"Trossweiber und Glücksmädchen"- Prostitution im Schatten des Krieges

Scorpio

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Beim lesen und durchforsten alter Forumsbeiträge stellte sich mir die Frage, ob es schon einen Thread zum Thema gibt, denn immerhin dürfte es "Trossweiber", "Lagerdirnen", "Glücksmädchen" und wie man sie auch immer nannte und nennt, so lange geben, wie es professionelle Armeen gibt.

Kampfhandlungen, Belagerungen, Feldzügen etc sind ein Lieblingskind ganzer Historikergenerationen, seit Herodot die Perserkriege beschrieben hat. Mätressen, "kebsweiber, Landknechtshuren etc werden aber meistens geflissentlich übersehen oder bestenfalls am Rande, als ein notwendiges Ärgernis- etwa so wie Lagerlatrinen- übersehen.

Das ist eigentlich Grund genug, einen Fred zu eröffnen, der sich mit der Kulturgeschichte der Militärprostitution befasst.
 
@ Scorpio

Interessantes Thema. :winke:

Ich hätte dazu einen (mea culpa :rotwerd:) englischen Literaturtipp anzubieten, der sich mit den Leben von Soldatenfrauen, Töchtern und Mätressen in der englischen Armee von ca 1660 bis in die Moderne befasst: A. Venning (2005) "Following the Drum: The Lives of Army Wives and Daughters", Headline Book Publishing.

Das Buch verschafft einen interessanten, wenn auch groben Überblick, über die Handhabe und das Leben der Frauen in verschiedenen Situationen und im Laufe der Zeit, in der englischen Armee und versucht dabei das gesamte soziale Spektrum abzudecken, also von der billigsten Prostituierten bis hin zur adeligen Ehefrau des ranghöchsten Offiziers, oder so. Einge der Anekdoten sind sehr interessant und verschaffen gute Einblicke, aber aufgrund der Tatsache, daß es sich um einen so großen Zeitraum handelt ist der Überblick etwas limitiert. Trotzdem meines Erachtens nach kein schlechtes Buch um sich einen Eindruck zu verschaffen.
 
Warum denn in die Ferne schweifen, sieh das Gute liegt so nah.:pfeif:
in der deutschen Literatur, die immer mal wieder tatsächlich Weltniveau hat.

Die Courasche, von Grimmelshausen.
Und die Mutter von Bert Brecht.
(wäre doch aktuell vergleichbar mit der Lebensbeichte einer Puff-Mutter aus Siddi bel Abbes)

Wer am Krieg einen Schnitt machen will, braucht eine große Schere.

Ein Super-Thema, hab zwar keine Ahnung, werde aber umso begeisterter mitlesen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Fällt mir doch noch etwas dazu ein:

Als Anno 45 die Franzosen Stuttgart besetzt haben, wäre die Chefin eines einschlägigen Hauses bei der franz. Kommandantur vorstellig geworden.
Und hätte um mehr Ruhr im Ablauf gebeten.
"Meine Mädle send a ruhigs schaffa gwöhnt"
(Man beachte, die Schwäbin arbeitet auch in der Branche nicht, sie "schafft" wie einst ihr Schöpfer")

Wenn es nicht wahr ist, ist es gut erfunden.
 
Ein recht gutes Dokument das bezeichnende Schlaglichter auf soziale Verhältnisse wirft, ist sicher auch das Tagebuch, des Söldners Peter Hagendorf aus dem Dreißigjährigen Krieg.

Da ist die Rede von Frauen, die man als Geisel nimmt, Frauen die man mit Gewalt hinterm Strauch nahm, wie im Lied von der Fraternisierung in Brechts Courage oder von Frauen die man für eine einmalige sexuelle Dienstleistung entlohnt.

Für eine länger daúernde Beziehung waren aber eher Partnerinnen erforderlich die freiwillig eine Lebens- und Beutegemeinschaft eingingen, die Söldner pflegten, seine Habe schützten und gemeinsam auf Beute ausgingen.
 
Für eine länger daúernde Beziehung waren aber eher Partnerinnen erforderlich die freiwillig eine Lebens- und Beutegemeinschaft eingingen, die Söldner pflegten, seine Habe schützten und gemeinsam auf Beute ausgingen.


Genau das macht doch die Courasche.
Man beachte, die ist ja einerseits im Simplicissimus erwähnt.
Wo sie den Simpel "abzockt".
Und ist andererseits in der Courasche die "Ich-Heldin".
Als Anlass ihres Lebensberichts nennt sie den "Simplicissimus" wo ihr so bitter Unrecht getan wird.
Beide Werke von Grimmelshausen. Der da doch die "weibliche Facette" dieser Kriegsvölker recht gut herausarbeitet. Meiner bescheidenen Meinung nach.

Die Courasche spielt dann nicht nur bei Brecht sondern auch bei Grass im "Treffen in Telgte" eine wichtige Rolle.
 
Aus der Einleitung der "Courasche" von gutenberg.de
Aber höre, Courasche, wann du noch nicht im Sinn hast, dich zu bekehren, warum willst du dann deinen Lebenslauf beichtweis erzählen und aller Welt deine Laster offenbarn?
Das tue ich dem Simplicissimo zu Trutz, weil ich mich anderer Gestalt nicht an ihm rächen kann; denn nachdem dieser schlimme Vocativus mich im Saurbrunnen geschwängert (scilicet) und hernach durch einen spöttlichen Possen von sich geschafft, gehet er erst hin und ruft meine und seine eigne Schand vermittelst seiner schönen Lebensbeschreibung vor aller Welt aus. Aber ich will ihm jetzunter hingegen erzählen, mit was für einem ehrbarn Zobelchen er zu schaffen gehabt, damit er wisse, wessen er sich gerühmt, und vielleicht wünschet, daß er von unserer Histori allerdings still geschwiegen hätte; woraus aber die ganze ehrbare Welt abzunehmen, daß gemeiniglich Gaul als Gurr, Hurn und Buben eins Gelichters und keins um ein Haar besser als das ander sei.

vielleicht entwickelt sich ja doch noch eine Diskussion
 
Das ist eigentlich Grund genug, einen Fred zu eröffnen, der sich mit der Kulturgeschichte der Militärprostitution befasst.

Vielleicht liegt es an den Glücksmädchen, jedenfalls muß ich bei Militärprostitition an das Saigon der 60er Jahre während des Vietnamkriegs denken. Ho-Chi-Minh-Stadt ? Wikipedia
Und wenn ich danach im Netz suche, könnte man fast den Eindruck gewinnen, dass dadurch eine kulturgeschichtliche Welle ausgelöst wurde.
 
Mätressen, "kebsweiber, Landknechtshuren etc werden aber meistens geflissentlich übersehen oder bestenfalls am Rande, als ein notwendiges Ärgernis- etwa so wie Lagerlatrinen- übersehen.
Das möchte ich doch etwas relativieren.

DAS große Epos überhaupt, eines der wichtigsten der Literaturgeschichte - nämlich die Illias - dreht sich im Kern darum, daß sich die Protagonisten Agamemnon und Achilles um die schöne Briseis streiten. Die in ihrer Rolle als Kriegsbeute und Mätresse wohl genau in die hier diskutierte Kategorie paßt.
 
Das möchte ich doch etwas relativieren.

DAS große Epos überhaupt, eines der wichtigsten der Literaturgeschichte - nämlich die Illias - dreht sich im Kern darum, daß sich die Protagonisten Agamemnon und Achilles um die schöne Briseis streiten. Die in ihrer Rolle als Kriegsbeute und Mätresse wohl genau in die hier diskutierte Kategorie paßt.

Von Briseis ist aber nicht überliefert, dass sie sich von Achilleus oder Patroklos bezahlen ließ. Von Agamemnon Bezahlung zu fordern wäre ohnehin unfair gewesen, denn der schwor ja bei der Versöhnung mit dem Peliden einen heiligen Eid, dass er niemals mit Briseis geschlafen habe.
 
Anderer Krieg, aber das hat mich an Trostfrauen erinnert. :S


Auf Heinrich Himmlers Befehl wurden selbst in KZs wie Auschwitz und Buchenwald "Bordelle in der freiesten Form" etabliert wurden.


Für das U- Bootfahrerkorps stellte "Onkel Karl", der BDU ein eisernes Korps von Prostituierten und ließ große Mengen an Alkoholika requirieren. "nahkampfverletzungen" der besonderen Art wie Syphilis und Tripper stellten durchaus ein Problem dar und schien die Kampfkraft der Armeen zu untergraben.


In seinem autobiographischen Roman "Gespenster am Toten Mann" berichtet Paul Ettighofer von einer Episode an der Ostfront. Laut Angaben von Kriegsgefangenen traf eine Granate einer 15 cm Ringkanone, die die Landser den "langen Emil" nannten, ein Offiziersbordell in Dünaburg, wo es beträchtlichen Schaden anrichtete.
 
Auf Heinrich Himmlers Befehl wurden selbst in KZs wie Auschwitz und Buchenwald "Bordelle in der freiesten Form" etabliert wurden.


Für das U- Bootfahrerkorps stellte "Onkel Karl", der BDU ein eisernes Korps von Prostituierten und ließ große Mengen an Alkoholika requirieren. "nahkampfverletzungen" der besonderen Art wie Syphilis und Tripper stellten durchaus ein Problem dar und schien die Kampfkraft der Armeen zu untergraben.


In seinem autobiographischen Roman "Gespenster am Toten Mann" berichtet Paul Ettighofer von einer Episode an der Ostfront. Laut Angaben von Kriegsgefangenen traf eine Granate einer 15 cm Ringkanone, die die Landser den "langen Emil" nannten, ein Offiziersbordell in Dünaburg, wo es beträchtlichen Schaden anrichtete.


Gibt es da nicht auch eine Episode in "Im Westen nichts neues", der Held lässt aber dann die Finger von der Frau, zahlt ohne Leistung zu bekommen, was den jugendlichen Repo schon verwunderte. Der ältere denkt, dem Erich-Maria war der "normale" Verlauf zu heiß für das Buch.
 
Gibt es da nicht auch eine Episode in "Im Westen nichts neues", der Held lässt aber dann die Finger von der Frau, zahlt ohne Leistung zu bekommen, was den jugendlichen Repo schon verwunderte. Der ältere denkt, dem Erich-Maria war der "normale" Verlauf zu heiß für das Buch.

Naja, persönlich fand ich die angesprochene Szene in etwa so ansprechend wie eine zahnärztliche Behandlung, aber naja... :S

Aber gab's da nicht etwas später im Buch die Szene wo die Kameraden ein paar Französinnen treffen und sich mit denen im Gegenzug für Brot etc, verständigen?
 
Aus der Einleitung der "Courasche" von gutenberg.de


vielleicht entwickelt sich ja doch noch eine Diskussion

Scorpio ist schließlich in seiner Bibliothek fündig geworden und hat ein

Kulturdokument ausgegraben, das Angaben zu einem Militärbordell liefert.

"Betrieb und Polizei des öffentlichen Hauses in Mönchen- Gladbach
Die zwei Frauen, die das ganze Personal des öffentlichen Hauses Gasthausstraße 2 ausmachen, haben erklärt, dass sie nicht imstande sind, den zahlreichen Besuchern zu genügen, die ihr Haus überschwemmen, vor dem ständig Scharen ausgehungerter Klienten stehen. Sie erklären, daß sie mit Hinsicht auf den Dienst, den sie ihren deutschen und belgischen Abonnenten schulden, nicht imstande sind der Division mehr als 20 Eintritte täglich, jede zehn, zu gestatten. Das Etablissement arbeitet nicht in der Nacht und hält die Sonntagsruhe strikte ein. Andererseits erlauben die Hilfsquellen der Stadt offenbar wie es scheint nicht, das Personal zu vermehren. Unter diesen Bedingungen werden zur Vermeidung jeder Unordnung und um von den Frauen nicht eine Arbeit zu verlangen, die ihre Kräfte übersteigt, folgende Verordnungen erlassen:

Arbeitstage: alle Tage außer Sonntag

Höchstleistung: Jede frau empfängt zehn Männer, also 20 für 2 personen, 120 in der Woche.

Tarif: Für den Besuch einer Viertelstunde 5 Mark.

Erfrischungen: Es werden keine Getränke serviert, ein Wartezimmer ist nicht vorhanden. Es dürfen sich Besucher nur zu zweit einfinden.

Einteilung: Die sechs Tage der Woche sind folgendermaßen zugeteilt.

Montag 1. Btl des 164 Regiments

Dienstag: 1. Btl des 169. Regiments

Mittwoch 2. Btl des 164. Regiments

Donnerstag 2. Btl des 169. regiments

Freitag: 3. Btl des 164. Regiments

Samstag 3. Btl des 169. Regiments

In jedem dieser Bataillione werden an dem zugewisenen Tag 20 Eintrittskarten, 5 für jede Kompagnie im Bureau des wachtmeisters ausgelegt. Die Mannschaften, die das Etablissement besuchen wollen, erhalten im Bureau ihres wachtmeisters eine Karte die ihnen Priorität gibt. Es folgen noch weitere Verfügungen über die einzelnnen, die das Recht haben, einzutreten, wenn die Frauen nicht besetzt sind und über die Ordnungsmaßnahmen. Den Offizieren wird nahegelegt, nachzusehen, ob in der Gasthausstraße alles in Ordnung ist."
 
Zuletzt bearbeitet:
Naja, persönlich fand ich die angesprochene Szene in etwa so ansprechend wie eine zahnärztliche Behandlung, aber naja... :S

Es gibt in der biografischen Kriegserlebnisliteratur vielerlei Schilderungen von Bordellerlebnissen.
Meist toppen die aber die zahnärztliche Behandlung noch mit eher ekligen Details.


Sichtweise aber eigentlich immer "Mann-Soldat"

Aus der Perspektive der Frau, siehe Courasche, scheint in neuerer Zeit nichts vorhanden zu sein.
 
Es gibt in der biografischen Kriegserlebnisliteratur vielerlei Schilderungen von Bordellerlebnissen.
Meist toppen die aber die zahnärztliche Behandlung noch mit eher ekligen Details.


Sichtweise aber eigentlich immer "Mann-Soldat"

Aus der Perspektive der Frau, siehe Courasche, scheint in neuerer Zeit nichts vorhanden zu sein.

das liegt zum einen wohl daran, dass dieses Thema so gar nicht zum Heldenmythos passt, den Armeen gerne weben, und er passt erst recht nicht ins Blickfeld von Propagandisten. Bei einem Arbeitspensum von 10 Kunden pro Tag dürfte auch nicht mehr viel Freizeit übrig bleiben, um die Erlebnisse literarisch verarbeiten zu können.

Bei den Prostituierten handelte es sich um arme und unterprivelegierte Menschen, und ein großer Teil der Huren waren darüber hinaus Zwangsprostituierte aus besetzten Territorien, denen die oft unmenschlichen Arbeitsbedingungen aufgezwungen wurden.


Was das Haus in Gladbach betrifft, so war der Preis von 5 Mark für Verkehr offenbar recht hoch. Der "Heiermann" soll seinen Namen übrigens Hamburger Prostituierten verdanken, die 5 Mark nahmen. In Berlin war der strich früher am Nollendorfplatz, und die Berliner Gunstgewerblerinnen waren billiger, als die Kolleginnen in Hamburg, nur eben mehr militärbegeistert. Die "Plorösenmieze" hätte ihre Dienste dem Schuster Voigt und seinem Kollege Kalle sicher billiger angeboten, ehe sie sich an einen besoffenen Reservisten ranmacht.

Das Stück spielt allerdings in Berlin um 1906 und einige Jahre davor, so dass man eine gewisse Inflation durch den Krieg erwarten könnte.
 
Zwangsprostitution?

Bist Du dir sicher, dass es die im deutschen Machtbereich der 2 Weltkriege gab?
Zwang durch Organe deutscher Staats- oder Militärgewalt?

Dass in dem Bereich jede Menge mit mehr oder weniger Zwang läuft, ist mir schon klar, das dürfte aber für alle Zeiten gelten.

Ich hatte bisher ehrlich geglaubt, dass zumindest diese Schandtat nicht auch noch verübt wurde.
 
Zwangsprostitution?

Bist Du dir sicher, dass es die im deutschen Machtbereich der 2 Weltkriege gab?
Zwang durch Organe deutscher Staats- oder Militärgewalt?

Dass in dem Bereich jede Menge mit mehr oder weniger Zwang läuft, ist mir schon klar, das dürfte aber für alle Zeiten gelten.

Ich hatte bisher ehrlich geglaubt, dass zumindest diese Schandtat nicht auch noch verübt wurde.

Im speziellen hatte ich die Thematik auf den Bezug der Wehrmacht schonmals angesprochen:
http://www.geschichtsforum.de/f68/bordellsystem-der-wehrmacht-33943/
 
Im speziellen hatte ich die Thematik auf den Bezug der Wehrmacht schonmals angesprochen:
http://www.geschichtsforum.de/f68/bordellsystem-der-wehrmacht-33943/

Zwang ist Zwang. OK

Aber ich empfinde es als Unterschied, wenn eine, die schon 10 Jahre "anschaffen" geht, in ein Wehrmachtsbordell "verpflichtet" wird. Also meinetwegen lediglich den Arbeitsplatz wechselt.

Oder wenn eine, der dies aus eigenem nicht im Traum einfallen würde, zur Prostitution gezwungen wird.

Dass es da eine riesen Grauzone gibt, ist mir klar. Was aber ebenfalls für immer und alle Zeiten gilt. Eben seit es das "horizontale Gewerbe" gibt.
Nix kriegsbedingtes
 
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