweiten Weltkrieg und der Rolle des Militärs im Dritten Reich.

Dieser Befund verweist auch auf das Problem, auf welche Traditionsbestände sich eine moderne deutsche Armee eignetlich beziehen soll, um sich offensiv mit einem neuen Rollenverständnis in einer modernen, demokratischen Gesellschaft zu etablieren.

Für mich persönlich war der Staatsbürger in Uniform ein hervorragendes Leitbild, das allerdings, ungerechtfertigterweise, aus der Mode gekommen ist. Aus meiner Sicht auch, weil die BW und ihre aktuellen Offiziere sich mit diesem Leitbild nicht aktiv identifizieren möchten.

6. Schlußfolgerung: Deswegen ist der Hinweis von H. Schmidt, auf die potentiell in der Zukunft liegenden Gefahren, die mit dem Vorhandensein einer "kulturell" entwurzelten Berfufsarmee verbunden sind, absolut fundiert.

Und eigentlich würde es einer intensiven Dikussion bedürfen, welche Form von Streitkräften in einem demokratischen Staat erwünscht sind.

Und dieses hätte einen tagespolitischen Bezug. :scheinheilig:
 
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3. Fortschreitende Bedeutung der Aufklärung Eingebettet ist diese Entwicklung in die grundsätzliche eingetretende Säkularisierung der traditionellen Normen und Wertvorstellungen. Betroffen von dieser zersetzenden Wirkung war u.a. die Einheit von Obrigkeit, gebildet aus weltlicher (Kaiser&Adel) und spiritueller Tragerschaft (Kirche) und ihrer Rolles als sinnstiftende Institutionen.
Ich gebe Dir da nur zum Teil recht.

Man könnte aber auch sagen, dass zumindest zeitweilig evtl. die verlorengegangene Vorbildfunktion von Adel und Klerus in einer säkularisierten Gesellschaft, eben vom Militär preußischen Zuschnittes temporär (bis zum WK 1) aufgefangen wurde. Wobei der Bedeutungsverlust der Kirche sicherlich schon im 18.Jh. anzusetzen ist, als viele kirchliche Institutionen letztlich auch dem landesherrlichen Appetit gepaart gelegentlich mit dem Mantel einer aufklärerischen Mission zum Opfer fielen. Die Relevanz dieses Aspektes ist aber regional meines Erachtens extrem unterschiedlich, nicht zuletzt da die gesellschaftliche Rolle der Geistlichen in protestantischen Staaten/Gebieten eine ganz andere als in katholischen war. Generell dürfte die Zeit um 1800 eine ganz wichtige gewesen sein.

Andererseits hast Du darin Recht, dass der Bedeutungsschwund der Aristokratie sicherlich eng mit der militärischen Rolle derselben verknüpft ist und sich beide Aspekte gegenseitig beeinflussen.
Der Adel fasste sich zweifellos selbst, und wurde von einem großen Teil der Gesellschaft wohl auch so gesehen, als DIE gesellschaftliche Elite auf. (Dass die akademische Elite dem Adel in der FNZ Konkurrenz machte, lassen wir mal kurz außen vor.) Wenn nun die gesellschaftliche Elite sich nicht zu schade war/ist in den Reihen des Heeres auch die geringen Posten, da jeder (mal von Fürstenkindern i.d.R. abgesehen) mal klein anfängt, Dienst zu tun, wertete das sicherlich auch den Soldatenstand auf.
Preußen war diesbezüglich bestimmt ein Extrem, aber nach 1866, und gewissermaßen mit dem Vormarsch Preußens in Dtl. schon ab 1791, wurde ja quasi fast ganz Dtl. "preußisiert".

Pazifismus würde ich nun, ohne mich damit auf thanepowers Beitrag zu beziehen, erstmal ausklammern. M.E. ist der Pazifismus doch recht alt und meines Erachtens auch in Zeiten, welchen man den Militarismus gern unterstellt, nie ganz tot gewesen. Eventuell stand in der 2. Hälfte des 20.Jh. der Pazifismus als Reaktion auf den 2. WK auf einer breiteren gesellschaftlichen Basis.


Ich denke ganz wichtig dürfte überhaupt das staatliche oder obrigkeitliche Denken sein, das sich gewandelt hat.
Wenn auch nicht unbedingt mit einer üppigen Bezahlung, war doch der Dienst beim Staate früher mit einem großen Prestige verbunden. Hier müsste man schauen, was davon generell übrig geblieben ist.

Ansonsten gefällt mir der Beitrag von thanepower ganz gut. Er trägt schon interessante, relevante Aspekte zusammen. :)
 
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