These übers Erobern und Beherrschen

iamNex

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Servus,

ich lese derzeit ein Buch über Lateinamerika, in dem ich auf eine interessante These gestoßen bin.

Zitat:
"Die Konflikte innerhalb und zwischen den indigenen Kulturen sollten eine wichtige Vorbedingung für die Eroberung werden. Schon die Erfahrungen der Atzteken, Inka und vieler ihrer Vorläufer hatten gezeigt, dass sich staatlich verfasste Gemeinwesen leichter erobern und beherrschen ließen als die weniger spezialisierten Gesellschaften. In den unterworfenen Staaten konnten die Invasoren die vorhandenen gesellschaftlichen Strukturen und Hierarchien [...] zu ihren Zwecken nutzen. Bei den Stammesgesellschaften war die Übernahme gegebener Strukturen häufig nicht möglich."
(Rinke, Stefan: Geschichte Lateinamerikas. Von den frühesten Kulturen bis zur Gegenwart, München 2010, S.21-22.)


Das ganze ist hier natürlich auf Lateinamerika in der führen Neuzeit bezogen, aber mal weg von zeitlichen und örtlichen Rahmen:

Gilt das immer? Spezialisierte, organisierte Staatswesen sind leichter zu erobern/zu beherrschen/ zu unterdrücken als einfache, lockerere Gesellschaften?

Haben höher entwickelte Gesellschaften nicht auch höher entwickelte Abwhermaßnahmen gegen solche Schritte?
Die These hat mich doch etwas stutzig gemacht.

Wie gesagt: Die Diskussion soll auf keine Epoche und auf keinen Ort begrenzt sein.

Cheers.



 
Stämme basieren nicht auf einer Organisation, sondern auf Personenverbänden, also auf der persönlichen Beziehung der Gruppenmitglieder untereinander. Bei Staaten/organisierten Gemeinschaften sind solche persönlichen Beziehungen zwar hilfreich (Seilschaften, "Vitamin B"), aber sie sind nicht grundlegend für den Staat. Sie erleichtern eher dem einen oder anderen den sozialen Aufstieg, sofern es sich nicht um eine Gesellschaft mit festen Stratigraphien handelt.
 

Gilt das immer? Spezialisierte, organisierte Staatswesen sind leichter zu erobern/zu beherrschen/ zu unterdrücken als einfache, lockerere Gesellschaften?

Ich stimme zu 50% zu. Dir, als ich es ebenso sehe, dass ein organisiertes Staatswesen schwerer zu erobern ist, da es in der Regel (von Läden wie Preußen 1806/07 mal abgesehen) eine wirksamere und zusammengefasstere Verteidigung organisieren kann. Wenn einem solchen Staat einmal das Haupt entfernt wurde und der Eroberer es schafft, die staatliche Organisation einigermaßen beizubehalten und entweder direkt oder indirekt über eine willfährige Marionette an dessen Stelle zu treten (siehe Rom, Alexander d. G., William the Conqueror, William of Orange etc.), dann ist der besiegte dafür leichter zu beherrschen.
Eine nicht organisierte Ansammlung von Stämmen zu "erobern", sprich ihre Krieger in offener Schlacht in die Flucht zu schlagen, ist stattdessen einfacher. Auf Grund der nicht zentralisierten Herrschaftsstruktur ist es allerdings umso schwerer, deren Wohngebiet zu beherrschen (siehe Geschichte von Magna Germania über den Wilden Westen bis Afghanistan, Yemen). Wenn nach der "Eroberung" die staatliche Organisation des Besiegten zusammenbricht und die staatliche Ordnung / Gesellschaft wieder in kleinere Gruppen zerfällt (Bsp. Irak), gälte das selbe.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Neddy

Genauso (vllt. weniger ausdifferenziert :D) denke ich ja auch.
Aber das heißt doch eigentlich, dass man auf die in #1 genannte These nur antworten kann: Es trifft beides zu.

Das würde doch den ganzen Sinn der These relativieren.
 
@Neddy

Genauso (vllt. weniger ausdifferenziert :D) denke ich ja auch.
Aber das heißt doch eigentlich, dass man auf die in #1 genannte These nur antworten kann: Es trifft beides zu.

Das würde doch den ganzen Sinn der These relativieren.

Naja, kann auch sein, dass Rinke das eng auf die südamerikanische Geschichte bezieht und auf Grund des reinen zahlenmäßigen Stärkeverhältnisses eben eine x-tausend Mann starke Aztekenstreitmacht kein Problem hatte, eine x-hundert Mann starke Streitmacht von Stadtzocoatel zu besiegen. Dann war es natürlich leichter, eine einzige Schlacht gegen einen klar definierten Gegener zu schlagen und zu gewinnen, als wenn man 37000 in der ganzen Gegend zerstreute Familien und Clans einzeln bekämpfen und erobern müsste. Oder aber - das soll ja in den besten Wissenschaftlerfamilien vorkommen - er hat seine Aussage einfach nicht blitzsauber formuliert...
 
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