Verbrechen einst und heute

Nergal

Aktives Mitglied
Habe dieses Posting hier reingestellt, ich hoffe das Unterforum passt.

Habe eine Doku zu Kalr-Heinz Deschner (dem Religionskritiker) gesehen wo seine Kritiker zu Wort kommen und einer meint Deschner sei unwissenschaftlich da er die Greultaten vergangener Zeit von heute aus betrachte, also er will sagen dass die begangenen Verbrechen damals nichts aussergewöhnliches waren.

Aber stimmt das überhaupt?

Dem Menschen war doch auch vor 2000 Jahren klar dass Mord, Raub, Vergewaltigung etc. dem anderen Schaden zufügen, er hat ja auch Gesetze dagegen gehabt und sich Gedanken über Gerechtigkeit gemacht.

Ist nicht ein Unrecht auch dann ein Unrecht wenn es Alle tun und wenn es Jahrhunderte her ist?

Was meint ihr?
 
Ich sehe es so, dass Moral eine gesellschaftliche Konvention ist. Wer lieber an eine göttliche "absolute" Moral glauben will, wird bei der Betrachtung anderer Kulturen und anderer Zeiten immer bestrebt sein, diese in seine eigenen Schubladen zu pressen.

Dann sitzt er da und schwadroniert von der Unmoral aller anderen und wie moralisch er doch selbst ist. :engel:
Na, wenn es ihn befriedigt...
 
Ich sehe es so, dass Moral eine gesellschaftliche Konvention ist. Wer lieber an eine göttliche "absolute" Moral glauben will, wird bei der Betrachtung anderer Kulturen und anderer Zeiten immer bestrebt sein, diese in seine eigenen Schubladen zu pressen.

Dann sitzt er da und schwadroniert von der Unmoral aller anderen und wie moralisch er doch selbst ist. :engel:
Na, wenn es ihn befriedigt...

Moral kommt von "Mores" Sitte. Und ja, es ist die Konvention der zur jeweiligen Zeit üblichen Bräuche. Dagegen steht die Ethik von der man ausgehen sollte, dass sie zeitlos sein sollte und das "Gute" vom "Bösen" unterscheiden hilft.

Kurz bebildert: Wenn man um 1700 auf einer Südseeinsel lebt, dort den ganzen lieben Tag nackig unter Palmen herumläuft und es mit jedem frischgelandeten Seeman treibt, entspricht es der Moral der Zeit und des Ortes und niemand dort wird etwas böses darin sehen, während zur gleichen Zeit man in New England dafür einen Scharlachroten Buchstaben ins Gesicht gebrannt bekäme.

Andere Leute auszurauben, zu versklaven, ihnen die Häuser niederzubrennen etc, mag zu bestimmten Zeiten der Moral des einen oder anderen Volkes entsprochen haben, da jedoch niemand zu keiner Zeit es genossen hat, dass man ihm selbst so etwas antut, kann man davon ausgehen das es schlecht und ethisch gesehen böse ist.

Moral und Ethik können also widersprüchlich sein. Aktuell: Jeder weiss, dass es böse ist, anderen Leuten suchtverursachende und gesundheitsschädliche Produkte zu verkaufen und sich damit zu bereichern. Und trotzdem ist z.B. der Verkauf von Tabak legal, da es unserer Moral (noch) entspricht. In wenigen Jahren wird man darüber den Kopf schütteln, vor wenigen Jahren hat man darin überhaupt kein Problem gesehen.
Wenn man jedoch egal zu welcher Zeit, jemanden die konkrete Frage gestellt hätte (ist es gut, deinesgleichen etwas zu verkaufen was ihn krank macht?), würde man wohl die selbe Antwort bekommen haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der eigentliche Unterschied zwischen "Moral" und "Ethik" scheint in der Abgrenzung von "wir" zu "den Anderen" zu liegen. Die Moral ist meist asymmetrisch konzipiert. Das erwählte Volk wird von seinem Gott gegen die Anderen unterstützt, für die eben nicht dieselbe Moral gelten soll.

Vielleicht ist das Absicht, weil es eine positive gesellschaftliche Funktion hat ?

Ein Beispiel :

Stellt Euch vor, es ist Völkerwanderung. Beim vorangegangenen Klimaoptimum ist alles gediehen, die Menschen haben sich vermehrt und sind jetzt glücklich mit ihren Kindern. Nun schwankt das Wetter wieder nach unten, die Ernten werden schlechter.

Was kann man tun ?

1. Ich warte den nächsten Winter ab, dann verhungert die Hälfte der Leute von selbst. Ich habe niemandem etwas böses getan.

War das okay ?

Nicht unbedingt, denn viele Leute sind umsonst verhungert. Wäre nur ein Zehntel der Leute am Anfang des Winters gestorben, ohne erst Vorräte zu verbrauchen, hätten diese für den Rest der Menschen gereicht.

2. Also bringe ich ein Zehntel der eigenen Leute am Anfang des Winters um.

War das okay ?
Nun ja, zumindest nicht gegenüber den Umgebrachten.

Aber - Idee :

3. Es werden nur 5 % der eigenen Leute umgebracht, die werden dann gemeinschaftlich verspeist. Dann reicht es für den Rest.

Habe ich nun moralisch gut gehandelt ?

Nun ja, ich würde vermutlich Probleme bekommen, so etwas durchzusetzen, es würde zumindest von meinen Mitbürgern als moralisch verwerflich betrachtet werden.

Also - die beste Lösung ist :

4. Ich erkläre meinen Nachbarstamm zum Feind und bringe von denen welche um, eigne mir das Land an und bringe nun alle meine Kinder über den Winter.

Dann habe ich moralisch optimal gehandelt. Und ethisch ? Nun ja, was soll diese akademische Diskussion....
 
Hahahaha! Das ist gut!

Ich zerbreche mir schon seit längerem über solche und ähnliche Fragen den Kopf und würde auch gerne hören was man hier darüber denkt, aber das hier ist ja kein Philosophieforum usw.

Jedenfalls bei dem Besipiel von Klaus ist wohl das gerechteste, also wenn man vorhat jemanden abzumurksen und dann zu fressen, dass man das Allen erklärt und dann Halme ziehen lässt, so dass die Chancen gleich verteilt sind und keiner benachteiligt wird.
Natürlich aber ist erst mal genau zu überlegen ob man sich nicht anders retten könnte als durch Kannibalismus.
 
Hahahaha! Das ist gut!

Ich zerbreche mir schon seit längerem über solche und ähnliche Fragen den Kopf und würde auch gerne hören was man hier darüber denkt, aber das hier ist ja kein Philosophieforum usw.

Jedenfalls bei dem Besipiel von Klaus ist wohl das gerechteste, also wenn man vorhat jemanden abzumurksen und dann zu fressen, dass man das Allen erklärt und dann Halme ziehen lässt, so dass die Chancen gleich verteilt sind und keiner benachteiligt wird.
Natürlich aber ist erst mal genau zu überlegen ob man sich nicht anders retten könnte als durch Kannibalismus.

Lach ruhig. Im Spiegel war vor sehr langer Zeit ein Artikel über eine serie von Prozessen im späten 19. Jahrhundert über genau dieses Thema: Kannibalismus unter Schiffbrüchigen. Der Fazit war, dass so lange das Zufallsprinzip respektiert wurde (Strohhalm ziehen), die Sache nicht strafbar war. In einem konkreten Fall jedoch, wo man schlicht den Jüngsten als Mahlzeit designierte und verspeiste, gab es Verurteilung deswegen.

Klaus schrieb:
Also - die beste Lösung ist :

4. Ich erkläre meinen Nachbarstamm zum Feind und bringe von denen welche um, eigne mir das Land an und bringe nun alle meine Kinder über den Winter.

Dann habe ich moralisch optimal gehandelt. Und ethisch ? Nun ja, was soll diese akademische Diskussion....

Das ist ja die übliche Methode bis heute. Ich erkläre die anderen zu "Nichtmenschen" so habe ich keinerlei Verpflichtungen ihnen gegenüber (ich weiss jedoch dass das ein konstrukt ist und zu meinen Untaten auch noch die Lüge kommt, also von moralisch oder ethisch, garnüschts).

Nur ist der Anlass meistens etwas weniger dramatisch als das Überleben der eigenen Sippe. Meistens will man nur deren leichter zu bestellenden Länder, ihr Erspartes, ihre Arbeitskraft oder ihre Bodenschätze.
 
Zuletzt bearbeitet:
Worauf ich hinaus wollte *These* : Die Eingrenzung des Gültigkeitsbereichs der Moral ist eine notwendige Voraussetzung für deren Funktionieren, denn nur durch sie ist es möglich, die Moral intakt zu halten.

Damit spreche ich mich gleichzeitig für die Unmöglichkeit des Funktionierens einer allgemeingültigen Ethik aus, denn sie wäre das Ende der Moral - und ohne Moral gäbe es sowieso keine Ethik.

Also : Alle Menschen Brüder - aber nur dann, wenn sie sich mit den Schwestern kloppen können.
 
Worauf ich hinaus wollte *These* : Die Eingrenzung des Gültigkeitsbereichs der Moral ist eine notwendige Voraussetzung für deren Funktionieren, denn nur durch sie ist es möglich, die Moral intakt zu halten.

Damit spreche ich mich gleichzeitig für die Unmöglichkeit des Funktionierens einer allgemeingültigen Ethik aus, denn sie wäre das Ende der Moral - und ohne Moral gäbe es sowieso keine Ethik.

Also : Alle Menschen Brüder - aber nur dann, wenn sie sich mit den Schwestern kloppen können.

Die Sache mit der Brüderlichkeit/Schwesterlichkeit geht doch schon im Straßenverkehr flöten, wo so mancher "Mensch" sich plötzlich nur noch mit "Rindviechern" konfrontiert sieht. :devil: :D

Aber schlechter Scherz beiseite, die von dir angesprochene moralische Eingrenzung erinnert mich an einen kulturanthropologischen Text, den ich mal in grauer Vorzeit gelesen habe, in dem es um die Menschlichkeit ging und wer als "Mensch" verstanden wird.

Passend zum Thema wurde da das Beispiel der spanischen Kolonialisierung Südamerikas angebracht- und an dieser Stelle bitte ich Nachsicht walten zu lassen, da es sich wirklich um eine Erinnerung aus grauer Vorzeit handelt: Die spanischen Kolonialisten haben so weit ich mich erinnere das Verständnis "Mensch" mit dem Konzept "Seele" gekoppelt, und deshalb versucht herauszufinden ob die angetroffenen Einwohner Seelen hatten. Dazu wurde anscheinend gefoltert. Auf der Gegenseite wurde das Konzept "Mensch" mit "Körper" gekoppelt, und die Einwohner waren nicht sicher ob die vergleichsweise bleichen Spanier wirklich Körper hatten oder Geister waren. Um das herauszufinden wurde anscheinend ebenfalls gefoltert.

Dieser Logik folgend war das gegenseitige Foltern bedenkenlos, bis man zur Feststellung kam, daß man es durchaus mit Menschen zu tun hatte. Leider erinnere ich mich nicht mehr wie genau eine Seele per Folter festgestellt werden sollte.
 
Ich frage mich allerdings, was Ursache und was Wirkung war : Führte die Nicht-Anerkennung als Mensch zum Kolonialismus, oder bedurfte es zum Kolonialismus einer moralischen (ehtischen ?) Krücke, um das Gewissen zu beruhigen ?

Hätte sich Cecil Rhodes weiterhin als Menschheitsbeglücker gebärden können, wenn er Außereuropäer als vollwertige Menschen angesehen hätte ? (http://www.geschichtsforum.de/285823-post2.html)
 
Ich frage mich allerdings, was Ursache und was Wirkung war : Führte die Nicht-Anerkennung als Mensch zum Kolonialismus, oder bedurfte es zum Kolonialismus einer moralischen (ehtischen ?) Krücke, um das Gewissen zu beruhigen ?

Hätte sich Cecil Rhodes weiterhin als Menschheitsbeglücker ansehen können, wenn er Außereuropäer als vollwertige Menschen angesehen hätte ? (http://www.geschichtsforum.de/285823-post2.html)

Wie gesagt, es war in der grauen Vorzeit als ich diesen Artikel in Händen hielt, und ich müsste mich durch mehr als ein Jahrzehnt von Papier suchen um ihn wiederzufinden, weswegen ich in diesem Zusammenhang keine Antwort auf deinen Frage bezüglich des Kolonialismus habe. Bei der Geschichte über die Spanier handelt es sich aber nicht um eine Geschichte aus dem 19. Jahrhundert, sondern aus dem 16. Jahrhundert, weswegen ich den Vergleich mit Cecil Rhodes nicht durchführen möchte.
 
@Bdaian
Ich habe nur vor langer Zeit von so einem Fall gehört der irgendwie sehr ironisch ausgegangfen ist.
Da haben Einige dazu aufgerufen per Zufallsverfahren die Zugrillenden zu ermitteln, was dann dazu führte dass die Originatoren dieser Idee selbst auf dem Grill landeten.
 
nun ja, um sich dem Thema auf sachlicher Ebene zu nähern, müßte man zunächst mal den Verbrechensbegriff definieren. Und das geht nicht allein über moralische Standards.

Verbrechen ist im Prinzip nichts mehr als ein gesellschaftlich sanktioniertes Verhalten, welches von der jeweiligen Gesellschaft als amoralisch angesehen wird. Das wiederum kann dazu führen,daß ein- und dieselbe Handlung nicht nur in verschiedenen Gesellschaften unterschiedlich beurteilt wird, sondern auch innerhalb einer Gesellschaft, je nachdem,welche Personen und Begleitumstände involviert sind, mit unterschiedlichen moralischen Maßstäben gemessen wird.
Bestes Beispiel ist das Töten eines Menschen,bei dem die Beurteilung des Täters von Held bis Schurke reicht, je nachdem, in welchem Maße die Gesellschaft die Umstände der Handlung sanktioniert.
es ist festzustellen,daß es offenbar gewisse unantastbare Grundrechte gibt,die das Funktionieren einer Gesellschaft in so hohem Maße garantieren,daß Verstöße gegen sie sie eigentlich weltweit und quer durch alle Zeitläufe sanktioniert bzw. nur unter gewissen ritualisierten Bedingungen oder in Ausnahmesituationen zulässig sind.
Das sind das Recht auf Leben,körperliche Unversehrtheit und in gewisem Umfang auch das Recht auf persönliches Eigentum.
Diese Rechte dürfen offenbar nur durch ritualisierte Handlungen wie religiöse Zeremonien oder Rechtsakte durch dafür befugte Personen oder in Ausnahmesituationen wie Kriegen sanktionslos gebrochen werden, und gelten nur für die Mitglieder der eigenen Gesellschaft oder Gäste. Werden diese Rechte gegenüber den Schutzobjekten willkürlich gebrochen,spricht man von Verbrechen.
Interessant ist hierbei,daß dieser gesamtgesellschaftliche Konsens auch vor der herrschenden Kaste nicht Halt macht, sobald sie diese ritualisierten Regeln durchbrachen.
 
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