Warum heißt "Preußen Münster" so?

Dackelhasser

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Münster und Umgebung wurden ja erst relativ spät (1815) preußisch und ein Großteil der (katholischen) Bevölkerung war gegen eine preußische Herrschaft.

Im so genannten Kulturkampf im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wehrte sich das durch und durch katholische Münsterland gegen die Eingriffe der preußischen Regierung unter anderem in das Schulwesen.

Wikipedia

Nun wundert mich doch sehr, dass ein zumindest zeitweise doch recht bedeutender Fußballverein ausgerechnet "Preußen Münster" heißt. Wieso heißt der nicht "Westfalen Münster" oder "FC Münsterland", sondern ausgerechnet Preußen?
Preußen Münster ? Wikipedia
Oder ist das mit der Ablehnung der Preußen doch nicht so dramatisch gewesen?


Beim Verein habe ich schon angefragt, aber noch keine Antwort erhalten.
 
Dortmund und Gladbach wurden auch 1815 preussisch und haben ihren Fußballvereinen das Attribut Preußen gegeben. Das hätte man sicher nicht gemacht, wenn es eine allgemeine Ablehnung gegenüber Preußen gegeben hätte. Ich denke mal, dass das fast 100 Jahre nach der "Einverleibung" kein Problem mehr war.
 
Münster fiel bereits 1802 an Preußen, d.h. im Zuge der Säkularisierung, endgültig - siehe oben - 1815.

Ich würde die Eingangsfrage etwas variieren: Es ist ja nicht so, dass es in Münster oder Dortmund "einen" Fußballverein gegeben hätte. Dortmund hatte um 1905 etwa 100.000 Einwohner, da gab es viele Vereine. Die Frage ist, ob der Bezug auf Preußen/Borussia irgendetwas mit der Attraktivität des Vereins zu tun hatte, ob sich das in Mitgliederzahlen, finanziellen Ressourcen usw. niederschlug.
 
Preußen Münster war bei seiner Grünung ein Schülerclub. Die Gründer werden damals keine 20 Jahre alt gewesen sein, ich denke in diesem Alter spielen Kulturkampf und Anexion weniger eine Rolle, als Berwunderung. Man darf nicht vergessen, dass Preußen für die deutsche Einheit maßgeblich war und das preußische wohl als Stärke, Disziplin und Macht verklärt wurde. Ich denke vor allem die junge Generation um 1900 war vom preußisch-deutschen Patriotismus deutlich mehr angezogen als von Selbstständigkeitsbestrebungen.

Im übrigen war der stärkste Gladbacher Verein in dne Gründerjahren nicht die Borussia sondern der FC 1894 München-Gladbach. Den ersten Erfolg feierte die Mönchengladbacher Borussia ohne den Namen Borussia (Teilnahme an der Endrunde der dt. Meisterschaft 1920 als VfTuR 1889 München-Gladbach.

Zu dortmund findet sich bei Wikipedia folgende Anekdote, deren Wahrheitsgehalt aber wohl eher fraglich ist:
Da die Gründung spontan und unvorbereitet ablief, gab es vor Beginn der Versammlung keine Namensvorschläge. Einer Anekdote zufolge wurde der Zusatz „Borussia“ gewählt, weil es sich um den Namen des im Wildschütz ausgeschenkten Bieres der Borussia-Brauerei handelte, die unweit des Borsigplatzes ihren Sitz hatte. Die Namenswahl ist daher wohl nicht als bewusster Ausdruck eines Nationalstolzes zu verstehen, auch wenn „Borussia“ die latinisierte Bezeichnung für Preußen ist.[7]

In Dortmund war damals der wohl erfolgrechste Verein der Dortmunder FC 95. Erst in den 30ern feierte Borussia Dortmund seine ersten Erfolge.

Also hatten vereine mit dem Beinahmen Borussia oder Preußen nicht immer die besseren Karten.
 
Schüler und Jugendliche sollen ja manchmal rebellisch und provokativ sein. :devil: Aber ganz ohne Hilfe von Lehrern dürfte die Gründung wohl nicht vonstatten gegangen sein.
Der Münsteraner Namen wurde geändert, aber "Preußen" blieb als Bestandteil erhalten. Irgendwie passt das halt nicht zum evangelisch-katholischen Kultur"kampf".

Das mit dem Dortmunder Bier ist dann schon glaubhafter. :rofl:
Ich denke vor allem die junge Generation um 1900 war vom preußisch-deutschen Patriotismus deutlich mehr angezogen als von Selbstständigkeitsbestrebungen.

Okay, aber warum dann nicht "Germania" oder sowas.
Dieser Patriotismus bezog sich doch wohl eher auf Deutschland und nicht auf Preußen. Oder hat man Preußen überall als Wegbereiter der Einheit gesehen?
 
Okay, aber warum dann nicht "Germania" oder sowas.
Dieser Patriotismus bezog sich doch wohl eher auf Deutschland und nicht auf Preußen. Oder hat man Preußen überall als Wegbereiter der Einheit gesehen?

Die Frage kann man so einfach nicht beantworten. Es ist natürlich immer die Frage wie man das Kaiserreich bewertete. In Süddeutschland gab es noch lange Zeit (und gibt es noch heute) Ressentiments gegen den Norddeutschen "Preußen". In Norddeutschland, außerhalb von Hannover (Provinz/Königreich, nicht Stadt) wird man wohl durchaus mit einiger Bewunderung auf die Person Bismarck und die Einigung geschaut haben.

Warum nicht Germania? Es kann sein, dass Germania in der damaligen Zeit schon "besetzt" war, man darf nicht vergessen, dass die Gründung von Fußballvereinen damals inflationär anstieg. Ich denke ohne vernünftige Quellen können wir darüber eh nur spekulieren.
 
Bedenken sollte man, dass in der ersten Hälfte des 19. Jhdts. die Turnerei als staatsfeindlich eingestuft war. Das wirkte noch lange nach, auch auf den Sport, der ja nicht ganz dasselbe ist. Es wurde daher eine gewisse Notwendigkeit gesehen, sich patriotisch zu geben - abgesehen davon, dass es viele auch tatsächlich waren. Es gibt nicht nur "nationalen", sondern auch Regional- und Lokalpatriotismus. Der Münchner Verein heißt ja auch "Bayern".

Vor langer Zeit wurde hier einmal gefragt, warum der Aachener Verein Alemannia heißt (obwohl man dort eigentlich eher nichts mit den Alemannen zu tun hat). Die "amtliche" Auskunft des Vereins war sinngemäß, der Kaiser habe das angeordnet.
 
Heutzutage gelten die Vereinsmeier ja eher alss Stützen der Gesellschaft. Dass solche "Zusammenrottungen" von der Obrigkeit nicht immer so positiv gesehen wurden, kann man daran erkennen, dass es einen extra Artikel dafür im Grundgesetz gibt.
Vereinigungsfreiheit ? Wikipedia
 
"Alles für den Dackel, alles für`n Verein."
Nein im Ernst, viele können sich das heute nicht mehr vorstellen, daß die Vereinsfreiheit ein hohes Gut ist. In der DDR-Verfassung stand bezeichnenderweise nichts darüber. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie die einzelnen Interessengruppen dort gelitten haben, im sogenannten Kulturbund gedeckelt zu werden, aber eine andere Möglichkeit gab es nicht. Dass es zwischen Numismatikern, Modelleisenbahnern und Ornithologen etc. pp. null Berührungspunkte gab, war anscheinend für die Führung nicht von Belang.
 
Schüler und Jugendliche sollen ja manchmal rebellisch und provokativ sein. Aber ganz ohne Hilfe von Lehrern dürfte die Gründung wohl nicht vonstatten gegangen sein.
Guter Gedanke...und die Lehrer waren preußische Beamte, und die Schulämter und Direktorenposten waren vermutlich stramm preußisch besetzt..und schon haben wir den Frost und die Rüben stecken noch ,wie mein Opa immer zu sagen pflegte ;) :D
Möglicherweise lief das aber auch ,wie heute bei mancher Stadionbenennung -wer die Kohle gab hatte auch Einfluß auf den Namen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Münster und Umgebung wurden ja erst relativ spät (1815) preußisch und ein Großteil der (katholischen) Bevölkerung war gegen eine preußische Herrschaft.
Bei Archivrecherchen stolperte ich mal über einen Fall eines Münsteraner Studenten, der vom Gericht der Academie Münster zu drei Tagen Karzer verknackt wurde, weil er zweimal von der Polizei aufgegriffen worden war, weil er singend durchs nachtschlafende Münster gezogen war „Vivat Republik! Bald sind wir die Preußen quitt!“. Das muss so 1848 gewesen sein.

Vor langer Zeit wurde hier einmal gefragt, warum der Aachener Verein Alemannia heißt (obwohl man dort eigentlich eher nichts mit den Alemannen zu tun hat). Die "amtliche" Auskunft des Vereins war sinngemäß, der Kaiser habe das angeordnet.
Oder es wahr einfach die Alliteration wie bei Ajax Amsterdam, Lokomotive Leipzig oder Dynamo Dresden.
 
Oder es war einfach die Alliteration wie bei Ajax Amsterdam, Lokomotive Leipzig oder Dynamo Dresden.
So richtig überzeugen mich die Beispiele nicht.

DYNAMO war einfach der Name für Sportvereine der inneren Sicherheitsorgane der DDR. Die gab es haufenweise über die ganze DDR verteilt.
Das Bayern München der DDR hieß "Dynamo Berlin". Da haut es mit Alliteration schon nicht mehr hin.
Lok Leipzig war der Sportverein eines Lokomotiven-Werkes. Das ist dann wie bei Stahl Riesa der Fall, der zu einem Stahlwerk gehörte. Der zweite große Club aus Leipzig hieß Chemie Leipzig. Für die Alliteration wäre es besser gewesen, der hätte in Chemnitz gespielt. Chemie Chemnitz hätte ja was gehabt. Leider haben die ja die Stadt in Korl-Morx-Stodt umgetauft, die Stadt mit den drei O. Deswegen konnte Chemie nicht dorthin umziehen (Scherz)
 
Dortmund und Gladbach wurden auch 1815 preussisch und haben ihren Fußballvereinen das Attribut Preußen gegeben. Das hätte man sicher nicht gemacht, wenn es eine allgemeine Ablehnung gegenüber Preußen gegeben hätte. Ich denke mal, dass das fast 100 Jahre nach der "Einverleibung" kein Problem mehr war.

Preußen Münster war bei seiner Grünung ein Schülerclub. Die Gründer werden damals keine 20 Jahre alt gewesen sein, ich denke in diesem Alter spielen Kulturkampf und Anexion weniger eine Rolle, als Berwunderung. Man darf nicht vergessen, dass Preußen für die deutsche Einheit maßgeblich war und das preußische wohl als Stärke, Disziplin und Macht verklärt wurde. Ich denke vor allem die junge Generation um 1900 war vom preußisch-deutschen Patriotismus deutlich mehr angezogen als von Selbstständigkeitsbestrebungen.

Der Münsteraner Namen wurde geändert, aber "Preußen" blieb als Bestandteil erhalten. Irgendwie passt das halt nicht zum evangelisch-katholischen Kultur"kampf".

Ich möchte zu bedenken geben, dass Münster eine Garnisonsstadt und Verwaltungsmetropole war bzw. ist. Also viele Soldaten und Beamte. Nach dem Neubau der Kasernen 1860 sollen Militärs etwa 12 % der Einwohnerschaft Münsters ausgemacht haben, hinzu kamen die Beamten.
Anfangs waren die Preußen unbeliebt, klar, waren die Soldaten doch bei Bürgern privat einquartiert, aber mit dem Bau von der Kasernen wurden die Soldaten zum Wirtschaftsfaktor, ebenso die Beamten. Dass sich da in der Garnisons- und Beamtenstadt ein postivieres Preußenbilde entwickelte, sollte nicht wundern. It's the economy, stupid. (Der Satz könnte von Karl Marx stammen, stammt de facto aber von Bill Clinton.)
 
Der Münsteraner Namen wurde geändert, aber "Preußen" blieb als Bestandteil erhalten. Irgendwie passt das halt nicht zum evangelisch-katholischen Kultur"kampf".

Der Kulturkampf hatte doch aber in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts, als der Verein gegründet wurde, seine Konjunkturen längst hinter sich und wenn die Gründer des Vereins Gymnasiasten und damit noch keine 20 Jahre alt waren, dann hatten sie auch kaum Gelegenheit das noch bewusst zu erleben, denn dann wären sie, so überhaupt schon vorhanden noch Kleinkinder gewesen, als Bismarck diese Politik aufgeben musste und kurz danach in den Ruhestand geschickt wurde.

Außerdem, gerade was denn Katholizismus angeht, wäre, denke ich auch fraglich, welches regionale Geschichtsbild man da in Münster hatte.
Die regionalspezifische Episode des Münsteraner Täuferreichs und dessen gewaltsame Zerschlagung durch Münsteraner Fürstbischof konnte ja durchaus als Aufhänger dafür dienen, die vorherige Landesherrschaft der Katholischen Bischöfe durchaus auch als unterdrückerisch wahrzunehmen und dieser nicht allzu sehr nachzutrauern.
 
Außerdem, gerade was denn Katholizismus angeht, wäre, denke ich auch fraglich, welches regionale Geschichtsbild man da in Münster hatte.
Die regionalspezifische Episode des Münsteraner Täuferreichs und dessen gewaltsame Zerschlagung durch Münsteraner Fürstbischof konnte ja durchaus als Aufhänger dafür dienen, die vorherige Landesherrschaft der Katholischen Bischöfe durchaus auch als unterdrückerisch wahrzunehmen und dieser nicht allzu sehr nachzutrauern.
Eine positive Umdeutung der Wiedertäufer hat erst ganz allmählich im 20. Jhdt. eingesetzt.
 
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