Das Paradies in der mittelalterlichen Vorstellungswelt ?

Anselm

Aktives Mitglied
Liebes Forum,

auch wenn meine Anwesenheit letzten Endes etwas nachgelassen hat (Filmzitat!), wende ich mich heute doch wieder mit einer Frage an die erlauchte Runde.

Beim Googeln nach (ja, wonach eigentlich?) vertippte ich mich, so dass ich auf gog und magog stieß. Dann landete ich beim entsprechenden Wikipediaartikel, dessen folgender Absatz mich verwundert:

Im Mittelalter führten auch die Skandinavier ihre Abstammung auf Magog zurück, der schließlich im Norden wohnte. Da er Vorderasien sehr früh verlassen hatte, war seine Sprache der Sprache des Paradieses (Ursprache) noch sehr ähnlich. Nach der Gesta Hungarorum war Magog Fürst von Skythien und der Stammvater der Ungarn.

Ich habe mal irgendwo eine Phoenix-Doku gesehen, die darlegte, warum die historische Vorlage des Paradieses im Nordiran läge.

Aber vermuteten das auch die mittelalterlichen Menschen? Wohl kaum, oder? War das Paradies nicht vielmehr ein entrückter Ort im Jenseits?

Beste Grüße!
 
Das Paradies ist in der mittelalterlichen Vorstellungswelt ein irdischer Ort. Aus dem Paradies entspringen vier Flüsse, u.a. Euphrat und Tigris, die das Zweistromland bildeten und bekannt waren. Das paradies verortete man allerdings ganz im Osten der Welt, auf den orientierten mittelalterlichen Radkarten ganz oben.
Hier eine schlichte, schematische Radkarte. Schönere Darstellungen findest du im Beatus von Liébana, in der Ebstorfer Weltkarte in der Karte des Hereford Psalter und anderswo. Selbst in den spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Karten, die das O-T-Schema eigentlich schon aufgegeben haben, findet man hin und wieder noch die Darstellung des Paradieses im Osten, etwa auf Portolanen.

Die Gog und Magog allerdings waren in der mittelalterlichen Vorstellungswelt Völker, die von Alexander dem Großen im Kaukasus eingeschlossen worden waren und die zum Ende der Zeiten (nach der Johannes-Apokalypse) das Ende der Welt einleiten würden. Es kann natürlich sein, dass der nördliche Ort, wo man die Völker Gog und Magog eingeschlossen vermutete, sich im Einzelfall verschoben hat, also vom Kaukasus nach Skandinavien.
Einige gelehrte mittelalterliche Quellen identifizieren die Goten mit den Gog, andere die Mongolen.
 
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Aber wie kommts?

Danke El. Da kommt mir aber gleich eine Folgefrage:

Wie kann es das Ziel der ganzen teleologischen Lebenswelt gewesen sein, nach dem Tod an einen Ort zu gelangen, der doch tatsächlich auf der Erde lag? Oder ging man davon aus, dass das Paradies auf Erden technisch nicht zu erreichen war? Oder vermutete man, das irdische Paradies sei nur geografisch, nicht aber inhaltlich gleich dem, welches man nach dem Tode erreichen würde?
 
Naja, ich verwechselte da nichts, mir war die Existenz eines irdischen Paradieses schlicht neu. Sehr interessant. Danke!!
 
Es gibt kein himmlisches Paradies oder ähnliches. Es werden lediglich zwei Konzepte durcheinander geworfen:

Das Paradies (oder auch der Garten Eden) ist der Ort, den Adam und Eva verlassen mussten als sie Gott erzürnt hatten. Dieser Ort musste also, irgendwo auf der Erde liegen, oder zumindest auf gewisse Weise erreichbar sein. Von diesem Ort wurde die Menschheit auf ewigkeit verbannt, dorthin ist also kein Zurückkehren, auch nicht nach dem Tod.

Der Himmel hingegen ist der Ort der Glückseligkeit bei und mit Gott und Jesus. Diese beiden Orte können rein theologisch gar nicht gleich sein, denn sonst wäre die Verbannung von Adam und Eva aus dem Paradies ja nicht ewig.
 
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