Haare, Haube und Hut in der Zeit des 30jährigen Krieges

Ich habe da eine Frage, die mich schon lange beschäftigt.

In meiner Heimatstadt werden im vierjährigen Turnus die sog. "Wallensteinspiele" gegeben.

Ich bin da mit der "Historienbeauftragen" ein wenig aneinander geraten, als es um die Frisuren der Frauen, ihre Hauben und die Hüte gegangen ist.

1.) Es gab da mehrere junge Mädchen, welche die unverheirateten Töchter der Bürgerschaft darstellen sollten. Solche Mädchen trugen, meines Wissen nach, die Haare offen und die Haube war für die verheiratete Frau bestimmt. Ich ließ das auch wissen.
Gegenargument: dann sind ein paar von den Älteren beleidigt (?).

2.) Zu den vornehmen Kostümen der Patrizier sollten weiße Hauben getragen werden, im Aussehen von Betthauben.
Ich ließ wissen, dass Frauen entweder teure bestickte Hauben trugen oder dünne Häubchen mit Hut darüber oder nur einen weit ausladenden Hut. Ein gleichzeitiger Verweis auf die Bilder der Künstler dieser Zeit.
Gegenargument: das geht micht nichts an.

3.) Dann gab es wieder Frisuren und Haarschmuck der eindeutig modern war.
Ich ließ wissen, dass die Frauen ihre Zöpfe in der Regel unter der Haube feststeckten, oder, in gehobener Bürgerschaft oder Adel, die Zöpfe mit einem Haarnetz umlegt wurden.
Der Ärger war perfekt!

Meine Frage: hatte ich in allem wirklich so unrecht? Und wo finde ich fundierte Literatur zu diesem Thema? Was gibt euer Wissenschatz in dieser Frage her?
 
1) Mir scheint das mit den Hauben recht unterschiedlich gehandhabt. Folgt man den meisten Abbildungen, so war das Tragen von Hauben schlichtweg praktisch und hat nichts mit Heirat oder nicht zu tun.
Effektiv müsste man Primärquellen aus der jeweiligen Stadt anschauen. Wobei man aufpassen sollte und manche Bilderbögen von städtischen Trachten (mal ein Beispiel aus dem 18.Jh.: Costume of Augsburg, c. 1730 ) eben auch Festtagskleidung zeigen könnte oder ausdrücklich darstellt.

2) Meines Erachtens ist es eine sehr gute Variante einfach ein Bild zum exakten Vorbild zu nehmen. Natürlich ist auch da Quellenkritik angesagt und man müsste sich fragen, ob bspw. ein Porträt einer wohlhabenden Bürgerin sie nun in speziell prächtiger Kleidung oder in ihrem Alltagsstaat zeigt.
Hat man nur wenige Bilder, so kann man ja mit den Farben der Stoffe noch ein bisschen Unterschiede machen, wenn man bspw. nur ein Bild zum Vorbild hat und sich damit bei der Rekonstruktion für mehrere Kleider orientieren möchte.
Zum Gegenargumten: Dazu kann man nichts sagen. Willst Du wirklich was ändern und hast Du ein dickes Fell, musst Du halt selber in die Orga einsteigen.

3) Tja, das ist immer das leidige Problem.
Zum Glück habe ich das nicht.:p

Generell: Ich würde Dir grundsätzlich empfehlen, Dir zu überlegen, wozu Du Dir Ärger ans Bein binden willst. Ich kenne manche solche Stadtfeste, wo natürlich in aller Regel ganz anders Authenzität von Kleidung etc. gewichtet werden als bei Living-History-Veranstaltungen in Museen. Die ganze Stadt, oder gefühlt die ganze Stadt, packt dann, meist in Kombination mit mehr oder minder professionellen Schaustellern, so ein Event an. Alle sind froh und glücklich und der eine oder andere stilistische Fehltritt interessiert da niemand. Vielleicht ist das bei den verschiedenen Stadtumzügen etc. unterschiedlich, aber insgesamt steht das Miteinander und ein anderer Ansatz als bei LH im Vordergrund. Von daher: ruhig bleiben! :D

PS:
Ich mochte immer Jacques Callot und Hans Ulrich Franck als Bildquellen am liebsten (z.B.: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hans_Ulrich_Franck_Der_Soldatentanz.jpg )
 
Zuletzt bearbeitet:
Brissotin, grundsätzlich hast Du recht.

Schön wäre es, könnte sich die ganze Bevölkerung daran beteiligen, aber da gibt es einen Verein als Ausrichter und die haben alles in der Hand. Die Vereinstärke beträgt im Moment etwa 5.000 Mitglieder und die teilen das ganze "Event" über eine Woche untereinander auf.
Will Mann/Frau dabei sein, muß man dem Verein beitreten, für einen gesalzenen Beitrag, versteht sich.
Dazu kommt eine Fülle von Vorschriften, dass man sich die Haare rauft; selbst Ohrringe, die Frau immer trägt (keine großen Modeklunker), müssen raus. Wenn man Brillenträger ist und keine Kontaklinsen veträgt, muß eine authentische Brille angeschafft werden, auf eigene Kosten selbstverständlich.
Ich finde eben, wer in diesem Fall "päpstliche als der Papst ist", muß eben Kritik einstecken....
Aber Du hast recht: immer ruhig bleiben :).


P.S. Tolles Avatar, magst Du Lee van Cleef oder den Film "The Good, the Bad and the Ugly"?
 
Brissotin, grundsätzlich hast Du recht.
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Schön wäre es, könnte sich die ganze Bevölkerung daran beteiligen, aber da gibt es einen Verein als Ausrichter und die haben alles in der Hand. Die Vereinstärke beträgt im Moment etwa 5.000 Mitglieder und die teilen das ganze "Event" über eine Woche untereinander auf.
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Dazu kommt eine Fülle von Vorschriften, dass man sich die Haare rauft; selbst Ohrringe, die Frau immer trägt (keine großen Modeklunker), müssen raus. Wenn man Brillenträger ist und keine Kontaklinsen veträgt, muß eine authentische Brille angeschafft werden, auf eigene Kosten selbstverständlich.
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P.S. Tolles Avatar, magst Du Lee van Cleef oder den Film "The Good, the Bad and the Ugly"?
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Ein Verein mit 5.000 Mitgliedern verstehe ich schon als gleichbedeutend, wenn ich von "die ganze Stadt" rede.
2.
Was Ohrringe und Brille anbelangt wäre bei uns die Ansicht dieselbe wie in dem Verein, wobei ich diese Rigerosität bei einem so großen Verein erstaunlich (nicht verkehrt) finde. Ich glaube aber, dass wir solche Ansprüche noch nicht schriftlich fixiert haben, wahrscheinlich weil wir ohnehin nur Leute aufnehmen bzw. einladen, die selber darauf kommen, was passt und was nicht.
3.
Ich mag Leone-Filme und ansonsten von den Italowestern alle, die etwas besser sind.

Zurück zum Thema:
Zum Zeitschnitt 30-jähriger Krieg müsste ich mal selber nachschlagen. Welche Quellen hast Du denn wegen der Hauben, Haare und Hüte zu Rate gezogen? Erika Thiel, Ingrid Loschek oder Janet Arnolds "Patterns of Fashion" (natürlich der Band zum 17.Jh.)?
Es gab zwar einen gewissen modischen Wandel innerhalb des 30-jährigen Krieges (gerade die Taille verschob sich ja deutlich), aber das dürfte für so generelle Fragen wie zu Hüten, Hauben etc. keine großen Auswirkungen haben.
 
Puh, da müßte ich in die Stadtbibliothek gehen und nach den Autorinnen nachsehen. Jedenfalls waren es mehrere unterschiedliche Bücher zum Thema "Geschichte der Mode".
Natürlich auch die Kunstbände über die Künstler jener Epoche.
Außerdem haben wir im Stadtmuseum große und kleine Ölgemälde die sich auf diese Epoche beziehen, darunter mindestens 20 Portraits von Männern, Frauen, Familien.
 
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